L 2 U 440/00

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 20 U 633/98
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 2 U 440/00
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 17.10.2000 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der am 1936 geborene Kläger spürte am 28.08.1997 nach seinen Angaben beim Anheben einer Antriebswelle plötzlich einen heftigen Schmerz in der rechten Schulter.

Der Allgemeinarzt Dr.A. , den er am gleichen Tag aufsuchte, stellte einen massiven Spontan- und Bewegungsschmerz in der rechten Schulter fest. Die Elevation des rechten Armes war nicht möglich. Wegen des Verdachtes auf Ruptur im Schulterbereich überwies Dr.A. den Kläger an den Chirurgen Dr.L. , der am gleichen Tag eine Zerrung der rechten Schulter diagnostizierte. Ein MRT vom 08.09.1997 zeigte einen weitgehend kompletten Abriss der Supraspinatussehne. Der Muskel war deutlich retrahiert. Durch Schulterhochstand und zusätzlich bestehende Acromioclavikulargelenksarthrose bestand eine massive Einengung des subacromialen Raumes. Auch die Subscapularissehne wies Signalveränderungen im Sinne einer Teilruptur auf.

Am 12.09.1997 wurde im Kreiskrankenhaus Holzkirchen eine Acromioplastik, Arthrolyse und Reinsertion der Rotatorenmanschette vorgenommen. Es zeigte sich eine breite Ruptur des Supraspinatus und Infraspinatus mit deutlich retrahierten Sehnenanteilen.

Nach dem Anschlussheilverfahren vom 23.10. bis 27.11.1997 in der Fachklinik Bad Heilbrunn gab der Kläger keine Schmerzen in der rechten Schulter an, jedoch Bewegungsdefizit und Kraftverlust in der rechten Hand.

Ein MRT vom 08.12.1997 zeigte einen neuerlichen Abriss der Supraspinatussehne und ausgeprägte knöcherne Enge bei Schulterhochstand. Prof.Dr.S. führte im Bericht vom 19.12.1997 nach Untersuchung des Klägers aus, angesichts der Retraktion und Verfettung der abgerissenen Rotatorenmuskeln sei die erneute Naht der Sehne weder technisch möglich noch sinnvoll. Er schlug vor, zunächst den Erfolg einer konsequenten Krankengymnastik abzuwarten. Der Neurologe Dr.S. erklärte im Bericht vom 19.02.1998, es ergebe sich kein Hinweis auf eine Armplexusparese. Die atrophischen Paresen der Ulnaris-versorgten kleinen Handmuskulatur rechts beruhten auf einem Sulcus- Nervi-ulnaris-Syndrom. Da der Kläger beschwerdefrei sei, bestehe keine Operationsindikation. Am 24.06.1998 wies er darauf hin, der elektroneurographische Befund eines Sulcus-Nervi-ulnaris-Syndroms habe eindeutig bestätigt werden können. Bei den Voruntersuchungen habe ein Sulcus-Nervi-ulnaris-Syndrom auch linksseitig bestanden. Am 28.07.1998 wurde der Kläger von dem Orthopäden Dr.B. operiert. Die Operationsindikation lautete: Klinisch typische Nervus-sulcus-ulnaris-Symptomatik, neurologisch durch entsprechende Untersuchungen gesichert.

Im Gutachten vom 03.03.1998 führte der Chirurg Dr. M. aus, beim Kläger hätten bereits vor dem 28.08.1997 degenerative Veränderungen am rechten Schultergelenk bestanden, wie die Röntgenaufnahme vom 08.06.1996 zeige. Das Aufheben der etwa 40 kg schweren Welle stelle keinen Arbeitsunfall dar, da es sich um einen kontrollierten Hebevorgang gehandelt habe, der nicht Ursache des nachgewiesenen Rotatorenmanschettenrisses sein könne. Das Heben habe lediglich bei bereits erheblichen degenerativen Veränderungen zu einer Schulterreizung geführt; die weitere Entwicklung sei schicksalhaft verlaufen.

Mit Bescheid vom 23.04.1998 lehnte die Beklagte den Anspruch auf Entschädigung aus Anlass des Ereignisses vom 28.08.1997 ab. Das Ereignis vom 28.08.1997 sei allenfalls auslösendes Moment für das Auftreten der Beschwerden gewesen, nicht aber rechtlich wesentliche Ursache für die Entstehung des Schadens.

Den Widerspruch des Klägers vom 28.04.1998, mit dem er einwandte, vor dem 28.08.1997 habe ein entsprechendes Beschwerdebild nicht bestanden, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 05.08.1998 zurück.

Mit der Klage vom 13.08.1998 hat der Kläger geltend gemacht, das Anheben der Antriebswelle sei geeignet gewesen, einen Unfall auszulösen. Es bestehe ein rechtlich wesentlicher Kausalzusammenhang zwischen der beruflichen Tätigkeit, dem plötzlichen Ereignis und dem Riss an der Rotatorenmanschette. Auf jeden Fall sei das angebliche Beschwerdebild durch das Unfallereignis verschlimmert worden.

Das SG hat Befundberichte des Orthopäden Dr.B. und des Radiologen Dr.R. beigezogen und den Chirurgen Dr.Dr.K. zum ärztlichen Sachverständigen ernannt.

Im Gutachten vom 08.01.1999 hat Dr.Dr.K. zusammenfassend ausgeführt, der Kläger habe angegeben, beim planmäßigen Anheben einer ca. 50 kg schweren Last sei es plötzlich zu einem sehr schmerzhaften Stechen bzw. Riss in der rechten Schulter gekommen. Ein solcher Vorgang gelte ohne Ausnahme in der Begutachtungsliteratur als ungeeignet, um im Sinne einer wesentlichen Teilursache eine Rotatorenverletzung zu bewirken. Es müsse eine massive Degeneration mit sehr hoher spontaner Defektbereitschaft vorbestanden haben. Beträchtliche arthrotische Veränderungen seien sowohl präoperativ im Kernspintomogramm als auch intraoperativ beschrieben. Der Kläger vermute einen Unfallzusammenhang, weil Schmerz und Defekt nach dem Ereignis vom 28.08.1997 aufgetreten seien. Ein "Post-ergo propter" erfülle nicht die Bedingung einer wesentlichen Mitursache und entspreche nicht der Wahrscheinlichkeitsforderung. Lediglich aus Anlass, nicht aus Ursache des Ereignisses vom 28.08.1997, habe der Kläger heftige Schulterschmerzen empfunden.

Der auf Antrag des Klägers gemäß § 109 zum ärztlichen Sachverständigen ernannte Orthopäde Dr.B. hat im Gutachten vom 09.09.1999 ausgeführt, am 28.08.1997 sei es zu einem Hineinfallen einer Last in den Arm gekommen. Der Kläger habe eine ca. 50 kg schwere Last knapp vor dem Rumpf leicht gebeugt anheben wollen. Dabei habe er einen akuten Schmerz im Bereich der rechten Schulter verspürt. Offensichtlich sei es dabei zu der beschriebenen Ruptur gekommen. Die durch Dehnung und Impingement ständig sich degenerativ auswirkenden Stressfaktoren wirkten insbesondere ab dem 40. Lebensjahr auf die Rotatorenmanschette ein, so dass auch spontane, im Rahmen der Alltagskräfte einwirkende Belastungen zu einer Ruptur führen könnten. Es könne davon ausgegangen werden, dass das Ereignis vom 28.08.1997 nicht ursächlich für die Schädigung der Rotatorenmanschette gewesen sei, jedoch der Auslöser für dauerhaft aufgetretene Beschwerden. Hätte der Kläger eine Verhebebewegung dieses Ausmaßes nicht durchgeführt, wären die Beschwerden mit Sicherheit erst zu einem späteren, nicht genau vorhersehbaren Zeitpunkt eingetreten. Insofern habe das Ereignis zu einer anhaltenden Verschlimmerung geführt. Die MdE sei mit 15 v.H. zu bewerten.

Die ebenfalls gemäß § 109 SGG zur ärztlichen Sachverständigen ernannte Ärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr.P. hat im Gutachten vom 07.03.2000 ausgeführt, beim Kläger hätten degenerative Veränderungen dem Alter entsprechend vorgelegen. Anlagemäßig müsse von einer besonders kräftigen Konstitution ausgegangen werden. Der Kläger habe versucht, mit beiden Händen, Armen und Schulter aus gebückter Stellung einen 3 m langen, 40 bis 50 kg schweren Metallgegenstand hochzuheben. Es habe sich um einen schweren Kraftakt gehandelt. Ein Muskel sei in der Sehne abgerissen, zwei weitere Muskelsehnen seien angerissen, eine Sehne verlagert. Beschrieben seien auch Einblutungen. Diese Befunde seien eindeutig und beweisend im Sinne der traumatischen Ursache. Das Ereignis sei als Arbeitsunfall anzusehen. Im Beruf als Schmied bestehe ein Dauerschaden mit einer MdE von 100 v.H. Bezüglich leichter Arbeiten mit qualitativen Einschränkungen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt bestehe eine MdE von 40 v.H.

Mit Urteil vom 17.10.2000 hat das SG die Klage abgewiesen. Es habe kein adäquates Unfallereignis vorgelegen. Der kontrollierte Hebevorgang sei ungeeignet, um im Sinne einer wesentlichen Teilursache eine Rotatorenverletzung zu bewirken. Im Hinblick auf die beträchtlichen arthrotischen Veränderungen wäre mit einer Defektbildung der Rotatorenhaube auch ohne das Ereignis vom 28.08.1997 in absehbarer Zeit zu rechnen gewesen.

Mit der Berufung vom 18.10.2000 bestreitet der Kläger, dass er bei dem Verhebevorgang nicht habe plötzlich nachgreifen müssen. Es sei notwendigerweise zu einem Nachgreifen gekommen. Es wird beantragt, den Orthopäden Dr.T. L. gemäß § 109 SGG als Sachverständigen zu hören.

Der vom Senat zum ärztlichen Sachverständigen ernannte Orthopäde Dr.F. führt im Gutachten vom 26.06.2001 zusammenfassend aus, der Kläger gebe an, am 28.08.1997 habe er eine 40 bis 50 kg schwere Welle angehoben. Er sei leicht in die Hocke gegangen und habe die Welle mit beiden Händen angehoben. Nach einem Hebevorgang von etwa 20 bis 30 cm habe es ihn im gesamten rechten Arm "gerissen". Die Arbeit habe er sofort einstellen müssen. Da der Hebevorgang bewusst eingeleitet und durchgeführt worden sei, sei ein plötzliches, unerwartet von außen einwirkendes Ereignis mit Sicherheit nicht abgelaufen. Ein für einen Rotatorenmanschettenriss geeigneter Unfallhergang könne aus dem Vortrag des Klägers und den primären Aufzeichnungen der behandelnden Ärzte nicht abgeleitet werden. Ein drop arm oder eine eindeutige Pseudoparalyse seien im Erstbefund nicht mitgeteilt. Aus der ausführlichen Beschreibung des kernspintomographischen Befundes vom 08.09.1997 ergebe sich, dass schon wenige Tage nach dem Unfallgeschehen erhebliche degenerative Veränderungen und vor allem ein sogenanntes Impingement, also ein Engpass zwischen Oberarmkopf und Schulterhöhe, bestanden hatten. Es handele sich dabei um Symptome, die gegen eine frische Rotatorenmanschettenruptur sprächen. Das Operationsprotokoll vom 12.09.1997 erwähne einen Osteophyten, also einen degenerativ bedingten Anbau von Knochensubstanz. Damit sei erneut die ausgeprägte Vorschädigung der rechten Schulter nachgewiesen. Der Sehnenanteil der Supraspinatussehne sei am 12.09.1997 deutlich retrahiert gewesen, dies spreche ebenfalls gegen eine nur wenige Tage zurückliegende Rissbildung. Zu berücksichtigen sei auch, dass der Kläger bereits 1996 wegen einer Periarthritis humeroscapularis arbeitsunfähig erkrankt gewesen sei, Harnsäure und Gamma GT erhöht gewesen seien, außerdem Fettstoffwechselstörungen festgestellt seien, also metabolische Veränderungen, die den vorzeitigen Verschleiß von Gelenken förderten. So könne der Kläger auch die linke Schulter nicht mehr vollständig bewegen, die Ellenbogengelenke und der 4. und 5. Finger der rechten Hand seien nicht vollständig beweglich. Zudem ergäben sich Hinweise auf eine Bewegungsstörung der Halswirbelsäule. Es lasse sich kein einziges Kriterium zu Gunsten einer positiven Kausalitätsbeurteilung feststellen.

Der Kläger stellt den Antrag, das Urteil des Sozialgerichts München vom 17.10.2000 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 23.04.1998 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.08.1998 zu verurteilen, eine Rotatorenmanschettenruptur rechts als Folge des Arbeitsunfalles vom 28.08.1997 festzustellen und dem Kläger Verletztenrente in Höhe von mindestens 20 v.H. der Vollrente zu gewähren.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf den wesentlichen Inhalt der beigezogenen Akten der Beklagten, der Akte der LVA Oberbayern sowie der Klage- und Berufungsakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, sachlich aber nicht begründet.

Ein Arbeitsunfall setzt gemäß § 8 Abs.1 SGB VII einen Unfall voraus, den ein Versicherter bei einer den Versicherungsschutz gemäß § 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit erleidet. Der Begriff des Unfalls erfordert ein zeitlich begrenztes, von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis, das zu einem Gesundheitsschaden geführt hat (vgl. BSGE 23, 139). Das äußere Ereignis muss mit der die Versicherteneigenschaft begründenden Tätigkeit rechtlich wesentlich zusammenhängen. Dabei bedürfen alle rechtserheblichen Tatsachen des vollen Beweises, d.h. sie müssen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit vorgelegen haben (vgl. BSGE 45, 285). Die Beweiserleichterung der hinreichenden Wahrscheinlichkeit gilt nur insoweit, als der ursächliche Zusammenhang im Sinne der wesentlichen Bedingung zwischen der der versicherten Tätigkeit zuzurechnenden und zum Unfall führenden Verrichtung und dem Unfall selbst sowie der Zusammenhang betroffen ist, der im Rahmen der haftungsausfüllenden Kausalität zwischen dem Arbeitsunfall und der maßgebenden Verletzung bestehen muss (Krasney VSSR 1993, 81, 114).

Beim Kläger ist es zu keiner bleibenden Gesundheitsstörung, die eine MdE von wenigstens 20 v.H. der Vollrente bedingen würde, gekommen. Dies ergibt sich zur Überzeugung des Senats aus dem schlüssigen Gutachten des ärztlichen Sachverständigen Dr.F. , der nach ambulanter Untersuchung des Klägers und Auswertung der ärztlichen Unterlagen in den Akten überzeugend dargelegt hat, dass der Unfall lediglich zu einer Zerrverletzung des rechten Schultergelenks geführt hat, nicht jedoch zur Funktionsstörung auf der Basis einer Ruptur der Rotatorenmanschette.

Die Rotatorenmanschette liegt zwischen dem Oberarmkopf und dem knöchern bindegewebigen Schulterdach, gebildet von der Schulterhöhe (Acromion), dem Rabenschnabelfortsatz und einem straffen Band, das dazwischen verläuft. Sie bildet eine Sekundärpfanne zwischen Oberarmkopf und Schulterhöhe und kontrolliert die Rollgleitbewegungen des Oberarmkopfes. Die Rotatorenmanschette unterliegt in hohem Maße der Degeneration, die ab dem 3. Lebensjahrzehnt beginnt. Untersuchungen ergaben klinisch unauffällige Defekte in 25 % bei über 40-jährigen, in 75 % bei über 50-jährigen und bis zu 100 % bei über 60-jährigen. Als Ursache für die Entstehung der Rupturen wird eine lokale Minderdurchblutung sowie ein zunehmender Verschleiß der Sehnen durch Abrieb in der Enge des subacromialen Raumes (Engpass bzw. Impingement-Syndrom) angesehen. Dabei handelt es sich um eine Störung der Gleitbewegung zwischen dem Oberarmkopf einschließlich der Rotatorenmanschette und dem Schulterdach. Jede Veränderung des Inhalts und der Begrenzung des subacromialen Raumes kann zu einem Engpass des Schultergelenkes führen. Schmerzen nach Sehnenriss hängen davon ab, ob der der Ruptur zugrunde liegende Prozess zu einem Ausfall der Schmerzrezeptoren geführt hat. Eine "leere Anamnese" kann deshalb weder eine Schadensanlage noch einen Vorschaden ausschließen (Schönberger-Mehrtens-Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 6. Auflage 1998, S.472 ff).

Den isolierten, ausschließlich traumatischen Supraspinatussehnenriss gibt es nicht. In Frage kommt allein ein Verletzungsmechanismus im Sinne der wesentlichen Teilursache bei bestehender Degeneration. Nur Bewegungen im Schultergelenk mit Zugbelastung Rotations-, aber auch Abspreizbewegungen (vgl. Schönberger-Mehrtens-Valentin, a.a.O).

Voraussetzung für die Annahme eines unfallbedingten Rotatorenmanschettenrisses ist ein geeigneter Unfallhergang, das entsprechende Verhalten des Verletzten nach dem Unfall, entsprechende klinische und radiologische Erstsymptomatik, entsprechende intraoperative Befunde sowie der Ausschluss konkurrierender Verursachungsmöglichkeiten.

Da der Hebevorgang bewusst eingeleitet und durchgeführt wurde, wie der Kläger gegenüber Dr.M. , Dr.Dr.K. , Dr.B. , Dr. A. und gegenüber Dr.F. angegeben hat, ist ein plötzliches, unerwartet von außen einwirkendes Ereignis mit Sicherheit nicht abgelaufen. Insbesondere hat der Kläger die Notwendigkeit des Nachgreifens bzw. ein Hineinfallen der schweren Last in den Arm niemals geschildert. Ungeeignete Hergänge für eine Rotatorenmanschettenverletzung sind direkte Krafteinwirkung auf die Schulter wie Sturz-, Prellung und Schlag, sowie aktive Tätigkeiten, die zu einer abrupten, aber planmäßigen Muskelkontraktion führen, wie Heben, Halten und Werfen, denn das Zusammenspiel von Muskel, Sehne und Knochen setzt eine abgestimmte Belastbarkeit der Einzelkomponenten voraus. Ungeeignet sind auch plötzliche Muskelanspannungen, da die in den Muskeln der Rotatorenmanschette entwickelten Kräfte zu gering sind. Nur Bewegungen im Schultergelenk mit Zugbelastung der Rotatorenmanschette, insbesondere Rotations- oder Abspreizbewegungen, können diese zerreissen. Der Hebevorgang, wie ihn der Kläger geschildert hat, ist daher ungeeignet, einen Rotatorenmanschettenriss herbeizuführen.

Die Analyse der klinischen Erstsymptomatik ergibt, so Dr.F. , dass die Umgebung der rechten Schulter druckempfindlich war. Die aktive Abspreizung gelang nur bis 15¬, die Außenrotation war bis 20¬ eingeschränkt. Gegen Widerstand hat der Erstuntersucher eine deutliche Kraftminderung bei Abduktion und Außenrotation festgestellt. Der Schürzengriff war möglich. Ein drop arm oder eine eindeutige Pseudoparalyse, die als die signifikanten Zeichen der frischen traumatischen Rotatorenmanschettenruptur gelten, sind in diesem Erstbefund nicht mitgeteilt. Es liegen damit keine sicheren Hinweise auf eine verletzungsbedingte Ruptur vor.

Der kernspintomografische Befund vom 08.09.1997 zeigt, wie Dr.F. erläutert, dass ein weitgehend kompletter Abriss der Supraspinatussehne mit Retraktion des Muskels gegeben war. Der Oberarmkopf war in der Gelenkpfanne nach oben subluxiert. Die Gelenkkapsel zeigte eine Ergussbildung und war erweitert. Ebenfalls bestand eine Verschleißschädigung des Schultereckgelenks, wie sie schon auf der Röntgenaufnahme von 1996 zu sehen war. Der Raum zwischen Oberarmkopf und Schulterblatthöhe war massiv auf drei bis vier Millimeter eingeengt. Eine Teilruptur war auch an der Subscapularissehne zu sehen; am Tuberculum majus fanden sich degenerative Appositionen. Hieraus ergibt sich, dass schon wenige Tage nach dem Unfallgeschehen erhebliche degenerative Veränderungen und vor allem ein sogenanntes Impingement, also ein Engpass zwischen Oberarmkopf und Schulterhöhe, bestanden haben. Hierbei handelt es sich um Symptome, wie Dr.F. betont, die gegen eine frische Rotatorenmanschettenruptur sprechen. Auch aus dem Operationsprotokoll vom 12.09. 1997 ist - wie Dr.F. erläutert - zu ersehen, dass ein Osteophyt an der Unterseite des Schultereckgelenks abgetragen werden musste. Da ein Osteophyt einen degenerativ bedingten Anbau von Knochensubstanz darstellt, ist damit erneut die ausgeprägte Vorschädigung der rechten Schulter nachgewiesen. Der Sehnenanteil der Supraspinatussehne war deutlich retrahiert. Dies spricht, so Dr.F. , ebenfalls gegen eine nur wenige Tage zurückliegende Rissbildung, denn ein stark retrahierter Muskel ist ein Zeichen dafür, dass die Rissbildung längere Zeit bestanden hatte, während wenige Tage nach dem Zustandekommen eines Rotatorenmanschettenrisses die Stumpfränder noch leicht adaptierbar sind. Die durchgeführte Mobilisierung der Supraspinatussehne wäre bei einem frischen Riss nicht notwendig gewesen.

Hinzu kommt, dass beim Kläger eine Reihe von konkurrierenden Verursachungsmöglichkeiten gegeben sind. Bereits 1996 war der Kläger wegen einer Periarthritis humeroscapularis arbeitsunfähig erkrankt. Die Röntgenaufnahme der rechten Schulter aus dem Jahre 1996 zeigt erhebliche degenerative Veränderungen, besonders im Schultereckgelenk. Aus dem Entlassungsbericht vom Heilverfahren vom 10.12.1997 ergibt sich, dass Harnsäure und Gamma-GT erhöht waren und zusätzlich Fettstoffwechselstörungen festgestellt wurden. Dabei handelt es sich um metabolische Veränderungen, die den vorzeitigen Verschleiß von Gelenken fördern. In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass der Kläger auch die linke Schulter nicht mehr vollständig bewegen kann, da ebenfalls deutliche Veränderungen ablaufen. Zudem sind die Ellenbogengelenke und der 4. und 5.Finger der rechten Hand nicht mehr vollständig beweglich. Weiter besteht eine Bewegungsstörung der Halswirbelsäule mit Nervenwurzelläsion und eine früher abgelaufene Athritis, also eine Gelenkentzündung.

Unter Berücksichtigung der von Dr.F. gemachten Ausführungen können die Gutachten von Dr.B. und Dr. A. nicht überzeugen. Das Hineinfallen einer Last in den Arm, das Dr.B. unterstellt, ist vom Kläger nie geschildert worden. Im Übrigen führt auch Dr.B. aus, dass das Ereignis vom 28.08.1997 nicht ursächlich für den Rotatorenmanschettenriss gewesen sei, hält es jedoch für den Auslöser der Beschwerden. Dies kann im Hinblick auf die im Unfallversicherungsrecht geltende Kausallehre nicht überzeugen; der Hebevorgang war nicht die rechtlich wesentliche Bedingung für die Beschwerden. Dies hat auch der Chirurg Dr.Dr.K. im Gutachten vom 08.01.1999 überzeugend begründet. Ein "Post-ergo propter" erfüllt nicht die Bedingung einer wesentlichen Mitursache; nur aus Anlass und nicht aus Ursache des Ereignisses vom 28.08.1997 hat der Kläger die heftigen Schmerzen empfunden.

Nicht überzeugen können auch die Ausführungen von Dr. A., wenn sie davon ausgeht, dass ein schwerer Kraftakt geeignet sei, den Riss der Supraspinatussehne zu verursachen. Denn das Zusammenspiel von Muskel, Sehne und Knochen setzt eine abgestimmte Belastbarkeit der Einzelkomponenten voraus, so dass aktive Tätigkeiten wie Heben nicht geeignet sind, zu einem Supraspinatussehnenriss zu führen. Das Gleiche gilt für plötzliche Muskelanspannungen, da die in den Muskeln der Rotatorenmanschette entwickelten Kräfte zu gering sind (Schönberger-Mehrtens-Valentin a.a.O.).

Die Kostenentscheidung richtet sich nach § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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