L 9 AL 296/12

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 36 AL 516/11
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 9 AL 296/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 13.08.2012 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Höhe der Leistungen zur Entgeltsicherung für ältere Arbeitnehmer.

Der am 00.00.1957 geborene, verheiratete Kläger war vom 01.11.2000 bis 30.09.2009 als Technical Customer Support Representative bei der Firma I GmbH beschäftigt, vom 01.10.2009 bis 30.09.2010 als Techniker bei der Firma F-Services. Sein monatliches Bruttoentgelt betrug bei dem zuletzt genannten Arbeitgeber 3.924,58 EUR.

Die Beklagte bewilligte ihm mit Bescheid vom 15.10.2010 Arbeitslosengeld für 450 Kalendertage ab dem 01.10.2010 mit einem täglichen Leistungssatz von 45,44 EUR auf der Grundlage eines täglichen Bemessungsentgelts von 129,03 EUR und eines Leistungsentgelts von 75,74 EUR auf der Grundlage der Lohnsteuerklasse IV.

Am 27.05.2011 stellte der Kläger einen Antrag auf Entgeltsicherung für ältere Arbeitnehmer. Er gab dazu an, am 01.06.2011 eine versicherungspflichtige Tätigkeit bei der Firma C EDV-Beratung in O aufzunehmen. Seine Lohnsteuerklasse habe er mit Wirkung ab 01.06.2011 von IV auf V geändert. Er legte dazu die Entgeltbescheinigung der Firma C vor, wonach er ab dem 01.06.2011 ein Bruttoarbeitsentgelt von 2.300,00 EUR unter Berücksichtigung der Lohnsteuerklasse V beziehe.

Mit Bescheid vom 09.06.2011 bewilligte die Beklagte daraufhin Entgeltsicherungsleistungen für 720 Kalendertage ab dem 01.06.2011 in Höhe von 354,90 EUR monatlich und ab dem 01.06.2012 von 212,94 EUR monatlich, ferner eine Aufstockung des Rentenversicherungsbeitrages ab dem 01.06.2011 auf der Grundlage eines monatlichen Entgelts für die Rentenversicherung in Höhe von 1.367,10 EUR.

Mit Schreiben vom 23.06.2011 bat der Kläger um Neuberechnung der Leistungen. Er erhalte ein wesentlich geringeres Arbeitsentgelt als vor der Arbeitslosigkeit; deshalb habe er auf Anraten seiner Betreuerin bei der Agentur für Arbeit in O, Frau S, einen Antrag auf Entgeltsicherung gestellt. Seine Ehefrau sei ebenfalls berufstätig, bislang sei die Steuerklassenkombination IV/IV gewählt worden. Im Hinblick auf den jetzigen Gehaltsunterschied sei ein Steuerklassenwechsel zu III/V vorgenommen worden. Es sei ihm und wohl auch Frau S nicht bekannt gewesen, dass die Entgeltsicherungsleistungen nur nach der aktuellen Steuerklasse berechnet würden. Dies gehe auch aus der Informationsbroschüre nicht hervor. Da im Antrag die Frage nach dem Steuerklassenwechsel enthalten sei, sei er davon ausgegangen, dass die Berechnung von der alten Steuerklasse ausgehe. Nach Aussage des Finanzamtes sei ein Rückwechsel in die Steuerklassenkombination IV/IV nicht möglich. Weder die Arbeitsberaterin noch das Finanzamt hätten ihm von einem Steuerklassenwechsel abgeraten.

Frau S gab hierzu auf Befragen an, eine Empfehlung zur Steuerklassenänderung sei zu keiner Zeit ausgesprochen und auch nicht vermerkt worden (Verbis-Vermerk der Beklagten vom 29.06.2011).

Mit Bescheid vom 29.06.2011 lehnte die Beklagte eine Änderung des Bescheides vom 09.06.2011 ab. Sie ging hierbei von einem Überprüfungsantrag des Klägers nach § 44 des Sozialgesetzbuches Zehntes Buch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X) aus. Die Überprüfung nach § 44 SGB X habe ergeben, dass weder von einem unzutreffenden Sachverhalt ausgegangen, noch das Recht falsch angewandt worden sei. Eine Rücksprache mit Frau S habe ergeben, dass sie nicht zu einem Steuerklassenwechsel geraten habe.

Hiergegen legte der Kläger am 12.07.2011 Widerspruch ein. Zur Begründung führte er aus, im Antrag auf Entgeltsicherungsleistungen würden die bisherige und die aktuelle Steuerklasse abgefragt. Er habe dies so verstanden, dass die Berechnung nach der ursprünglichen Steuerklasse erfolge. Im Antrag werde auch nicht auf den Nachteil beim Steuerklassenwechsel hingewiesen. Die Beklagte sei durch ihn über den Steuerklassenwechsel informiert worden. Erst durch den Bescheid habe er dann erfahren, dass die Leistung nach der neuen Steuerklasse berechnet werde, was für ihn eine monatliche Minderung von ca. 100,00 EUR bedeute, für das Jahr 2011 somit einen Betrag von etwa 700,00 EUR.

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 19.07.2011 als unbegründet zurück. Maßgeblich für die Höhe der Leistungen sei u.a. die Lohnsteuerklasse, die zum Zeitpunkt des Beginns des Anspruches auf der Steuerkarte des Antragstellers eingetragen sei. Im Falle des Klägers sei dies ab dem 01.06.2011 die Steuerklasse V gewesen. Im Übrigen ergebe die neu gewählte Steuerklassenkombination III/V Vorteile für die Gehaltshöhe der Ehefrau, so dass dem Kläger insgesamt keine Nachteile entstanden sein dürften.

Der Kläger hat am 10.08.2011 hiergegen Klage bei dem Sozialgericht Düsseldorf erhoben, mit der er sein Begehren auf Gewährung von Entgeltsicherungsleistungen unter Berücksichtigung der Lohnsteuerklasse IV bezüglich des vor Juni 2011 erzielten Verdienstes aufrecht erhalten hat. Er hat zur Begründung geltend gemacht, dass sich nach dem Gesetzeswortlaut die Nettoentgeltdifferenz aus dem Unterschiedsbetrag des pauschalierten Nettoentgeltes, das der Bemessung des Arbeitslosengeldes zugrunde gelegen habe (Lohnsteuerklasse IV) und dem pauschalierten Nettoentgelt der aufgenommenen Beschäftigung (Lohnsteuerklasse V) ergebe. Für die Rechtsauffassung der Beklagten verbleibe dann aber kein Raum. § 421j des Sozialgesetzbuches Drittes Buch - Arbeitsförderung - (SGB III) enthalte eine eindeutige Regelung im Hinblick auf die Berechnung. §133 SGB III bestimme hingegen nur, dass ein Steuerklassenwechsel von dem Tag an zu berücksichtigen sei, an dem er wirksam werde. Das frühere Arbeitsentgelt habe auf der Steuerklasse IV beruht, die Beklagte lege aber nunmehr rechtsfehlerhaft die Steuerklasse V auch diesbezüglich bei der Berechnung zu Grunde.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte unter Abänderung der Bescheide vom 09. und 29.06.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.07.2011 zu verurteilen, dem Kläger ab dem 01.06.2011 Leistungen der Entgeltsicherung für ältere Arbeitnehmer zu gewähren unter der Maßgabe, für die Differenzberechnung betreffend des vor Juni 2011 erzielten Verdienstes die Lohnsteuerklasse IV zugrunde zu legen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat auf ihre Ausführungen im Widerspruchsbescheid Bezug genommen. Darüber hinaus hat sie ausgeführt, das pauschalierte Arbeitsentgelt sei nach den Parametern des § 133 Abs. 3 SGB III zu bestimmen. Der Kläger habe die Steuerklasse zum 01.06.2011 auf V geändert, ab diesem Zeitpunkt seien Entgeltsicherungsleistungen gewährt worden. Dies habe auf der Grundlage der Steuerklasse V zu geschehen.

Mit Urteil vom 13.08.2012 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen das Folgende ausgeführt:

Die zulässige Klage sei unbegründet. Streitgegenständlich seien die Bescheide der Beklagten vom 09.06.2011 und 29.06.2011, jeweils in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.07.2011. Zum Zeitpunkt des Erlasses des Bescheides vom 29.06.2011 sei der ursprüngliche Bescheid vom 09.06.2011 noch nicht bindend geworden, so dass der spätere Bescheid nicht auf der Grundlage des § 44 SGB X habe erlassen werden können. Der von dem Kläger am 12.07.2011 eingelegte Widerspruch habe noch innerhalb der Widerspruchsfrist auch des Bescheides vom 09.06.2011 gelegen und sei deshalb auch auf diesen zu beziehen.

Die angefochtenen Bescheide seien jedoch nicht rechtswidrig und beschwerten den Kläger nicht i.S.d. § 54 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes - (SGG). Zu Recht habe die Beklagte die Gewährung höherer Entgeltsicherungsleistungen unter Zugrundelegung der Lohnsteuerklasse IV für das vor Juni 2011 erzielte Erwerbseinkommen bei der Differenzberechnung abgelehnt.

Der Kläger habe die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Leistungen der Entgeltsicherung nach § 421j Abs. 1 SGB III erfüllt, da er am 01.06.2011 bereits das 50. Lebensjahr vollendet und seine Arbeitslosigkeit durch Aufnahme einer versicherungspflichtigen Beschäftigung beendet habe. Auch habe zu diesem Zeitpunkt noch ein Restanspruch auf Arbeitslosengeld von mindestens 120 Tagen bestanden, das Arbeitsentgelt bei der neuen Beschäftigung den tariflichen bzw. ortsüblichen Bedingungen entsprochen und sich auch eine monatliche Nettoentgeltdifferenz von mindestens 50,00 EUR ergeben.

Die Berechnung der Höhe der Leistung ergebe sich aus § 421j Abs. 1 Satz 2 SGB III. Danach entspreche die Nettoentgeltdifferenz dem Unterschiedsbetrag zwischen dem pauschalierten Nettoentgelt, das sich aus dem der Bemessung des Arbeitslosengeldes zu Grunde liegenden Arbeitsentgelt ergebe und dem niedrigeren pauschalierten Nettoentgelt der aufgenommenen Beschäftigung. Die Berechnung erfolge unter Vergleich des Leistungsentgeltes des Arbeitslosengeldes und des nach § 133 Abs. 1 SGB III in das pauschalierte Nettoentgelt umgerechneten Arbeitsentgelts der neuen Beschäftigung. Habe der Arbeitnehmer vor Aufnahme der neuen Beschäftigung die Steuerklasse gewechselt, seien beide Nettoentgelte unter Berücksichtigung der neuen Steuerklasse zu ermitteln, auch wenn der Steuerklassenwechsel während des Arbeitslosengeldbezuges nicht berücksichtigt worden sei. Um Manipulationen zu vermeiden, müsse die neu gewählte Steuerklasse auch dem pauschalierten Nettoentgelt zugrundegelegt werden, das der Bemessung des Arbeitslosengeldes zu Grunde gelegen habe. Denn die Nettoentgeltdifferenz könne nicht an unterschiedlichen Kriterien hinsichtlich der Höhe der gesetzlichen Abzüge ansetzen. Zur Bestimmung der Nettoentgeltdifferenz sei danach maßgebliche Steuerklasse abweichend von § 133 Abs. 2 und 3 SGB III die aktuelle Eintragung auf der Lohnsteuerkarte und zwar sowohl für die Bestimmung des pauschalierten Nettoentgelts der aufgenommenen Beschäftigung als auch für die Bestimmung des pauschalierten Nettoentgelts des (hypothetischen) Arbeitslosengeldanspruchs. Normzweck des § 421j SGB III sei der Anreiz zur Arbeitsaufnahme für ältere Arbeitnehmer, auch wenn die Aufnahme der neuen Beschäftigung gegenüber der früheren Tätigkeit mit finanziellen Einbußen verbunden sei, nicht jedoch der Ausgleich für ein niedrigeres Arbeitsentgelt wegen Änderung der Lohnsteuerklasse. Eine Vergleichbarkeit ergebe sich damit nur auf der Grundlage der ab Leistungsgewährung zu berücksichtigenden Lohnsteuerklasse, hier der Steuerklasse V.

Der Kläger sei auch nicht im Rahmen eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs so zu stellen, als ob ein Steuerklassenwechsel zum 01.06.2011 nicht vorgenommen worden wäre. Eine in einer fehlerhaften Beratung bestehende Pflichtverletzung durch die Beklagte sei bereits nicht zu erkennen. Die Mitarbeiterin Frau S habe ausdrücklich erklärt, dass zu keiner Zeit die Empfehlung zum Steuerklassenwechsel ausgesprochen und vermerkt worden sei. Im Übrigen habe die zum 01.06.2011 eingetragene Steuerklasse V Tatbestandswirkung für die Beklagte.

Gegen dieses ihm am 31.08.2012 zugestellte Urteil wendet sich der Kläger mit der am 01.10.2012 eingelegten und von dem Sozialgericht zugelassenen Berufung, zu deren Begründung er im Wesentlichen das Folgende geltend macht:

Die von dem Sozialgericht vertretene Auffassung, wonach beide Nettoentgelte im Rahmen der Differenzberechnung des § 421j SGB III unter Berücksichtigung der neuen Steuerklasse zu ermitteln seien, finde, auch entgegen der mehrheitlich in der Literatur vertretenen Rechtsauffassung, im Gesetz keine Stütze. Für die Bemessung des ursprünglichen Arbeitslosengeldes sei richtigerweise seitens der Beklagten die Lohnsteuerklasse IV zugrundegelegt worden. Dagegen sei die Zugrundelegung der Lohnsteuerklasse V aufgrund des zwischenzeitlichen Steuerklassenwechsels bei der Berechnung nach § 421j Abs. 1 Satz 2 SGB III rechtswidrig. Vielmehr müsse diejenige Lohnsteuerklasse zugrundegelegt werden, die bei der Bemessung des Arbeitslosengeldes seinerzeit in Ansatz gebracht worden sei und im Gegenzug hierzu im Hinblick auf die aufgenommene Beschäftigung die entsprechend dann zugrundezulegende Steuerklasse. Alles andere sei vom Gesetz nicht gewollt und käme einer unzulässigen Rückwirkung gleich. Auch vermöge der Hinweis des Sozialgerichts auf § 133 SGB III nicht zu verfangen, da insbesondere in § 421j SGB III eine Verweisung auf § 133 SGB III fehle und § 421j Abs. 1 Satz 2 SGB III eine eigene Regelung mit eigenem Regelungsgehalt darstelle. Sie beziehe sich ausschließlich auf weitergehende Entgeltsicherung, die mit dem reinen Arbeitslosengeld nichts zu tun habe und ihrem systematischen Standort im 13. Kapitel des SGB III gemäß auch unter "Sonderregelungen" geführt würde. Daher könne auf § 133 SGB III nicht zurückgegriffen werden. Im Übrigen habe sich auch während des Bezuges des Arbeitslosengeldes keine Änderung der Lohnsteuerklasse ergeben. Sie sei nicht während des Arbeitslosengeldbezuges, sondern nach Ende des Arbeitslosengeldbezuges vor dem Hintergrund der Aufnahme einer neuen Tätigkeit erfolgt. Ferner sei auch die vom Sozialgericht vertretene Abweichung von § 133 Abs. 2 und 3 SGB III nicht vom Gesetz gedeckt. Insgesamt sei somit im Hinblick auf die Differenzberechnung für die frühere Beschäftigung nach wie vor die Lohnsteuerklasse IV zu Grunde zu legen. Auch enthielten die Merkblätter der Beklagten keinerlei Hinweise auf deren Berechnungsweise, so dass sich für die Kunden der Beklagten nicht erkennen lasse, welche Auswirkungen ein Lohnsteuerklassenwechsel habe und welche Lohnsteuerklasse dann für welche Berechnung zukünftig zugrundegelegt werde oder nicht.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 13.08.2012 abzuändern und die Beklagte unter Abänderung der Bescheide vom 09.06.2011 und 29.06.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.07.2011 zu verurteilen, ihm ab 01.06.2011 höhere Leistungen der Entgeltsicherung für ältere Arbeitnehmer zu gewähren.

Die Beklagte wird beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Berufungsbegründung enthalte keine Ausführungen, die nicht schon im Urteil des Sozialgerichts Berücksichtigung gefunden hätten.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie die Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen. Diese Unterlagen haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe:

Die fristgerecht eingelegte Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 13.08.2012 hat keinen Erfolg. Sie ist zulässig, aber unbegründet. Das Sozialgericht hat die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage zu Recht abgewiesen, weil sie unbegründet ist. Die Bescheide der Beklagten vom 09.06.2011 und 29.06.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.07.2011 sind im Ergebnis rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 54 Abs. 2 SGG). Er hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf höhere Leistungen der Entgeltsicherung.

1.) Streitgegenstand sind bei verständiger Auslegung des klägerischen Begehrens (§ 123 SGG) die Bescheide der Beklagten vom 09.06.2011 und 29.06.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.07.2011. Dass die Beklagte das auf den Bewilligungsbescheid vom 09.06.2011 ergangene Schreiben des Klägers vom 23.06.2011 nicht - richtigerweise - als Widerspruch gegen die Gewährung der u.a. auf der Grundlage der Steuerklasse V berechneten Entgeltsicherung ausgelegt, sondern als Überprüfungsantrag nach § 44 Abs. 1 SGB X behandelt und mit Verwaltungsakt vom 29.06.2011 auch so beschieden hat, beschwert den Kläger angesichts seines auf höhere Leistungen der Entgeltsicherung gerichteten Begehrens insoweit nicht, zumal, wie auch das Sozialgericht zu Recht ausgeführt hat, der eigentliche Bewilligungsbescheid vom 09.06.2011 nicht in Bestandskraft erwachsen und dem Gericht somit zur vollständigen Überprüfung angefallen ist.

2.) Der Kläger hat keinen Anspruch auf höhere Leistungen der Entgeltsicherung gegen die Beklagte, weil sie diese Leistungen der Höhe nach zutreffend berechnet hat. Rechtsgrundlage hierfür ist § 421j SGB III in der bis 31.03.2012 geltenden Fassung vom 24.10.2010 (ab 01.04.2012 § 417 SGB III, der inhaltlich dem bisherigen § 421j SGB III entspricht). Nach § 421j Abs. 1 SGB III haben Arbeitnehmer, die das 50. Lebensjahr vollendet haben und ihre Arbeitslosigkeit durch Aufnahme einer versicherungspflichtigen Beschäftigung beenden oder vermeiden, Anspruch auf Leistungen der Entgeltsicherung, wenn sie 1. einen Anspruch auf Arbeitslosengeld von mindestens 120 Tagen haben oder geltend machen könnten, 2. ein Arbeitsentgelt beanspruchen können, das den tariflichen oder, wenn eine tarifliche Bindung der Vertragsparteien nicht besteht, den ortsüblichen Bedingungen entspricht und 3. eine monatliche Nettoentgeltdifferenz von mindestens 50 EUR besteht. Die Nettoentgeltdifferenz entspricht dem Unterschiedsbetrag zwischen dem pauschalierten Nettoentgelt, das sich aus dem der Bemessung des Arbeitslosengeldes zu Grunde liegenden Arbeitsentgelt ergibt, und dem niedrigeren pauschalierten Nettoentgelt der aufgenommenen Beschäftigung (§ 421j Abs. 1 Satz 2 SGB III).

a) Der Kläger hat die Anspruchsvoraussetzungen des § 421j Abs. 1 SGB III dem Grunde nach erfüllt. Er hat zum maßgeblichen Zeitpunkt der Aufnahme der neuen Beschäftigung am 01.06.2011 das 50. Lebensjahr vollendet und seine Arbeitslosigkeit durch Aufnahme einer versicherungspflichtigen Beschäftigung beendet. Auch hat bei ihm zu diesem Zeitpunkt noch ein Restanspruch auf Arbeitslosengeld von mindestens 120 Tagen bestanden, das Arbeitsentgelt bei der neuen Beschäftigung den tariflichen bzw. ortsüblichen Bedingungen entsprochen und sich auch eine monatliche Nettoentgeltdifferenz von mindestens 50,00 EUR ergeben.

b) Die Beklagte hat die Höhe der dem Kläger bewilligten Leistungen der Entgeltsicherung zutreffend berechnet. Sie ist zu Recht von einer Nettoentgeltdifferenz in Höhe von täglich 23,66 EUR und damit 709,80 EUR monatlich (23,66 EUR x 30 Tage) ausgegangen und hat dem Kläger für die Zeit vom 01.06.2011 bis 31.05.2012 einen Zuschuss zum Arbeitsentgelt in Höhe von 50 % der monatlichen Nettoentgeltdifferenz, also 354,90 EUR, sowie für die Zeit vom 01.06.2012 bis 31.05.2013 in Höhe von 30 % der Differenz, also 212,94 EUR, gewährt (§ 421j Abs. 3 Satz 2 SGB III). Weiterhin hat die Beklagte für den gesamten zweijährigen Leistungszeitraum (§ 421j Abs. 2 Satz 1 SGB III) den zusätzlichen Beitrag zur gesetzlichen Rentenversicherung auf der Grundlage eines monatlichen Entgeltes von 1.367,10 EUR (45,57 EUR täglich) zutreffend bestimmt (§ 421j Abs. 3 Satz 3 SGB III).

aa) Insbesondere hat die Beklagte zur Berechnung der Nettoentgeltdifferenz (§ 421j Abs. 1 Satz 2 SGB III) bei der Ermittlung des pauschalisierten Nettoentgelts, das sich aus dem der Bemessung des Arbeitslosengeldes zu Grunde liegenden Arbeitsentgelt ergibt, zutreffend die Lohnsteuerklasse V und nicht die Lohnsteuerklasse IV aus dem früheren Arbeitslosengeldbezug des Klägers berücksichtigt. Der Senat schließt sich den in jeder Hinsicht zutreffenden Ausführungen des Sozialgerichts im angefochtenen Urteil an (§ 153 Abs. 2 SGG).

Auch das Berufungsvorbringen des Klägers ist nicht geeignet, eine ihm günstigere Entscheidung herbeizuführen.

Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung des Vorliegens sämtlicher Leistungsvoraussetzungen der Entgeltsicherung ist alleine derjenige der Aufnahme der Beschäftigung, hier also der 01.06.2011, so dass der vom Kläger zwischenzeitlich vollzogene Steuerklassenwechsel vollständig (d.h. auch für das bisherige Beschäftigungsverhältnis) zu berücksichtigen war. Dass es entgegen der von dem Kläger vertretenen Rechtsauffassung auf die dem früheren tatsächlichen Arbeitslosengeldbezug zu Grunde liegenden "Parameter" (und damit der Lohnsteuerklasse IV) nicht ankommen kann, ergibt sich bereits aus dem insoweit eindeutigen Wortlaut des § 421j SGB III sowie dessen systematischer Stellung im Gesetz.

Nach dem Wortlaut des § 421j Abs. 1 Satz 1 SGB III sind solche Arbeitnehmer, die das 50. Lebensjahr vollendet haben, nach Maßgabe der in Nr. 1 bis 3 normierten Voraussetzungen anspruchsberechtigt, die "ihre Arbeitslosigkeit durch Aufnahme einer versicherungspflichtigen Beschäftigung beenden oder vermeiden". Damit setzt § 421j SGB III gerade nicht voraus, dass ein Arbeitnehmer vor Beschäftigungsaufnahme Arbeitslosengeld tatsächlich bezogen hat. Da die Vermeidung von Arbeitslosigkeit ausreichend ist, genügt es, wenn der Arbeitnehmer von Arbeitslosigkeit bedroht ist (vgl. § 17 SGB III, ebenso Brandts, in Brand, SGB III, 6. Aufl. 2012, § 417 Rn. 7). Auch setzt § 421j Abs. 1 Nr. 1 SGB III folgerichtig lediglich einen "Anspruch" auf Arbeitslosengeld von mindestens 120 Tagen voraus (Stammrecht), der auch nur "geltend gemacht" werden kann (aber nicht muss). Wenn es dementsprechend auf einen vorherigen tatsächlichen Arbeitslosengeldbezug nicht ankommt, kann maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Leistungsvoraussetzungen für die Entgeltsicherung, also auch und gerade der Nettoentgeltdifferenz (§ 421j Abs. 1 Satz 2 SGB III), nur allein derjenige der Aufnahme der versicherungspflichtigen Beschäftigung sein, hier also am 01.06.2011. Dies ergibt sich in systematischer Hinsicht auch aus §§ 323 Abs. 1 Satz 1, 324 SGB III, weil die Entgeltsicherung als Leistung der aktiven Arbeitsförderung von einer - konstitutiven - Antragstellung abhängt und die Aufnahme der (schlechter bezahlten) Beschäftigung das "leistungsbegründende Ereignis" (§ 324 Abs. 1 Satz 1 SGB III) darstellt (BSG, Urt. v. 08.02.2007 - B 7a AL 22/06 R -, juris Rn. 12). Schon aus diesem Grunde geht die gesamte Argumentation des Klägers auch im Berufungsverfahren, weil fälschlicherweise auf dem tatsächlich gezahlten Arbeitslosengeld aufbauend, ins Leere. Ferner gebietet auch der Normzweck des § 421j SGB III keine Berücksichtigung der früheren Steuerklasse des Klägers bei der Ermittlung der Nettoentgeltdifferenz. Der Senat folgt dem Sozialgericht darin, dass Normzweck des § 421j SGB III der Anreiz zur Arbeitsaufnahme für ältere Arbeitnehmer ist, auch wenn die Aufnahme der neuen Beschäftigung gegenüber der früheren Tätigkeit zu finanziellen Einbußen führt, nicht jedoch der Ausgleich für ein niedrigeres Arbeitsentgelt wegen Änderung der Lohnsteuerklasse (s. auch Winkler, in: Gagel, SGB II/SGB III, § 417 SGB III Rn. 21; Becker, in: Mutschler/Schmidt-De Caluwe/Coseriu, SGB III, 5. Aufl. 2013, § 417 Rn. 56 f., wonach bei einem Steuerklassenwechsel vor Aufnahme der neuen Beschäftigung beide Nettoentgelte unter Berücksichtigung der neuen Steuerklasse zu ermitteln seien, auch wenn der Steuerklassenwechsel während des Arbeitslosengeldbezuges nicht berücksichtigt worden sei).

bb) Ferner ist es nicht zu beanstanden, dass die Beklagte die Lohnsteuerklasse V bei der Ermittlung der Nettoentgeltdifferenz berücksichtigt hat, ohne die Voraussetzungen des § 133 Abs. 2 oder 3 SGB III zu prüfen. Denn bei der Berechnung der Leistungen zur Entgeltsicherung kommt es alleine auf die jeweils gültige Eintragung der Lohnsteuerklasse an, so dass die steuerliche Sinnhaftigkeit eines Steuerklassenwechsels anders als beim Arbeitslosengeld irrelevant ist (vgl. Fraunhoffer, in: jurisPK-SGB III, § 417 Rn. 57; Becker, in: Mutschler/Schmidt-De Caluwe/Coseriu, a.a.O., § 417 Rn. 56).

c) Der Kläger ist auch nicht über das Institut des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs so zu stellen, als für die Ermittlung der Nettoentgeltdifferenz das dem Arbeitslosengeldanspruch zu Grunde liegende pauschalierte Nettoentgelt nach der früheren Lohnsteuerklasse IV berechnet wird. Abgesehen davon, dass die Berücksichtigung der Lohnsteuerklasse IV nach dem soeben Ausgeführten eine über dieses Institut nicht durchsetzbare rechtswidrige Amtshandlung im Bereich des § 421j SGB III darstellen würde, ist für eine Verletzung der Hinweis- und Beratungspflicht der Beklagten nichts ersichtlich. Ausweislich der aktenkundigen Verbis-Vermerke war der Steuerklassenwechsel nicht durch die für den Kläger zuständige Sachbearbeiterin der Beklagten motiviert worden. Auch bestand für eine "Warnung" des Klägers seitens der Beklagten im Sinne einer "Spontanberatung" schon deswegen keine Veranlassung mehr, weil dieser bereits anlässlich seines Antrages vom 15.10.2010 auf Bewilligung von Arbeitslosengeld mit dem von ihm mit seiner Unterschrift bestätigen Erhalt des Merkblatts 1 für Arbeitslose auf möglicherweise nachteilige Folgen eines Steuerklassenwechsels für die Höhe der Leistungen hingewiesen worden ist (s. dort S. 36 f.). Hiermit hat die Beklagte insbesondere die Rechtsprechung des BSG (grdl. Urt. v. 01.04.2004 - B 7 AL 52/03 R -, juris) umgesetzt (s. auch HessLSG, Urt. v. 02.02.2009 - L 9 AL 87/07 -, juris Rn. 26 f.). Dass sich ein Steuerklassenwechsel auch auf eine Leistung wie die Entgeltsicherung auswirken kann, die in Grund und Höhe auch an die Berechnungsgrundlagen für das Arbeitslosengeld angelehnt ist (§ 133 Abs. 1 SGB III), ist für einen verständigen Arbeitnehmer im Übrigen naheliegend.

3.) Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.

4.) Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG) bestehen nicht. Insbesondere ist eine Zulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG nicht angezeigt. Zwar existiert, soweit ersichtlich, keine höchstrichterliche Rechtsprechung zur Frage der Ermittlung der Nettoentgeltdifferenz bei einem Lohnsteuerklassenwechsel nach Arbeitslosengeldbezug und vor Aufnahme einer zur Entgeltsicherung berechtigenden Beschäftigung. Auch galt § 421j SGB III nach seiner Aufhebung zum 31.03.2012 als § 417 SGB III seit dem 01.04.2012 nahezu unverändert fort. Nach § 417 Abs. 7 SGB III ist das Instrument der Entgeltsicherung jedoch bis zum 31.12.2013 befristet. Der Gesetzgeber hat eine weitere Verlängerung der Befristung nicht vorgenommen. Es handelt sich hier somit um ausgelaufenes Recht, so dass eine Klärungsbedürftigkeit dieser Rechtsfrage zu verneinen ist (vgl. Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl., § 160 Rn. 8d m.w.N.). Im Übrigen steht der Klärungsbedürftigkeit entgegen, dass sich das gewonnene Ergebnis nach Auffassung des Senats ohne Weiteres dem Wortlaut des § 421j Abs. 1 SGB III entnehmen lässt.
Rechtskraft
Aus
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