L 2 U 416/00

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 9 U 378/97
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 2 U 416/00
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 17. August 2000 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten darum, ob eine beim Kläger aufgetretene Enzephalitis Folge eines Arbeitsunfalls oder einer Berufskrankheit ist und die Beklagte für deren Folgen Entschädigung leisten muss.

Der Kläger war in einer Firma beschäftigt, die Waschanlagen für medizinische Geräte herstellte und deren Wartung und Instandhaltung übernahm. Er wurde am 25.12.1991 wegen einer akuten, schwer verlaufenden Enzephalitis zunächst in das Krankenhaus Miesbach und dann in das Städt. Krankenhaus M. eingewiesen. Trotz umfangreicher Untersuchungen konnte ein Erreger als Ursache der Erkrankung nicht gefunden werden.

Am 17.05.1993 meldete das Unternehmen einen Arbeitsunfall. Am 18.12.1991 habe sich der Versicherte beim Umbau einer Maschine den Daumenballen der rechten Hand aufgerissen. Die Maschine sei vom Anwender zurückgeliefert worden und habe im Haus umgebaut werden müssen. Sie sei also bereits im Einsatz gewesen. Die Gehirnhautentzündung sei möglicherweise durch die Verletzung am Daumen ausgelöst worden. Zurückgenommene Maschinen würden sofort komplett mit einer Desinfektion besprüht.

Auf Anfrage der Beklagten übersandte das Kreiskrankenhaus M. einen ausführlichen Bericht über die Krankenhausaufnahme und fügte hinzu, hinsichtlich äußerlich sichtbarer Verletzungen bei der Aufnahme sei im Dokumentationsblatt lediglich eine Kruste der Haut proximal vom Fingernagel des vierten Fingers der rechten Hand vermerkt.

Die Klägervertreter trugen in der Folge, gestützt durch eine Aussage des Zeugen R. vor dem Sozialgericht vor, der Kläger habe sich am Freitag, den 18.12.1991, dem letzten Arbeitstag vor Weihnachten den rechten Handballen bei der Reparatur einer Reinigungs- und Desinfektionsmaschine aufgerissen, die vom Krankenhaus F. zurückgeliefert und noch nicht desinfiziert gewesen sei. Die Wunde habe stark geblutet, sei dann mit einem Wundtuch gereinigt und mit einer weißen Binde verbunden worden. Auf den Hinweis des Sozialgericht, dass der 18.12.1991 ein Mittwoch gewesen sei, haben die Klägervertreter das Unfalldatum auf den 20.12.1991 korrigiert.

Auf die Frage der Beklagten an das Kreiskrankenhaus F. nach zuvor im Krankenhaus aufgetretenen potentiellen Erregern teilte das Krankenhaus mit, seit Inbetriebnahme der betreffenden Waschmaschine und insbesondere im Zeitraum der Infektion des Klägers sei kein Patient mit einer Panenzephalitis endoskopiert worden. Desgleichen seien keine Patienten untersucht worden, die an den als virale Erreger in Betracht kommenden Masern- und Rubellarviren manifest erkrankt gewesen wären. Auch Patienten mit bekannter HIV-Infektion sowie solche mit bekannten bakteriellen Erregern, die eine Enzephalitis auslösen könnten, seien in dem genannten Zeitraum nicht untersucht worden. Die Klägervertreter haben in der Folge vorgetragen, dass sich im Unternehmen zu diesem Zeitpunkt noch Maschinen aus anderen Krankenhäusern befunden hätten, die nicht desinfiziert gewesen seien.

Die von der Beklagten als Sachverständige gehörten Neurologen Prof.Dr.B. und Prof.Dr.A. , Neurologische Klinik und Poliklinik der Universität M. , kamen in ihrem Gutachten vom 22.06.1994 zu dem Ergebnis, in einem umfassenden Sinne könne die Erkrankung des Klägers zweifellos als eine Panenzephalitis bezeichnet werden. Der Erreger sei weder direkt, noch durch die entsprechenden Untersuchungen des Blutes und des Nervenwassers gefunden worden. Gleichwohl könne man nach Sachlage mit hoher Wahrscheinlichkeit von einer viralen Erkrankung ausgehen, auf die alle entsprechenden Hinweise deuteten, während man für eine bakterielle Erkrankung, aber auch für eine Erkrankung durch Pilz und andere als virale Erreger keinen ausreichenden Anhalt in den Unterlagen finden könne. Die vom Versicherten reparierte Reinigungseinrichtung könne trotz aller entsprechenden Bemühungen Krankheitserreger enthalten haben. Eine von einer Hand- oder von einer Fingerverletzung ausgehende Gehirnentzündung, wie beim Kläger, sei ihnen persönlich unbekannt und in der von ihnen orientierend durchgesehenen Literatur nicht mitgeteilt. Dies schließe einen ursächlichen Zusammenhang nicht sicher aus, man könne ihn aber nur als denkbar, nicht jedoch als wahrscheinlich bezeichnen. Ein hierzu eingeholtes mikrobiologisches Zusatzgutachten des Prof.Dr.Dr.A. , Abteilung für antimikrobielle Therapie und Infektionsimmunologie des H. Kinderspitals, kam zu dem Ergebnis, ausgehend von infizierten Wunden könne es zur Ausbreitung eines zumeist bakteriellen Erregers über die Blutbahn des Patienten kommen. Diese Erregerausbreitung könne zu einer Sepsis und bei Nichtbehandlung zur Absiedelung der Keime in Organen des Menschen bis hin zur Hirnflüssigkeit (Meningitis) oder in das Hirngewebe selbst (Hirnabszess) führen. Im vorliegenden Fall gebe es keinerlei Anhalt für eine derart schwerwiegende Infektion, hervorgerufen durch Bakterien, da die Keime bei den diversen durchgeführten mikrobiologischen und anderen Laboruntersuchungen nachgewiesen worden wären. Auch spreche der gesamte Verlauf der Erkrankung nicht für eine bakterielle, mykotische oder parasitäre Erkrankung. Eine Virusübertragung aus einer Wunde auf die Organe des Patienten, insbesondere das Gehirn mit einer Inkubationszeit von wenigen Tagen sei in der Literatur nicht beschrieben. Dennoch könne für bestimmte Erreger die Haut, vor allem nach einer Verletzung mit Eröffnung der Blutgefäße, als Eintrittspforte, z.B. für ein Hepatitisvirus, in Frage kommen. Diese Erkrankung führe jedoch dann zu einer typischen Form der Virushepatitis, die durch klinische und Laboruntersuchungen aber ausgeschlossen worden sei. Das Eindringen anderer Viren sei zumindest theoretisch auf dem gleichen Wege denkbar. Nachdem der Erreger bei dem Patienten trotz aller diagnostischer Bemühungen unbekannt geblieben sei, könne es sich daher lediglich um ein bislang nicht bekanntes Virus oder auch um ein Virus gehandelt haben, welches unspezifische cerebrale Erscheinungen auslöse, sich jedoch jedem Nachweis entziehe. Ein Zusammenhang zwischen der Verletzung des Patienten bzw. dem Hantieren mit dem Sterilisiergerät und seiner späteren Erkrankung, die klinisch als Panenzephalitis in Erscheinung getreten sei, erscheine aus mikrobiologischer Sicht außerordentlich unwahrscheinlich. Wahrscheinlich sei eine zufällige Koinzidenz dieser beiden Ereignisse. Ein äußerst geringes Restrisiko, dass es sich hier um die Übertragung eines unbekannten oder unbekannt gebliebenen Virus gehandelt haben könnte, sei jedoch auch nicht auszuschließen.

In einem zusammenfassenden Gutachten vom 13.10.1994 kam der Internist Dr.N. zu dem Ergebnis, zwischen der am 18.12. 1991 erlittenen Verletzung im Bereich der rechten Hand und der sich am 25.12.1991 entwickelnden Panenzephalitis könne nach dem heutigen medizinischen Wissensstand mit hoher Wahrscheinlichkeit kein ursächlicher Zusammenhang hergestellt werden. Es müsse vielmehr von einer zufälligen Koinzidenz der beiden Ereignisse ausgegangen werden.

Mit Bescheid vom 20.12.1994 stellte die Beklagte fest, ein ursächlicher Zusammehang zwischem dem Unfall vom 18.12.1991 und der festgestellten Hirnhautentzündung bestehe nicht. Die Gewährung von Entschädigungsleistungen aus Anlass des Unfalls werde Widerspruchsbescheid vom 01.03.1995 als unbegründet zurück.

Im anschließenden Klageverfahren hat der Kläger ein Gutachten des Facharztes für Hygiene Priv.Doz.Dr.M. vom Juli 1995 vorgelegt. Dort ist unter anderem ausgeführt, das Gutachten des Prof.Dr.Dr.A. gehe von völlig falschen Voraussetzungen aus, wenn es die Endoskopwaschmaschine als Sterilisiergerät bezeichne. Unumstößliche Tatsache sei, dass der Kläger nach Aussage aller behandelnden Ärzte an einer mikrobiologisch bedingten schweren Infektion des zentralen Nervensystems erkrankt sei und dass zu keinem Zeitpunkt in irgendeiner Form ein verursachender Erreger habe bestimmt werden können. Aufgrund dieser Tatsache sei jedwede Aussage über den Infektionsvorgang, den Infektionsverlauf, die Inkubationszeit, die Krankenheitssymptome und Folgeerscheinungen rein spekulativ. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein kausaler Zusammenhang zwischen der Verletzung des Klägers und der schweren mikrobiologisch bedingten Erkrankung bestehe, sei mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht auszuschließen. Die Klägervertreter haben ein weiteres Gutachten eines Dr.S. vom Landesuntersuchungsamt B. vom 30. August 1995 vorgelegt, wonach eine Kausalität zwischen der Verletzung und dem späteren Krankheitsbild nicht auszuschließen sei.

Ein vom Sozialgericht eingeholtes Gutachten des Internisten Dr.R. vom 11.12.1995 kommt zu dem Ergebnis, ein Krankheitserreger habe nicht nachgewiesen werden können. Gegen einen kausalen Zusammenhang zwischen der Handverletzung und der Hirnerkrankung sprächen folgende Fakten: Das Fehlen eines bakteriologischen oder virologischen Keimnachweises, das Fehlen von Infektionserscheinungen an der Bagatellverletzung der Hand, die glaubhafte Dokumentation des Krankenhauses F. über die Desinfektionsmaßnahmen an der Endoskopwaschmaschine, der fehlende Nachweis einer Infektionsquelle unter den endoskopierten Patienten und schließlich der Zeitraum zwischen der letzten Endoskopreinigung und Reparatur im Herstellerbetrieb. Dennoch sei in Übereinstimmung mit allen Vorgutachtern und Stellungnahmen nicht mit Sicherheit auszuschließen, dass infektionsfähige Viren in der Maschine verblieben seien. Für eine Infektion auf diesem Wege spreche lediglich der Umstand, dass die Krankheitserscheinungen der Gehirnentzündung fünf Tage nach der Bagatellverletzung der Hand aufgetreten seien. Da aber jeder Keimnachweis fehle und da nicht einmal gesichert sei, dass es sich tatsächlich um eine Virusinfektion gehandelt habe, komme einem derartigen Infektionsweg höchstens der Stellenwert einer denkbaren Möglichkeit zu. Der Sachverständige hat noch auf das Erfordernis der Suche nach einer Malaria-tropica-Infektion hingewiesen. Hierzu hat das Krankenhaus M. des Näheren ausgeführt, alle Untersuchungen, das Krankheitsbild und die Vorgeschichte sprächen eindeutig gegen das Vorliegen einer Malaria tropica.

Gegen verschiedene Annahmen des Dr.R. hat Dr.S. in einer Stellungnahme vom 25.01.1996 Einwendungen erhoben und ausgeführt, dass auf keinen Fall mehr Fakten gegen die geltend gemachte Kausalbeziehung sprächen als dafür. Allerdings könne auch nicht formuliert werden, dass es sich hier mit Wahrscheinlichkeit um eine berufsbedingte Infektion durch die Handverletzung gehandelt habe. Demgegenüber hat Dr.R. in einer Stellungnahme vom 26.02.1996 seine eigenen Annahmen präzisiert und auf die Gutachten verwiesen, die die Beklagte eingeholt hatte.

Nachdem die Klägervertreter die Gehirnerkrankung auch als mögliche Folge einer Berufskrankheit geltend gemacht hatten, zog die Beklagte einen Bericht ihres Technischen Aufsichtsdienstes über das Unternehmen, in dem der Kläger beschäftigt war, in einer anderen Angelegenheit bei, in dem ausgeführt wird, Versicherte, die zur Instandhaltung von medizinsichen Geräten eingesetzt würden, könnten einer erheblichen Infektionsgefährdung ausgesetzt sein. Dies sei insbesondere der Fall, wenn die Versicherten im Rahmen von Instandhaltungsarbeiten Kontakt hätten mit Geräten oder Geräteteilen, die noch mit Körpergewebe, -flüssigkeiten oder -ausscheidungen von Menschen oder Tieren verunreinigt seien, d.h. eine Desinfektion und Reinigung dieser Geräte oder Geräteteile noch nicht durchgeführt worden seien. Die Beklagte holte ferner eine gutachterliche Stellungnahme der Dr.G. vom 23.04.1997 ein. Darin ist ausgeführt, während für die Verletzung und für die Erkrankung jeweils ein Vollbeweis erbracht sei, habe trotz intensiver Bemühungen ein Krankheitserreger als kausales Bindeglied zwischen Verletzung und Erkrankung nicht nachgewiesen werden können. Jedoch bestehe ihres Erachtens gutachterliche Übereinstimmung dahingehend, dass es sich um irgendeine, nicht näher zu bezeichnende mikriobiologisch, d.h. infektiös bedingte Gehirnentzündung gehandelt habe. In Bezug auf die arbeitsmedizinischen Voraussetzungen des Vorliegens einer Berufskrankheit nach Ziffer 3103 fehle deshalb mit dem Erregernachweis aus ihrer Sicht das ätiologisch und pathogenetisch entscheidende Bindeglied, ohne das die gesicherte Diagnosestellung nicht möglich sei. Das Vorliegen einer BK nach Ziffer 3101 sei jedoch nur dann als haftungsausfüllende Kausalität anzunehmen, wenn die Diagnose durch bakteriologische, serologische oder histologische Untersuchungsmethoden gesichert sei. Der Versuch, einen Kausalzusammenhang zwischen Verletzung und neurologischer Erkrankung herzustellen, sei ebenfalls mit erheblichen Unsicherheiten behaftet. Eine tragfähige argumentative Basis für das Vorliegen einer BK nach Nr.3101 sei somit nicht vorhanden.

Mit Bescheid vom 21.10.1997 lehnte die Beklagte einen Entschädigungsanspruch ab, weil keine Berufskrankheit vorliege.

Das Sozialgericht hat weiter Beweis erhoben durch Einvernahme von Zeugen aus dem Betrieb des Versicherten und auf Antrag des Klägers nach § 109 SGG durch Einholung eines Gutachtens von dem Hygieniker Prof.Dr.S. vom 02.04.2000. Darin ist ausgeführt, dass es zufolge eines weiteren eingeholten Zusatzgutachtens zwar denkbare Ansätze für eine stattgefundene Infektion mit Masernviren gebe. Dies könne jedoch nicht mit der gerichtlich notwendigen Wahrscheinlichkeit postuliert werden, da eine Reihe von Vorbedingungen erfüllt sein müssten, die sich nicht mehr verifizieren ließen und vom Gutachter auch nicht hätten eruiert werden können. Damit sei festzustellen, dass eine Infektion nicht ausgeschlossen werden könne, jedoch reichten die Befunde nicht aus, eine beweisbare Wahrscheinlichkeit für eine Infektionsursache durch die Verletzung mit den zusätzlichen, jetzt erhobenen Laborbefunden zu begründen.

Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 17. August 2000 abgewiesen, weil die Erkrankung mit Wahrscheinlichkeit weder auf einen Arbeitsunfall noch eine Berufskrankheit zurückzuführen sei.

Mit seiner Berufung verfolgt der Kläger sein Begehren weiter und macht die erhöhte Infektionsgefahr geltend, die in seinem Betrieb, ähnlich wie im Gesundheitsdienst, in der Wohlfahrtspflege oder in einem Laboratorium vorgelegen habe.

Er stellt den Antrag, das Urteil des Sozialgerichts Augsburg und die Bescheide der Beklagten vom 20.12.1994 und 21.10.1997 sowie den Widerspruchsbescheid vom 01.03.1995 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die Erkrankung des Klägers als Folge des Unfalls vom 18.12.1991 oder einer Berufskrankheit nach Nr.3101 der Anlage zur BKVO anzuerkennen und die gesetzlichen Leistungen zu gewähren.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Zum Verfahren beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren die Akten der Beklagten und die Akten des Sozialgerichts Augsburg im vorangegangenen Klageverfahren. Auf ihren Inhalt und das Ergebnis der Beweisaufnahme wird ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig; eine Beschränkung der Berufung nach § 144 SGG besteht nicht.

Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Die Voraussetzungen für die Gewährung von Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung wegen der Folgen eines Arbeitsunfalles oder einer Berufskrankheit sind nicht hinreichend nachgewiesen.

Die Entscheidung über den Rechtsstreit richtet sich noch nach den Vorschriften der RVO, weil über die Folgen eines Ereig- nisses vor dem Jahre 1997 und den Anspruch auf gesetzliche Leistungen hieraus für einen ebenfalls davorliegenden Zeitraum erstmals zu entscheiden ist (§§ 212, 214 SGV VII).

Der Bescheid der Beklagten vom 21.10.1997 ist nach § 96 SGG Gegenstand des Verfahrens geworden, der Durchführung eines Vorverfahrens bedurfte es deshalb insoweit nicht mehr. Zwar ist durch diesen Bescheid der angefochtene Verwaltungsakt nicht abgeändert oder ersetzt worden (§ 96 Abs.1 SGG), er stand jedoch mit dem Streitstoff im Zusammenhang und der Gesichtspunkt der Prozessökonomie rechtfertigt dessen Einbeziehung (vgl. Meyer-Ladewig Kommentar zum SGG 6. Auflage § 96 Rdnr.4 m.w.N.). Bei dem hier im Streit stehenden Anspruch enthält der neue Verwaltungsakt bei weitgehend gleichbleibenden tatsächlichen Verhältnissen lediglich eine Entscheidung nach einer weiteren Anspruchsgrundlage.

Die Panenzephalitis des Klägers ist nicht nachweislich Folge eines Arbeitsunfalls. Arbeitsunfälle waren nach § 548 Abs.1 RVO Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz begründenden Tätigkeit. Für die Annahme eines Arbeitsunfalles war unter anderem erforderlich, dass die berufliche Verrichtung und die mit ihr verbundene äußere Einwirkung auf den Körper des Versicherten wesentlich ursächlich oder wenigstens mitursächlich für eine Gesundheitsstörung gewesen ist. Für die Annahme, dass sich der Unfall bei der versicherten Tätigkeit ereignet hat, ist erforderlich, dass das Verhalten beim Unfall einerseits zur versicherten Tätigkeit zu rechnen ist und dass diese Tätigkeit andererseits den Unfall herbeigeführt hat (BSG SozR 3-2200 § 548 Nr.21). Dabei bedürfen alle rechtserheblichen Tatsachen des vollen Beweises der Gestalt, dass sie mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit vorgelegen haben (vgl. BSGE 45, 285). Es kann dahingestellt bleiben, ob sich der Versicherte am 18. oder 20.12.1991 bei Reparaturarbeiten eine Verletzung zugezogen hat. Eine solche Verletzung kann trotz der nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme verbliebenen erheblichen Zweifel zu Gunsten des Klägers unterstellt werden. Nach sämtlichen Sachverständigengutachten und den sonstigen im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren abgegebenen ärztlichen Einschätzungen kommt die Handverletzung selbst als Ursache für die später eingetretene Enzephalitis nicht in Betracht. In Erwägung gezogen wird von sämtlichen Ärzten allein die Aufnahme von Krankheitserregern über die Wunde. Diese Einwirkung auf den Körper des Klägers durch Aufnahme eines Krankheitserregers müsste jedoch als rechtserhebliche Tatsache in vollem Umfang bewiesen sein. Dies trifft im vorliegenden Fall nicht zu. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme kommen sämtliche Sachverständigen übereinstimmend zu dem Ergebnis, dass ein Erreger der Enzephalitis nicht zu ermitteln war. Hierbei ist jeweils noch wegen der spezifischen Fragestellung nach einer Keimverschleppung außer Betracht geblieben, dass es auch Enzephalitiden mit unklarer Ätiologie gibt (vgl. Pschyrembel, klinisches Wörterbuch, 258. Auflage, S.436). Ist jedoch, wie im vorliegenden Fall, ein Erreger nicht bekannt, kann auch nicht die Aussage getroffen werden, dass ein solcher als Auslöser der Enzephalitis über die Handverletzung Zugang in den Körper des Versicherten gefunden hätte. Da somit eine für den Ursachenzusammenhang unerlässliche Tatsache nicht bewiesen ist, kann die Enzephalitis auch nicht als Folge eines Arbeitsunfalles entschädigt werden.

Auch eine Entschädigung als Berufskrankheit scheitert an diesen tatsächlichen Umständen. Nach § 551 Abs.1 Satz 1 RVO galt als Arbeitsunfall eine Berufskrankheit. Berufskrankheiten waren Krankenheiten, welche die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates bezeichnet und die ein Versicherter bei einer der in den §§ 539, 540 und 543 bis 545 RVO genannten Tätigkeiten erlitten hat. Von der Ermächtigung waren nach § 551 Abs.1 Satz 2 RVO auch solche Erkrankungen umfasst, die durch besondere Einwirkungen verursacht worden sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre Arbeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt waren. Voraussetzung für den Versicherungsschutz war, dass ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der schädigenden Einwirkung und einer dem Versicherungsschutz unterliegenden Tätigkeiten gegeben war (haftungsbegründende Kausalität). In Betracht kommt insoweit beim Kläger eine Berufskrankheit nach Nr.3101 der Anlage zur BKVO. Das sind Infektionskrankheiten, wenn der Versicherte im Gesundheitsdienst, in der Wohlfahrtspflege oder in einem Laboratorium tätig oder durch eine andere Tätigkeit der Infektionsgefahr in ähnlichem Maße ausgesetzt war. Es kann im vorliegenden Fall dahingestellt bleiben, ob der Kläger zu dem hiernach grundsätzlich geschützten Personenkreis gehört hat. Es fehlt an dem ursächlichen Zusammenhang zwischen seiner unter Versicherungsschutz stehenden Tätigkeit und der Enzephalitis. Nach der Rechtsprechung des BSG ist die zumindest erforderliche Wahrscheinlichkeit eines ursächlichen Zusammenhangs zwischen der versicherten Tätigkeit und einer Infektionskrankheit nach Nr.3101 der Anlage zur BKVO grundsätzlich gegeben, wenn nachgewiesen ist, dass der Versicherte bei der Berufstätigkeit - sei es durch einen Patienten, einen Mitarbeiter oder auf sonstige Weise - einer besonderen, über das normale Maß hinausgehenden Ansteckungsgefahr ausgesetzt gewesen ist. Dies erfordert den Nachweis eines unmittelbaren oder mittelbaren beruflichen Kontakts mit an Enzephalitis erkrankten Personen. Dabei braucht keine bestimmte Infektionsquelle nachgewiesen zu werden (BSG NZA 1988, S.823 m.w.N.). Ein solcher Nachweis eines unmittelbaren oder mittelbaren beruflichen Kontakts mit an Enzephalitis erkrankten Personen hat im vorliegenden Fall unter Berücksichtigung des Beginns der Erkrankung nicht nachgewiesen werden können. Soweit der Kläger bei seiner versicherten Tätigkeit Kontakt mit Material hatte, durch das auch ein Erreger, wenn er vorhanden gewesen wäre, hätte übertragen werden können, begründet für sich allein noch keine besondere Enzephalitisexposition (vgl. BSG a.a.O.).

Im vorliegenden Fall scheitert die Begründung eines Ursachenzusammenhanges darüber hinaus an dem Umstand, dass ein Auslöser der Enzephaltitis unbekannt beblieben ist. Die Berufskrankheit Nr.3101 der Anlage zur BKVO ist kein Auffangtatbestand für sämtliche Infektionskrankheiten von Versicherten, die in einem der genannten gefährenden Bereiche tätig gewesen sind. Dies ergibt sich aus der Ermächtigungsnorm des § 551 Abs.1 RVO. Danach muss zum einen eine Berufskrankheit ebenso wie ein Arbeitsunfall bei einer unter Versicherungsschutz stehenden Tätigkeit erlitten werden. Die für die Annahme einer Berufskrankheit erforderliche erhöhte Exposition muss durch die berufliche Tätigkeit, im vorliegenden Fall in dem in der Anlage zur BKVO benannten Unternehmen gegeben gewesen sein. Dementsprechend fordert die Rechtsprechung des BSG (a.a.O.) ein gewisses Maß an konkreter Exposition in dem als allgemein gefährdend eingeschätzten Unternehmen. Die Exposition erfordert den mittelbaren oder unmittelbaren beruflichen Kontakt mit an der selben Infektionskrankheit erkrankten Personen oder die Tätigkeit in einem Bereich, der die erhöhte Gefahr des mittelbaren oder unmittelbaren beruflichen Kontaktes mit unerkannt Erkrankten mit sich bringt. Ein solches Mindestmaß an konkreter Gefährdung kann jedoch dann nicht nachvollziehbar angenommen werden, wenn der Versicherte an einer Infektionskrankheit leidet, deren Ätiologie als vollständig ungeklärt angesehen werden muss. Bei einer vollständig unklaren Ätiologie dergestalt, dass der Auslöser der Krankheit unbekannt bleibt, kann auch keine Aussage darüber getroffen werden, ob der Erreger aus einem Bereich geringer oder erhöhten Exposition stammt oder stammen kann. Damit kann auch der versicherten Tätigkeit in dem potentiell gefährdenden Unternehmen keinerlei erhöhte Exposition zugewiesen werden.

Die Berufung war deshalb zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die Kosten stützt sich auf § 193 SGG und folgt der Erwägung, dass der Kläger in beiden Rechtszügen nicht obsiegt hat.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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