Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 2 U 286/99
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 3 U 3/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 14.11.2000 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte dem Kläger für einen im Mai/Juni 1998 erlittenen Arbeitsunfall Entschädigung in Form von Verletztenrente nach einer MdE um 20 v.H. zu gewähren hat. Dabei geht es um die Frage, ob eine Zerreißung des Bandes zwischen Kahn- und Mondbein Folge des vorgenannten Unfalls und der daraus resultierende Folgezustand zu entschädigen ist.
Der am ...1961 geborene Kläger hat im Mai/Juni 1998 - das genaue Datum ist dem Kläger nicht mehr erinnerlich - einen Unfall erlitten, als er beim Abrutschen bei Teigarbeiten in der Backstube sich das rechte Handgelenk verletzte. Im Detail hat er hierzu nachfolgend verschiedene Angaben gemacht, zum einen (vgl. Schreiben vom 10.11.1998) hat er angegeben, dass er, als er mit dem Bein weggerutscht sei, sich mit der rechten Hand abgestützt habe und mit dieser Hand umgeknickt sei und dann ein Knirschen aufgetreten sei und er einen leichten Schmerz verspürt habe. Gegenüber Dr.J ... hatte er am 31.07.1998 einen Sturz auf das gebeugte Handgelenk angegeben.
Das Verfahren wurde von der AOK Bayern - Direktion Ingolstadt im Oktober 1999 eingeleitet in Form der Anmeldung eines Ersatzanspruchs gegenüber der Beklagten nach § 111 SGB X. Beim Kläger, der seinen Hausarzt Dr. W ... am 10.07.1998 wegen Belastungsschmerzen am rechten Handgelenk aufgesucht, jedoch keine Angaben zur Ursache gemacht hatte, wurde Arbeitsunfähigkeit ab 10.07.1998 festgestellt; in den dortigen Diagnosen wurden eine Tendovaginitis rechter Unterarm und Bandruptur rechtes Handgelenk angeführt. Bei der nachfolgenden orthopädischen Untersuchung durch Dr. J ... hat der Kläger ein Abrutschen bei Teigarbeiten in der Backstube als Ursache angegeben, beim weiterbehandelnden Orthopäden Dr. R ... wurde am 15.09.1998 ein Sturz auf das gebeugte Handgelenk vor drei Monaten angegeben. Im Befundbericht von Dr. Th ... vom 10.11.1998 - wo sich der Kläger am 07.09.1998 vorgestellt hatte - war eine scapo-lunäre Dissoziation diagnostiziert worden, diese wurde am 05.10.1998 operativ behandelt. Es wurde eine Reposition, Spickdrahtosteosynthese und Bandnaht durchgeführt. Postoperativ entwickelte sich eine schwere Sudeck sche Dystrophie mit der Notwendigkeit einer nochmaligen stationären Behandlung in der H ...-Klinik vom 12.01.1999 bis 26.01.1999.
Die Beklagte hat die einschlägigen medizinischen Unterlagen beigezogen und den Kläger durch den Chirurgen Dr. Sch ... untersuchen und begutachten lassen. Dieser wertete in seinem Gutachten vom 04.12.1998 die festgestellte Bandverletzung als Unfallfolge, weil keine weiteren Unfallereignisse in der Vorgeschichte und auch nach dem Zeitpunkt der Verletzung zu erheben gewesen seien. Infolge der Bandzerreißung des Kahn- und Mondbeines mit nachfolgender Algodystrophie bestehe eine unfallbedingte Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 20 v.H. Demgegenüber kam der Chirurg Dr. G ... in seiner Stellungnahme vom 13.03.1999 zu der Auffassung, dass der Hergang vom Mai/Juni 1998 nicht mit Wahrscheinlichkeit zu einer Bandinstabilität zwischen Kahn- und Mondbein der rechten Handwurzel geführt habe, allenfalls habe sich eine bereits latent vorbestehende Instabilität durch diesen auslösenden Faktor manifestiert.
Die Beklagte hat sodann mit Bescheid vom 22.03.1999 die Entschädigung des Ereignisses vom Juni 1998 abgelehnt, weil der angeschuldigte Vorfall nicht geeignet gewesen sei, eine Instabilität zwischen Mond- und Kahnbein zu verursachen.
Der hiergegen eingelegte Widerspruch blieb ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 08.07.1999).
Hiergegen hat der Kläger nachfolgend beim Sozialgericht Augsburg Klage erhoben und sein Begehren wiederholt, ihm die gesetzlichen Entschädigungsleistungen anlässlich des Unfalls vom Mai/Juni 1998 zu gewähren.
Das SG hat die einschlägigen Röntgenaufnahmen beigezogen, eine Auskunft der AOK Bayern - Direktion Ingolstadt - zu den Behandlungen und Arbeitsunfähigkeitszeiten seit Juli 1998 eingeholt. Des weiteren wurde ein Foto von der Unfallstelle durch den Arbeitgeber angefordert. Der daraufhin mit der Begutachtung beauftragte Sachverständige der Orthopäde Dr. L ... gelangte in seinem Gutachten vom 18.01.2000 zu der Auffassung, dass das angeschuldigte Ereignis vom Juni 1998 einer einfachen Umknickverletzung entsprochen habe, d.h. einer Distorsion mit allenfalls kurzzeitiger Teilverrenkung eines oder mehrerer Handwurzelknochen der körpernahen Handwurzelreihe auf der Grundlage einer vorbestehenden Handwurzelinstabilität. Eine MdE sei hierdurch nicht hervorgerufen worden. Der auf Antrag des Klägers - § 109 SGG - gehörte Sachverständige, der Arzt für Handchirurgie und plastische Chirurgie Dr. R ... kam im Gutachten vom 02.08.2000 ebenfalls zu der Auffassung, dass der Unfall zu keinem nachhaltigen Dauerschaden - mit einer Fehlstellung im Handgelenk - geführt habe, denn die Erzeugung eines Risses des Bandes zwischen Kahn- und Mondbein fordere eine erhebliche Krafteinwirkung, die aber bei dem angeschuldigten Unfallereignis keinesfalls vorgelegen habe. Somit liege auch keine unfallbedingte MdE vor.
Der Kläger hat des weiteren ein Gutachten vom Privatdozent Dr. N ... vom 04.10.2000 für die Allianz Versicherung vorgelegt.
Der Kläger hat vor dem SG zuletzt beantragt, die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 22.03.1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.07.1999 zu verurteilen, ihm wegen der Unfallfolgen ab 01.09.1998 Verletztenrente nach einer MdE um 20 v. H. zu gewähren, hilfsweise weitere Ermittlungen von Amts wegen durchzuführen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Mit Urteil vom 14.11.2000 hat das SG die Klage abgewiesen: Der Kläger habe keinen Anspruch auf Verletztenrente wegen seines Arbeitsunfalls, eines zeitlich zwar nicht mehr exakt zuordnenbaren, aber während der versicherten Tätigkeit als Bäcker erfolgten Unfalls, weil seine Erwerbsfähigkeit infolge des Versicherungsfalls nicht um wenigstens 20 v. H. gemindert sei. Denn eine unfallbedingte Zerreißung des Bandes zwischen Kahn- und Mondbein liege als Folge des Arbeitsunfalls nicht vor. Zur Anerkennung der vorgenannten Gesundheitsstörung als Unfallfolge sei nämlich eine erhebliche Krafteinwirkung erforderlich, die bei dem vom Kläger geschilderten Vorgang (Abkippen in den Teigtrog mit entsprechender Abstützreaktion) nicht erfüllt sei. Wie die übereinstimmenden Beurteilungen der erfahrenen Sachverständigen Dr. L ... und Dr. G ... sowie auch des Dr. R ... ergeben haben, habe eine solch massive Gewalteinwirkung bei dem geschilderten Vorgang nicht vorgelegen. Gegen die geltend gemachte unfallbedingte Ursache spreche auch der weitere Ablauf nach dem geltend gemachten Vorgang, d. h. der Umstand, dass nur kurzzeitig Beschwerden bestanden hätten. Wie der Kläger selbst angegeben habe, habe er auch dem Unfall keine große Bedeutung geschenkt. Zu berücksichtigen sei ferner, dass andere Ursachen für die zweifelsfrei vorliegende schwere Erkrankung am Handgelenk medizinisch in Frage kommen. Die Bewertung des Dr. Sch ... habe unter dem Vorbehalt gestanden, dass keine andere Ursache bekannt sei. Der Kläger habe aber als Schüler einen Bruch des körperfernen Speichenendes rechts erlitten. Nicht selten bestehe auch eine anlagemäßige Instabilität. Die beim Kläger im November 1996 erfolgte Behandlung der Sehnen- und Sehnenscheideentzündung spräche für eine solche vorbestehende Instabilität des Hand-/Handwurzelgelenks. Insgesamt spreche deutlich mehr gegen die Annahme, dass die im September 1998 festgestellte und im Oktober 1998 operativ behandelnde Instabilität der körpernahen Handwurzelreihe durch das vorgenannte Unfallereignis verursacht wurde. Auch aus dem Gutachten von PD. Dr. N ... für die Haftpflichtversicherung ergebe sich dazu nichts Neues, da dieses Gutachten keinerlei detaillierte Kausalitätsüberlegungen enthalte. Bei dem aufgeklärten Sachverhalt seien weitere Ermittlungen nicht notwendig gewesen.
Hiergegen hat der Kläger Berufung eingelegt: Das SG Augsburg habe zu Unrecht die Klage abgewiesen bzw. sei dem Antrag auf weitere Ermittlungen von Amts wegen zu Unrecht nicht nachgekommen. Er sei unverändert der Auffassung, dass ein ursächlicher Zusammenhang zwischen dem streitgegenständlichen Unfall vom Mai/Juni 1998 und dem nunmehr bestehenden Schaden am rechten Handgelenk, der eine MdE in rentenberechtigendem Grade rechtfertige, bestehe. Er stützte sich vor allem auf das Gutachten des Dr. Sch ...; dieser sei nach der erstinstanzlichen Entscheidung nochmals kontaktiert worden und habe ihm erklärt, dass er unverändert zu seiner Einschätzung stünde. Die Einholung eines Sachverständigen- Obergutachtens könnte weitere Klärung bringen.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des SG Augsburg vom 14.11.2000 und des Bescheides vom 22.03.1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.07.1999 zu verurteilen, ihm Verletztenrente ab 01.09.1998 nach einer MdE um 20 v.H. zu gewähren, hilfsweise die Sache an das SG Augsburg zurückzuverweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen, weil das angefochtene Urteil zutreffend sei.
Im Übrigen wird zur Ergänzung des Sachverhalts gemäß § 136 Abs. 2 SGG auf den Inhalt der Akten der Beklagten sowie der Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die frist- und formgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig, aber nicht begründet.
Das SG hat mit Recht die Klage abgewiesen. Denn bei der im September 1998 diagnostizierten und anschließend im Oktober 1998 operativ behandelten Instabilität der körpernahen Handwurzelreihe handelt es sich nicht um eine im Sinne der in der gesetzlichen Unfallversicherung geltenden Kausalitätslehre verursachten Folge des vom Kläger geschilderten Arbeitsunfalls. Denn wie die gehörten Sachverständigen Dr. L ... und Dr. R ..., denen sich der Senat in vollem Umfang anschließt, ausgeführt haben, war das Unfallgeschehen nicht geeignet, eine traumatische Schädigung, d. h. unfallbedingte Zerreißung des Bandes zwischen Kahn- und Mondbein, zu verursachen. Denn dafür wäre eine erhebliche Krafteinwirkung erforderlich gewesen, die bei dem vom Kläger geschilderten Vorgang jedoch nicht vorlag. Diese - auf übereinstimmende Gutachtensergebnisse - gestützte Auffassung des SG ist gut nachvollziehbar, zumal eine wesentlich naheliegendere Erklärung für den oben genannten Befund der bereits im jugendlichen Alter erlittene Bruch des körperfernen Speichenendes rechts darstellt. In Anwendung dieser Grundsätze kam dem Arbeitsunfall als Schadensursache keine wesentliche Bedeutung zu.
Der Senat hat darüber hinaus geprüft, ob nicht unter dem Gesichtspunkt einer mittelbaren Unfallfolge der im Ergebnis bestehende schwere Schaden am rechten Handgelenk von der Beklagten zu entschädigen ist. Nach dem Sturz wurde - allerdings nicht auf Veranlassung der Beklagten, sondern als kassenärztliche Behandlung - eine Operation Naht des SL-Bandes, temporäre Arthrodese, ... Kirschnerdrähte, Denervierung) durchgeführt. Nachfolgend kam es zu einer postoperativen Algodystrophie (Sudeck sche Erkrankung Stadium II bis III), die dann letztlich für das Ausmaß des jetzt vorliegenden Schadens verantwortlich zu machen ist (vgl. hierzu auch H ...-Kliniken und Auffassung des Dr. G ...). Auf Grund des Ergebnisses der handchirurgischen Untersuchung am 15.09.1998 war dieser Befund in Verbindung mit der MRT-Untersuchung Anlass für ein weiteres operatives Vorgehen am 05.10.1998 gewesen. Der OP-Bericht ergab eine Ruptur sowie eine Dislokationsstellung zwischen Scafoid und Lunatum. Es wurde eine Reposition und eine Spickdrahtosteosynthese sowie eine Bandnaht durchgeführt. Postoperativ kam es zum Auftreten einer schweren Sudeck schen Dystrophie, der Heilverlauf hat sich hierdurch enorm verlängert und es wurde noch einmal stationäre Behandlung in der Zeit vom 12.01.1999 bis 26.01.1999 in der H ...-Klinik, Augsburg, notwendig. Zwar hat das BSG sowohl für das Gebiet der Kriegsopferversorgung als auch für das Gebiet der gesetzlichen Unfallversicherung entschieden, dass durch - zur Feststellung oder Behandlung von Unfallfolgen durchgeführten - ärztliche Eingriffe hervorgerufenen Gesundheitsstörungen mittelbare Schädigungs- oder Unfallfolgen sein können, auch wenn es sich dabei z. B. um Folgen ärztlicher Kunstfehler gehandelt hat. In den genannten Entscheidungen hat das BSG jedoch stets - wenn auch nicht ausdrücklich - auf die wesentliche sachliche Verbindung (vgl. hierzu BSGE 58, 76, 77) zwischen der Schädigung bzw. dem Arbeitsunfall und dem zur geltend gemachten Gesundheitsstörung führenden ärztlichen Eingriff abgestellt. Eine mittelbare Schädigungs- oder Unfallfolge hat es nur dann für gegeben erachtet, wenn den Ärzten bei der versorgungsrechtlich gebotenen Behandlung ein Kunstfehler unterlaufen ist (BSGE 17, 60, 62), wenn die Gesundheitsstörung durch einen Kunstfehler bei der Behandlung eines Arbeitsunfalls aufgetreten ist (BSGE 46, 283, 284) oder wenn die Eingriffe dazu gedient haben, Art, Umfang und Ausmaß von Schädigungs- oder Unfallfolgen festzustellen (BSG SozR 2200 § 548 Nr. 59). Auf das Erfordernis der wesentlichen sachlichen Verknüpfung zwischen dem Arbeitsunfall und dem Zweck des zur Gesundheitsstörung führenden ärztlichen Eingriffs, wie er sich aus der Handlungstendenz des Arztes und den sie bestätigenden objektiven Umständen des Falles ergibt, kann nicht verzichtet werden, um wertend entscheiden zu können, ob ein mittelbarer Schaden noch vom Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung umfasst ist. Insoweit ist auch auf die in diesem Zusammenhang übertragbare Rechtsprechung des BGH hinzuweisen, wonach dem Schädiger Komplikationen eines ärztlichen Eingriffs nicht zugerechnet werden können, wenn dieser zwar anlässlich einer unfallbedingten Operation vorgenommen wird, jedoch durch eine Behandlungsmaßnahme, die durch ein unabhängig von dem Unfall bestehendes Leiden erforderlich geworden ist. Auch wenn zwischen der im Zivilrecht angewandten Adäquanztheorie und der hier maßgeblichen Theorie der wesentlichen Bedingung erhebliche Unterschiede bestehen (vgl. hierzu BSGE 63, 277, 280), so können dem Arbeitsunfall bei wertender Betrachtung nur solche Komplikationen ärztlicher Eingriffe zugeordnet werden, die bei der Erkennung oder Behandlung von Unfallfolgen aufgetreten sind. Auf Grund des Umstands, dass das Erstattungs-Verfahren von der AOK Bayern erst im Oktober 1999 eingeleitet worden ist (Anmeldung eines Ersatzeinspruchs gegenüber der Beklagten) die ärztlichen Behandlungen im Jahre 1998/1999 noch auf Veranlassung der AOK Bayern durchgeführt worden sind, ist davon auszugehen, dass die ärztlichen Behandlungen/Operation mit nachfolgendem verzögerten Heilverlauf in den Verantwortungsbereich der Krankenkasse fallen und nicht etwa als solche Maßnahmen gewertet werden können, die zur Feststellung oder Behandlung von Unfallfolgen gedient haben. Angesichts dieser eindeutigen Abgrenzbarkeit kann somit auch der zusätzliche Eingriff mit seinen Folgen nicht mehr - im Rechtsinn - auf den Arbeitsunfall zurückgeführt werden.
Nach allem konnte daher die Berufung des Klägers kein Erfolg haben, sie ist unbegründet und daher zurückzuweisen gewesen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen hierfür nach § 163 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG nicht vorliegen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte dem Kläger für einen im Mai/Juni 1998 erlittenen Arbeitsunfall Entschädigung in Form von Verletztenrente nach einer MdE um 20 v.H. zu gewähren hat. Dabei geht es um die Frage, ob eine Zerreißung des Bandes zwischen Kahn- und Mondbein Folge des vorgenannten Unfalls und der daraus resultierende Folgezustand zu entschädigen ist.
Der am ...1961 geborene Kläger hat im Mai/Juni 1998 - das genaue Datum ist dem Kläger nicht mehr erinnerlich - einen Unfall erlitten, als er beim Abrutschen bei Teigarbeiten in der Backstube sich das rechte Handgelenk verletzte. Im Detail hat er hierzu nachfolgend verschiedene Angaben gemacht, zum einen (vgl. Schreiben vom 10.11.1998) hat er angegeben, dass er, als er mit dem Bein weggerutscht sei, sich mit der rechten Hand abgestützt habe und mit dieser Hand umgeknickt sei und dann ein Knirschen aufgetreten sei und er einen leichten Schmerz verspürt habe. Gegenüber Dr.J ... hatte er am 31.07.1998 einen Sturz auf das gebeugte Handgelenk angegeben.
Das Verfahren wurde von der AOK Bayern - Direktion Ingolstadt im Oktober 1999 eingeleitet in Form der Anmeldung eines Ersatzanspruchs gegenüber der Beklagten nach § 111 SGB X. Beim Kläger, der seinen Hausarzt Dr. W ... am 10.07.1998 wegen Belastungsschmerzen am rechten Handgelenk aufgesucht, jedoch keine Angaben zur Ursache gemacht hatte, wurde Arbeitsunfähigkeit ab 10.07.1998 festgestellt; in den dortigen Diagnosen wurden eine Tendovaginitis rechter Unterarm und Bandruptur rechtes Handgelenk angeführt. Bei der nachfolgenden orthopädischen Untersuchung durch Dr. J ... hat der Kläger ein Abrutschen bei Teigarbeiten in der Backstube als Ursache angegeben, beim weiterbehandelnden Orthopäden Dr. R ... wurde am 15.09.1998 ein Sturz auf das gebeugte Handgelenk vor drei Monaten angegeben. Im Befundbericht von Dr. Th ... vom 10.11.1998 - wo sich der Kläger am 07.09.1998 vorgestellt hatte - war eine scapo-lunäre Dissoziation diagnostiziert worden, diese wurde am 05.10.1998 operativ behandelt. Es wurde eine Reposition, Spickdrahtosteosynthese und Bandnaht durchgeführt. Postoperativ entwickelte sich eine schwere Sudeck sche Dystrophie mit der Notwendigkeit einer nochmaligen stationären Behandlung in der H ...-Klinik vom 12.01.1999 bis 26.01.1999.
Die Beklagte hat die einschlägigen medizinischen Unterlagen beigezogen und den Kläger durch den Chirurgen Dr. Sch ... untersuchen und begutachten lassen. Dieser wertete in seinem Gutachten vom 04.12.1998 die festgestellte Bandverletzung als Unfallfolge, weil keine weiteren Unfallereignisse in der Vorgeschichte und auch nach dem Zeitpunkt der Verletzung zu erheben gewesen seien. Infolge der Bandzerreißung des Kahn- und Mondbeines mit nachfolgender Algodystrophie bestehe eine unfallbedingte Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 20 v.H. Demgegenüber kam der Chirurg Dr. G ... in seiner Stellungnahme vom 13.03.1999 zu der Auffassung, dass der Hergang vom Mai/Juni 1998 nicht mit Wahrscheinlichkeit zu einer Bandinstabilität zwischen Kahn- und Mondbein der rechten Handwurzel geführt habe, allenfalls habe sich eine bereits latent vorbestehende Instabilität durch diesen auslösenden Faktor manifestiert.
Die Beklagte hat sodann mit Bescheid vom 22.03.1999 die Entschädigung des Ereignisses vom Juni 1998 abgelehnt, weil der angeschuldigte Vorfall nicht geeignet gewesen sei, eine Instabilität zwischen Mond- und Kahnbein zu verursachen.
Der hiergegen eingelegte Widerspruch blieb ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 08.07.1999).
Hiergegen hat der Kläger nachfolgend beim Sozialgericht Augsburg Klage erhoben und sein Begehren wiederholt, ihm die gesetzlichen Entschädigungsleistungen anlässlich des Unfalls vom Mai/Juni 1998 zu gewähren.
Das SG hat die einschlägigen Röntgenaufnahmen beigezogen, eine Auskunft der AOK Bayern - Direktion Ingolstadt - zu den Behandlungen und Arbeitsunfähigkeitszeiten seit Juli 1998 eingeholt. Des weiteren wurde ein Foto von der Unfallstelle durch den Arbeitgeber angefordert. Der daraufhin mit der Begutachtung beauftragte Sachverständige der Orthopäde Dr. L ... gelangte in seinem Gutachten vom 18.01.2000 zu der Auffassung, dass das angeschuldigte Ereignis vom Juni 1998 einer einfachen Umknickverletzung entsprochen habe, d.h. einer Distorsion mit allenfalls kurzzeitiger Teilverrenkung eines oder mehrerer Handwurzelknochen der körpernahen Handwurzelreihe auf der Grundlage einer vorbestehenden Handwurzelinstabilität. Eine MdE sei hierdurch nicht hervorgerufen worden. Der auf Antrag des Klägers - § 109 SGG - gehörte Sachverständige, der Arzt für Handchirurgie und plastische Chirurgie Dr. R ... kam im Gutachten vom 02.08.2000 ebenfalls zu der Auffassung, dass der Unfall zu keinem nachhaltigen Dauerschaden - mit einer Fehlstellung im Handgelenk - geführt habe, denn die Erzeugung eines Risses des Bandes zwischen Kahn- und Mondbein fordere eine erhebliche Krafteinwirkung, die aber bei dem angeschuldigten Unfallereignis keinesfalls vorgelegen habe. Somit liege auch keine unfallbedingte MdE vor.
Der Kläger hat des weiteren ein Gutachten vom Privatdozent Dr. N ... vom 04.10.2000 für die Allianz Versicherung vorgelegt.
Der Kläger hat vor dem SG zuletzt beantragt, die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 22.03.1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.07.1999 zu verurteilen, ihm wegen der Unfallfolgen ab 01.09.1998 Verletztenrente nach einer MdE um 20 v. H. zu gewähren, hilfsweise weitere Ermittlungen von Amts wegen durchzuführen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Mit Urteil vom 14.11.2000 hat das SG die Klage abgewiesen: Der Kläger habe keinen Anspruch auf Verletztenrente wegen seines Arbeitsunfalls, eines zeitlich zwar nicht mehr exakt zuordnenbaren, aber während der versicherten Tätigkeit als Bäcker erfolgten Unfalls, weil seine Erwerbsfähigkeit infolge des Versicherungsfalls nicht um wenigstens 20 v. H. gemindert sei. Denn eine unfallbedingte Zerreißung des Bandes zwischen Kahn- und Mondbein liege als Folge des Arbeitsunfalls nicht vor. Zur Anerkennung der vorgenannten Gesundheitsstörung als Unfallfolge sei nämlich eine erhebliche Krafteinwirkung erforderlich, die bei dem vom Kläger geschilderten Vorgang (Abkippen in den Teigtrog mit entsprechender Abstützreaktion) nicht erfüllt sei. Wie die übereinstimmenden Beurteilungen der erfahrenen Sachverständigen Dr. L ... und Dr. G ... sowie auch des Dr. R ... ergeben haben, habe eine solch massive Gewalteinwirkung bei dem geschilderten Vorgang nicht vorgelegen. Gegen die geltend gemachte unfallbedingte Ursache spreche auch der weitere Ablauf nach dem geltend gemachten Vorgang, d. h. der Umstand, dass nur kurzzeitig Beschwerden bestanden hätten. Wie der Kläger selbst angegeben habe, habe er auch dem Unfall keine große Bedeutung geschenkt. Zu berücksichtigen sei ferner, dass andere Ursachen für die zweifelsfrei vorliegende schwere Erkrankung am Handgelenk medizinisch in Frage kommen. Die Bewertung des Dr. Sch ... habe unter dem Vorbehalt gestanden, dass keine andere Ursache bekannt sei. Der Kläger habe aber als Schüler einen Bruch des körperfernen Speichenendes rechts erlitten. Nicht selten bestehe auch eine anlagemäßige Instabilität. Die beim Kläger im November 1996 erfolgte Behandlung der Sehnen- und Sehnenscheideentzündung spräche für eine solche vorbestehende Instabilität des Hand-/Handwurzelgelenks. Insgesamt spreche deutlich mehr gegen die Annahme, dass die im September 1998 festgestellte und im Oktober 1998 operativ behandelnde Instabilität der körpernahen Handwurzelreihe durch das vorgenannte Unfallereignis verursacht wurde. Auch aus dem Gutachten von PD. Dr. N ... für die Haftpflichtversicherung ergebe sich dazu nichts Neues, da dieses Gutachten keinerlei detaillierte Kausalitätsüberlegungen enthalte. Bei dem aufgeklärten Sachverhalt seien weitere Ermittlungen nicht notwendig gewesen.
Hiergegen hat der Kläger Berufung eingelegt: Das SG Augsburg habe zu Unrecht die Klage abgewiesen bzw. sei dem Antrag auf weitere Ermittlungen von Amts wegen zu Unrecht nicht nachgekommen. Er sei unverändert der Auffassung, dass ein ursächlicher Zusammenhang zwischen dem streitgegenständlichen Unfall vom Mai/Juni 1998 und dem nunmehr bestehenden Schaden am rechten Handgelenk, der eine MdE in rentenberechtigendem Grade rechtfertige, bestehe. Er stützte sich vor allem auf das Gutachten des Dr. Sch ...; dieser sei nach der erstinstanzlichen Entscheidung nochmals kontaktiert worden und habe ihm erklärt, dass er unverändert zu seiner Einschätzung stünde. Die Einholung eines Sachverständigen- Obergutachtens könnte weitere Klärung bringen.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des SG Augsburg vom 14.11.2000 und des Bescheides vom 22.03.1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.07.1999 zu verurteilen, ihm Verletztenrente ab 01.09.1998 nach einer MdE um 20 v.H. zu gewähren, hilfsweise die Sache an das SG Augsburg zurückzuverweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen, weil das angefochtene Urteil zutreffend sei.
Im Übrigen wird zur Ergänzung des Sachverhalts gemäß § 136 Abs. 2 SGG auf den Inhalt der Akten der Beklagten sowie der Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die frist- und formgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig, aber nicht begründet.
Das SG hat mit Recht die Klage abgewiesen. Denn bei der im September 1998 diagnostizierten und anschließend im Oktober 1998 operativ behandelten Instabilität der körpernahen Handwurzelreihe handelt es sich nicht um eine im Sinne der in der gesetzlichen Unfallversicherung geltenden Kausalitätslehre verursachten Folge des vom Kläger geschilderten Arbeitsunfalls. Denn wie die gehörten Sachverständigen Dr. L ... und Dr. R ..., denen sich der Senat in vollem Umfang anschließt, ausgeführt haben, war das Unfallgeschehen nicht geeignet, eine traumatische Schädigung, d. h. unfallbedingte Zerreißung des Bandes zwischen Kahn- und Mondbein, zu verursachen. Denn dafür wäre eine erhebliche Krafteinwirkung erforderlich gewesen, die bei dem vom Kläger geschilderten Vorgang jedoch nicht vorlag. Diese - auf übereinstimmende Gutachtensergebnisse - gestützte Auffassung des SG ist gut nachvollziehbar, zumal eine wesentlich naheliegendere Erklärung für den oben genannten Befund der bereits im jugendlichen Alter erlittene Bruch des körperfernen Speichenendes rechts darstellt. In Anwendung dieser Grundsätze kam dem Arbeitsunfall als Schadensursache keine wesentliche Bedeutung zu.
Der Senat hat darüber hinaus geprüft, ob nicht unter dem Gesichtspunkt einer mittelbaren Unfallfolge der im Ergebnis bestehende schwere Schaden am rechten Handgelenk von der Beklagten zu entschädigen ist. Nach dem Sturz wurde - allerdings nicht auf Veranlassung der Beklagten, sondern als kassenärztliche Behandlung - eine Operation Naht des SL-Bandes, temporäre Arthrodese, ... Kirschnerdrähte, Denervierung) durchgeführt. Nachfolgend kam es zu einer postoperativen Algodystrophie (Sudeck sche Erkrankung Stadium II bis III), die dann letztlich für das Ausmaß des jetzt vorliegenden Schadens verantwortlich zu machen ist (vgl. hierzu auch H ...-Kliniken und Auffassung des Dr. G ...). Auf Grund des Ergebnisses der handchirurgischen Untersuchung am 15.09.1998 war dieser Befund in Verbindung mit der MRT-Untersuchung Anlass für ein weiteres operatives Vorgehen am 05.10.1998 gewesen. Der OP-Bericht ergab eine Ruptur sowie eine Dislokationsstellung zwischen Scafoid und Lunatum. Es wurde eine Reposition und eine Spickdrahtosteosynthese sowie eine Bandnaht durchgeführt. Postoperativ kam es zum Auftreten einer schweren Sudeck schen Dystrophie, der Heilverlauf hat sich hierdurch enorm verlängert und es wurde noch einmal stationäre Behandlung in der Zeit vom 12.01.1999 bis 26.01.1999 in der H ...-Klinik, Augsburg, notwendig. Zwar hat das BSG sowohl für das Gebiet der Kriegsopferversorgung als auch für das Gebiet der gesetzlichen Unfallversicherung entschieden, dass durch - zur Feststellung oder Behandlung von Unfallfolgen durchgeführten - ärztliche Eingriffe hervorgerufenen Gesundheitsstörungen mittelbare Schädigungs- oder Unfallfolgen sein können, auch wenn es sich dabei z. B. um Folgen ärztlicher Kunstfehler gehandelt hat. In den genannten Entscheidungen hat das BSG jedoch stets - wenn auch nicht ausdrücklich - auf die wesentliche sachliche Verbindung (vgl. hierzu BSGE 58, 76, 77) zwischen der Schädigung bzw. dem Arbeitsunfall und dem zur geltend gemachten Gesundheitsstörung führenden ärztlichen Eingriff abgestellt. Eine mittelbare Schädigungs- oder Unfallfolge hat es nur dann für gegeben erachtet, wenn den Ärzten bei der versorgungsrechtlich gebotenen Behandlung ein Kunstfehler unterlaufen ist (BSGE 17, 60, 62), wenn die Gesundheitsstörung durch einen Kunstfehler bei der Behandlung eines Arbeitsunfalls aufgetreten ist (BSGE 46, 283, 284) oder wenn die Eingriffe dazu gedient haben, Art, Umfang und Ausmaß von Schädigungs- oder Unfallfolgen festzustellen (BSG SozR 2200 § 548 Nr. 59). Auf das Erfordernis der wesentlichen sachlichen Verknüpfung zwischen dem Arbeitsunfall und dem Zweck des zur Gesundheitsstörung führenden ärztlichen Eingriffs, wie er sich aus der Handlungstendenz des Arztes und den sie bestätigenden objektiven Umständen des Falles ergibt, kann nicht verzichtet werden, um wertend entscheiden zu können, ob ein mittelbarer Schaden noch vom Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung umfasst ist. Insoweit ist auch auf die in diesem Zusammenhang übertragbare Rechtsprechung des BGH hinzuweisen, wonach dem Schädiger Komplikationen eines ärztlichen Eingriffs nicht zugerechnet werden können, wenn dieser zwar anlässlich einer unfallbedingten Operation vorgenommen wird, jedoch durch eine Behandlungsmaßnahme, die durch ein unabhängig von dem Unfall bestehendes Leiden erforderlich geworden ist. Auch wenn zwischen der im Zivilrecht angewandten Adäquanztheorie und der hier maßgeblichen Theorie der wesentlichen Bedingung erhebliche Unterschiede bestehen (vgl. hierzu BSGE 63, 277, 280), so können dem Arbeitsunfall bei wertender Betrachtung nur solche Komplikationen ärztlicher Eingriffe zugeordnet werden, die bei der Erkennung oder Behandlung von Unfallfolgen aufgetreten sind. Auf Grund des Umstands, dass das Erstattungs-Verfahren von der AOK Bayern erst im Oktober 1999 eingeleitet worden ist (Anmeldung eines Ersatzeinspruchs gegenüber der Beklagten) die ärztlichen Behandlungen im Jahre 1998/1999 noch auf Veranlassung der AOK Bayern durchgeführt worden sind, ist davon auszugehen, dass die ärztlichen Behandlungen/Operation mit nachfolgendem verzögerten Heilverlauf in den Verantwortungsbereich der Krankenkasse fallen und nicht etwa als solche Maßnahmen gewertet werden können, die zur Feststellung oder Behandlung von Unfallfolgen gedient haben. Angesichts dieser eindeutigen Abgrenzbarkeit kann somit auch der zusätzliche Eingriff mit seinen Folgen nicht mehr - im Rechtsinn - auf den Arbeitsunfall zurückgeführt werden.
Nach allem konnte daher die Berufung des Klägers kein Erfolg haben, sie ist unbegründet und daher zurückzuweisen gewesen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen hierfür nach § 163 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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