L 2 U 400/00

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 13 U 60/99
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 2 U 400/00
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 24. August 2000 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der am 1963 geborene Ehemann der Klägerin stürzte am 10.05.1996 vom Dachstuhl seines Wohnhausneubaus und verstarb noch an der Unfallstelle.

Der Verstorbene war Bauherr des Neubaus eines Wohnhauses mit Altenteil. Laut Bauplan sollte das Erdgeschoss außer Wohnzimmer (28,42 qm), Wohnküche (34,47 qm) und Nebenräumen einen Arbeitsraum (21,34 qm), eine Werkstatt (96,00 qm) sowie einen mit AR bezeichneten Raum (21,8 qm) und einen mit HWR bezeichneten Raum (13,29 qm) enthalten.

Nach Erstellung des Rohbaus durch den Verstorbenen und fünf mithelfende Familienmitglieder wurde am 10.05.1996 der Dachstuhl von der Firma K. aufgestellt. Der Firmeninhaber A. K. gab in der Vernehmung durch die Kriminalpolizei Landshut am 20.05.1996 an, da er schon früher die Erfahrung gemacht habe, dass man sich auf die Hilfe der Bauherren nicht verlassen könne, komme er jetzt immer mit den erforderlichen vier Arbeitern zur Baustelle. Dies habe er auch im vorliegenden Fall so gemacht. Es sei auch nicht ausgemacht gewesen, dass der Verstorbene voll mitarbeite. Allerdings habe er angenommen, dass der Verstorbene, wie jeder Bauherr, mithelfen würde. Der Verstorbene sei teilweise dabei gewesen, aber nicht wie ein vollwertiger Arbeiter.

Der Kranführer G. A. gab bei der Vernehmung durch die Kriminalpolizei am 22.05.1996 an, er sei am 10.05.1996 mit seinem Kran an die Zimmerei K. ausgeliehen gewesen. Man könne nicht sagen, dass der Verstorbene voll mitgearbeitet habe. Ab und zu sei er auf dem Dach gewesen, gelegentlich habe er den Arbeitern etwas zu trinken gebracht. Im Einzelnen habe er allerdings von seinem Kran aus die Arbeiten nicht beobachten können. Der auszubildende Zimmerer R. O. erklärte gegenüber der Kriminalpolzei am 23.05.1996, der Verstorbene habe zwar am Morgen das Werkzeug mit auf das Dachgeschoss hinaufgehoben, sonst habe er aber, soweit er sich erinnern könne, nicht weiter mitgeholfen, nur auf dem Dachgeschoss öfter etwas zusammengeräumt. Die Klägerin gab gegenüber der Kriminalpolizei am 13.05.1996 an, die Hilfe des Verstorbenen sei bei den Dacharbeiten mit eingeplant gewesen. K. habe angekündigt, dass er einen Arbeiter weniger benötigen würde, wenn der Verstorbene mithelfen würde. Der Verstorbene habe den Arbeitern auch die Zargen bzw. die Dachsparren zugereicht. Davon habe sie Fotos gemacht.

Mit Schreiben vom 16.12.1996 übersandte die Landwirtschaftliche BG Niederbayern-Oberpfalz die Akten an die Beklagte, weil sie sie für zuständig halte. Der tödliche Unfall habe sich beim Erstellen des Dachstuhles am neu erbauten Wohnhaus des Verstorbenen ereignet.

Mit Bescheiden vom 07.08.1996 bewilligte die Landwirtschaftliche Alterskasse Niederbayern-Oberpfalz Renten für die Halbwaisen A. und C. N. gemäß § 15 ALG.

Die Beklagte überwies der Klägerin einen Vorschuss auf die Waisenrente in Höhe von 15.000,00 DM, von dessen Rückforderung Abstand genommen wurde.

Mit Bescheid vom 19.08.1998 lehnte die Beklagte die Gewährung von Leistungen aus Anlass des Todes des Verstorbenen ab, weil ein Arbeitsunfall nicht vorliege. Der Verstorbene habe keine freiwillige Versicherung abgeschlossen. Auch sei er nicht wie ein abhängig Beschäftigter für die Firma K. tätig gewesen, so dass kein Versicherungsschutz gemäß § 539 Abs.2 RVO bestanden habe. Das BSG habe mit Urteil vom 24.03.1998 festgestellt, dass Bauherren eigennützig tätig seien, wenn sie von ihnen beauftragten Unternehmern behilflich seien. Zwar habe die unfallbringende Tätigkeit auch dem Unternehmen K. gedient. Die Handlungstendenz des Verstorbenen sei jedoch rein eigenwirtschaftlich gewesen, da er an einem möglichst raschen und reibungslosen Fortgang der Arbeiten interessiert gewesen sei.

Die Klägerin wandte mit Widerspruch vom 03.09.1998 ein, der Verstorbene habe den Bau des Dachstuhles als herzustellendes Werk auf die Zimmerei K. übertragen. Damit sei dieser Teil der Bauarbeiten aus dem Bauvorhaben rechtlich und wirtschaftlich ausgegliedert und der Zimmerei K. zuzuordnen gewesen. Daher sei davon auszugehen, dass der Verstorbene wie ein abhängig Beschäftigter für die Firma K. tätig geworden und als solcher versichert gewesen sei.

Mit Widerspruchsbescheid vom 23.02.1999 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Die Mithilfe des Verstorbenen beim Aufstellen des Dachstuhles sei im Interesse seines eigenen Betriebes als Bauherr erfolgt.

Hiergegen hat die Klägerin mit der Klage zum Sozialgericht Landshut eingewandt, der Verstorbene sei wie ein abhängig Beschäftigter für die Zimmerei K. tätig geworden.

Mit Urteil vom 24.08.2000 hat das SG die Klage abgewiesen und in der Begründung auf die Ausführungen des Bundessozialgerichts im Urteil vom 24.03.1998 (Az.: B 2 U 21/97 R) Bezug genommen. Der Verstorbene sei nicht wegen fremdwirtschaftlicher, sondern wegen eigenwirtschaftlicher Belange tätig geworden.

Mit der Berufung vom 28.09.2000 macht die Klägerin geltend, der Verstorbene sei den fachlichen Anweisungen des Herrn K. unterworfen und in das Unternehmen K. eingeordnet gewesen. Auf die Handlungstendenz des Verstorbenen komme es in diesem Zusammenhang nicht an, sondern darauf, dass die Verrichtung wesentlich dazu bestimmt gewesen sei, den betrieblichen Interessen des Unternehmens K. zu dienen.

Die Beklagte führt hierzu aus, es komme darauf an, ob ein innerer Zusammenhang mit dem unterstützten Unternehmen bestehe. Er sei nicht gegeben, da die Handlungstendenz des Verstorbenen nicht auf die Belange des fremden Unternehmens gerichtet gewesen sei. Versicherungsschutz sei ausgeschlossen, wenn eine Person im Rahmen und im Interesse ihres eigenen Unternehmens tätig werde.

Die Klägerin stellt den Antrag
aus dem Schriftsatz vom 12.03.2001.

Die Beklagte beantragt,
die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf den wesentlichen Inhalt der beigezogenen Akten der Beklagten sowie der Klage- und Berufungsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, sachlich aber nicht begründet.

Der Rechtsstreit richtet sich nach den Vorschriften der RVO, da der als Arbeitsunfall geltend gemachte Unfall vor dem In-Kraft-Treten des Siebten Buches des Sozialgesetzbuchs am 01.01.1997 eingetreten ist (Art.36 UVEG, § 212 SGB VII).

Zum Zeitpunkt des Unfalls stand der Verstorbene nicht als Unternehmer landwirtschaftlicher Bauarbeiten unter Unfallversicherungsschutz.

Gemäß § 777 Nr.3 RVO gelten als Teile des landwirtschaftlichen Unternehmens laufende Ausbesserungen an Gebäuden, die dem Unternehmen der Landwirtschaft dienen und andere Bauarbeiten für den Wirtschaftsbetrieb. Da landwirtschaftliche Bauarbeiten häufig von landwirtschaftlichen Unternehmen mit eigenen Mitteln selbst erledigt werden, werden sie in die landwirtschaftliche Unfallversicherung einbezogen, trotz des ihr fremden Unfallrisikos. Die Arbeiten müssen der Landwirtschaft wesentlich dienen. Bei auch für Wohnzwecke genutzten Gebäuden gilt, dass jedenfalls nicht Gebäude erfasst sind, die nur nebenher landwirtschaftlich genutzt werden. Wenn das Haus wesentlich, d.h. mit einem wesentlichen Flächenanteil, auch der Landwirtschaft dient, sind Arbeiten einbezogen, die dem Haus als Gesamtheit zugute kommen (vgl. Kasseler Kommentar § 777 RVO Rdnr.15, 17 mit weiteren Nachweisen). Da nach dem vorliegenden Bauplan zumindest das Erdgeschoss des Neubaus zu einem wesentlichen Teil Zwecken des landwirtschaftlichen Unternehmens dienen sollte, ist diese Voraussetzung erfüllt. Teil der Landwirtschaft können solche Bauarbeiten aber nur sein, wenn sie geringen Umfang haben und sich im Rahmen des jeweiligen landwirtschaftlichen Unternehmens und seiner Arbeitskapazität halten, d.h. mit den üblichen Arbeitskräften und sachlichen Mitteln des landwirtschaftlichen Unternehmens durchgeführt werden. Dafür kommt es unabhängig von den Kosten auf eine Abwägung zwischen Art und Umfang der Bauarbeiten einerseits und der Größe und Kapazität der Landwirtschaft andererseits an. Dabei ist auch das Verhältnis der üblichen Zahl der Stammarbeiter und der zusätzlich benötigten zu berücksichtigen (vgl. Kasseler KOmmentar § 777 RVO Rdnr.19). Der landwirtschaftliche Betrieb des Verstorbenen umfasste 21,42 ha Acker- land, 0,48 ha Wiesen und 15,23 ha Wald. Als Nebenerwerb wurde auf den Namen der Klägerin ein Kieswerk betrieben. Hauptberuflich war im Unternehmen lediglich der Verstorbene beschäftigt. Insofern kann von einem geringen Umfang der Bauarbeiten gerade im Verhältnis zum Umfang des landwirtschaftlichen Betriebs nicht die Rede sein, insbesondere wenn man berücksichtigt, dass fünf Familienmitglieder bei den Bauarbeiten mithalfen und die Herstellung und Aufrichtung des Dachstuhls völlig der Firma K. übertragen waren.

Zum Zeitpunkt des Unfalls stand der Verstorbene aber auch nicht gemäß § 539 Abs.1 Nr.1 RVO unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung, da er nicht als abhängig Beschäftigter, etwa der Firma K. , tätig war. Denn er war bei K. nicht aufgrund eines Arbeitsverhältnisses beschäftigt und gehörte damit zur Unfallzeit nicht zu den gemäß § 539 Abs.1 Nr.1 RVO gegen Arbeitsunfälle versicherten Personen.

Der Verstorbene war zur Unfallzeit auch nicht gemäß § 539 Abs.2 RVO in Verbindung mit § 539 Abs.1 Nr.1 RVO versichert. Nach dieser Vorschrift sind Personen gegen Arbeitsunfälle versichert, die wie ein aufgrund eines Arbeits-, Dienst- oder Lehrverhältnisses Beschäftigter tätig werden. Das ist dann der Fall, wenn auch nur vorübergehend eine ernstliche, dem in Betracht kommenden Unternehmen dienende, dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Unternehmers entsprechende, wirtschaftlich als Arbeit zu wertende Tätigkeit verrichtet wird, die - ungeachtet des Beweggrundes des Tätigwerdens - ihrer Art nach sonst von einer Person verrichtet werden könnte, die in einem dem Erwerbsleben zuzurechnenden Beschäftigungsverhältnis steht, so dass durch sie ein innerer Zusammenhang mit dem unterstützten Unternehmen hergestellt wird (vgl. BSGE 5, 168; BSG SozR 2200 § 539 Nr.119). Ein persönliches oder wirtschaftliches Abhängigkeitsverhältnis des Tätigwerdenden zum Unternehmer braucht nicht vorzuliegen.

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Verstorbene wie ein Beschäftigter tätig geworden ist. Er war am 10.05.1996 als Unternehmer nicht gewerbsmäßiger Bauarbeiten tätig. Der Sturz, der zu seinem Tod führte, ereignete sich, als der Dachstuhl für den von ihm errichteten Neubau aufgestellt wurde. Ob der Verstorbene zum Zeitpunkt des Unfalls eine ernstliche, wirtschaftlich als Arbeit zu wertende Tätigkeit, die auch ihrer Art nach sonst im Rahmen eines dem allgemeinen Arbeitsmarkt zuzurechnenden Beschäftigungsverhältnisses verrichtet werden könnte, ausübte, ist nicht erwiesen. Denn den Unfall selbst haben die an der Baustelle Beschäftigten nicht beobachtet. Der Kranführer A. hat den Verstorbenen zwar unmittelbar vor dem tödlichen Sturz auf dem Dach gesehen, konnte aber keine Angaben dazu machen, was der Verstorbene dort gemacht hatte. Die Firma K. war durch Werkvertrag (§§ 631 ff. BGB) verpflichtet, den Dachstuhl aufzustellen. Eine Verpflichtung des Verstorbenen zur Mithilfe war vertraglich nicht geregelt, wie K. erklärt hat. Dem entsprechen auch die Bekundungen der Zeugen A. und O. , dass der Verstorbene nicht wie eine vollwertige Arbeitskraft mitgearbeitet habe. Die Mithilfe des Verstorbenen ersparte dem Zimmerermeister K. nicht den Einsatz weiterer Arbeiter, da er überzeugend angegeben hat, er habe, wie üblich, vier Arbeitskräfte für das Aufstellen des Dachstuhls berechnet; deshalb waren am 10.05.1996 drei im Betrieb K. beschäftigte Arbeiter sowie der Kranführer zusammen mit dem Betriebsinhaber K. auf der Baustelle des Verstorbenen tätig.

Soweit der Verstorbene überhaupt mithalf, erfolgte dies im Interesse seines eigenen Betriebes als Bauherr, um durch schnelleren Fortgang der Arbeiten die Baukosten zu senken und den Baufortschritt zu beschleunigen. Nach dem Gesamtbild des ausgeführten und beabsichtigten Vorhabens ist die Tätigkeit des Verstorbenen als zu seinem Unternehmensbereich gehörend zu beurteilen (vgl. BSG SozR 3-2200 § 539 Nr.8, § 548 Nr.30). Da der Verstorbene im Rahmen des eigenen Unternehmens tätig wurde, ist die Annahme einer versicherten Beschäftigung ausgeschlossen und damit Unfallversicherungsschutz auch nicht unter dem Gesichtspunkt der gemischten Tätigkeit gegeben (vgl. BSG SozR 3-2200 § 539 RVO Nr.28; BSG SozR 2200 § 539 Nr.100). Verrichtet ein Unternehmer Tätigkeiten, die zum Aufgabenkreis seines Unternehmens gehören, so wird er auch dann ausschließlich als Unternehmer seines eigenen Unternehmens tätig, wenn seine Tätigkeit zugleich den Zwecken eines anderen Unternehmens dient (vgl. Bereiter-Hahn/Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, § 2 SGB VII Rdnr.34.12a). Wer, wie der Verstorbene, im Rahmen seines eigenen Unternehmens als Unternehmer nicht gewerbsmäßiger Bauarbeiten tätig wird, ist schon den objektiven Umständen nach als Unternehmer und jedenfalls nicht als Arbeitnehmer oder arbeitnehmerähnlich tätig, selbst wenn einzelne Handlungen auch einem fremden Unternehmen nützlich sind (BSG SozR 3-2200 § 539 Nr.28).

Das Aufstellen des Dachstuhles war der Firma K. übertragen, da der Betriebsinhaber K. und seine Mitarbeiter über die dafür notwendigen handwerklichen Kenntnisse und Fähigkeiten verfügten. Trotzdem gehörte die Mithilfe des Verstorbenen weiterhin zum Aufgabenkreis seines Unternehmens, weil sie der Errichtung des Hauses und der Einsparung von Kosten diente. Auch, dass K. Anweisungen gab, rechtfertigt kein anderes Ergebnis. Denn aus der Natur der Sache ergibt sich, dass das Aufstellen des Dachstuhles nur gelingen konnte, wenn die Kräfte der Mithelfenden durch ein sachkundiges Kommando koordiniert eingesetzt wurden.

Die frühere Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, wie sie sich im Urteil vom 24.07.1985 (SozR 2200 § 539 Nr.112) ausdrückt, dass nämlich der Bau des Dachstuhls rechtlich und wirtschaftlich aus dem Bauvorhaben des Verstorbenen ausgegliedert sei und damit diese Arbeit nicht mehr zu seinem Unternehmen gehöre, kann im Hinblick auf die Argumente des Bundessozialgerichts in der Entscheidung vom 24.03.1998 (B 2 U 21/97 R) nicht mehr überzeugen. Insbesondere ist das Eigeninteresse des Verstorbenen an einer erheblichen finanziellen Ersparnis durch seine Mithilfe, die seinem Betrieb zugute kam, nicht hinreichend berücksichtigt (vgl. Lauterbach § 2 SGB VII Rdnr.660).

Die Kostenentscheidung richtet sich nach § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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