L 18 U 372/98

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
18
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 6 U 188/97
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 18 U 372/98
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 04.08.1998 wird zurückgewiesen.
II. Auf die Anschlussberufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 04.08.1998 abgeändert. Der Beklagte wird verpflichtet, als Unfallfolgen anzuerkennen: "Erhebliche vordere Instabilität im Bereich des linken Kniegelenkes nach Zerreißung des vorderen Kreuzbandes und geringe Instabilität des äußeren Seitenbandes, teilweise Resektion des Außenmeniskus" und der Klägerin Verletztenrente nach einer MdE von 20 vH ab 30.11.1994 von 100 vH vom 04.12.1994 bis 09.12.1994 und wiederum 20 vH ab 10.12.1994 zu gewähren.
III. Der Beklagte hat der Klägerin auch die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist, ob der Beklagte das Ereignis vom 29.11.1994 als Arbeitsunfall anzuerkennen und zu entschädigen hat.

Die am 1978 geborene Klägerin stürzte als Schülerin am 29.11.1994 beim Volleyballspiel nach einem hohen Sprung. Sie konnte aus eigener Kraft nicht mehr aufstehen. Zum Hergang des Unfalls gab Dr.P.E. im Durchgangsarztbericht vom 29.11.1994 an: "Beim Aufwärmen für Volleyballspiel beim Aufkommen nach Absprung linke Kniescheibe herausgesprungen und gleich wieder zurückgeglitten; Patientin ist anschließend gestürzt". Dr.P.E. diagnostizierte einen Zustand nach Patella-Luxation links ohne knöcherne Verletzungen und ohne intraartikulärem Erguss. Vom 04.12. bis 09.12.1994 befand sich die Klägerin in stationärer Behandlung. Ein Kernspintomogramm vom 02.12.1994 zeigte eine komplexe Ruptur im Hinterhorn des Außenmeniskus, eine Meniskopathie Grad II im Vorderhorn des Außenmeniskus, wobei die typisch längliche Anordnung des Befundes auf eine über die Degeneration hinausgehende Traumafolge hinwies, eine Ruptur des vorderen Kreuzbandes, ein ausgiebiges posttraumatisches Knochenmarksödem im Condylus lateralis femoris und im dorsalen Umfang des medialen Tibiaplateaus,einen großen Gelenkserguss und ein Ödem in den dorsalen-paraartikulären Weichteilen. Bei einer am 05.12.1994 vorgenommenen Arthroskopie stellte Dr.S. eine Ruptur des vorderen Kreuzbandes, traumatische Knorpelschäden am medialen Condylus und eine Ruptur des Außenmeniskushinterhorns fest. Eine histologische Untersuchung vom 12.12.1994 des Außenmeniskusteilresektats erbrachte einen Befund, der gut zu einem fünf Tage zurückliegenden Trauma passte.

In einer Unfallmeldung vom 18.01.1995 wurde seitens der Schule der Klägerin zum Unfallgeschehen angegeben, die Körperstellung der Klägerin zum Unfallzeitpunkt sei stehend gewesen, der linke Fuß sei umgeknickt, die Haltung des Beines sei gerade und die Haltung des Oberkörpers aufrecht gewesen. Eine gewaltsame Verdrehung des Kniegelenkes wurde verneint, ebenso ein Sturz. Das Knie sei sofort angeschwollen. Auf Anfrage der Beklagten teilte der Sportlehrer der Klägerin mit Schreiben vom 19.05.1995 zum Unfallhergang mit, die Klägerin sei beim Schmettern des Balles über das Netz hochgesprungen und beim Aufkommen mit dem linken Fußgelenk umgeknickt. Die Kraftwirkung habe sich somit auf das Knie verlängert, dabei habe sich die Klägerin die Verletzung am Knie zugezogen.

Der Beklagte holte anschließend Gutachten des Chirurgen M.W. vom 28.12.1995 und des Orthopäden Dr.B.B. vom 17.07.1996 ein. M.W. ging von einem Umknicken des linken Fußes mit nachfolgender Verlagerung der linken Kniescheibe bei Patelladysplasie aus und führte die Verletzungen Kreuzbandruptur, Außenmeniskushinterhornruptur sowie Knorpelschaden am medialen Femurcondylus ursächlich auf das Unfallereignis zurück. Als Unfallfolgen nahm er eine muskulär kompensierbare Lockerung des vorderen Kreuzbandes und Beschwerden mit gelegentlichem Instabilitätsgefühl an und schätzte die MdE für die Zeit vom 30.11.1994 bis 03.12.1994 mit 20 vH, vom 04.12.1994 bis 09.12.1994 (stationäre Behandlung) mit 100 vH, vom 10.12.1994 bis 31.03.1995 mit 20 vH und anschließend mit 10 vH ein. Dr.B.B. vertrat die Auffassung, das Ereignis vom 29.11.1994 habe ein konstitutions- und sportbedingt vorgeschädigtes Knie betroffen und sei durch eine dispositionelle Kniescheibenverrenkung verursacht worden.

Der Beklagte lehnte eine Entschädigung des Ereignisses vom 29.11.1994 mit Bescheid vom 07.03.1997 idF des Widerspruchsbescheids vom 24.04.1997 ab. Zur Begründung gab er an, der Vorgang vom 29.11.1994 sei nicht geeignet gewesen, den Kniegelenksschaden links zu verursachen oder einen bereits bestehenden Schaden in rechtlich erheblicher Weise zu verschlimmern. Nach fachärztlicher Beurteilung lägen erhebliche Vorschäden in Form von Fehlbildungen des linken Kniegelenks und des Kniescheibengleitlagers, eines Kniescheibenhochstandes mit Fehlformtyp Wiberg III, sowie einer Abflachung und Verbreiterung der linken Oberschenkelrolle mit leichter Randleistenbildung an den Gelenkflächen vor. Nur aufgrund dieser Anlage- und Verschleißschäden im Bereich des linken Kniegelenks habe es zu einer Erstverrenkung der linken Kniescheibe mit den entsprechenden Folgeverletzungen kommen können. Das angeschuldigte Ereignis stelle somit nicht die Ursache bzw eine wesentlich mitwirkende Teilursache der Beschwerden im linken Kniegelenk dar, sondern allenfalls eine rechtlich unerhebliche Gelegenheitsursache für das Erkennbarwerden einer Krankheitsanlage, die so leicht ansprechbar gewesen sei, dass jedes alltäglich vorkommende ähnlich gelagerte Ereignis in absehbarer Zeit die Erscheinungen ausgelöst hätte.

Im anschließenden Klageverfahren vor dem SG Nürnberg hat die Klägerin weiterhin die Anerkennung und Entschädigung des Ereignisses vom 29.11.1994 als Arbeitsunfall begehrt. Das SG hat Röntgenbilder und ärztliche Unterlagen zu dem Unfallgeschehen beigezogen und ein Gutachten des Orthopäden Dr.M.M. vom 29.12.1997/14.05.1998 eingeholt. Dieser hat die Auffassung vertreten, der am 29.11.1994 erlittenen Ruptur des vorderen Kreuzbandes und der Außenmeniskusläsion sei keine Kniescheibenluxation vorausgegangen. Unfallbedingt liege nunmehr eine muskulär kompensierbare Instabilität des linken Kniegelenkes vor. Das SG hat sich der Auffassung des Dr.M.M. angeschlossen und den Beklagten verpflichtet, das Ereignis vom 29.11.1994 als Arbeitsunfall anzuerkennen. Eine MdE rentenberechtigenden Grades hat es im Hinblick auf das Gutachten des Chirurgen M.W. für die Zeit ab 01.04.1995 nicht angenommen.

Gegen dieses Urteil hat der Beklagte Berufung eingelegt. Er hat den von SG angenommenen Unfallhergang (Umknicken des Sprunggelenks und Wegknicken mit dem linken Kniegelenk) nicht für erwiesen erachtet und die Einholung eines medizinischen Obergutachtens beantragt. Der Senat hat ein Gutachten des Orthopäden Dr.V.F. vom 04.01.2000 eingeholt. Dieser hat die wesentliche Ursache für das Ereignis vom 29.11.1994 in einer anlagebedingten Teilverrenkung der linken Kniescheibe gesehen und sowohl aus den Erstangaben der Klägerin zum Unfallmechanismus als auch aus dem Arthroskopiebericht vom 12.12.1994 auf ein Sturzereignis aus innerer Ursache geschlossen. Die Klägerin hat sich mit Schreiben vom 08.02.2000 gegen das Gutachten des Dr.V.F. gewandt und gemeint, ihre 1994 unmittelbar nach dem Unfall gemachten Angaben zum Unfallhergang, (sie habe Schmerzen verspürt, als wäre ihr die Kniescheibe herausgerutscht) dürften nicht zur Beweisführung herangezogen werden. Sie sei damals unter Schock gestanden.

Der Senat hat von Prof. Dr.F.F.H. (Leiter der Chirurgischen Universitätsklinik E.) ein Gutachten vom 27.01.2001/ 05.09.2001 sowie eine gutachtliche Stellungnahme des Prof. Dr.W.B. (Direktor des Instituts für diagnostische Radiologie der Universität E.) vom 05.12.2000 eingeholt. Prof. Dr.F.F.H. hat als Folge des Unfalls vom 29.11.1994 im Bereich des linken Kniegelenkes eine erhebliche vordere Instabilität als Folge der Zerreißung des vorderen Kreuzbandes sowie eine geringe Instabilität des äußeren Seitenbandes und eine teilweise Resektion des Außenmeniskus festgestellt. Für den Zeitraum vom 01.03.1995 bis 30.05.2001 hat er die Anerkennung einer MdE von 20 vH, für die Folgezeit eine solche von 10 vH empfohlen. Die Annahme der MdE von lediglich 10 vH für die Zukunft hat er damit begründet, dass die Instabilität des linken Kniegelenkes durch eine Kreuzbandersatzplastik wesentlich zu bessern wäre. Einen Hinweis dafür, dass bei dem Unfall vom 29.11.1994 eine Verrenkung der Kniescheibe stattgefunden habe, hat Prof. Dr.W.B. nicht gefunden. Der Bandapparat der Kniescheibe hat sich bei der Untersuchung regelrecht dargestellt und es haben sich keine Veränderungen gezeigt, die für eine frische oder abgeheilte alte Verletzung gesprochen hätten.

Der Beklagte hat sich mit einer Stellungnahme des Arztes für Chirurgie Dr.E.L. vom 03.07.2001 gegen das Gutachten des Prof. Dr.F.F.H. gewandt. Dr.E.L. hat die vorliegenden Kniebefunde zur Begründung eines Unfallzusammenhangs nicht für ausreichend erachtet und als "Alternativursache" eine Verrenkungsneigung der Kniescheibe in Betracht gezogen ...

Am 15.05.2002 hat die Klägerin Anschlussberufung erhoben.

Die Klägerin beantragt, das Urteil des SG Nürnberg vom 04.08.1998 abzuändern und den Beklagten zu verpflichten, als Unfallfolge anzuerkennen "erhebliche vordere Instabilität im Bereich des linken Kniegelenkes nach Zerreißung des vorderen Kreuzbandes, geringe Instabilität des äußeren Seitenbandes, teilweise Resektion des Außenmeniskus" und ihr Verletztenrente nach einer MdE von 20 vH ab 30.11.1994, 100 vH vom 04.12.1994 bis 09.12.1994 und wiederum 20 vH ab 10.12.1994 zu gewähren. Der Beklagte beantragt, das Urteil des SG Nürnberg vom 04.08.1998 aufzuheben und die Klage gegen den Bescheid vom 07.03.1997 idF des Wider spruchsbescheides vom 24.04.1997 abzuweisen sowie die An schlussberufung der Klägerin zurückzuweisen.

Ergänzend zum Sachverhalt wird auf die beigezogene Unfallakte des Beklagten, die Archivakte des SG Nürnberg S 6 U 233/97 sowie die Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Beklagten ist zulässig, aber nicht begründet. Das SG hat den Beklagten im Ergebnis zu Recht zur Anerkennung des Ereignisses vom 29.11.1994 als Arbeitsunfall verurteilt. Auf die Anschlussberufung der Klägerin ist der Beklagte zur Zahlung einer Verletztenrente nach einer MdE von 20 vH ab 30.11.1994, von 100 vH ab 04.12.1994 und 20 vH ab 10.12.1994 zu verurteilen.

Anzuwenden sind im vorliegenden Fall noch die Vorschriften der Reichsversicherungsordnung (RVO), da sich das zu beurteilende Ereignis noch vor dem Inkrafttreten des Siebten Buches Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Unfallversicherung - (SGB VII) am 01.01.1997 ereignet hat (Art 36 Unfallversicherungs-Einordnungsgesetz, § 212 SGB VII).

Die Klägerin hat einen Entschädigungsanspruch gegen den Beklagten, weil die Gesundheitsstörungen "erhebliche vordere Instabilität im Bereich des linken Kniegelenkes nach Zerreißung des vorderen Kreuzbandes und geringe Instabilität des äußeren Seitenbandes sowie teilweise Resektion des Außenmeniskus" mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit auf den Schulunfall (Arbeitsunfall) vom 29.11.1994 zurückzuführen sind.

Die Klägerin war als Schülerin gemäß § 539 Abs 1 Nr 14 b RVO versichert und der Versicherungsschutz erstreckte sich auf das Volleyballspiel im Rahmen des Sportunterrichts. Die Klägerin hat den Unfall - Sturz nach einem hohen Sprung - auch "bei" der versicherten Tätigkeit erlitten (§ 548 Abs 1 RVO), ohne dass es einer genauen Feststellung des Unfallhergangs bedurft hätte (BSG SozR 2200 § 548 Nr 84). Die für die Annahme eines Arbeitsunfalls erforderliche haftungs b e g r ü n d e n d e Kausalität zwischen der versicherten Tätigkeit und dem Unfallereignis ist stets gegeben, wenn außer dem - hier erwiesenen - kausalen Anknüpfungspunkt keine anderen T a t s a c h e n festgestellt sind, die als Konkurrenzursachen wirksam geworden sein könnten. Kann eine in Betracht zu ziehende Konkurrenzursache in ihrer Grundvoraussetzung nicht festgestellt werden, scheidet sie bereits im naturwissenschaftlich-philosophischen Sinn als Ursache aus (BSG SozR 3-2200 § 548 Nr 11 mwN).

Es ist nicht erwiesen, dass bei der Klägerin die Kniescheibe des linken Knies nach dem Absprung oder beim Aufkommen auf dem Boden herausgesprungen ist. Die M ö g l i c h k e i t , dass der Sturz auf eine herausgesprungene Kniescheibe zurückzuführen ist, möglicherweise also ein anlagebedingtes Leiden als überragende innere Ursache für das Zustandekommen des Unfalls in Betracht kommt, kann im Rahmen der haftungsbegründenden Kausalität keine Berücksichtigung finden (ebenso aaO).

Dies bedeutet jedoch nicht, dass auch alle im Anschluss an den Arbeitsunfall aufgetretenen Gesundheitsstörungen kausal der versicherten Tätigkeit zuzuordnen sind. Im Rahmen der haftungs- a u s f ü l l e n d e n Kausalität ist vielmehr selbständig zu prüfen, ob die geltend gemachten Gesundheitsstörungen mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit auf den Arbeitsunfall zurückzuführen sind. Auch bei dieser Kausalitätsprüfung haben diejenigen betriebsfremden Ursachen, deren tatsächliche Grundlagen nicht sicher festgestellt sind, außer Betracht zu bleiben (aaO).

Der vorliegende Fall ist dadurch gekennzeichnet, dass das Unfallereignis in kausaler Konkurrenz mit einer bei der Klägerin vorhandenen Krankheitsanlage den Körperschaden herbeigeführt hat. Ob das Unfallereignis die Entstehung des Körperschadens iS der in der Unfallversicherung geltenden Kausalitätslehre mitverursacht hat, richtet sich in derartigen Fällen danach, ob das Unfallereignis eine wesentliche Bedingung für das Entstehen des Körperschadens oder die Krankheitsanlage von überragender Bedeutung und damit die alleinige Ursache waren (BSG Urteil vom 12.06.1989 Az 2 RU 7/89 HV-Info 1990, 638 - 642). Das Vorhandensein einer Anlage schließt allein nicht aus, den Körperschaden als durch das Unfallereignis mitverursacht anzusehen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) ist für den Fall, dass die kausale Bedeutung einer äußeren Einwirkung mit derjenigen einer bereits vorhandenen krankhaften Anlage zu vergleichen und abzuwägen ist, vielmehr darauf abzustellen, ob die Krankheitsanlage so stark und so leicht ansprechbar war, dass es zur Auslösung akuter Erscheinungen keiner besonderen, in ihrer Art unersetzlichen äußeren Einwirkungen bedurfte, sondern dass jedes andere alltäglich vorkommende ähnlich gelagerte Ereignis zu derselben Zeit die Erscheinungen ausgelöst hätte (aaO). Um diese wertende Gegenüberstellung vornehmen zu können, müssen die konkurrierenden Ursache zunächst s i c h e r feststehen. Ebenso wie die betriebsbedingten Ursachen müssen auch die körpereigenen Ursachen e r w i e s e n sein (aaO und BSG SozR 2200 § 548 Nr 84). Kann eine Ursache nicht sicher festgestellt werden, stellt sich nicht einmal die Frage, ob sie im konkreten Einzelfall auch nur als Ursache im naturwissenschaftlich-philosophischen Sinn in Betracht zu ziehen ist.

Vorliegend sieht der Senat im Hinblick auf das Gutachten des Prof. Dr.F.F.H. vom 27.01.2001/05.09.2001 die betriebliche Ursache für erwiesen an, während die Vorschädigung (Gelenksdysplasie) als innere Ursache wegen der natürlichen Gegebenheiten nur in Umrissen, aber nicht dem genauen Ausmaß und dem genauen Gewicht seiner ursächlichen Bedeutung nach festgestellt werden kann. Die Angaben des Dr.P.E. im Durchgangsarztbericht vom 29.11.1994, beim Aufkommen nach dem Absprung sei die linke Kniescheibe der Klägerin herausgesprungen und gleich wieder zurückgeglitten, die von Dr.B.B. und Dr.V.F. als Ursache für den Unfall herangezogen werden, können nicht durch medizinische Befunde objektivert werden. Prof. Dr.F.F.H. weist in seinem Gutachten darauf hin, dass durch eine verrenkte Kniescheibe und durch eine frische Zerreißung des vorderen Kreuzbandes Instabilitätsempfindungen im Kniegelenk ausgelöst werden, die von einem Laien nicht zu unterscheiden sind. Allein die äußerlich sichtbare Knieverformung durch das Verrenken der Kniescheibe wäre in einem solchen Fall als beweisend anzusehen. Eine solche sichtbare Verformung hätte jedoch mit eindeutig massiven Befunden in der Kniegelenksspiegelung und einer sicheren Darstellung in der Kernspintomographie einhergehen müssen. Im Kernspintomogramm des linken Kniegelenks vom 15.06.2000 (Dr.S. und andere) stellte sich bei der Befundung durch Prof. Dr.W.B. der Bandapparat der Kniescheibe regelrecht dar und es lagen auch keine Veränderungen vor, die für eine frische oder a b g e h e i l t e Verletzung sprechen. Es findet sich kein objektivierbarer Hinweis dafür, dass tatsächlich eine Verlagerung der Kniescheibe der Klägerin stattgefunden hat. Im Operationsbericht wird festgehalten, dass keine Zerreißung des innenseitigen Kniescheibenzügels vorgelegen hat. Die im Operationsbericht erwähnte leichte Einblutung (Retinaculum) oder Ruptur kann auch durch direkte Einwirkung, zB durch Anschlagen, entstehen. Die bei der Klägerin vorliegende Formvariante der Kniescheibe mit verkleinerter Ausbildung des innenseitigen Schenkels (Wiberg II bis III) - wobei beide Kniescheiben aber regelrecht in die knöcherne Führungsrinne der Oberschenkelrolle eintauchen - stellt lediglich eine leichte Vorschädigung dar. Eine Verrenkung der Kniescheibe als bloße Möglichkeit ist aber nicht in die Kausalitätsprüfung mit einzubeziehen.

Es kann auch dahinstehen, ob die Klägerin beim Aufkommen nach dem Sprung umgeknickt ist. Auch ohne das fragliche Umknicken im oberen Sprunggelenk kann nach den Feststellungen des Prof. Dr.F.F.H. eine Verletzung des vorderen Kreuzbandes mit dem in der Kniespiegelung beschriebenen Begleitverletzungen der Knorpelflächen an der inneren Oberschenkelrolle und dem Außenmeniskushinterhorn stattfinden. Das Aufkommen auf einem Bein nach einem Sprung kann soviel Energie enthalten, dass bei unzureichender muskulärer Koordination diese Kraft die Stabilität des vorderen Kreuzbandes überschreitet. Aufgrund der schräg von hinten oben außen nach vorne unten innen verlaufenden Zugrichtung des vorderen Kreuzbandes enthält der Verletzungsmechanismus immer Rotationskomponenten. Dadurch entstehen Begleitverletzungen im Kniegelenk an typischer Stelle im Außenmeniskushinterhorn und der inneren Kniegelenksrolle. Die Drehrichtung liegt nämlich immer so, dass sich der Oberkörper mit dem Oberschenkel in der Ebene des Kniegelenkes gegenüber dem Unterschenkel nach außen verdreht.

Soweit Dr.E.L. die Auffassung vertritt, die Zerreißung des Kreuzbandes sei durch Mikrotraumen verursacht worden, wie sie bei jungen Sportlern keine Seltenheit seien, hat Prof. Dr.F.F.H. Literaturrecherchen durchgeführt. Unter dem Stichwort "Mikrotrauma und Zerreißung" fand sich eine einzelne Arbeit von Saxon, der beschreibt, dass das Arthroseriskiko unter massiver sportlicher Belastung erhöht sei. Voraussetzung sei die exzessive Ausübung von hochbelastenden Sportarten über längere Zeiträume im Niveau eines Spitzensportlers. Weitere Risikofaktoren seien anatomische Abnormitäten und starkes Übergewicht. Solche Risikofaktoren haben bei der Klägerin nicht vorgelegen, insbesondere liegt eine Verrenkungsneigung der Kniescheibe als Alternativursache nicht vor. Eine Verrenkung der Kniescheibe entsteht aktiv durch den Zug der Oberschenkelmuskulatur bei außenrotiertem Unterschenkel und X-Bein-Stress im Kniegelenk. Der Muskelzug wirkt aber nicht auf den Meniskus ein, weshalb das Auftreten der Kombinationsverletzung Kniescheibenverrenkung mit Meniskusverletzung nicht auftritt. Prof. Dr.F.F.H. hat auch die Auffassung des Dr.E.L. widerlegt, dass die isolierte Zerreißung des vorderen Kreuzbandes nur in Ausnahmefällen bei Rasanzverletzungen, zB bei der Landung mit einem Fallschirm, auftreten könne. Prof.Dr.F.F.H. hat darauf hingewiesen, dass in vielfältigen klinischen Publikationen die isolierte Zerreißung des vorderen Kreuzbandes beschrieben wird.

Der Senat geht nach alledem davon aus, dass die bei der Klägerin bestehenden Gesundheitsstörungen des linken Knies mit Wahrscheinlichkeit durch den Schulunfall vom 29.11.1994 verursacht worden sind.

Die Verletztenrente beginnt mit dem Tag nach dem Arbeitsunfall, wenn der Verletzte nicht arbeitsunfähig iS der Krankenversicherung gewesen ist oder bei Beginn der Arbeitsunfähigkeit Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen nicht erzielt hat (§ 580 Abs 4 RVO). Die Klägerin war als Schülerin nicht arbeitsunfähig iS der Krankenversicherung. Die Verletztenrente beginnt daher mit dem Tag nach dem Arbeitsunfall.

Die MdE ist entsprechend den Feststellungen des M.W. ab 30.11.1994 mit 20 vH, für die Zeit des stationären Aufenthaltes vom 04.12.1994 bis 09.12.1994 mit 100 vH sowie für die Folgezeit entsprechend dem Gutachten des Prof. Dr.F.F.H. mit 20 vH einzuschätzen. Eine zeitliche Begrenzung der Rente wegen der Weigerung, einen duldungspflichtigen Eingriff vornehmen zu lassen, ist rechtlich nicht möglich.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

Gründe für die Zulassung der Revision iS des § 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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