L 18 U 431/98

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
18
1. Instanz
SG Bayreuth (FSB)
Aktenzeichen
S 10 U 232/96
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 18 U 431/98
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Bayreuth vom 24.09.1998 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger Anspruch auf Verletztenrente wegen einer als Berufskrankheit (BK) anerkannten Lärmschwerhörigkeit hat.

Der am 1950 geborene Kläger war von 1964 bis 1966 in der Landwirtschaft, bis 1968 als Gemeindearbeiter (Bauhof), dann bis 1971 bei der Herstellung von Beton-Fertigteilen und anschließend an einer stationären Betonfertigungsanlage zur Kellerfensterproduktion eingesetzt. Diese Tätigkeit übt er weiterhin aus. Nach den Feststellungen des Techn. Aufsichtsdienstes der Beklagten (TAD) vom 29.08.1994 war er in der Landwirtschaft einem persönlichen Beurteilungspegel von mehr als 85 dB(A), bei der Herstellung von Betonfertigteilen zwischen 94 dB(A) und 98 dB(A) und als Maschinist in der Kellerfensterproduktion von 100 dB(A) ausgesetzt. Gehörschutz trug er nach seinen Angaben seit 1973. Erste Hörbeschwerden bemerkte er 1989. Seit 1995 trägt er beidseits Hörgeräte.

Nach Vorlage ärztlicher Anzeigen über eine BK der HNO-Ärzte Dr.E.G. (B.) und Dr.W.G. (H.) vom 31.08.1993/26.10.1993 und Audiogrammen vom 14.07.1989/ 17.07.1989/30.08.1993/25.10.1993 zog die Beklagte Auskünfte der Fa. V.D. KG (S. ) vom 16.02.1994, der Stadt S. vom 18.04.1994, der AOK Bamberg und Höchstadt/ Aisch vom 03.12.1993/15.02.1994 sowie der Landwirtschaftl. Krankenkasse Bamberg vom 09.02.1994 bei und holte Gutachten des HNO-Arztes Dr.H.S. (B.) vom 29.11.1994 und des Prof. Dr.J.T. (Ltd. Arzt der HNO-Klinik der Stadt N. ) vom 02.06.1995 ein. Dr.S. gelangte zur Auffassung, ein Hochtonabfall sei durch chronischen Lärm verursacht, jedoch nicht eine Tieftonmittelabsenkung, da eine alleinige Haarzellschädigung nicht vorliege. Die Hörminderung von 40 vH beidseits habe somit nicht überwiegend eine traumatische Ursache. Den lärmbedingten Anteil an der Gesamt-MdE von 20 vH schätzte er unter Zugrundelegung des Sprachaudiogramms auf weit unter 10 vH ein. Prof. Dr.T. hielt die Entstehung einer lärmbedingten Schwerhörigkeit für wahrscheinlich, stellte jedoch wegen des atypischen Verlaufs und wegen unzureichender Mitarbeit des Klägers die Bewertung der MdE für ein Jahr zurück. Die staatl. Gewerbeärztin Dr.S. (Gewerbeaufsichtsamt N. ) konnte keinen lärmbedingten Anteil an der Hörminderung abgrenzen und empfahl die Anwendung objektiver Methoden (Stellungnahme vom 20.12.1994).

Mit Bescheid vom 27.06.1995 erkannte die Beklagte eine Innen- ohrhochtonstörung beidseits als BK nach Nr 2301 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) ohne rentenberechtigende MdE an. Im anschließenden Widerspruchsverfahren zog die Beklagte weitere Auskünfte der Fa. D. vom 12.09.1995/13.02.1996, der AOK Bamberg vom 12.02.1996/19.02.1996, Nachweise über arbeitsmedizinische Untersuchungen des Klägers sowie ein Audiogramm des Betriebsmediziners Dr.R.R. (S.) vom 04.10.1995 bei und holte ein Gutachten des Prof. Dr.T. vom 03.07.1996 ein. Dieser diagnostizierte beim Kläger eine nicht rein lärmtypische kombinierte Schwerhörigkeit mit Beteiligung der tiefen und mittleren Frequenzen. Die MdE bewertete er unter Heranziehung des Audiogramms vom 30.08.1993 mit 15 vH. Den Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 30.10.1996 zurück.

Hiergegen hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Bayreuth (SG) erhoben und beantragt, die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 27.06.1995 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 30.10.1996 zu verurteilen, ihm nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen Verletztenrente in Höhe von wenigstens 20 vH zu gewähren.

Das SG hat Befundberichte des Dr.G. vom 17.12.1996 und des prakt. Arztes Dr.J.B. (S.) sowie weitere Audiogramme vom 10.06.1986/19.01.1987/05.04.1993/30.08.1993/ 10.10.1995 beigezogen und gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ein Gutachten des Prof. Dr.J.H. (Direktor der HNO-Klinik der Universität W.) vom 17.03.1998 eingeholt. Die Beklagte hat eine Stellungnahme des Prof. Dr.T. vom 15.07.1998 vorgelegt. Prof.H. hat eine gering- bis mittelgradige Perceptionsschwerhörigkeit beidseits als durch berufliche Einwirkungen verursacht angesehen und einen degenerativ bedingten Anteil an der Innenohrschwerhörigkeit nicht abgrenzen können. Die MdE bewertete er unter Anwendung einer von der deutschen Gesellschaft für HNO-Heilkunde, Kopf- und Halschirurgie 1974 modifizierten Tabelle ab 30.08.1993 mit 10 vH und ab 08.11.1994 mit 20 vH. Prof.T. hat dem von Prof.H. aus dem Sprachaudiogramm vom 08.10.1997 ermittelten Hörverlust von rechts 40 vH und links 30 vH zugestimmt, die MdE hierfür jedoch nur mit 15 vH angenommen.

Mit Urteil vom 24.09.1998 hat das SG die Klage abgewiesen. Es hat die MdE mit 15 vH bewertet und sich zur Begründung auf das Königsteiner Merkblatt, 4.Auflage, bezogen.

Gegen dieses Urteil hat der Kläger Berufung eingelegt und vorgetragen, eine Abgrenzung der degenerativen Veränderungen von der beruflich bedingten Schwerhörigkeit sei nicht möglich. Würde man den von Prof.T. als degenerativ abgegrenzten Anteil in die Bewertung mit einbeziehen, gelange man - entsprechend der Auffassung des Prof.H. - zur Annahme einer mittelgradigen Schwerhörigkeit.

Der Senat hat zur Aufklärung des Sachverhalts ein Gutachten des Prof. Dr.M.W. (HNO-Klinik der Universität E.) vom 15.02.1999/02.11.1999 eingeholt. Die Beklagte hat Stellungnahmen des Prof.T. vom 28.07.1999 und des HNO-Arztes Dr.F.-J.N. (H.) vom 26.11.1999/31.01.2000 vorgelegt. Prof.W. hat die Auffassung vertreten, es bestehe beim Kläger eine progrediente lärmbedingte Innenohrschwerhörigkeit beidseits mit atypischem Kurvenverlauf, die rechts als mittelgradig und links als mittel- bis hochgradig einzuschätzen sei. Die Abgrenzung eines degenerativen Schadens sei nicht möglich. Die Bewertung nach dem Sprachgehör führe zu einer MdE von 25 vH, nach dem Ton-Audiogramm von 45 vH. Angegemessen seien 30 vH. Prof.T. hat auf Diskrepanzen zwischen Ton- und Sprachaudiogramm im Gutachten des Prof.W. hingewiesen und empfohlen, auf die von Prof.H. am 08.10.1997 erhobenen Daten abzustellen. Danach ergebe sich eine MdE von 15 vH für den berufsbedingten Hörverlust. Dr.N. hat die MdE ebenfalls mit 15 vH bewertet und eine Hörverschlechterung durch die Befunde des Dr.W. , die auf funktionell beeinflussten Hörprüfungen beruhten, als nicht nachgewiesen erachtet.

Der Kläger beantragt, die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des SG Bayreuth vom 24.09.1998 und unter Abänderung des Bescheides vom 27.06.1995 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 30.10.1996 zu verurteilen, ihm wegen der anerkannten Lärmschwerhörigkeit ab 08.11.1994 Verletztenrente nach einer MdE um 20 vH und ab 10.02.1999 um 30 vH zu gewähren, hilfsweise ein weiteres Gutachten nach § 106 SGG einzuholen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG Bayreuth vom 24.09.1998 zurückzuweisen.

Sie hält wegen lärmbedingter Schwerhörigkeit höchstens eine MdE von 15 vH für vertretbar. Prof.H. sei nur deshalb zu einem Grad von 20 vH gekommen, weil er seiner Beurteilung nicht das Königsteiner Merkblatt, sondern eine Tabelle der deutschen Gesellschft für HNO-Heilkunde, Kopf- und Halschirurgie zugrunde gelegt habe.

Wegen weiterer Einzelheiten wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die frist- und formgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig (§§ 143, 151 SGG), jedoch unbegründet.

Der Anspruch des Klägers ist noch nach den Vorschriften der Reichsversicherungsordnung (RVO) zu beurteilen, da die BK vor In-Kraft-Treten des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII) am 01.01.1997 eingetreten ist (Art 36 des Unfallversicherungs-Einordnungsgesetzes, § 212 SGB VII).

Die beim Kläger als Berufskrankheit gemäß § 551 Abs 1 Nr 1 RVO iVm Nr 2301 der Anlage 1 zur BKV anerkannte Lärmschwerhörigkeit bedingt keine MdE in Höhe von mindestens 20 vH gemäß §§ 551 Abs 1, 3, 581 Abs 1 Nr 2 RVO und damit keinen Anspruch auf Verletztenrente.

Die Entscheidung der Frage, in welchem Grade die Erwerbsfähigkeit eines Verletzten gemindert ist, ist eine tatsächliche Feststellung, die das Gericht gemäß § 128 Abs 1 Satz 1 SGG nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung trifft (BSGE 4, 147, 149; 6, 267, 268; BSG vom 23.04.1987 - 2 RU 42/86). Die Bemessung des Grades der MdE richtet sich nach dem Umfang der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens des Verletzten durch die Folgen der BK und nach dem Umfang der dem Verletzten dadurch verschlossenen Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens. Die Beurteilung, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletzten durch die Unfallfolgen beeinträchtigt sind, betrifft in erster Linie das ärztlich-wissenschaftliche Gebiet. Doch ist die Frage, welche MdE vorliegt, eine Rechtsfrage. Sie ist ohne Bindung an ärztliche Gutachten unter Berücksichtigung der Einzelumstände nach der Lebenserfahrung zu entscheiden (vgl Lauterbach-Watermann, Gesetzl. Unfallversicherung, 3.Auflage, Anm 5d zu § 581 RVO). Ärztliche Meinungsäußerungen hinsichtlich der Bewertung der MdE sind aber eine wichtige und vielfach unentbehrliche Grundlage für die richtige Einschätzung des Grades der MdE, vor allem soweit sich diese darauf bezieht, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletzten durch die Unfallfolgen beeinträchtigt sind (BSG in SozR § 581 Nrn 23, 27).

Darüber hinaus sind bei der Beurteilung der MdE auch die von der Rechtsprechung sowie von dem versicherungsrechtlichen und medizinischen Schrifttum herausgearbeiteten allgemeinen Erfahrungssätze - entsprechend dem jeweiligen Stand der medizinischen Wissenschaft - zu beachten. Zwar sind diese nicht im Einzelfall bindend, sie sind aber geeignet, die Grundlage für eine gleiche und gerechte Beurteilung der MdE in zahlreichen Parallelfällen der täglichen Praxis zu bilden (BSG vom 23.04.1987, 2 RU 42/86; BSG in SozR 2200 § 581 Nr 27). Mit ihnen wird also eine weitgehende Gleichheit in der Bemessung des lärmverursachten Hörverlustes und eine möglichst objektive Beurteilung angestrebt. Ihre Anwendung dient damit zugleich der Rechtssicherheit (Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 6.Auflage, S 403). Hierzu gehören auch die Empfehlungen des HVBG für die Begutachtung der beruflichen Lärmschwerhörigkeit ("Königsteiner Merkblatt", 4.Auflage 1995, abgedruckt bei Mehrtens/Perlebach, Die Berufskrankheitenverordnung, M 2301 S 6 ff).

Bei dem Kläger besteht nach übereinstimmender Beurteilung der Sachverständigen Prof.Dr.H., Prof.W. und Prof.T. , dessen im Auftrag der Beklagten erstattete Gutachten vom 02.06.1995/03.07.1996 im anhängigen Rechtsstreit berücksichtigt werden können (BSG SozR Nr 66 zu § 128 SGG), eine Innenohrschwerhörigkeit beidseits, die von der Beklagten im angefochtenen Bescheid nur zum Teil auf die berufliche Lärmexposition zurückgeführt wird.

Die Abgrenzung eines nicht lärmbedingten Anteils ist jedoch beim Kläger nicht möglich. Nur wenn mit Sicherheit Anteile an der gesamten festgestellten Schwerhörigkeit nicht durch Lärm verursacht sein können, müssen sie bei der Einschätzung des Schweregrades der berufsbedingten Lärmschwerhörigkeit abgegrenzt und außer Betracht gelassen werden (Königsteiner Merkblatt aaO Nr 4.1).

Zwar deutet die Schädigung auch des Mittel- und Tieftonbereichs auf eine degenerative Hörschädigung hin, weil bei einer Lärmschwerhörigkeit der Hörverlust in den hohen Frequenzen überwiegt (Mehrtens/Perlebach, aaO, M 2301, S 3 f). So ging Dr.S. wegen des für eine Lärmschädigung grundsätzlich untypischen Hörverlusts in den mittleren und tiefen Frequenzen von einem lärmunabhängigen degenerativen Anteil aus. Der Senat teilt jedoch die von Dr.S. vertretene Auffassung im Falle des Klägers nicht, weil dessen Hörverluste im tiefen und mittleren Frequenzbereich lärmbedingt sind. Derartige Hörverluste können lärmbedingt sein, wenn eine lange Lärmexposition mit Lärmeinwirkungen meist über 95 dB(A) bzw extrem hohen Schallpegeln gegeben war (Schönberger/Mehrtens/Valentin, aaO S 393; LSG Nordrhein-Westfalen, Breithaupt 1980, 107; BayLSG vom 24.08.1994, HV-Info 1/1995 S 51). Der Kläger war nach den Feststellungen des TAD der Beklagten vom 29.08.1994 von 1968 bis 1971 Schallpegeln bis 98 dB(A) und ab 1971 von 100 dB(A) ausgesetzt, so dass die Schädigung im Mittel- und Tieftonbereich, die auch schon im Audiogramm vom 08.11.1994 nachgewiesen werden konnte, bei der Bewertung der MdE berücksichtigt werden muss. Prof.Dr.H. weist in diesem Zusammenhang zu Recht darauf hin, dass der beim Kläger nachgewiesene progrediente Hörverlust in den hohen, mittleren und tiefen Frequenzen zeitgleich mit der massiven Lärmbelastung am Arbeitsplatz und zeitgleich mit dem Absinken der Schwellenkurve für die höheren Frequenzen verlief, so dass eine Abgrenzung der Folgen der Lärmbelastung von etwaigen degenerativen Veränderungen nicht möglich ist.

Allerdings hat der Kläger nach seinen eigenen Angaben seit 1973 bei der Arbeit Gehörschutz getragen. Ein geeigneter Gehörschutz bewirkt, dass die Lärmbelastung das Innenohr nicht mehr oder nur abgeschwächt erreicht. Welcher Art der Gehörschutz des Klägers war und ob er damals konsequent von ihm getragen wurde, ist nicht bekannt. Im Hinblick auf die vorstehenden Feststellungen des Prof.Dr.H. muss davon ausgegangen werden, dass - aus welchen Gründen auch immer - ein effektiver Gehörschutz ab 1973 nicht erreicht wurde. Ist aber - wie beim Kläger - die Abgrenzung eines lärmunabhängigen Anteils der Schwerhörigkeit nicht sicher möglich, muss nach der Kausalitätslehre der wesentlichen Bedingung entschieden werden, ob die berufliche Lärmeinwirkung oder ein anderer Faktor die wesentliche Bedingung für die Entstehung der Schwerhörigkeit war. Beim Kläger gilt somit die berufliche Exposition als Ursache der gesamten medizinisch nicht näher abgrenzbaren Schwerhörigkeitsanteile. Diese Auffassung vertreten zu Recht auch die Sachverständigen Prof.H. und Prof.W ... Damit ist die MdE nicht um einen lärmunabhängigen Anteil zu mindern.

Zur Beurteilung der MdE des Klägers hat der Senat das Sprachaudiogramm vom 08.10.1997 (Gutachten Prof.H. vom 17.03.1998) herangezogen. Nach Nr 4.2.1 des Königsteiner Merkblatts ist primär das Sprachaudiogramm die entscheidende Grundlage für die qualitative Bestimmung des Hörschadens (vgl auch LSG Rheinland-Pfalz, Breithaupt 1967, 471). Das Sprachaudiogramm vom 08.10.1997 war eine geeignete Beurteilungsgrundlage, weil sich nach den Ausführungen des Prof. Dr.H. im Gutachten vom 17.03.1998 jetzt - im Gegensatz zu früheren Untersuchungen - keine Hinweise auf eine Aggravation des Klägers oder mangelnde Mitarbeit fanden. Die fehlende Diskrepanz zwischen Ton- und Sprachaudiogramm bestätigt diese Überzeugung. Auch Prof.T. empfiehlt in seiner Stellungnahme vom 28.07.1999, auf die Daten vom 08.10.1997 abzustellen. Die von ihm am 23.02.1995 und 12.03.1996 erstellten Sprachaudiogramme konnten dagegen der MdE-Bewertung nicht zugrunde gelegt werden. Sie lieferten wegen der schlechten Mitarbeit des Klägers keine realistischen Ergebnisse. Prof.T. hatte sich deshalb am 02.06.1995 zu einer Beurteilung außerstande gesehen. Aus den genannten Gründen hielt auch Prof.H. das Sprachaudiogramm vom 12.03.1996 nicht für verwertbar.

Bei der durch Prof.H. am 08.10.1997 vorgenommenen sprachaudiometrischen Prüfung ergab sich bei dem Kläger unter Zugrundelegung des gewichteten Gesamtwortverstehens (rechts 135, links 180) nach der Tabelle von Boenninghaus und Röser 1973 ein prozentualer Hörverlust von rechts 50 vH und links 30 vH. Da sich nach Anwendung des gewichteten Gesamtwortverstehens ein prozentualer Hörverlust von mehr als 40 vH ergab, war nach den Empfehlungen des Königsteiner Merkblatts Nr 4.2.1 d der prozentuale Hörverlust noch einmal unter Verwendung des einfachen Gesamtwortverstehens zu bestimmen. Das einfache Gesamtwortverstehen betrug nach dem Sprachaudiogramm vom 08.10.1997 rechts 150 und links 205. Unter Berücksichtigung der Hörverluste für Zahlwörter von rechts 35 und links 30 dB ergibt sich ein prozentualer Hörverlust von 40 vH für das rechte und 30 vH für das linke Ohr. Diese Werte sind der Bemessung der MdE zugrunde zu legen (Mehrtens/Perlebach aaO S 19). Nach Tabelle 3 des Königsteiner Merkblatts beträgt die MdE 15 vH.

Der Auffassung des Prof.H., der die MdE mit 20 vH angenommen hat, konnte der Senat somit nicht folgen. Prof.H. hat seine MdE unter Zugrundelegung einer modifizierten Tabelle 1974 der deutschen Gesellschaft für HNO-Heilkunde, Kopf- und Halschirurgie ermittelt. Damit hat er zur MdE-Bewertung nicht das Königsteiner Merkblatt herangezogen, dessen Grundsätze den derzeitigen Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft auf ohrenärztlichem Fachgebiet entsprechen und die aus Gründen der Gleichbehandlung anzuwenden sind (BSG, Urteil vom 25.08.1992, HV VB 188/82; LSG Schleswig-Holstein vom 17.02.1988, BG 1988, 687).

Auch die Einschätzung der MdE durch Prof. Dr.W. , der aufgrund seiner Untersuchung vom 10.02.1999 diese mit 30 vH bewertet hat, hat der Senat nicht geteilt. Eine Verschlimmerung des Lärmschadens, wie sie in dieser Bewertung zum Ausdruck kommt, kann schon deswegen nicht eingetreten sein, weil der Kläger nach den Feststellungen des TAD vom 29.08.1994 nunmehr konsequent Gehörschutz trug. Darüber hinaus beruht das Gutachten des Prof.W. auf nicht in allen Punkten gesicherten Daten. Der Sachverständige äußerte selbst den dringenden Verdacht einer bei dem Kläger vorhandenen Verdeutlichungstendenz. Nachgewiesen ist in diesem Zusammenhang, dass die subjektiven Angaben des Klägers bei den von Prof.W. vorgenommenen Hörprüfungen nicht die Hörschwelle darstellten. So belegen die Hirnstammpotentiale eine funktionelle Beeinflussung der subjektiven Hörprüfungen (Fehlmessung, Aggravation), so dass - worauf Dr.N. zu Recht hinweist - die subjektiven Hörprüfungen des Prof.W. nicht geeignet sind, den Umfang des Hörschadens oder eine Befundverschlechterung zu belegen. Auffallend ist insbesondere eine Diskrepanz zwischen Ton- und Sprachaudiogramm, auf die neben Dr.N. auch Prof.T. hingewiesen hat. So errechnet sich nach dem Tonaudiogramm eine MdE von 45 vH, während sich nach dem Sprachaudiogramm eine solche von 25 vH ergibt. Ein Vergleich des von Prof.W. am 11.02.1999 angefertigten Sprachaudiogramms mit dem vom 08.10.1997 (Prof.H.) zeigt im Übrigen nur eine ganz geringfügige Verschlechterung des Zahlenverständnisses links von 5 dB(A). Wegen der unsicheren Angaben wäre daher nicht - wie dies Prof.W. vorgeschlagen hat - eine Aufrundung der vom Sachverständigen aus dem Sprachaudiogramm ermittelten MdE (25 vH), sondern - wenn man wegen der Verdeutlichungstendenz des Klägers von einer Verwendung der erhobenen Ergebnisse nicht völlig absehen wollte - eher eine geringere Bewertung angebracht gewesen.

Nach allem hat der Kläger (derzeit) keinen Anspruch auf Verletztenrente. Das Urteil des SG Bayreuth ist daher im Ergebnis nicht zu beanstanden. Das Rechtsmittel des Klägers muss somit erfolglos bleiben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs 2 Nr 1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Saved