Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Düsseldorf (NRW)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
26
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 26 KR 6/03
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darum, ob die Beklagte für Maßnahmen der künstlichen Befruchtung zur Zeugung eines 8. Kindes der Klägerin die Kosten zu tragen hat.
Die am 00.00.0000 geborene Klägerin ist bei der Beklagten über ihren Ehemann im Wege der Familienversicherung krankenversichert. Sie beantragte im April 2002 die Übernahme von Kosten für eine beabsichtigte künstliche Befruchtung, weil sie und ihr Ehemann sich nach dem Umzug von Bayern nach O noch ein letztes - und jetzt einheimisches - Kind wünschen.
Der behandelnde Gynäkologe E1 berichtete, dass die Klägerin bisher 7 Geburten gehabt habe, zuletzt im Oktober 2000 nach damals vorangegangener Stimulationsbehandlung (durch niedrig dosierte Hormongabe). Die 7 Geburten seien alle in der Ehe erfolgt. Seit einem Jahr bestehe ein erneuter Kinderwunsch. Beim Ehemann E2 habe ein Test im Juli 2002 keine motilen (ausreichend beweglichen) Samenzellen festgestellt. Es bestehe bei ihm sekundäre Sterilität (d.h. erworbene Sterilität nach vorangegangenen Zeugungen) und Verdacht auf immunologische Sterilität bei Anovulation. Eine intrauterine Insemination (IUI) nach Stimulationsbehandlung und Spermaaufbereitung sei besprochen worden.
Die Beklagte vermerkte, dass die seit 1980 verheirateten Eheleute sich unbedingt noch ein weiteres Kind wünschen würden. Alle Versuche, auf natürlichem Wege zu einer weiteren Schwangerschaft zu kommen, seien erfolglos gewesen. Die Kosten für die letzte Hormonbehandlung seien von der damaligen Krankenkasse in Bayern übernommen worden. Die 7 Kinder seien inzwischen 2, 4, 6, 14, 18, 20 und 21 Jahre alt. Trotzdem sei der Kinderwunsch der Familie weiterhin sehr hoch, sie hätten immer mit kleinen Kindern gelebt und fänden darin ihre Lebenserfüllung. Der behandelnde Arzt beurteile die Erfolgsaussicht als gut.
Der Medizinische Dienst der Krankenkassen (MDK) vermerkte zunächst, nach 7 Geburten sei im 42. Lebensjahr das biologische Alter der natürlichen Fortpflanzung erreicht; in einem Gutachten nach Aktenlage kam O zur Beurteilung, er könne eine Sterilitätstherapie nach Vollendung des 40. Lebensjahres nicht befürworten, da die Erfolgsprognose ungewiss sei.
Die Beklagte lehnte daraufhin mit dem angefochtenen Bescheid vom 30.09.2002 die Übernahme von Kosten für die begehrte Therapie ab. Zur Begründung führte sie aus, die vom Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen aufgestellten Richtlinien zur künstlichen Befruchtung sähen Maßnahmen für Frauen nur bis zur Vollendung des 40. Lebensjahres vor. Für Frauen im 40. bis zum 45. Lebensjahr könne eine Ausnahme nur in Betracht kommen, wenn durch eine gutachterliche Stellungnahme die Erfolgsaussichten positiv beurteilt würden. Das sei aber nach dem Gutachten des MDK nicht der Fall. Eine positive Aussage sei nicht möglich, wenn es in der Zeit vor dem 40. Lebensjahr nicht zu einer Schwangerschaft durch eine künstliche Befruchtung gekommen sei. Maßgebend dafür seien wissenschaftliche Erkenntnisse, nach denen erstmalige Maßnahmen der künstlichen Befruchtung nach Vollendung des 40. Lebensjahres deutlich abnehmbare Schwangerschaftsraten bei gleichzeitig ansteigender Fehlgeburtsrate nach sich gezogen hätten.
Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin am 18.10.2002 Widerspruch ein. Zur Begründung führte sie aus, die behandelnden Ärzte würden die begehrte Behandlung befürworten. Eine ärztliche Bescheinigung von E3 wurde vorgelegt, wonach wegen der hochgradigen Subfertilität des Ehemannes eine Befruchtungschance nur bestehe, durch In-Vitro-Fertilisation (IVF) in Kombination mit intracytoplasmatischer Spermieninjektion (ICSI). Weil bei ihr keine Fruchtbarkeitsstörungen vorlägen, und die Störung des Ehemannes einzig erkennbare Ursache der Kinderlosigkeit sei, sehe E3 gute Erfolgschancen. Alleiniger Grund für IVF in Kombination mit ICSI sei hier also das Spermiogramm des Ehemannes.
Die Beklagte holte noch eine weitere Stellungnahme des MDK dazu ein. N vom MDK kam nach Aktenlage zur Beurteilung, aus dem Widerspruchsvorbringen ergäbe sich letztlich keine andere Beurteilung. Er führte aus, die Krankenkassen übernähmen die Kosten für die konventionelle IVF bis zu 4 Versuchen bis zum 40. Lebensjahr der Frau, da das Alter der Frau den limitierenden Faktor in der Sterilitätstherapie darstelle. Es sei bekannt, dass nach dem 35. Lebensjahr die Schwangerschaftsraten deutlich absinken würden bei zunehmenden Abort- und Fehlbildungsraten. Die Schwangerschaftsrate läge bei IVF bei Frauen über 39 Jahren bei 14,99 %, bei ICSI 12,7 %. Die Abortraten, also Fehlgeburtsraten, betrügen bei Frauen von 42 Jahren 54,5 %, bei Frauen von 45 Jahren oder älter 74,7 %. Aus diesem Grunde sei eine Grenze nicht willkürlich bei dem 40. Lebensjahr gezogen worden. Dass die Klägerin noch theoretisch schwanger werden könnte, sei nicht streitig. Hier gehe es aber um die Frage, ob eine Therapie zur Erzielung einer Schwangerschaft zu Lasten der Solidargemeinschaft durchgeführt werden müsse angesichts der fraglichen Erfolgsaussichten. Diese erschienen zu gering und eine Ausnahme von den Richtlinien sei nicht erkennbar.
Mit Widerspruchsbescheid vom 19.12.2002, zugestellt den Bevollmächtigten der Klägerin am 31.12.2002 (Bl. 15 bis 17 der Gerichtsakte), wies die Beklagte den Widerspruch zurück und blieb bei ihrer Ablehnung. Zur Begründung gab die Beklagte nochmal den bisherigen Sachverhalt wieder und führte ergänzend aus, dass sie den MDK nochmals um Stellungnahme gebeten habe. Danach sei aber eine sichere Beurteilung der Erfolgsaussichten im Einzelfall nicht möglich. Eine Orientierung an der in den Richtlinien festgelegten Grenze des 40. Lebensjahres sei vielmehr geboten und eine Ausnahmesituation sei nicht erkennbar. Anspruch auf eine künstliche Befruchtung bestehe grundsätzlich nur unter den Voraussetzungen des § 27 a des Sozialgesetzbuches (SGB) V. Nach dieser gesetzlichen Vorschrift habe der Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen in Richtlinien die medizinischen Einzelheiten zu Voraussetzungen, Art und Umfang der Leistungen zu bestimmen. An diese Richtlinien, die den medizinischen Standard und Gesichtspunkte der Wirtschaftlichkeit berücksichtigen müssten, seien die Krankenkassen zwingend geboten. Diese Richtlinien sähen aber vor, dass Maßnahmen der künstlichen Befruchtung nur bei Frauen, die das 40. Lebensjahr noch nicht vollendet hätten, vorgenommen werden dürfen. Ausnahmen seien nur zulässig bei Frauen bis zur Vollendung des 45. Lebensjahres und auch nur, sofern nach gutachterlicher Beurteilung noch ausreichend hohe Erfolgsaussichten bestünden. Nach ihren vorangegangenen Ausführungen und den Stellungnahmen des MDK sei eine solche Ausnahme nicht erkennbar.
Gegen diesen Bescheid hat die Klägerin am 30.01.2003 Klage zum Sozialgericht Düsseldorf erhoben.
Zur Begründung nimmt die Klägerin Bezug auf ihr bisheriges Vorbringen und vertieft dieses. Insbesondere habe ihrer Meinung nach der Gutachter des MDK nicht ausreichend berücksichtigt, dass ihre eigene Fruchtbarkeit nicht eingeschränkt sei, wie durch die 7 vorangegangenen Geburten belegt sei. Auch wenn bei den letzten beiden Kindern eine leichte hormonelle Stimulierung der Klägerin erfolgt sei, zeige die Schwangerschaft, dass die Klägerin auf diese Stimulierungen bestens anspreche. Für die Beurteilung und Erfolgsaussichten komme es nur auf ihre Person an. Ihre Periode sei inzwischen wieder völlig regelmäßig; außerdem seien alle Geburten völlig normal verlaufen, es sei nicht einmal ein Dammschnitt nötig gewesen. Nach den ihr bekannten Statistiken betrage die Schwangerschaftsrate in ihrer Altersgruppe pro ICSI-Transfer von Eizellen 13,64 %. Für den Transfer von 3 Embryonen ergebe sich bei Frauen zwischen 40 und 44 Jahren sogar eine Wahrscheinlichkeit von 19,3 % für den Eintritt einer klinischen Schwangerschaft. Diese Quote sei zugrunde zu legen. Damit sei die gewünschte Behandlung auch nach Meinung der behandelnden Ärzte als geeignet und erfolgversprechend anzusehen, so dass die Ausnahmeregelung in den Richtlinien eingreife.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 30.09.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.12.2002 zu verurteilen, die Kosten für mindestens 4 Maßnahmen der künstlichen homologen Befruchtung im Wege von IVF in Kombination mit ICSI zu übernehmen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte nimmt Bezug auf ihre Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden. Außerdem ergäbe sich auch nach der Klagebegründung kein Ausnahmetatbestand. Allein die Umstände, dass die Klägerin sich nach bereits geborenen 7 Kindern ein 8. Kind wünsche und dass bei ihr keine in der Person liegenden besonderen fruchtbarkeitseinschränkenden Befunde ersichtlich seien, könnten nicht als Begründung eines Ausnahmetatbestandes gesehen werden.
In diesem Zusammenhang sei erwähnenswert, dass der Gesetzgeber nun auch für die Zukunft durch Gesetz eine generelle Einschränkung schaffen wolle für Maßnahmen der künstlichen Befruchtung längstens bis zum 40. Lebensjahr.
Das Gericht hat die Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen über die künstliche Befruchtung beigezogen, sowie die Bundestagsdrucksachen anlässlich der 1990 erfolgten Einführung der künstlichen Befruchtung in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen(BR-Drucksache 65/90), und diese Unterlagen den Beteiligten übersandt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze und den Inhalt der Gerichtsakte sowie auf den Inhalt der Verwaltungsakte der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung war, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig. Sie wurde insbesondere form- und fristgerecht erhoben. Da der Widerspruchsbescheid der Beklagten den Bevollmächtigten der Klägerin erst am 31.12.2002 zugestellt wurde, was auch zwischen den Beteiligten unstreitig ist (Bl. 15 bis 17 Gerichtsakte), lief die Klagefrist noch bis zum 31.01.2003; einen Tag zuvor hat die Klägerin noch die Klage erhoben.
Die Klage ist jedoch unbegründet. Die angefochtenen Verwaltungsakte der Beklagten, nämlich der Bescheid vom 30.09.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.12.2002, sind nicht rechtswidrig und beschweren die Klägerin nicht im Sinne von § 54 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG), weil die Beklagte mit diesen Bescheiden zu Recht abgelehnt hat, Kosten für weitere Versuche der künstlichen Befruchtung zu übernehmen. Der dahingehenden begehrten Verpflichtung der Beklagten (§ 54 Abs. 4 SGG) war damit nicht zu entsprechen.
Zur Meidung unnötiger Wiederholungen nimmt das Gericht gemäß § 136 Abs. 3 SGG Bezug auf die Ausführungen der Beklagten in den angefochtenen Bescheiden, erklärt diese für richtig und sieht insoweit von einer weiteren Begründung ab. Ergänzend führt das Gericht noch folgendes aus: Die Klägerin hat keinen Anspruch darauf, dass die Beklagte nach § 27 a SGB V im Rahmen der kassenärztlichen Versorgung die Kosten übernimmt für Maßnahmen der künstlichen Befruchtung für ein weiteres Kind, auch nicht im Wege von IVF in Kombination mit ICSI. Denn gemäß § 27 a Abs. 4 SGB V besteht nach den über § 92 SGB V anzuwendenden grundsätzlich bindenden Richtlinien über die künstliche Befruchtung, die den Beteiligten auch bekannt gegeben wurden, kein Anspruch für solche Maßnahmen, weil die Klägerin bereits - und dies auch bei Antragstellung - schon das 40. Lebensjahr vollendet hat. Nach Nr. 9 Satz 2 dieser Richtlinien sind Ausnahmen nur bei Frauen zulässig, die das 45. Lebensjahr - wie die Klägerin - noch nicht vollendet haben, sofern auch die Krankenkasse nach gutachterlicher Beurteilung der Erfolgsaussichten eine Genehmigung erteilt hat. In diesem Rahmen bedurfte es also der Prüfung, ob wegen der Erfolgsaussichten der Klägerin eine Genehmigung dieser Maßnahmen zusteht; dies ist aber zu verneinen. Wenn es - wie die Klägerin vorträgt - für die Erfolgsaussichten der künstlichen Befruchtung allein auf die Umstände in der Person der Klägerin ankäme, dann könnten diese Erfolgsaussichten zwar bejaht werden, weil die Klägerin ihre Fruchtbarkeit schon 7 mal unter Beweis gestellt hat (obwohl auch diese Aussichten letztlich spekulativ bleiben); aber nach den Richtlinien, die den gesetzlichen Anspruch näher ausformen, soweit er keine näheren Regelungen trifft, kommt es auf die mutmaßlichen Erfolgsaussichten der Befruchtung in der Ehe an und somit auch auf die Umstände in der Person des Ehemannes (vgl. Landessozialgericht Baden-Württemberg Urteil vom 31.01.2003 - L 4 KR 3130/02, wonach es für den Anspruch auf Maßnahmen der künstlichen Befruchtung nicht auf einen regelwidrigen Körperzustand eines Ehegatten ankommt, sondern auf die Unfruchtbarkeit des Ehepaares bzw. auf die Erfolgsaussichten für die Verbindung von Ei- und Samenzellen beider Ehepartner). Hier sind also auch die gegen eine Erfolgsaussicht sprechenden Umstände in der Person des Ehemannes der Klägerin zu würdigen wie die auch nach dem ärztlichen Bericht hochgradige Subfertilität (Unfruchtbarkeit) des Ehemannes und dessen ungünstiges Spermiogramm. Gegen eine Erfolgsaussicht sprechen auch überwiegend die schon im Gutachten von N genannten Prozent-Zahlen. Diese weisen bei Frauen nach dem 39. Lebensjahr aus, dass die Erfolgsaussichten von IVF insgesamt nur ca. 14,99 % maximal betragen, bei generell auch sehr hohem Abortrisiko (also Fehlgeburtenrisiko) von 54,5 % für 42-jährige schon; das Fehlgeburtsrisiko beträgt also schon mehr als die Hälfte. Auch in der Klagebegründung wird von der Klägerin selbst bei einem Transfer von 3 Embryonen nur eine Wahrscheinlichkeit von 19,3 % genannt, also von weniger als einem Viertel. Die Wahrscheinlichkeit, dass es also zu einem Einnisten des Embryos und auch zu einer Austragung kommen wird, ist also außerordentlich gering zu veranschlagen im Alter der Klägerin.
Vor dem Hintergrund auch des vom Gesetzgeber eigentlich gewollten Gesetzeszweckes nach § 27 a SGB V, wie er sich erkennbar aus den beigezogenen Bundesrats-Drucksachen ergibt - nämlich Entgegenwirken ungewollter (völliger) Kinderlosigkeit eines Ehepaares - , kann damit unter Beachtung auch des Wirtschaftlichkeitsgrundsatzes (§ 12 Abs. 1 SGB V) bei diesen ungewissen Erfolgsaussichten keine Verpflichtung der Solidargemeinschaft bzw. der Kassen abgeleitet werden, einer Frau im 42. bzw. inzwischen dem 43. Lebensjahr, die bereits 7 Kinder aus der Ehe hat, weitere künstliche Befruchtungsmaßnahmen zu gewähren und dies als "erforderlich" anzusehen im Sinne von § 27 a Abs. 1 Nr. 1 SGB V. Wie die Klägerin vorgetragen hat, sind von ihren 7 Kindern sogar 6 gesund und nur eines bisher behindert und leidet am Masa-Syndrom, einer genetischen Erkrankung, die mit Entwicklungsbeeinträchtigung und motorischen Störungen einhergeht.
Das in den Richtlinien des Bundesausschusses als Regelgrenze bestimmte 40. Lebensjahr ist zudem nicht willkürlich bestimmt worden, denn nach Vollendung des 40. Lebensjahres läuft nun einmal die biologische Uhr und es ist auch nicht zu verkennen, dass dabei auch generell die Abort- und Fehlbildungsrate steigt. Zur Meidung von Missverständnissen führt die Kammer aus, dass sie durchaus Verständnis und Respekt für den Wunsch der Klägerin und ihres Ehemannes hat, weitere Kinder haben zu wollen; doch können die mit sehr hohen Kosten (im 4- und 5-stelligen Bereich) verbundenen künstlichen Befruchtungsmaßnahmen bei geringen Erfolgsaussichten nicht zu Lasten der Solidargemeinschaft der Krankenversicherten gehen angesichts des für die Krankenkassen auch geltenden Wirtschaftlichkeitsgebotes nach § 12 Abs. 1 SGB V; danach müssen die Leistungen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein und dürfen das Maß des Notwendigen nicht übersteigen.
Im Übrigen kann der Auffassung des Bundessozialgerichts (im Urteil vom 03.04.2001 - B 1 KR 40/00 R) nicht gefolgt werden, dass eine erfolgreiche Durchführung der künstlichen Befruchtung, bzw. damit schon allein das Vorhandensein von Kindern, die (erneute) Gewährung entsprechender Maßnahmen zur Herbeiführung einer weiteren Schwangerschaft nicht ausschließe, weil das Gesetz insofern keine Begrenzung vorsehe. Denn in dieser Entscheidung hat das Bundessozialgericht die von der Kammer beigezogenen Bundesrats-Drucksachen offenbar nicht gewürdigt. Insoweit heißt es ausdrücklich auf S. 46 der BR-Drucksache 65/90: "Die Leistungsverbesserungen ...durch Einführung von Leistungen zur künstlichen Befruchtung ... verhindern eine rein medizintechnische Behandlung bei ungewollter Kinderlosigkeit und eine unkritische Anwendung der neuen Methoden der Fortpflanzungsmedizin durch eine umfassende Beratung des kinderlosen Ehepaares ...". Der Gesetzgeber hat also Ehepaaren helfen wollen, die noch gar keine Kinder haben oder jedenfalls noch keine eigenen Kinder haben. Da die Klägerin aber alle sieben und sogar auch gesunde Kinder gemeinsam mit ihrem Ehemann hat, kann der vom Gesetzgeber in den Bundesrats-Drucksachen geäußerte Gesetzeszweck den von ihr geltend gemachten Anspruch jedenfalls nicht stützen, er ist sogar ein weiteres Argument gegen ihre Klage.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1, 4 SGG.
Die Berufung ist für die Klägerin auch ohne gesonderten Ausspruch zulässig, da die gerichtsbekannten Kosten für die künstliche Befruchtungen mittels IVF und ICSI den Mindeststreitwert von 500,- Euro bei weitem übersteigen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darum, ob die Beklagte für Maßnahmen der künstlichen Befruchtung zur Zeugung eines 8. Kindes der Klägerin die Kosten zu tragen hat.
Die am 00.00.0000 geborene Klägerin ist bei der Beklagten über ihren Ehemann im Wege der Familienversicherung krankenversichert. Sie beantragte im April 2002 die Übernahme von Kosten für eine beabsichtigte künstliche Befruchtung, weil sie und ihr Ehemann sich nach dem Umzug von Bayern nach O noch ein letztes - und jetzt einheimisches - Kind wünschen.
Der behandelnde Gynäkologe E1 berichtete, dass die Klägerin bisher 7 Geburten gehabt habe, zuletzt im Oktober 2000 nach damals vorangegangener Stimulationsbehandlung (durch niedrig dosierte Hormongabe). Die 7 Geburten seien alle in der Ehe erfolgt. Seit einem Jahr bestehe ein erneuter Kinderwunsch. Beim Ehemann E2 habe ein Test im Juli 2002 keine motilen (ausreichend beweglichen) Samenzellen festgestellt. Es bestehe bei ihm sekundäre Sterilität (d.h. erworbene Sterilität nach vorangegangenen Zeugungen) und Verdacht auf immunologische Sterilität bei Anovulation. Eine intrauterine Insemination (IUI) nach Stimulationsbehandlung und Spermaaufbereitung sei besprochen worden.
Die Beklagte vermerkte, dass die seit 1980 verheirateten Eheleute sich unbedingt noch ein weiteres Kind wünschen würden. Alle Versuche, auf natürlichem Wege zu einer weiteren Schwangerschaft zu kommen, seien erfolglos gewesen. Die Kosten für die letzte Hormonbehandlung seien von der damaligen Krankenkasse in Bayern übernommen worden. Die 7 Kinder seien inzwischen 2, 4, 6, 14, 18, 20 und 21 Jahre alt. Trotzdem sei der Kinderwunsch der Familie weiterhin sehr hoch, sie hätten immer mit kleinen Kindern gelebt und fänden darin ihre Lebenserfüllung. Der behandelnde Arzt beurteile die Erfolgsaussicht als gut.
Der Medizinische Dienst der Krankenkassen (MDK) vermerkte zunächst, nach 7 Geburten sei im 42. Lebensjahr das biologische Alter der natürlichen Fortpflanzung erreicht; in einem Gutachten nach Aktenlage kam O zur Beurteilung, er könne eine Sterilitätstherapie nach Vollendung des 40. Lebensjahres nicht befürworten, da die Erfolgsprognose ungewiss sei.
Die Beklagte lehnte daraufhin mit dem angefochtenen Bescheid vom 30.09.2002 die Übernahme von Kosten für die begehrte Therapie ab. Zur Begründung führte sie aus, die vom Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen aufgestellten Richtlinien zur künstlichen Befruchtung sähen Maßnahmen für Frauen nur bis zur Vollendung des 40. Lebensjahres vor. Für Frauen im 40. bis zum 45. Lebensjahr könne eine Ausnahme nur in Betracht kommen, wenn durch eine gutachterliche Stellungnahme die Erfolgsaussichten positiv beurteilt würden. Das sei aber nach dem Gutachten des MDK nicht der Fall. Eine positive Aussage sei nicht möglich, wenn es in der Zeit vor dem 40. Lebensjahr nicht zu einer Schwangerschaft durch eine künstliche Befruchtung gekommen sei. Maßgebend dafür seien wissenschaftliche Erkenntnisse, nach denen erstmalige Maßnahmen der künstlichen Befruchtung nach Vollendung des 40. Lebensjahres deutlich abnehmbare Schwangerschaftsraten bei gleichzeitig ansteigender Fehlgeburtsrate nach sich gezogen hätten.
Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin am 18.10.2002 Widerspruch ein. Zur Begründung führte sie aus, die behandelnden Ärzte würden die begehrte Behandlung befürworten. Eine ärztliche Bescheinigung von E3 wurde vorgelegt, wonach wegen der hochgradigen Subfertilität des Ehemannes eine Befruchtungschance nur bestehe, durch In-Vitro-Fertilisation (IVF) in Kombination mit intracytoplasmatischer Spermieninjektion (ICSI). Weil bei ihr keine Fruchtbarkeitsstörungen vorlägen, und die Störung des Ehemannes einzig erkennbare Ursache der Kinderlosigkeit sei, sehe E3 gute Erfolgschancen. Alleiniger Grund für IVF in Kombination mit ICSI sei hier also das Spermiogramm des Ehemannes.
Die Beklagte holte noch eine weitere Stellungnahme des MDK dazu ein. N vom MDK kam nach Aktenlage zur Beurteilung, aus dem Widerspruchsvorbringen ergäbe sich letztlich keine andere Beurteilung. Er führte aus, die Krankenkassen übernähmen die Kosten für die konventionelle IVF bis zu 4 Versuchen bis zum 40. Lebensjahr der Frau, da das Alter der Frau den limitierenden Faktor in der Sterilitätstherapie darstelle. Es sei bekannt, dass nach dem 35. Lebensjahr die Schwangerschaftsraten deutlich absinken würden bei zunehmenden Abort- und Fehlbildungsraten. Die Schwangerschaftsrate läge bei IVF bei Frauen über 39 Jahren bei 14,99 %, bei ICSI 12,7 %. Die Abortraten, also Fehlgeburtsraten, betrügen bei Frauen von 42 Jahren 54,5 %, bei Frauen von 45 Jahren oder älter 74,7 %. Aus diesem Grunde sei eine Grenze nicht willkürlich bei dem 40. Lebensjahr gezogen worden. Dass die Klägerin noch theoretisch schwanger werden könnte, sei nicht streitig. Hier gehe es aber um die Frage, ob eine Therapie zur Erzielung einer Schwangerschaft zu Lasten der Solidargemeinschaft durchgeführt werden müsse angesichts der fraglichen Erfolgsaussichten. Diese erschienen zu gering und eine Ausnahme von den Richtlinien sei nicht erkennbar.
Mit Widerspruchsbescheid vom 19.12.2002, zugestellt den Bevollmächtigten der Klägerin am 31.12.2002 (Bl. 15 bis 17 der Gerichtsakte), wies die Beklagte den Widerspruch zurück und blieb bei ihrer Ablehnung. Zur Begründung gab die Beklagte nochmal den bisherigen Sachverhalt wieder und führte ergänzend aus, dass sie den MDK nochmals um Stellungnahme gebeten habe. Danach sei aber eine sichere Beurteilung der Erfolgsaussichten im Einzelfall nicht möglich. Eine Orientierung an der in den Richtlinien festgelegten Grenze des 40. Lebensjahres sei vielmehr geboten und eine Ausnahmesituation sei nicht erkennbar. Anspruch auf eine künstliche Befruchtung bestehe grundsätzlich nur unter den Voraussetzungen des § 27 a des Sozialgesetzbuches (SGB) V. Nach dieser gesetzlichen Vorschrift habe der Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen in Richtlinien die medizinischen Einzelheiten zu Voraussetzungen, Art und Umfang der Leistungen zu bestimmen. An diese Richtlinien, die den medizinischen Standard und Gesichtspunkte der Wirtschaftlichkeit berücksichtigen müssten, seien die Krankenkassen zwingend geboten. Diese Richtlinien sähen aber vor, dass Maßnahmen der künstlichen Befruchtung nur bei Frauen, die das 40. Lebensjahr noch nicht vollendet hätten, vorgenommen werden dürfen. Ausnahmen seien nur zulässig bei Frauen bis zur Vollendung des 45. Lebensjahres und auch nur, sofern nach gutachterlicher Beurteilung noch ausreichend hohe Erfolgsaussichten bestünden. Nach ihren vorangegangenen Ausführungen und den Stellungnahmen des MDK sei eine solche Ausnahme nicht erkennbar.
Gegen diesen Bescheid hat die Klägerin am 30.01.2003 Klage zum Sozialgericht Düsseldorf erhoben.
Zur Begründung nimmt die Klägerin Bezug auf ihr bisheriges Vorbringen und vertieft dieses. Insbesondere habe ihrer Meinung nach der Gutachter des MDK nicht ausreichend berücksichtigt, dass ihre eigene Fruchtbarkeit nicht eingeschränkt sei, wie durch die 7 vorangegangenen Geburten belegt sei. Auch wenn bei den letzten beiden Kindern eine leichte hormonelle Stimulierung der Klägerin erfolgt sei, zeige die Schwangerschaft, dass die Klägerin auf diese Stimulierungen bestens anspreche. Für die Beurteilung und Erfolgsaussichten komme es nur auf ihre Person an. Ihre Periode sei inzwischen wieder völlig regelmäßig; außerdem seien alle Geburten völlig normal verlaufen, es sei nicht einmal ein Dammschnitt nötig gewesen. Nach den ihr bekannten Statistiken betrage die Schwangerschaftsrate in ihrer Altersgruppe pro ICSI-Transfer von Eizellen 13,64 %. Für den Transfer von 3 Embryonen ergebe sich bei Frauen zwischen 40 und 44 Jahren sogar eine Wahrscheinlichkeit von 19,3 % für den Eintritt einer klinischen Schwangerschaft. Diese Quote sei zugrunde zu legen. Damit sei die gewünschte Behandlung auch nach Meinung der behandelnden Ärzte als geeignet und erfolgversprechend anzusehen, so dass die Ausnahmeregelung in den Richtlinien eingreife.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 30.09.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.12.2002 zu verurteilen, die Kosten für mindestens 4 Maßnahmen der künstlichen homologen Befruchtung im Wege von IVF in Kombination mit ICSI zu übernehmen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte nimmt Bezug auf ihre Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden. Außerdem ergäbe sich auch nach der Klagebegründung kein Ausnahmetatbestand. Allein die Umstände, dass die Klägerin sich nach bereits geborenen 7 Kindern ein 8. Kind wünsche und dass bei ihr keine in der Person liegenden besonderen fruchtbarkeitseinschränkenden Befunde ersichtlich seien, könnten nicht als Begründung eines Ausnahmetatbestandes gesehen werden.
In diesem Zusammenhang sei erwähnenswert, dass der Gesetzgeber nun auch für die Zukunft durch Gesetz eine generelle Einschränkung schaffen wolle für Maßnahmen der künstlichen Befruchtung längstens bis zum 40. Lebensjahr.
Das Gericht hat die Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen über die künstliche Befruchtung beigezogen, sowie die Bundestagsdrucksachen anlässlich der 1990 erfolgten Einführung der künstlichen Befruchtung in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen(BR-Drucksache 65/90), und diese Unterlagen den Beteiligten übersandt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze und den Inhalt der Gerichtsakte sowie auf den Inhalt der Verwaltungsakte der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung war, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig. Sie wurde insbesondere form- und fristgerecht erhoben. Da der Widerspruchsbescheid der Beklagten den Bevollmächtigten der Klägerin erst am 31.12.2002 zugestellt wurde, was auch zwischen den Beteiligten unstreitig ist (Bl. 15 bis 17 Gerichtsakte), lief die Klagefrist noch bis zum 31.01.2003; einen Tag zuvor hat die Klägerin noch die Klage erhoben.
Die Klage ist jedoch unbegründet. Die angefochtenen Verwaltungsakte der Beklagten, nämlich der Bescheid vom 30.09.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.12.2002, sind nicht rechtswidrig und beschweren die Klägerin nicht im Sinne von § 54 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG), weil die Beklagte mit diesen Bescheiden zu Recht abgelehnt hat, Kosten für weitere Versuche der künstlichen Befruchtung zu übernehmen. Der dahingehenden begehrten Verpflichtung der Beklagten (§ 54 Abs. 4 SGG) war damit nicht zu entsprechen.
Zur Meidung unnötiger Wiederholungen nimmt das Gericht gemäß § 136 Abs. 3 SGG Bezug auf die Ausführungen der Beklagten in den angefochtenen Bescheiden, erklärt diese für richtig und sieht insoweit von einer weiteren Begründung ab. Ergänzend führt das Gericht noch folgendes aus: Die Klägerin hat keinen Anspruch darauf, dass die Beklagte nach § 27 a SGB V im Rahmen der kassenärztlichen Versorgung die Kosten übernimmt für Maßnahmen der künstlichen Befruchtung für ein weiteres Kind, auch nicht im Wege von IVF in Kombination mit ICSI. Denn gemäß § 27 a Abs. 4 SGB V besteht nach den über § 92 SGB V anzuwendenden grundsätzlich bindenden Richtlinien über die künstliche Befruchtung, die den Beteiligten auch bekannt gegeben wurden, kein Anspruch für solche Maßnahmen, weil die Klägerin bereits - und dies auch bei Antragstellung - schon das 40. Lebensjahr vollendet hat. Nach Nr. 9 Satz 2 dieser Richtlinien sind Ausnahmen nur bei Frauen zulässig, die das 45. Lebensjahr - wie die Klägerin - noch nicht vollendet haben, sofern auch die Krankenkasse nach gutachterlicher Beurteilung der Erfolgsaussichten eine Genehmigung erteilt hat. In diesem Rahmen bedurfte es also der Prüfung, ob wegen der Erfolgsaussichten der Klägerin eine Genehmigung dieser Maßnahmen zusteht; dies ist aber zu verneinen. Wenn es - wie die Klägerin vorträgt - für die Erfolgsaussichten der künstlichen Befruchtung allein auf die Umstände in der Person der Klägerin ankäme, dann könnten diese Erfolgsaussichten zwar bejaht werden, weil die Klägerin ihre Fruchtbarkeit schon 7 mal unter Beweis gestellt hat (obwohl auch diese Aussichten letztlich spekulativ bleiben); aber nach den Richtlinien, die den gesetzlichen Anspruch näher ausformen, soweit er keine näheren Regelungen trifft, kommt es auf die mutmaßlichen Erfolgsaussichten der Befruchtung in der Ehe an und somit auch auf die Umstände in der Person des Ehemannes (vgl. Landessozialgericht Baden-Württemberg Urteil vom 31.01.2003 - L 4 KR 3130/02, wonach es für den Anspruch auf Maßnahmen der künstlichen Befruchtung nicht auf einen regelwidrigen Körperzustand eines Ehegatten ankommt, sondern auf die Unfruchtbarkeit des Ehepaares bzw. auf die Erfolgsaussichten für die Verbindung von Ei- und Samenzellen beider Ehepartner). Hier sind also auch die gegen eine Erfolgsaussicht sprechenden Umstände in der Person des Ehemannes der Klägerin zu würdigen wie die auch nach dem ärztlichen Bericht hochgradige Subfertilität (Unfruchtbarkeit) des Ehemannes und dessen ungünstiges Spermiogramm. Gegen eine Erfolgsaussicht sprechen auch überwiegend die schon im Gutachten von N genannten Prozent-Zahlen. Diese weisen bei Frauen nach dem 39. Lebensjahr aus, dass die Erfolgsaussichten von IVF insgesamt nur ca. 14,99 % maximal betragen, bei generell auch sehr hohem Abortrisiko (also Fehlgeburtenrisiko) von 54,5 % für 42-jährige schon; das Fehlgeburtsrisiko beträgt also schon mehr als die Hälfte. Auch in der Klagebegründung wird von der Klägerin selbst bei einem Transfer von 3 Embryonen nur eine Wahrscheinlichkeit von 19,3 % genannt, also von weniger als einem Viertel. Die Wahrscheinlichkeit, dass es also zu einem Einnisten des Embryos und auch zu einer Austragung kommen wird, ist also außerordentlich gering zu veranschlagen im Alter der Klägerin.
Vor dem Hintergrund auch des vom Gesetzgeber eigentlich gewollten Gesetzeszweckes nach § 27 a SGB V, wie er sich erkennbar aus den beigezogenen Bundesrats-Drucksachen ergibt - nämlich Entgegenwirken ungewollter (völliger) Kinderlosigkeit eines Ehepaares - , kann damit unter Beachtung auch des Wirtschaftlichkeitsgrundsatzes (§ 12 Abs. 1 SGB V) bei diesen ungewissen Erfolgsaussichten keine Verpflichtung der Solidargemeinschaft bzw. der Kassen abgeleitet werden, einer Frau im 42. bzw. inzwischen dem 43. Lebensjahr, die bereits 7 Kinder aus der Ehe hat, weitere künstliche Befruchtungsmaßnahmen zu gewähren und dies als "erforderlich" anzusehen im Sinne von § 27 a Abs. 1 Nr. 1 SGB V. Wie die Klägerin vorgetragen hat, sind von ihren 7 Kindern sogar 6 gesund und nur eines bisher behindert und leidet am Masa-Syndrom, einer genetischen Erkrankung, die mit Entwicklungsbeeinträchtigung und motorischen Störungen einhergeht.
Das in den Richtlinien des Bundesausschusses als Regelgrenze bestimmte 40. Lebensjahr ist zudem nicht willkürlich bestimmt worden, denn nach Vollendung des 40. Lebensjahres läuft nun einmal die biologische Uhr und es ist auch nicht zu verkennen, dass dabei auch generell die Abort- und Fehlbildungsrate steigt. Zur Meidung von Missverständnissen führt die Kammer aus, dass sie durchaus Verständnis und Respekt für den Wunsch der Klägerin und ihres Ehemannes hat, weitere Kinder haben zu wollen; doch können die mit sehr hohen Kosten (im 4- und 5-stelligen Bereich) verbundenen künstlichen Befruchtungsmaßnahmen bei geringen Erfolgsaussichten nicht zu Lasten der Solidargemeinschaft der Krankenversicherten gehen angesichts des für die Krankenkassen auch geltenden Wirtschaftlichkeitsgebotes nach § 12 Abs. 1 SGB V; danach müssen die Leistungen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein und dürfen das Maß des Notwendigen nicht übersteigen.
Im Übrigen kann der Auffassung des Bundessozialgerichts (im Urteil vom 03.04.2001 - B 1 KR 40/00 R) nicht gefolgt werden, dass eine erfolgreiche Durchführung der künstlichen Befruchtung, bzw. damit schon allein das Vorhandensein von Kindern, die (erneute) Gewährung entsprechender Maßnahmen zur Herbeiführung einer weiteren Schwangerschaft nicht ausschließe, weil das Gesetz insofern keine Begrenzung vorsehe. Denn in dieser Entscheidung hat das Bundessozialgericht die von der Kammer beigezogenen Bundesrats-Drucksachen offenbar nicht gewürdigt. Insoweit heißt es ausdrücklich auf S. 46 der BR-Drucksache 65/90: "Die Leistungsverbesserungen ...durch Einführung von Leistungen zur künstlichen Befruchtung ... verhindern eine rein medizintechnische Behandlung bei ungewollter Kinderlosigkeit und eine unkritische Anwendung der neuen Methoden der Fortpflanzungsmedizin durch eine umfassende Beratung des kinderlosen Ehepaares ...". Der Gesetzgeber hat also Ehepaaren helfen wollen, die noch gar keine Kinder haben oder jedenfalls noch keine eigenen Kinder haben. Da die Klägerin aber alle sieben und sogar auch gesunde Kinder gemeinsam mit ihrem Ehemann hat, kann der vom Gesetzgeber in den Bundesrats-Drucksachen geäußerte Gesetzeszweck den von ihr geltend gemachten Anspruch jedenfalls nicht stützen, er ist sogar ein weiteres Argument gegen ihre Klage.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1, 4 SGG.
Die Berufung ist für die Klägerin auch ohne gesonderten Ausspruch zulässig, da die gerichtsbekannten Kosten für die künstliche Befruchtungen mittels IVF und ICSI den Mindeststreitwert von 500,- Euro bei weitem übersteigen.
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