L 5 KR 2981/11

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 7 KR 527/09
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 KR 2981/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 12.05.2011 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst tragen.

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren endgültig auf 8.132,69 EUR festgesetzt.

Tatbestand:

Die Klägerin wendet sich gegen die Nachforderung von Beiträgen zur Sozialversicherung in Höhe von 8.132,69 EUR (einschließlich Säumniszuschläge i.H.v. 3.084,50 EUR) für die private Pkw-Nutzung des beigeladenen Geschäftsführers der Klägerin (Beigeladener Ziff. 1) als Lohnbestandteil.

Am 20.01.2003 führte das Finanzamt K.-Stadt bei der Klägerin eine Lohnsteuer-Außenprüfung für den Prüfzeitraum Januar 2000 bis Dezember 2002 durch. Im Prüfbericht vom 22.01.2003 wurde festgestellt, dass dem Beigeladenen Ziff. 1 ab März 2000 ein Betriebs-Pkw auch zur privaten Nutzung zur Verfügung gestanden habe. Eine Lohnversteuerung des geldwerten Vorteils sei bisher nicht erfolgt. Im Prüfzeitraum sei keine lohnsteuerliche Auswirkung entstanden, künftig sei der geldwerte Vorteil dem monatlichen Lohn zuzuschlagen. Für das Jahr 2000 wurde ein sonstiger Bezug i.H.v. 5.000,- DM als steuerpflichtig angenommen, für das Jahr 2001 i.H.v. 6.000,- DM, für 2002 i.H.v. 3.060,- EUR.

In der Folge führte die Klägerin für den Beigeladenen Ziff. 1 ab 01.01.2004 Beiträge für die private Pkw-Nutzung ab. Eine Betriebsprüfung der Beklagten in der Zeit vom 24.03.2004 bis 26.03.2004 für den Prüfzeitraum 01.01.2000 bis 31.12.2003 hatte lediglich zum Ergebnis, dass mit Bescheid der Beklagten vom 10.05.2004 eine Umlage von 93,62 EUR nachgefordert wurde. Weitere Feststellungen wurden nicht getroffen. In dem Bescheid war festgehalten, dass eine Lohnsteueraußenprüfung im Prüfzeitraum nicht stattgefunden habe.

Am 12.06.2008 führte die Beklagte bei der Klägerin eine Betriebsprüfung für den Zeitraum vom 01.01.2004 bis 31.12.2007 durch. Mit Bescheid vom 12.08.2008 setzte sie die streitgegenständliche Beitragsnachforderung gegen die Klägerin in Höhe von 8.132,69 EUR (darin enthalten 3.084,50 EUR Säumniszuschläge) fest. Die Auswertung des nunmehr vorgelegten Lohnsteuerprüfberichts vom 20.01.2003 habe ergeben, dass die Kfz-Nutzung des Beigeladenen Ziff. 1 bereits ab dem 01.03.2000 bis zum 31.12.2003 als geldwerter Vorteil der Beitragspflicht zur Sozialversicherung unterlegen habe. Dieser Lohnsteuerprüfbericht habe bei der vorherigen Betriebsprüfung nicht vorgelegen. Dies folge aus dem im Bescheid vom 10.05.2004 enthaltenen ausdrücklichen Vermerk, dass eine Lohnsteueraußenprüfung im Prüfzeitraum nicht stattgefunden habe. Ansprüche auf vorsätzlich vorenthaltene Beiträge würden in 30 Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie fällig geworden seien, verjähren (§ 25 Abs. 1 Satz 2 SGB IV). Aufgrund der nicht ermöglichten Auswertung der vorherigen Lohnsteueraußenprüfung seien die Beiträge und Umlagen rückwirkend für die Zeit ab dem Jahr 2000 noch zu berechnen.

Die Klägerin legte Widerspruch ein und trug zur Begründung vor, es sei nicht nachvollziehbar, dass der Lohnsteuerprüfbericht bei der Betriebsprüfung 2004 nicht vorgelegt worden sein sollte. In der Kanzlei des Steuerberaters gelte generell die Anweisung, dass bei Prüfungen der DRV sämtliche zur Prüfung notwendigen Unterlagen einschließlich der Lohnsteuerprüfungsberichte vorzulegen seien. Aus dem Textbaustein des Bescheids vom 10.05.2004 ergebe sich nicht, dass der Bescheid damals tatsächlich nicht vorgelegt worden sei. Vielmehr könne sie mittels eines handschriftlichen Aktenvermerks nachweisen, dass der Lohnsteuerprüfbericht vorgelegt worden sei. Es müsse ein Versehen des Prüfers vorliegen. Das Problem der Nachversteuerung der Kfz-Nutzung sei auch in der Schlussbesprechung nicht erwähnt worden. Daher könne kein Vorsatz unterstellt werden, wogegen man sich entschieden verwahre. Es greife die normale Verjährungsfrist von vier Jahren nach § 25 Abs. 1 SGB IV.

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 14.01.2009 zurück. Die Finanzbehörde habe bei der Prüfung im Januar 2003 einen geldwerten Vorteil aufgrund der privaten Nutzung eines Firmenfahrzeuges durch den Geschäftsführer festgestellt. Dieser Bescheid sei sozialversicherungsrechtlich nicht ordnungsgemäß ausgewertet worden. Für die Verjährung sei daher die 30-jährige Verjährungsfrist nach § 25 Abs. 1 S. 2 SGB IV maßgebend. Nach der Rechtsprechung des BSG reiche es für die Annahme der 30-jährigen Verjährung aus, wenn der Zahlungspflichtige die Beiträge mit bedingtem Vorsatz vorenthalten habe, er seine Beitragspflicht nur für möglich gehalten habe, die Nichtabführung der Beiträge aber billigend in Kauf genommen habe. Für Vorsatz spreche, wenn es sich um ein typisches Arbeitsentgelt bzw. eine verbreitete Nebenleistung handele. Vorsatz liege auch dann nahe, wenn zwischen der steuerrechtlichen und beitragsrechtlichen Behandlung des zu beurteilenden Arbeitsentgelts eine bekannte oder ohne weiteres erkennbare Übereinstimmung bestehe. Bei der Überlassung eines Firmenfahrzeugs zur privaten Nutzung handele es sich objektiv gesehen um eine weit verbreitete Nebenleistung zum Arbeitsentgelt. Die Klägerin sei bei der Steuerprüfung durch einen Steuerberater betreut worden, der in Auswertung des Steuerbescheides den geldwerten Vorteil aus der Kfz-Nutzung ab dem Jahr 2004 sozialversicherungsrechtlich umgesetzt habe. Für die Zeit davor sei zumindest billigend in Kauf genommen worden, dass Sozialversicherungsbeiträge nicht abgeführt würden. Damit komme die 30-jährige Verjährung zur Anwendung. Es sei Pflicht des Arbeitgebers, Lohnsteuerprüfbescheide sozialversicherungsrechtlich unverzüglich und nicht erst bei der nächsten Betriebsprüfung auszuwerten.

Am 11.02.2009 erhob die Klägerin Klage beim Sozialgericht Karlsruhe. Ein am 09.03.2011 gestellter Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung wurde mit Beschluss des Sozialgerichts Karlsruhe vom 01.04.2009 - S 7 KR 971/09 ER - abgelehnt. Ihre hiergegen gerichtete Beschwerde zum Landessozialgericht nahm die Klägerin zurück (L 11 KR 1718/09 ER-B).

Zur Begründung ihrer Klage machte die Klägerin erneut geltend, die Beitragsforderungen seien verjährt, weil mangels Vorsatzes die 30-jährige Verjährung nicht greife. Der Lohnsteuerprüfungsbericht vom 20.01.2003 habe ein Guthaben ausgewiesen. Der zuständigen Sachbearbeiterin des Steuerbüros sei deshalb nicht klar gewesen, was zu veranlassen sei. Daher liege kein Vorsatz vor. Die Sachbearbeiterin habe schon deswegen nicht bewusst und gewollt Beiträge vorenthalten, weil sie hiervon keinen Vorteil habe. Außerdem liege ein Mitverschulden der Beklagten vor, die den Amtsermittlungsgrundsatz verletzt habe, indem sie den ihr bereits 2004 bei der Betriebsprüfung vorgelegten Lohnsteuerprüfbericht nicht zu diesem Zeitpunkt ausgewertet habe.

In der mündlichen Verhandlung vom 12.05.2011 vor dem Sozialgericht gab der Vertreter der Klägerin an, in seiner Steuerberatungskanzlei sei eine Fachkraft mit lohnsteuerrechtlichen und sozialversicherungsrechtlichen Fragen befasst, eine andere Fachkraft mit ertragssteuerrechtlichen Aspekten. Nach dem Lohnsteuerprüfbericht sei der für Lohnsteuer und Sozialversicherung zuständigen Bearbeiterin gesagt worden, die ertragssteuerrechtliche Seite sei erledigt. Daraus habe sie den Schluss gezogen, dass beitragsrechtliche Konsequenzen nicht zu ziehen seien. Daher könne niemandem Vorsatz unterstellt werden, sondern allenfalls Fahrlässigkeit.

Das Sozialgericht wies die Klage mit Urteil vom 12.05.2011 ab. Die Beklagte habe zu Recht von der Klägerin Beiträge für die Jahre 2000 bis 2003 nacherhoben. Für die Beitragsbemessung in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung sei bei versicherungspflichtig Beschäftigten das Arbeitsentgelt nach § 14 Abs. 1 Satz 1 SGB IV zugrunde zu legen (§ 226 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB V, § 57 Abs. 1 SGB XI, § 162 Nr. 1 SGB VI § 342 SGB III). Zum Arbeitsentgelt zähle auch die Überlassung eines Firmenfahrzeuges zur privaten Nutzung an den Arbeitnehmer als Sachbezug. Die Beitragsforderung sei zum Zeitpunkt des Bescheiderlasses nicht verjährt gewesen. Nach § 25 Abs. 1 Satz 1 SGB IV verjährten Ansprüche auf Beiträge in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie fällig geworden seien. Vorsätzlich vorenthaltene Beiträge verjährten dagegen nach Satz 2 der Vorschrift in 30 Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie fällig geworden seien. Die Beiträge für die Jahre 2000 bis 2003 seien nur dann nicht verjährt, wenn sie vorsätzlich vorenthalten worden seien, da die vierjährige Verjährungsfrist bei Erlass des Nachforderungsbescheides verstrichen gewesen sei. Ob die kurze oder die lange Verjährungsfrist gelte, hänge davon ab, ob der Beitragsschuldner gutgläubig gewesen sei, die Beiträge also nicht vorsätzlich vorenthalten habe, oder ob er bösgläubig gewesen sei, die Beiträge also vorsätzlich vorenthalten habe. Das Verschulden seiner Erfüllungsgehilfen müsse sich der Beitragsschuldner nach § 278 BGB zurechnen lassen. Habe der Beitragsschuldner bei Eintritt der Fälligkeit noch keinen Vorsatz zur Vorenthaltung, laufe zunächst vom folgenden Kalenderjahr an eine vierjährige Verjährungsfrist. Diese verlängere sich jedoch in die 30jährige Verjährungsfrist, wenn der Beitragsschuldner noch vor Ablauf der vierjährigen Verjährungsfrist bösgläubig werde. Es reiche aus, dass die den subjektiven Tatbestand begründenden Umstände innerhalb der kurzen Verjährungsfrist eintreten würden (BSG, Urteil vom 30.03.2000 - B 12 KR 14/99 - m.w.N.). Die anfänglich vorhandene Gutgläubigkeit begründe keinen Vertrauensschutz, wenn nach Fälligkeit, aber noch vor Ablauf der kurzen Verjährungsfrist Vorsatz hinzutrete. Vorsätzliches Vorenthalten von Beiträgen im Sinne von § 25 Abs. 1 Satz 2 SGB IV liege auch dann vor, wenn der Schuldner von seiner bereits früher entstandenen und fällig gewordenen Beitragsschuld erfahre oder er diese erkenne, die Entrichtung der Beiträge aber dennoch willentlich unterlasse (BSG, a.a.O.). Der Steuerberater der Klägerin habe durch die Lohnsteueraußenprüfung am 20.01.2003 Kenntnis davon erlangt, dass die private Nutzung des Pkw als geldwerter Vorteil der Lohnsteuer unterliege. Dies sei daran zu erkennen, dass er ab 2004 die Entrichtung von Sozialversicherungsbeitragen auf die private Pkw-Nutzung veranlasst habe. Der Umstand, dass nach einer Lohnsteueraußenprüfung und entsprechenden Feststellungen die beitragsrechtliche Behandlung umgestellt werde, lasse darauf schließen, dass für die Vergangenheit mindestens bedingter Vorsatz vorliege (Segebrecht, juris-PK, § 25 SGB IV, Rdnr. 37 m. w. N.). Die Klägerin müsse sich diese Kenntnis gemäß § 278 BGB zurechnen lassen. Für Vorsatz sei das Bewusstsein und der Wille erforderlich, die Abführung der fälligen Beiträge zu unterlassen. Dabei genüge ein bedingter Vorsatz des Beitragsschuldners, der seine Beitragspflicht für möglich gehalten, die Nichtabführung aber billigend in Kauf genommen habe. Vorsatz liege dann nahe, wenn Beiträge für verbreitete Nebenleistungen zum Arbeitsentgelt nicht gezahlt würden und zwischen steuerrechtlicher und beitragsrechtlicher Behandlung eine bekannte oder ohne weiteres erkennbare Übereinstimmung bestehe (BSG, a. a. O.). Vorliegend sei die Beitragsentrichtung von einem Steuerberatungsbüro mit dem dort beschäftigtem Fachpersonal durchgeführt worden. Bei der privaten Kfz-Nutzung als zu versteuerndem und der Beitragspflicht unterliegendem geldwerten Vorteil handele es sich um eine weit verbreitete Nebenleistung bei bekannter Übereinstimmung von steuerrechtlicher und beitragsrechtlicher Behandlung (Segebrecht in: juris-PK Rdnr. 35 zu § 25 SGB IV). Daher liege bedingter Vorsatz in dem Sinne vor, dass seitens des Steuerberaters die Beitragspflicht für möglich gehalten, die Nichtabführung aber billigend in Kauf genommen wurde. Die Beitragspflicht sei nach der Lohnsteuerprüfung am 20.01.2003 bekannt gewesen; da der Steuerberater daraus keine beitragsrechtlichen Konsequenzen gezogen habe, habe er die Nichtabführung billigend in Kauf genommen. Ungeachtet der Spezialisierung der Aufgabenverteilung zwischen den Mitarbeiterinnen gehöre es zu den Grundkenntnissen des Steuer- und Sozialversicherungsrechts beim Fachpersonal eines Steuerberatungsbüros, dass die Lohnsteuerpflicht die Beitragspflicht nach sich ziehe. Deshalb bedeute bereits die Nichtweitergabe des Lohnsteuerprüfberichts an die für Sozialversicherungsbeiträge zuständige Bearbeiterin bzw. die unterlassene Nachfrage, was zu veranlassen sei, ein billigendes Inkaufnehmen der Nichtabführung von Beiträgen. Mangelndes wirtschaftliches Eigeninteresse stehe dem nicht entgegen; schließlich sei es durchaus im Interesse eines Steuerberatungsbüros, Nachzahlungen der Mandanten zu vermeiden. Nicht entscheidungserheblich sei dagegen, ob dem Betriebsprüfer im Jahre 2004 der Lohnsteuerprüfbericht vorgelegt worden sei. Es gebe keinen Vertrauensschutz dahingehend, dass ein in einer vorangegangenen Betriebsprüfung nicht beanstandeter Umstand nicht bei einer späteren Prüfung berücksichtigt und mit Beitragsnachforderungen belegt werden dürfe. Das von der Klägerin behauptete Mitverschulden der Beklagten sei insoweit nicht relevant.

Gegen das ihrem Bevollmächtigten am 18.06.2011 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 15.07.2011 Berufung eingelegt. Zur Begründung wiederholt und vertieft sie ihr Vorbringen aus dem Vorverfahren und dem sozialgerichtlichen Verfahren und beanstandet, das Sozialgericht habe nicht berücksichtigt, dass der Lohnsteuerhaftungsbescheid hier ein Guthaben aufgewiesen habe, so dass die Sachbearbeiterin keine Veranlassung gehabt habe, von einer Nachverbeitragung auszugehen. Bei der zweiten Betriebsprüfung sei der Lohnsteuerprüfbescheid arg- und gutgläubig mit dem Hinweis vorgelegt worden, der Vorprüfer habe diesen schon erhalten. Darauf habe der zweite Prüfer nicht reagiert, so dass erst im Bescheid die Feststellung bedingten Vorsatzes erfolgt sei, ohne dass zuvor Zweifelfragen hätten geklärt werden können.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 12.05.2011 und den Bescheid der Beklagten vom 12.08.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14.01.2009 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend und nimmt zur Begründung auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid Bezug.

Die Beigeladenen haben sich im Verfahren nicht geäußert und keine Anträge gestellt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vortrags der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze sowie auf die Akten der Beklagten, des Sozialgerichts und des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin ist bei einem Nachforderungsbetrag in Höhe von 8.132,69 EUR gem. §§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne Zulassung durch das Sozialgericht statthaft und auch sonst gemäß § 151 SGG zulässig.

Die Berufung ist aber nicht begründet. Der Nachforderungsbescheid der Beklagten vom 12.08.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.01.2009 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Senat teilt die Auffassung des Sozialgerichts, dass im vorliegenden Fall die 30jährige Verjährungsfrist des § 25 Abs. 1 Satz 2 SGB IV zur Anwendung kommt, da der Klägerin zumindest bedingter Vorsatz anzulasten ist. Das Sozialgericht hat dies unter umfassender Darlegung der rechtlichen Voraussetzungen und mit zutreffender Würdigung des Sachverhalts begründet. Der Senat nimmt deshalb auf die Ausführungen in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils Bezug (§ 153 Abs. 2 SGG).

Lediglich ergänzend ist noch Folgendes auszuführen:

Streitig zwischen den Beteiligten ist allein die Frage, ob die Beitragsforderung für den geldwerten Vorteil aus der privaten Nutzung des Firmenfahrzeugs für die Jahre 2000 bis 2003 verjährt ist. Wie auch das Sozialgericht geht der Senat davon aus, dass diese Beitragsforderung nicht verjährt ist; die Forderung unterfällt nicht der vierjährigen, sondern der 30jährigen Verjährungsfrist.

Nach § 25 Abs. 1 Satz 1 SGB IV verjähren Ansprüche auf Beiträge in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie fällig geworden sind. Ansprüche auf vorsätzlich vorenthaltene Beiträge verjähren nach § 25 Abs. 1 Satz 2 SGB IV in 30 Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie fällig geworden sind. Nach § 23 Abs. 1 Satz 2 SGB IV (in der bis zum 31.12.2005 gültigen Fassung) werden Beiträge, die nach dem Arbeitsentgelt oder dem Arbeitseinkommen zu bemessen sind, spätestens am 15. des Monats fällig, der dem Monat folgt, in dem die Beschäftigung oder Tätigkeit, mit der Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen erzielt wird, ausgeübt worden ist oder als ausgeübt gilt. Der Beitrag für Januar 2000 ist damit spätestens am 15.02.2000 fällig gewesen; die vierjährige Verjährungsfrist wäre am 31.12.2004 abgelaufen. Der Beitrag für Dezember 2003 ist spätestens am 15.01.2004 fällig gewesen; die vierjährige Verjährungsfrist wäre am 31.12.2008 abgelaufen.

War der Arbeitgeber zwar bei Fälligkeit der Beiträge gutgläubig, läuft zunächst vom folgenden Kalenderjahr an die vierjährige Verjährungsfrist. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG verlängert sich diese jedoch durch eine rückwirkende Umwandlung in eine 30jährige Verjährungsfrist, wenn der Beitragsschuldner noch vor Ablauf der vierjährigen Verjährungsfrist bösgläubig wird. Es reicht aus, dass die den subjektiven Tatbestand begründenden Umstände innerhalb der kurzen Verjährungsfrist eingetreten sind (BSG, Urteil vom 30.03.2000 - B 12 KR 14/99 R - in Juris m.w.N.; ferner Seewald in Kassler-Kommentar, Sozialversicherungsrecht, § 25 SGB IV Rdnr. 6).

Die Klägerin ist noch vor Ablauf der für die Beiträge der Jahre 2000 bis 2003 maßgeblichen vierjährigen Verjährungsfrist bösgläubig im Sinne eines vorsätzlichen Vorenthaltens der Beiträge geworden. Für Vorsatz sind das Bewusstsein und der Wille erforderlich, die Abführung der fälligen Beiträge zu unterlassen. Es reicht für das Eingreifen der 30jährigen Verjährungsfrist aus, wenn der Schuldner die Beiträge mit bedingtem Vorsatz vorenthalten hat, er also seine Beitragspflicht für möglich gehalten, die Nichtabführung der Beiträge aber billigend in Kauf genommen hat (BSG, Urteil vom 21.06.1990 - 12 RK 13/89 - in Juris; Urteil vom 30.03.2000 - B 12 KR 14/99 R -, a.a.O.). Zum Vorsatz muss das Vorliegen des inneren (subjektiven) Tatbestandes festgestellt, d.h. anhand der konkreten Umstände des Einzelfalles und bezogen auf den betreffenden Beitragsschuldner durch Sachverhaltsaufklärung individuell ermittelt werden (Haupt in Hauck/Heines SGB IV, § 25 Rdnr. 4).

Dass die private Nutzung eine Firmenfahrzeugs einen geldwerten Vorteil darstellt, der als Arbeitsentgelt der Verbeitragung unterliegt, ist - worauf die Beklagte im Widerspruchsbescheid zu Recht abgestellt hat - eine objektiv weit verbreitete Erkenntnis, über die insbesondere auch die fachkundigen Mitarbeiter der von der Klägerin beauftragten Steuerberaterkanzlei verfügt haben. Wenn die Verbeitragung dieses geldwerten Vorteils schon nicht von vorneherein erfolgt ist, dann war den Mitarbeitern des beauftragten Steuerberaters spätestens ab dem Vorliegen des Lohnsteuerprüfberichts vom 22.01.2003 bekannt, dass für die im Einzelnen für die Jahre 2000 bis 2002 bereits ermittelten "sonstigen Bezüge" auch eine Verpflichtung zur Entrichtung von Sozialversicherungsbeiträgen für den Beigeladenen Ziff. 1 bestand. Sie waren deshalb auch von der Beitragspflicht ab dem Jahr 2004 ausgegangen und haben damit eine solche nicht nur für möglich gehalten, sondern davon positiv Kenntnis gehabt. Anhaltspunkte für die Annahme, eine Beitragspflicht sei im konkreten Fall für die vorangegangenen Jahre seit 2000 nicht eingetreten, bestanden allerdings nicht.

Insbesondere haben sich solche nicht daraus ergeben, dass aus dem geldwerten Vorteil für die private PKW-Nutzung für die Vorjahre keine lohnsteuerrechtlichen Auswirkungen folgten. Die Klägerin kann sich insoweit nicht mit dem Vortrag exkulpieren, es sei der Sachbearbeiterin des von ihr beauftragten Steuerberaters nicht erkennbar gewesen, dass eine nachträgliche Verbeitragung auch für die Jahre 2000 bis 2003 zu erfolgen habe, da der Lohnsteuerhaftungsbescheid ein Guthaben ausgewiesen habe. Zwar war in der Anlage 1 zum Prüfbericht vermerkt, dass der geldwerte Vorteil zukünftig dem monatlichen Lohn zuzuschlagen sei. Diese Äußerung bezieht sich aber allein auf die lohnsteuerrechtliche Berücksichtigung der PKW-Nutzung, denn sie steht in unmittelbarem Zusammenhang mit der zuvor vermerkten Feststellung, dass im Prüfzeitraum keine lohnsteuerrechtliche Auswirkung entstehe, so dass auf eine Kontrollmitteilung an das zuständige Finanzamt verzichtet werde. Der Klägerin muss sich auch insoweit entgegen halten lassen, dass vom Steuerberaterbüro in der Folge der Steuerprüfung die Verbeitragung ab dem Jahr 2004 veranlasst worden ist. Damit ist dort sehr wohl erkannt worden, dass dem Beigeladenen Ziff. 1 ein geldwerter Vorteils aus der privaten PKW-Nutzung zugeflossen ist, der als Arbeitsentgelt zu verbeitragen war. Wenn zugleich die rückwirkende Verbeitragung für die Jahre ab 2000 unterlassen wurde, so muss zumindest von einem bedingten Vorsatz für ein pflichtwidriges Unterlassen der Beitragsentrichtung ausgegangen werden. Denn wenn von der Steuerberaterkanzlei bei dieser Sachlage Abstand von der rückwirkenden Entrichtung von Beiträgen genommen wurde, haben die für die Klägerin handelnden Steuerberater es darauf ankommen lassen, dass sich die Nichtentrichtung der Beiträge als rechtswidrig herausstellen würde. Die Nichtzahlung von Beiträgen war ihnen wichtiger als die Einhaltung des Beitragsrechtes, die Beitragszahlung unterblieb gerade auch für den Fall, dass sich dies als rechtswidrig herausstellen würde. Darin liegt ein Handeln mit bedingtem Vorsatz, das sich die Klägerin zurechnen lassen muss (so auch LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 15.09.2010 - L 3 324/08 - in Juris).

Hält man sich darüber hinaus vor Augen, dass die Beiträge für die Zeit zwischen dem 01.03.2000 und dem 31.12.2003 nicht abgeführt wurden, dass nach der Lohnsteuerprüfung vom 20.01.2003 erst ab 01.01.2004 Beiträge entrichtet worden sind und geht man entsprechend den Angaben im Bescheid vom 10.05.2004 davon aus, dass bei der Betriebsprüfung im März 2004 der Prüfbericht des Finanzamts vom 22.01.2003 nicht vorgelegt wurde, so spricht viel dafür, dass die Nichtvorlage des Prüfberichts des Finanzamts im März 2004 dazu diente, die vorherige Nichtabführung von Beiträgen zu verdecken. Das dargelegte Verhalten lässt dann sogar den Schluss zu, dass die Beiträge nicht nur mit Eventualvorsatz nicht abgeführt wurden, sondern mit voller Absicht.

Da somit ab dem Vorliegen des Lohnsteuerprüfberichts vom 22.01.2003 von einer Bösgläubigkeit der Klägerin auszugehen ist, kommt die besondere 30-jährige Verjährungsfrist nach § 25 Abs. 1 Satz 2 SGB IV zum Tragen mit der Folge, dass die Beitragsforderungen für die Jahre 2000 bis 2003 noch nicht verjährt waren, als die Beklagte sie mit dem angefochtenen Bescheid festgesetzt hat.

Auch die insoweit beanstandungslos gebliebene Durchführung der Betriebsprüfung im Jahr 2004 kann die Klägerin nicht entlasten. Weder ist dadurch der Vorsatz der Klägerin entfallen, noch kann sich die Klägerin auf ein daraus entstandenes Vertrauen berufen. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG können durchgeführte Betriebsprüfungen keinen Vertrauenstatbestand schaffen. Betriebsprüfungen haben eine Kontrollfunktion im Hinblick auf die ordnungsgemäße Entrichtung von Sozialversicherungsbeiträgen. Sie bezwecken hingegen nicht, den Arbeitgeber als Beitragsschuldner zu schützen. Allein aufgrund des stichprobenartigen Charakters einer Betriebsprüfung ist es ausgeschlossen, dieser eine Wirkung dahingehend beizumessen, dass der Arbeitgeber sich darauf verlassen kann, es werde zur Nachforderung für bereits geprüfte Zeiträume nicht kommen (BSG, Urteil vom 30.11.1978 - 12 RK 6/76 - in Juris). Zudem hatte die Klägerin schon deshalb keine Veranlassung, auf den Prüfbescheid vom 10.05.2004 zu vertrauen, weil in diesem ausdrücklich darauf hingewiesen worden war, eine Lohnsteuerprüfung habe im Prüfzeitraum nicht stattgefunden. Dieser Vermerk lässt jedenfalls den Schluss zu, dass der Prüfbericht der Finanzverwaltung vom 22.01.2003 nicht ausgewertet worden ist. Die Klägerin konnte deshalb nicht davon ausgehen, dass es nach Kenntnis der Prüfung durch das Finanzamt nicht noch zu rückwirkenden Beanstandungen durch die Beklagte kommen werde. Auf das von der Klägerin behauptete Verschulden der Beklagten kommt es damit nicht an.

Die Berechnung der nachgeforderten Sozialversicherungsbeiträge und der Säumniszuschläge hat die Klägerin nicht beanstandet.

Nach alledem konnte die Berufung keinen Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m. §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 Verwaltungsgerichtsordnung. Es entspricht nicht der Billigkeit, der Klägerin auch die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen aufzuerlegen, da diese (insbesondere) keine Sachanträge gestellt und damit kein Prozessrisiko übernommen haben.

Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 52 Abs. 1 und 3 GKG.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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