Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 8 U 262/95
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 2 U 368/00
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 25.05.2000 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der am 1958 geborene Kläger beantragte am 24.11.1994 die Anerkennung einer Berufskrankheit. Er habe 1993 einen Bandscheibenvorfall erlitten und könne seinen Beruf als Schreiner nicht mehr ausüben. Wirbelsäulenbeschwerden habe er seit 1981.
Der Kläger gab an, er habe von 1973 bis 1976 eine Schreinerlehre absolviert, danach von 1976 bis 1978 und im Anschluss an die Bundeswehrzeit von 1979 bis 1990 als Schreinergeselle gearbeitet. Von 1990 bis 1993 sei er wegen Erziehungsurlaub bzw. Arbeitslosigkeit nicht erwerbstätig gewesen. 1994 habe er an einer Fortbildung teilgenommen, seit 1995 sei er als Lagerhelfer beschäftigt.
Der Orthopäde Dr.K. gab im Befundbericht vom 21.02.1995 (14) an, der akute Beschwerdezustand habe sich seit 1993 verbessert, der Patient klage aber noch über intermittierende rechtsseitige Ischialgien. Außerdem bestünden gelegentliche Beschwerden an der Halswirbelsäule mit Ausstrahlung in den linken Arm und eine Beinverkürzung links mit statischer Skoliose. Im MRT vom 14.04.1993 zeigte sich ein Bandscheibenvorfall im Segment LWK 5/Übergangswirbel. Der Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr.F. führte im Schreiben vom 29.04.1993 aus, der Kläger sei wegen einer Stauballergie seit zwei Jahren arbeitslos. Es bestehe eine Lumboischialgie bei Bandscheibenvorfall.
Der technische Aufsichtsbeamte der Beklagten erklärte am 12.05. 1995, die Tätigkeit des Schreiners sei nicht als gefährdend im Sinne der BK 2108 einzuschätzen.
Mit Bescheid vom 16.05.1995 lehnte die Beklagte die Gewährung von Leistungen wegen einer Berufskrankheit bzw. wegen einer drohenden Berufskrankheit ab. Da der Kläger am Stichtag, dem 01.04.1988, als Schreiner keine wirbelsäulengefährdendende Tätigkeit ausgeübt habe, sei ein Anspruch aus formalrechtlichen Gründen (Art.2 Abs.2 der 2. Verordnung zur Änderung der BKV vom 18.12.1992) nicht gegeben.
Der Kläger wandte mit Widerspruch vom 12.06.1995 ein, im Schreinerberuf sei es unerlässlich, schwere Gegenstände von mehr als 15 Kilogramm zu heben; dadurch sei es zu der Bandscheibenerkrankung gekommen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 04.08.1995 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Bei Schreinerarbeiten seien in wechselndem Umfang auch Transportarbeiten zu verrichten. Die Häufigkeit dieser Hebe- und Tragevorgänge sei aber gering. Nach der erstmaligen Zuschnittbearbeitung hätten die Werkstücke nurmehr ein Gewicht von 2 bis 20 Kilogramm, der Rumpfbeugewinkel überschreite 30 Grad nur selten. Schwerere Gegenstände würden in der Regel von zwei Personen getragen. Die arbeitstechnischen Voraussetzungen für die Anerkennung einer Berufskrankheit nach Ziffer 2108/2109 der Anlage zur BKV lägen daher nicht vor.
Der Kläger hat zur Begründung der Klage geltend gemacht, es sei typisch für den Schreinerberuf, dass Rohmaterialien mit Gewichten zwischen 5 und 100 Kilogramm zu tragen seien. Schwere Gegenstände seien nicht regelmäßig zu zweit getragen worden.
Der technische Aufsichtdienst der Beklagten hat eine Arbeitsplatzanalyse vom 13.11.1996 erstellt, nach der der Kläger während den Tätigkeiten als Schreiner einer Gesamtbelastungsdosis von 5,0 x 1010 Ns ausgesetzt war. Damit sei die kritische Gesamtbelastungsdosis von 6.0 x 1010 Ns nicht erreicht worden. Allerdings seien nach den Angaben des Klägers während der Tätigkeit bei der Firma O. (1973 bis 1981 mit Unterbrechung) in wesentlichem Umfang Transportaufgaben durchzuführen gewesen. Daher werde davon ausgegangen, dass hier eine belastende Tätigkeit vorgelegen habe.
Nach Beiziehung von ärztlichen Berichten des Dr.V. , Dr.K. und Dr.F. hat das Sozialgericht (SG) den Orthopäden Dr.W. zum ärztlichen Sachverständigen ernannt. Im Gutachten vom 01.07.1997 hat Dr.W. zusammenfassend ausgeführt, der Beruf des Schreiners sei zwar körperlich anstrengend, jedoch nicht in besonderer Weise wirbelsäulenbelastend. Die lumbosacrale Übergangsstörung sei eine angeborene Fehlbildung, die relativ häufig vorkomme. Es handle sich um eine prädiskotische Deformität, durch die die Bandscheiben einem frühzeitigen Verschleiß unterlägen, der durch die erhebliche Fehlstatik, die durch die verstärkte BWS-Kyphose mit kompensatorischer Hyperlordose im unteren LWS-Bereich begründet sei, begünstigt werde. Von außen einwirkende Kräfte führten vor allem zu Belastungen im Bereich des dorsolumbalen Übergangs, an dem keine wesentlichen degenerativen Veränderungen bestünden. Die deutlichen degenerativen Veränderungen im Bereich der Halswirbelsäule zeigten, dass von einer schicksalhaften Neigung zu Verschleißprozessen auszugehen sei. Die Wirbelsäulenfehlstatik, die lumbosacrale Übergangsstörung mit degenerativen Veränderungen der Zwischenwirbelräume, die degenerativen Veränderungen im Bereich der Halswirbelsäule, die bandscheibenbedingten Veränderungen bei C 4/5 und C 5/6 sowie an der Lendenwirbelsäule oberhalb und unterhalb des Übergangswirbels stünden nicht in ursächlichem Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit des Klägers. Aus medizinischer Sicht seien die Voraussetzungen gemäß § 3 BKV nicht gegeben. Es sei nicht davon auszugehen, dass bei einer Fortsetzung des Berufs in einem überschaubaren Zeitraum die Entwicklung einer Berufskrankheit drohen würde.
Der auf Antrag des Klägers gemäß § 109 SGG zum ärztlichen Sachverständigen ernannte Orthopäde Prof.Dr.G. hat im Gutachten vom 25.11.1997 erklärt, es sei unstreitig, dass beim Kläger eine anlagebedingte Fehlbildung durch das Vorliegen eines Übergangswirbels sowie eines Beckentiefstandes bestehe. Dadurch komme es zu einer Fehlstatik. Sie sei aber nicht als so erheblich anzusehen wie von Dr.W. ausgeführt. Es handle sich aber um eine prädiskotische Deformität, d.h. ein vorzeitiger Verschleiß sei möglich. Die beruflichen Belastungen hätten also eine weniger belastbare Wirbelsäule getroffen. Auch die Hyperlordose und der Zustand nach Morbus Scheuermann seien nicht so ausgeprägt vorhanden, dass sie als Ursache des jetzigen Zustandes in Frage kämen. Beim Kläger bestünden eine bandscheibenbedingte Ischialgie durch Bandscheibenvorfall L 5/L 6, eine Degeneration der Bandscheiben L 3 und L 4/5 bei lumbosacraler Übergangsstörung und geringfügiger Wirbelsäulenfehlstatik sowie eine Zervikobrachialgie links bei Abnützungen C 4/5 und C 5/6. Die Erkrankungen im Bereich der Lendenwirbelsäule sowie die Zervikobrachialgie seien als bandscheibenbedingte Erkrankungen zu bezeichnen. Die Lumboischialgie sei mit Wahrscheinlichkeit durch die Tätigkeit als Schreiner verursacht, nicht dagegen die Gesundheitsstörung der Halswirbelsäule. Die MdE betrage 20 v.H.
Hierzu hat Dr.W. in der Stellungnahme vom 07.02.2000 ausgeführt, dem Gutachten von Prof.Dr.G. könne nicht gefolgt werden. Beim Kläger lägen angeborene und erworbene Wirbelsäulenveränderungen vor, die das Auftreten von bandscheibenbedingten Erkrankungen in erheblicher Weise begünstigten. Auch die Tatsache, dass an der Halswirbelsäule, die keinen beruflichen Belastungen ausgesetzt gewesen sei, ähnlich schwerwiegende Veränderungen bestünden, weise auf eine individuelle Krankheitsbereitschaft hin.
Mit Urteil vom 25.05.2000 hat das SG die Klage abgewiesen. Da der Kläger nach wie vor als Lagerhelfer tätig sei, sei das Tatbestandsmerkmal der Aufgabe der gefährdenden Tätigkeit nicht erfüllt, denn nach Auffassung des Gerichts seien Tätigkeiten als Lagerhelfer mit dem Heben und Tragen von Lasten von wenigstens mehr als zehn Kilogramm verbunden. Im Übrigen lägen weder die arbeitstechnischen noch die medizinischen Voraussetzungen für die Anerkennung einer Berufskrankheit nach Nr.2108 der Anlage zur BKV vor. Nach der von der Beklagten vorgelegten Berechnung der Gesamtbelastungsdosis werde die kritische Dosis nicht erreicht. Weiter habe der ärztliche Sachverständige Dr.W. überzeugend dargelegt, dass die Wirbelsäulenveränderungen des Klägers ihre Ursache nicht in der beruflichen Tätigkeit hätten. Es sei auch nicht anzunehmen, dass bei Fortführung der Schreinertätigkeit in einem überschaubaren Zeitraum eine Berufskrankheit drohen würde. Daher seien auch die Voraussetzungen für Leistungen gemäß § 3 BKV nicht gegeben.
Zur Begründung der Berufung vom 30.08.2000 führt der Kläger aus, die Auffassung des SG, die Tätigkeit als Lagerhelfer sei mit dem Heben und Tragen von Lasten von mehr als zehn Kilogramm verbunden, treffe im vorliegenden Fall nicht zu. Prof.Dr.G. habe den Ursachenzusammenhang zwischen Schreinertätigkeit und Berufskrankheit überzeugend dargelegt. Zumindest seien die Voraussetzungen für Leistungen nach § 3 BKV gegeben.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des SG vom 25.05.2000 sowie den Bescheid vom 16.05.1995 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.08. 1995 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm unter Anerkennung der bandscheibenbedingten Erkrankung der Lendenwirbelsäule als Berufskrankheit die gesetzlichen Leistungen zu gewähren. Hilfsweise beantragt er, ein weiteres ärztliches Gutachten von Amts wegen einzuholen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
Zur Ergänzung des Tatbestandes ist auf den wesentlichen Inhalt der beigezogenen Akte der Beklagten sowie der Klage- und Berufungsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, sachlich aber nicht begründet.
Die Entscheidung richtet sich nach den bis 31.12.1996 geltenden Vorschriften der RVO, da der streitige Versicherungsfall vor dem 01.01.1997 eingetreten ist und über einen daraus resultierenden Leistungsanspruch vor dem 01.01.1997 zu entscheiden gewesen wäre (§§ 212, 214 Abs.3 SGB VII i.V.m. § 580 RVO).
Gemäß § 551 Abs.1 RVO gilt als Arbeitsunfall auch eine Berufskrankheit. Maßgeblich ist seit 01.12.1997 die Berufskrankheitenverordnung (BKV) vom 31.10.1997 (BGBl.I S.26, 23). Als Berufskrankheit kommen grundsätzlich nur solche Erkrankungen in Betracht, die von der Bundesregierung als Berufskrankheiten bezeichnet und in die BKV aufgenommen worden sind (Listenprinzip). Die Krankheit muss durch eine versicherte Tätigkeit verursacht oder wesentlich verschlimmert worden sein, d.h. die Gefährdung durch schädigende Einwirkungen muss ursächlich auf die versicherte Tätigkeit zurückzuführen sein und die Einwirkung muss die Krankheit verursacht haben (vgl. Bereiter-Hahn/Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, § 9 SGB VII Rdnr.3). Alle rechtserheblichen Tatsachen müssen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit vorliegen (vgl. BSGE 45, 285).
Der Kläger begehrt die Feststellung einer Berufskrankheit im Sinne der Nr.2108 der Anlage zur BKV. Hierbei handelte sich um bandscheibenbedingte Erkrankungen der Lendenwirbelsäule durch langjähriges Heben oder Tragen schwerer Lasten oder durch langjährige Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können. Dabei stellt der Kläger auf langjähriges Heben und Tragen schwerer Lasten während der Tätigkeit als Schreiner ab.
Bandscheibenbedingte Erkrankungen der Lendenwirbelsäule haben eine multifaktorielle Ätiologie. Sie sind weit verbreitet und kommen in allen Altersgruppen, sozialen Schichten und Berufsgruppen vor. Unter den beruflichen Einwirkungen, die bandscheibenbedingte Erkrankungen der Lendenwirbelsäule wesentlich mitverursachen oder verschlimmern können, sind fortgesetztes Heben, Tragen und Absetzen schwerer Lasten wichtige Gefahrenquellen (vgl. Bundesarbeitsblatt 3/1993, S.50).
Zu Recht hat es die Beklagte abgelehnt, eine Berufskrankheit anzuerkennen. Der ärztliche Sachverständige Dr.W. hat nach ambulanter Untersuchung des Klägers und unter Berücksichtigung der Aktenunterlagen im Gutachten vom 01.07.1997 und der ergänzenden Stellungnahme vom 07.02.2000 überzeugend ausgeführt, dass die bandscheibenbedingte Lendenwirbelsäulenerkrankung des Klägers nicht mit Wahrscheinlichkeit auf die Berufstätigkeit zurückzuführen ist.
Um einen Zusammenhang zwischen bandscheibenbedingter Erkrankung der Lendenwirbelsäule und Berufsbelastung herstellen zu können, müssen die arbeitstechnischen Bedingungen gegeben sein, es muss der Nachweis einer tatsächlichen bandescheibenbedingten Erkrankung geführt werden können, die bildtechnisch nachweisbaren Veränderungen müssen das altersdurchschnittlich zu erwartende Ausmaß überschreiten, der zeitliche Zusammenhang muss gesichert sein und konkurrierende Verursachungsmöglichkeiten anlagebedingter, statischer, entzündlicher oder unfallbedingter Genese müssen ausgeschlossen sein (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 1998, S.529 ff.).
Die arbeitstechnischen Bedingungen sind, wie der technische Aufsichtsdienst der Beklagten in der überzeugenden Stellungnahme vom 13.11.1996 ausgeführt, nicht gegeben. Die kritische Gesamtbelastungsdosis von 6,0 x 1010 Ns als Lebensdosis ist nicht erfüllt. Unter Zugrundelegung der Angaben des Klägers, dass die Tätigkeit bei der Firma O. zwischen 1973 und 1981 wesentlich durch Transportaufgaben sowohl im Werkstattbereich als auch auf Montage geprägt war, ist davon auszugehen, dass hier eine belastende Tätigkeit vorgelegen hat. Unter Berücksichtigung der Lehrlingszeit zu 2/3 und Abzug der Bundeswehrzeit ergibt sich eine Tätigkeitsdauer von sechs Jahren und eine Belastungsdosis von 3,6 x 1010 Ns. Für die weiteren Tätigkeiten von 1981 bis 1990 ergibt sich eine Belastungsdosis von 1,4 x 1010 Ns. Insgesamt errechnet sich eine Gesamtbelastungsdosis von 5,0 x 1010 Ns, sodass die arbeitstechnischen Bedingungen nicht erfüllt sind.
Aber auch die medizinischen Voraussetzungen für die Anerkennung einer Berufskrankheit im Sinne der Nr.2108 der Anlage zur BKV sind nicht gegeben.
Beim Kläger liegt, wie Dr.W. erläutert, eine bandscheibenbedingte Erkrankung der Lendenwirbelsäule vor. Nachgewiesen ist ein morphologisches Substrat in Form von degenerativen Veränderungen an der Lendenwirbelsäule oberhalb und unterhalb des Übergangswirbels. Bei diesem Befund, nämlich einem Bandscheibenvorfall zwischen L 5 und Übergangswirbel, der durch Kernspintomografie 1993 nachgewiesen wurde, handelte sich um keine alterstypische Erkrankung, sondern der Befund überschreitet das alterdurchschnittlich zu erwartende Ausmaß.
Gesichert ist damit aber nur ein monosegmentaler Befall im letzten Segment der Lendenwirbelsäule. Dies hat auch Prof. Dr.G. bestätigt, allerdings darauf hingewiesen, dass sich degenerative Veränderungen auch in den zwei darüber liegenden Bandscheiben finden. Diese Verschleißerscheinungen sind aber, wie auch Prof.Dr.G. bestätigt, nicht ausgeprägt und von den behandelnden Ärzten, insbesondere im MRT-Befund vom 14.04.1993, nicht für erwähnenswert gehalten worden. In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass Bandscheibenvorwölbungen bei praktisch jedem Menschen ab dem dritten Lebensjahrzehnt nachgewiesen werden können. Hinsichtlich des Befalls im letzten Segment ist zu berücksichtigen, dass exogene Druckbelastungen die gesamte Lendenwirbelsäule einschließlich des Übergangs zur Brustwirbelsäule in von unten nach oben abnehmender Intensität belasten. Insofern wäre also zu erwarten, dass nicht nur ein einziges Segment durch Arbeitsbelastungen geschädigt wird, sondern mehrere Segmente. Daher ist ein Zusammenhang zwischen Berufsbelastung und bandscheibenbedingter Erkrankung umso unwahrscheinlicher, je weniger Segmente betroffen sind und je weiter kaudal die Veränderungen angesiedelt sind, denn gerade im letzten Bewegungssegment der Lendenwirbelsäule manifestieren sich auch bei beruflich nicht exponierten Menschen die Bandscheibenschäden in über 90 % aller Fälle. Dies hängt damit zusammen, dass dieses Segment schon unter physiologischen Bedingungen den stärksten Belastungen ausgesetzt ist, weil hier der Übergang der beweglichen Lendenwirbelsäule in den starren Abschnitt des Kreuzbeines stattfindet (vgl. Schoenberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O., S.509 ff., 529 ff.).
Im Hinblick darauf, dass beim Kläger, wie sowohl Dr.W. als auch Prof.Dr.G. bestätigt haben, erhebliche degenerative Veränderungen auch an der Halswirbelsäule festzustellen sind, ist davon auszugehen, dass sich die Verschleißerscheinungen aus innerer Ursache entwickelt haben.
Hinzukommt, dass, wie Dr.W. und Prof.Dr.G. festgestellt haben, beim Kläger eine Übergangsstörung der unteren Lendenwirbelsäule besteht, d.h. der üblicherweise mit dem Kreuzbeinblock verschmolzene erste Sakralwirbel ist als freier Wirbel ausgebildet und wird als sechster LWK bezeichnet. Dieser Befund ist anlagebedingt, wie beide Gutachter bestätigen, und nicht Folge der Arbeitsbelastung. Zusätzlich finden sich anlagebedingt ein Beckentiefstand rechts und Zeichen eines abgelaufenen Morbus Scheuermann, einer juvenilen Aufbaustörung an der Wirbelsäule, die typischerweise - wie beim Kläger - im oberen LWS- und BWS-Bereich abläuft. Insbesondere die lumbosacrale Übergangsstörung wirkt sich negativ auf die Lendenwirbelsäule aus, denn es handelt sich hierbei um eine prädiskotische Deformität, die dazu führt, dass die Bandscheiben im Bereich eines solchen Übergangswirbels frühzeitig einem Verschleiß unterliegen (vgl. Schoenberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O. S.539). Weiter wird der Verschleiß der Bandscheiben im unteren LWS-Bereich durch die Fehlstatik begünstigt, die durch eine verstärkte BWS-Kyphose mit kompensatorischer Hyperlordose im unteren LWS-Bereich begründet ist. Auch hierdurch wird, so Dr.W. , die Belastung der Bandscheiben im unteren LWS-Bereich verstärkt, sodass sie einem bevorzugten Verschleiß unterliegen.
Im Hinblick darauf, dass die Lokalisation der bandscheibenbedingten Veränderungen nur im letzten Lendenwirbelsäulensegment gegeben ist und konkurrierende Verursachungsmöglichkeiten vorliegen, sind die Voraussetzungen für die Feststellung einer Berufskrankheit im Sinne der Nr.2108 der BKV nicht gegeben. Insofern kann dahingestellt bleiben, ob die gegenwärtig ausgeübte Tätigkeit als Lagerhelfer wirbelsäulenbelastend i.S.d. Nr.2108 ist.
Die Voraussetzungen für vorbeugende Maßnahmen gemäß § 3 BKV sind nicht gegeben, da, so Dr.W. , eine konkret-individuelle Gefahr der Verschlechterung infolge beruflicher Belastungen oder sonstige Risikofaktoren für die Entwicklung einer belastungsbedingten Wirbelsäulenerkrankung nicht vorliegen.
Weitere Ermittlungen von Gerichts wegen waren in Anbetracht des Gutachtens von Dr.W. , der die ärztlichen Befunde und Unterlagen überzeugend darstellt und erläutert, nicht veranlasst.
Die Kostenentscheidung richtet sich nach § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG liegen nicht vor.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der am 1958 geborene Kläger beantragte am 24.11.1994 die Anerkennung einer Berufskrankheit. Er habe 1993 einen Bandscheibenvorfall erlitten und könne seinen Beruf als Schreiner nicht mehr ausüben. Wirbelsäulenbeschwerden habe er seit 1981.
Der Kläger gab an, er habe von 1973 bis 1976 eine Schreinerlehre absolviert, danach von 1976 bis 1978 und im Anschluss an die Bundeswehrzeit von 1979 bis 1990 als Schreinergeselle gearbeitet. Von 1990 bis 1993 sei er wegen Erziehungsurlaub bzw. Arbeitslosigkeit nicht erwerbstätig gewesen. 1994 habe er an einer Fortbildung teilgenommen, seit 1995 sei er als Lagerhelfer beschäftigt.
Der Orthopäde Dr.K. gab im Befundbericht vom 21.02.1995 (14) an, der akute Beschwerdezustand habe sich seit 1993 verbessert, der Patient klage aber noch über intermittierende rechtsseitige Ischialgien. Außerdem bestünden gelegentliche Beschwerden an der Halswirbelsäule mit Ausstrahlung in den linken Arm und eine Beinverkürzung links mit statischer Skoliose. Im MRT vom 14.04.1993 zeigte sich ein Bandscheibenvorfall im Segment LWK 5/Übergangswirbel. Der Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr.F. führte im Schreiben vom 29.04.1993 aus, der Kläger sei wegen einer Stauballergie seit zwei Jahren arbeitslos. Es bestehe eine Lumboischialgie bei Bandscheibenvorfall.
Der technische Aufsichtsbeamte der Beklagten erklärte am 12.05. 1995, die Tätigkeit des Schreiners sei nicht als gefährdend im Sinne der BK 2108 einzuschätzen.
Mit Bescheid vom 16.05.1995 lehnte die Beklagte die Gewährung von Leistungen wegen einer Berufskrankheit bzw. wegen einer drohenden Berufskrankheit ab. Da der Kläger am Stichtag, dem 01.04.1988, als Schreiner keine wirbelsäulengefährdendende Tätigkeit ausgeübt habe, sei ein Anspruch aus formalrechtlichen Gründen (Art.2 Abs.2 der 2. Verordnung zur Änderung der BKV vom 18.12.1992) nicht gegeben.
Der Kläger wandte mit Widerspruch vom 12.06.1995 ein, im Schreinerberuf sei es unerlässlich, schwere Gegenstände von mehr als 15 Kilogramm zu heben; dadurch sei es zu der Bandscheibenerkrankung gekommen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 04.08.1995 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Bei Schreinerarbeiten seien in wechselndem Umfang auch Transportarbeiten zu verrichten. Die Häufigkeit dieser Hebe- und Tragevorgänge sei aber gering. Nach der erstmaligen Zuschnittbearbeitung hätten die Werkstücke nurmehr ein Gewicht von 2 bis 20 Kilogramm, der Rumpfbeugewinkel überschreite 30 Grad nur selten. Schwerere Gegenstände würden in der Regel von zwei Personen getragen. Die arbeitstechnischen Voraussetzungen für die Anerkennung einer Berufskrankheit nach Ziffer 2108/2109 der Anlage zur BKV lägen daher nicht vor.
Der Kläger hat zur Begründung der Klage geltend gemacht, es sei typisch für den Schreinerberuf, dass Rohmaterialien mit Gewichten zwischen 5 und 100 Kilogramm zu tragen seien. Schwere Gegenstände seien nicht regelmäßig zu zweit getragen worden.
Der technische Aufsichtdienst der Beklagten hat eine Arbeitsplatzanalyse vom 13.11.1996 erstellt, nach der der Kläger während den Tätigkeiten als Schreiner einer Gesamtbelastungsdosis von 5,0 x 1010 Ns ausgesetzt war. Damit sei die kritische Gesamtbelastungsdosis von 6.0 x 1010 Ns nicht erreicht worden. Allerdings seien nach den Angaben des Klägers während der Tätigkeit bei der Firma O. (1973 bis 1981 mit Unterbrechung) in wesentlichem Umfang Transportaufgaben durchzuführen gewesen. Daher werde davon ausgegangen, dass hier eine belastende Tätigkeit vorgelegen habe.
Nach Beiziehung von ärztlichen Berichten des Dr.V. , Dr.K. und Dr.F. hat das Sozialgericht (SG) den Orthopäden Dr.W. zum ärztlichen Sachverständigen ernannt. Im Gutachten vom 01.07.1997 hat Dr.W. zusammenfassend ausgeführt, der Beruf des Schreiners sei zwar körperlich anstrengend, jedoch nicht in besonderer Weise wirbelsäulenbelastend. Die lumbosacrale Übergangsstörung sei eine angeborene Fehlbildung, die relativ häufig vorkomme. Es handle sich um eine prädiskotische Deformität, durch die die Bandscheiben einem frühzeitigen Verschleiß unterlägen, der durch die erhebliche Fehlstatik, die durch die verstärkte BWS-Kyphose mit kompensatorischer Hyperlordose im unteren LWS-Bereich begründet sei, begünstigt werde. Von außen einwirkende Kräfte führten vor allem zu Belastungen im Bereich des dorsolumbalen Übergangs, an dem keine wesentlichen degenerativen Veränderungen bestünden. Die deutlichen degenerativen Veränderungen im Bereich der Halswirbelsäule zeigten, dass von einer schicksalhaften Neigung zu Verschleißprozessen auszugehen sei. Die Wirbelsäulenfehlstatik, die lumbosacrale Übergangsstörung mit degenerativen Veränderungen der Zwischenwirbelräume, die degenerativen Veränderungen im Bereich der Halswirbelsäule, die bandscheibenbedingten Veränderungen bei C 4/5 und C 5/6 sowie an der Lendenwirbelsäule oberhalb und unterhalb des Übergangswirbels stünden nicht in ursächlichem Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit des Klägers. Aus medizinischer Sicht seien die Voraussetzungen gemäß § 3 BKV nicht gegeben. Es sei nicht davon auszugehen, dass bei einer Fortsetzung des Berufs in einem überschaubaren Zeitraum die Entwicklung einer Berufskrankheit drohen würde.
Der auf Antrag des Klägers gemäß § 109 SGG zum ärztlichen Sachverständigen ernannte Orthopäde Prof.Dr.G. hat im Gutachten vom 25.11.1997 erklärt, es sei unstreitig, dass beim Kläger eine anlagebedingte Fehlbildung durch das Vorliegen eines Übergangswirbels sowie eines Beckentiefstandes bestehe. Dadurch komme es zu einer Fehlstatik. Sie sei aber nicht als so erheblich anzusehen wie von Dr.W. ausgeführt. Es handle sich aber um eine prädiskotische Deformität, d.h. ein vorzeitiger Verschleiß sei möglich. Die beruflichen Belastungen hätten also eine weniger belastbare Wirbelsäule getroffen. Auch die Hyperlordose und der Zustand nach Morbus Scheuermann seien nicht so ausgeprägt vorhanden, dass sie als Ursache des jetzigen Zustandes in Frage kämen. Beim Kläger bestünden eine bandscheibenbedingte Ischialgie durch Bandscheibenvorfall L 5/L 6, eine Degeneration der Bandscheiben L 3 und L 4/5 bei lumbosacraler Übergangsstörung und geringfügiger Wirbelsäulenfehlstatik sowie eine Zervikobrachialgie links bei Abnützungen C 4/5 und C 5/6. Die Erkrankungen im Bereich der Lendenwirbelsäule sowie die Zervikobrachialgie seien als bandscheibenbedingte Erkrankungen zu bezeichnen. Die Lumboischialgie sei mit Wahrscheinlichkeit durch die Tätigkeit als Schreiner verursacht, nicht dagegen die Gesundheitsstörung der Halswirbelsäule. Die MdE betrage 20 v.H.
Hierzu hat Dr.W. in der Stellungnahme vom 07.02.2000 ausgeführt, dem Gutachten von Prof.Dr.G. könne nicht gefolgt werden. Beim Kläger lägen angeborene und erworbene Wirbelsäulenveränderungen vor, die das Auftreten von bandscheibenbedingten Erkrankungen in erheblicher Weise begünstigten. Auch die Tatsache, dass an der Halswirbelsäule, die keinen beruflichen Belastungen ausgesetzt gewesen sei, ähnlich schwerwiegende Veränderungen bestünden, weise auf eine individuelle Krankheitsbereitschaft hin.
Mit Urteil vom 25.05.2000 hat das SG die Klage abgewiesen. Da der Kläger nach wie vor als Lagerhelfer tätig sei, sei das Tatbestandsmerkmal der Aufgabe der gefährdenden Tätigkeit nicht erfüllt, denn nach Auffassung des Gerichts seien Tätigkeiten als Lagerhelfer mit dem Heben und Tragen von Lasten von wenigstens mehr als zehn Kilogramm verbunden. Im Übrigen lägen weder die arbeitstechnischen noch die medizinischen Voraussetzungen für die Anerkennung einer Berufskrankheit nach Nr.2108 der Anlage zur BKV vor. Nach der von der Beklagten vorgelegten Berechnung der Gesamtbelastungsdosis werde die kritische Dosis nicht erreicht. Weiter habe der ärztliche Sachverständige Dr.W. überzeugend dargelegt, dass die Wirbelsäulenveränderungen des Klägers ihre Ursache nicht in der beruflichen Tätigkeit hätten. Es sei auch nicht anzunehmen, dass bei Fortführung der Schreinertätigkeit in einem überschaubaren Zeitraum eine Berufskrankheit drohen würde. Daher seien auch die Voraussetzungen für Leistungen gemäß § 3 BKV nicht gegeben.
Zur Begründung der Berufung vom 30.08.2000 führt der Kläger aus, die Auffassung des SG, die Tätigkeit als Lagerhelfer sei mit dem Heben und Tragen von Lasten von mehr als zehn Kilogramm verbunden, treffe im vorliegenden Fall nicht zu. Prof.Dr.G. habe den Ursachenzusammenhang zwischen Schreinertätigkeit und Berufskrankheit überzeugend dargelegt. Zumindest seien die Voraussetzungen für Leistungen nach § 3 BKV gegeben.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des SG vom 25.05.2000 sowie den Bescheid vom 16.05.1995 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.08. 1995 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm unter Anerkennung der bandscheibenbedingten Erkrankung der Lendenwirbelsäule als Berufskrankheit die gesetzlichen Leistungen zu gewähren. Hilfsweise beantragt er, ein weiteres ärztliches Gutachten von Amts wegen einzuholen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
Zur Ergänzung des Tatbestandes ist auf den wesentlichen Inhalt der beigezogenen Akte der Beklagten sowie der Klage- und Berufungsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, sachlich aber nicht begründet.
Die Entscheidung richtet sich nach den bis 31.12.1996 geltenden Vorschriften der RVO, da der streitige Versicherungsfall vor dem 01.01.1997 eingetreten ist und über einen daraus resultierenden Leistungsanspruch vor dem 01.01.1997 zu entscheiden gewesen wäre (§§ 212, 214 Abs.3 SGB VII i.V.m. § 580 RVO).
Gemäß § 551 Abs.1 RVO gilt als Arbeitsunfall auch eine Berufskrankheit. Maßgeblich ist seit 01.12.1997 die Berufskrankheitenverordnung (BKV) vom 31.10.1997 (BGBl.I S.26, 23). Als Berufskrankheit kommen grundsätzlich nur solche Erkrankungen in Betracht, die von der Bundesregierung als Berufskrankheiten bezeichnet und in die BKV aufgenommen worden sind (Listenprinzip). Die Krankheit muss durch eine versicherte Tätigkeit verursacht oder wesentlich verschlimmert worden sein, d.h. die Gefährdung durch schädigende Einwirkungen muss ursächlich auf die versicherte Tätigkeit zurückzuführen sein und die Einwirkung muss die Krankheit verursacht haben (vgl. Bereiter-Hahn/Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, § 9 SGB VII Rdnr.3). Alle rechtserheblichen Tatsachen müssen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit vorliegen (vgl. BSGE 45, 285).
Der Kläger begehrt die Feststellung einer Berufskrankheit im Sinne der Nr.2108 der Anlage zur BKV. Hierbei handelte sich um bandscheibenbedingte Erkrankungen der Lendenwirbelsäule durch langjähriges Heben oder Tragen schwerer Lasten oder durch langjährige Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können. Dabei stellt der Kläger auf langjähriges Heben und Tragen schwerer Lasten während der Tätigkeit als Schreiner ab.
Bandscheibenbedingte Erkrankungen der Lendenwirbelsäule haben eine multifaktorielle Ätiologie. Sie sind weit verbreitet und kommen in allen Altersgruppen, sozialen Schichten und Berufsgruppen vor. Unter den beruflichen Einwirkungen, die bandscheibenbedingte Erkrankungen der Lendenwirbelsäule wesentlich mitverursachen oder verschlimmern können, sind fortgesetztes Heben, Tragen und Absetzen schwerer Lasten wichtige Gefahrenquellen (vgl. Bundesarbeitsblatt 3/1993, S.50).
Zu Recht hat es die Beklagte abgelehnt, eine Berufskrankheit anzuerkennen. Der ärztliche Sachverständige Dr.W. hat nach ambulanter Untersuchung des Klägers und unter Berücksichtigung der Aktenunterlagen im Gutachten vom 01.07.1997 und der ergänzenden Stellungnahme vom 07.02.2000 überzeugend ausgeführt, dass die bandscheibenbedingte Lendenwirbelsäulenerkrankung des Klägers nicht mit Wahrscheinlichkeit auf die Berufstätigkeit zurückzuführen ist.
Um einen Zusammenhang zwischen bandscheibenbedingter Erkrankung der Lendenwirbelsäule und Berufsbelastung herstellen zu können, müssen die arbeitstechnischen Bedingungen gegeben sein, es muss der Nachweis einer tatsächlichen bandescheibenbedingten Erkrankung geführt werden können, die bildtechnisch nachweisbaren Veränderungen müssen das altersdurchschnittlich zu erwartende Ausmaß überschreiten, der zeitliche Zusammenhang muss gesichert sein und konkurrierende Verursachungsmöglichkeiten anlagebedingter, statischer, entzündlicher oder unfallbedingter Genese müssen ausgeschlossen sein (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 1998, S.529 ff.).
Die arbeitstechnischen Bedingungen sind, wie der technische Aufsichtsdienst der Beklagten in der überzeugenden Stellungnahme vom 13.11.1996 ausgeführt, nicht gegeben. Die kritische Gesamtbelastungsdosis von 6,0 x 1010 Ns als Lebensdosis ist nicht erfüllt. Unter Zugrundelegung der Angaben des Klägers, dass die Tätigkeit bei der Firma O. zwischen 1973 und 1981 wesentlich durch Transportaufgaben sowohl im Werkstattbereich als auch auf Montage geprägt war, ist davon auszugehen, dass hier eine belastende Tätigkeit vorgelegen hat. Unter Berücksichtigung der Lehrlingszeit zu 2/3 und Abzug der Bundeswehrzeit ergibt sich eine Tätigkeitsdauer von sechs Jahren und eine Belastungsdosis von 3,6 x 1010 Ns. Für die weiteren Tätigkeiten von 1981 bis 1990 ergibt sich eine Belastungsdosis von 1,4 x 1010 Ns. Insgesamt errechnet sich eine Gesamtbelastungsdosis von 5,0 x 1010 Ns, sodass die arbeitstechnischen Bedingungen nicht erfüllt sind.
Aber auch die medizinischen Voraussetzungen für die Anerkennung einer Berufskrankheit im Sinne der Nr.2108 der Anlage zur BKV sind nicht gegeben.
Beim Kläger liegt, wie Dr.W. erläutert, eine bandscheibenbedingte Erkrankung der Lendenwirbelsäule vor. Nachgewiesen ist ein morphologisches Substrat in Form von degenerativen Veränderungen an der Lendenwirbelsäule oberhalb und unterhalb des Übergangswirbels. Bei diesem Befund, nämlich einem Bandscheibenvorfall zwischen L 5 und Übergangswirbel, der durch Kernspintomografie 1993 nachgewiesen wurde, handelte sich um keine alterstypische Erkrankung, sondern der Befund überschreitet das alterdurchschnittlich zu erwartende Ausmaß.
Gesichert ist damit aber nur ein monosegmentaler Befall im letzten Segment der Lendenwirbelsäule. Dies hat auch Prof. Dr.G. bestätigt, allerdings darauf hingewiesen, dass sich degenerative Veränderungen auch in den zwei darüber liegenden Bandscheiben finden. Diese Verschleißerscheinungen sind aber, wie auch Prof.Dr.G. bestätigt, nicht ausgeprägt und von den behandelnden Ärzten, insbesondere im MRT-Befund vom 14.04.1993, nicht für erwähnenswert gehalten worden. In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass Bandscheibenvorwölbungen bei praktisch jedem Menschen ab dem dritten Lebensjahrzehnt nachgewiesen werden können. Hinsichtlich des Befalls im letzten Segment ist zu berücksichtigen, dass exogene Druckbelastungen die gesamte Lendenwirbelsäule einschließlich des Übergangs zur Brustwirbelsäule in von unten nach oben abnehmender Intensität belasten. Insofern wäre also zu erwarten, dass nicht nur ein einziges Segment durch Arbeitsbelastungen geschädigt wird, sondern mehrere Segmente. Daher ist ein Zusammenhang zwischen Berufsbelastung und bandscheibenbedingter Erkrankung umso unwahrscheinlicher, je weniger Segmente betroffen sind und je weiter kaudal die Veränderungen angesiedelt sind, denn gerade im letzten Bewegungssegment der Lendenwirbelsäule manifestieren sich auch bei beruflich nicht exponierten Menschen die Bandscheibenschäden in über 90 % aller Fälle. Dies hängt damit zusammen, dass dieses Segment schon unter physiologischen Bedingungen den stärksten Belastungen ausgesetzt ist, weil hier der Übergang der beweglichen Lendenwirbelsäule in den starren Abschnitt des Kreuzbeines stattfindet (vgl. Schoenberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O., S.509 ff., 529 ff.).
Im Hinblick darauf, dass beim Kläger, wie sowohl Dr.W. als auch Prof.Dr.G. bestätigt haben, erhebliche degenerative Veränderungen auch an der Halswirbelsäule festzustellen sind, ist davon auszugehen, dass sich die Verschleißerscheinungen aus innerer Ursache entwickelt haben.
Hinzukommt, dass, wie Dr.W. und Prof.Dr.G. festgestellt haben, beim Kläger eine Übergangsstörung der unteren Lendenwirbelsäule besteht, d.h. der üblicherweise mit dem Kreuzbeinblock verschmolzene erste Sakralwirbel ist als freier Wirbel ausgebildet und wird als sechster LWK bezeichnet. Dieser Befund ist anlagebedingt, wie beide Gutachter bestätigen, und nicht Folge der Arbeitsbelastung. Zusätzlich finden sich anlagebedingt ein Beckentiefstand rechts und Zeichen eines abgelaufenen Morbus Scheuermann, einer juvenilen Aufbaustörung an der Wirbelsäule, die typischerweise - wie beim Kläger - im oberen LWS- und BWS-Bereich abläuft. Insbesondere die lumbosacrale Übergangsstörung wirkt sich negativ auf die Lendenwirbelsäule aus, denn es handelt sich hierbei um eine prädiskotische Deformität, die dazu führt, dass die Bandscheiben im Bereich eines solchen Übergangswirbels frühzeitig einem Verschleiß unterliegen (vgl. Schoenberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O. S.539). Weiter wird der Verschleiß der Bandscheiben im unteren LWS-Bereich durch die Fehlstatik begünstigt, die durch eine verstärkte BWS-Kyphose mit kompensatorischer Hyperlordose im unteren LWS-Bereich begründet ist. Auch hierdurch wird, so Dr.W. , die Belastung der Bandscheiben im unteren LWS-Bereich verstärkt, sodass sie einem bevorzugten Verschleiß unterliegen.
Im Hinblick darauf, dass die Lokalisation der bandscheibenbedingten Veränderungen nur im letzten Lendenwirbelsäulensegment gegeben ist und konkurrierende Verursachungsmöglichkeiten vorliegen, sind die Voraussetzungen für die Feststellung einer Berufskrankheit im Sinne der Nr.2108 der BKV nicht gegeben. Insofern kann dahingestellt bleiben, ob die gegenwärtig ausgeübte Tätigkeit als Lagerhelfer wirbelsäulenbelastend i.S.d. Nr.2108 ist.
Die Voraussetzungen für vorbeugende Maßnahmen gemäß § 3 BKV sind nicht gegeben, da, so Dr.W. , eine konkret-individuelle Gefahr der Verschlechterung infolge beruflicher Belastungen oder sonstige Risikofaktoren für die Entwicklung einer belastungsbedingten Wirbelsäulenerkrankung nicht vorliegen.
Weitere Ermittlungen von Gerichts wegen waren in Anbetracht des Gutachtens von Dr.W. , der die ärztlichen Befunde und Unterlagen überzeugend darstellt und erläutert, nicht veranlasst.
Die Kostenentscheidung richtet sich nach § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG liegen nicht vor.
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