L 16 R 1070/12

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
16
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 32 R 4464/10
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 16 R 1070/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 15. Oktober 2012 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der 1967 geborene Kläger hat keine Kinder. Er lebte seit Juni 2003 mit der ihm seit November 1998 bekannten Bürokauffrau O L (im Folgenden: Versicherte) zusammen. Nachdem die Versicherte seit Anfang Januar 2009 über Kopfschmerzen, Flimmern vor den Augen, Raumorientierungsstörungen und Unruhe geklagt hatte, ergab eine Computertomographie (CT) des Schädels vom 5. Februar 2009 eine eingeblutete Raumforderung rechts mit Umgebungsödemen und raumforderndem Effekt. Der Histologiebefund nach der am 6. Februar 2009 durchgeführten Totalexstirpation ergab das Vorliegen eines Glioblastoms WHO Grad IV. Die am 27. Februar 2009 begonnene Radiochemotherapie der Versicherten wurde am 7. April 2009 aufgrund einer fulminanten Lungenarterienembolie mit akutem Rechtsherz- und Nierenversagen abgebrochen. Vom 27. April 2009 bis 22. Juni 2009 durchlief die Versicherte in der M Klinik G eine neurologische Frührehabilitation, während der nach Anmeldung vom 12. Juni 2009 die Eheschließung zwischen dem Kläger und der Versicherten im Standesamt G am 18. Juni 2009 stattfand. Eine am 14. Juli 2009 durchgeführte Magnetresonanztomographie (MRT) des Kopfes zeigte eine neue aufgetretene Schrankenstörung im Sinne eines Tumorrezidivs. Ab August 2009 erfolgte eine orale palliative Chemotherapie. Die parallel durchgeführte Markumartherapie wurde aufgrund der Gefahr einer zerebralen Tumorblutung im November 2009 abgesetzt. Unter dem klinischen Bild einer Lungenarterienembolie verstarb die Versicherte am 12. Dezember 2009 zu Hause.

Am 28. Januar 2010 beantragte der Kläger, der nach seinen Angaben zu diesem Zeitpunkt weder ein Erwerbseinkommen noch ein Erwerbsersatzeinkommen hatte, bei der Beklagten die Gewährung einer Witwerrente (WR). Er gab an, die Heirat sei zur Sicherung der erforderlichen Betreuung/Pflege der ständig auf Pflege angewiesenen Ehefrau erfolgt und der Tod der Ehefrau sei bei Eheschließung auf absehbare Zeit nicht zu erwarten gewesen. Mit Schreiben vom 17. Februar 2010 teilte er mit, dass die Versicherte und er Anfang 2009 hätten heiraten wollen. Die Heirat sei wegen der Krankheit verschoben worden. Auf Nachfrage der Beklagten ergänzte er mit Schreiben vom 29. März 2010, zum Zeitpunkt "der Idee zu heiraten" lägen keine schriftlichen Unterlagen vor. Es gebe allerdings genügend Zeugen, die dies bestätigen könnten. Mit Bescheid vom 13. April 2010 lehnte der Beklagte den Rentenantrag des Klägers ab, weil die Ehe nicht mindestens ein Jahr gedauert habe. Besondere Umstände, die die gesetzliche Vermutung einer Versorgungsehe widerlegten, seien nicht erkennbar. Der Kläger habe geheiratet, als sich die Versicherte noch in der Rehabilitationsklinik befunden habe. Für das Betreiben der Eheschließung mit derartiger Eile sei "kein Grund" erkennbar. Es hätte nahegelegen, die nach seinen Angaben ursprünglich für Anfang 2009 geplante, aber aus Krankheitsgründen verschobene Heirat nach der Rehabilitation durchzuführen. Im Widerspruchsverfahren machte der Kläger geltend: Eine Heirat sei schon lange vor der Erkrankung der Versicherten geplant gewesen. Seine Frau sei auch nicht an dem Tumor gestorben, vielmehr habe das Absetzen der Blutverdünner zu einer Lungenembolie geführt. Der Beklagte wies den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 10. August 2010 zurück und führte aus: Zum Zeitpunkt der Eheschließung sei der Gesundheitszustand der Versicherten irreparabel schlecht gewesen. Bereits ab August 2009 sei bei Verdacht auf Rezidiv lediglich eine palliative Chemotherapie durchgeführt worden. Blutverdünnende Medikamente seien wegen des Risikos von Hirnblutungen abgesetzt worden. Die Lungenembolie sei eine Folge der Tumorerkrankung gewesen. Nach den vorliegenden medizinischen Unterlagen könne nicht davon ausgegangen werden, dass zum Zeitpunkt der Eheschließung der grundsätzlich lebensbedrohende Charakter der Erkrankung nicht bekannt gewesen sei. Es könne nicht davon ausgegangen werden, dass bei der Eheschließung das Ableben der Versicherten auf absehbare Zeit nicht zu erwarten gewesen wäre. Unter Würdigung aller Gesamtumstände sei die gesetzliche Vermutung einer Versorgungsehe nicht hinreichend widerlegt.

Im Klageverfahren hat das Sozialgericht Berlin (SG) Befundberichte der die Versicherte behandelnden Ärzte Dr. P vom 17. Dezember 2010 (ergänzt mit Schreiben vom 20. Mai 2011) und Dr. D vom 27. Dezember 2010 eingeholt sowie Berichte des C für Neurologie, Neurochirurgie und Psychiatrie vom 20. Februar 2009,12. März 2009, 17. Juli 2009 und 25. August 2009, einen Bericht der Radiologischen Praxis am Krankenhaus R vom 15. Juni 2009, einen Kurzarztbrief der Klinik G vom 19. Juni 2009, einen Entlassungsbericht der Klinik G vom 6. Juli 2009, einen Bericht des C für Tumormedizin vom 21. August 2009, einen Bericht des ambulanten Tumorzentrums S (Dr. P) vom 22. Dezember 2009 und einen Befundbericht des Allgemeinmediziners B vom 7. Januar 2011 beigezogen. Die Klinik hat mit Schreiben vom 6. und 23. Juni 2011 mitgeteilt, dass mit der Versicherten und dem Kläger ausführliche Gespräche über die Prognose (z.B. am 2. Juni und 10. Juni 2009 ) stattgefunden hätten, aber keine detaillierten Aussagen zum Inhalt dieser Gespräche gegeben werden könnten. Das SG hat ferner Beweis erhoben durch uneidliche Vernehmung der Zeugen R K, A und E S sowie K W. Wegen der Einzelheiten hierzu wird Bezug genommen auf die Sitzungsniederschrift vom 15. Oktober 2012.

Der Kläger hat vorgetragen: Nachdem 2007 die erste Idee zur Heirat aufgekommen sei, habe er sich im Oktober 2008 mit der Versicherten verlobt. Während der Silvesterparty 2008, die bei seinen Eltern stattgefunden habe, habe er spontan und nahezu beiläufig in die Runde "rausgehauen", dass geheiratet werden solle. Der Versicherten sei diese Ankündigung etwas unangenehm gewesen, sie habe dies auch nicht weiter kommentiert. In der Partyrunde seien weitere größere Reaktionen ausgeblieben. Zum Teil habe es Erstaunen und ein paar Bemerkungen gegeben; aber größere Diskussionen und Gespräche seien nicht geführt worden. Weder mit seiner Schwester noch mit seinen Eltern habe er nach Silvester weitere Gespräche über die geplante Heirat geführt. Letztlich sei der konkrete Heiratsplan dann im Juni 2009 entstanden, nachdem die Versicherte nach einer vorangegangenen Lungenembolie in einem besseren körperlichen Zustand gewesen sei.

Das SG hat die Klage mit Urteil vom 15. Oktober 2012 abgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt: Die Klage sei unbegründet. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Gewährung einer WR gemäß § 46 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Rentenversicherung – (SGB VI). Dem Anspruch stehe § 46 Abs. 2a SGB VI entgegen. Die zum 1. Januar 2002 eingeführte Norm stelle die gesetzliche widerlegliche Vermutung auf, dass eine Ehe, die höchstens ein Jahr vor dem Versterben des Versicherten geschlossen worden sei, dem alleinigen oder überwiegenden Zweck der Begründung eines Anspruchs auf Hinterbliebenenversorgung gedient habe. Für die Widerlegung der gesetzlichen Vermutung sei der volle Beweis des Gegenteils zu erbringen. Aus § 46 Abs. 2a SGB VI ergebe sich nicht ohne weiteres, was unter "besonderen Umständen des Falles" zu verstehen sei, die geeignet seien, die Vermutung einer Versorgungsehe zu widerlegen. Als besondere Umstände seien alle äußeren und inneren Umstände des Einzelfalles anzusehen, die auf einen von der Versorgungsabsicht verschiedenen Beweggrund für die Heirat schließen ließen. Dabei komme es auf die ggf. voneinander abweichenden Beweggründe (und Motive, Zielvorstellungen) beider Ehegatten an. Bei Heirat eines zum Zeitpunkt der Eheschließung offenkundig bereits an einer lebensbedrohlichen Krankheit leidenden Versicherten sei der Ausnahmetatbestand des § 46 Abs. 2a SGB VI in der Regel nicht erfüllt. In diesen Fällen müssten die Umstände, die gegen eine Versorgungsehe sprächen, umso gewichtiger sein, je offenkundiger und lebensbedrohlicher die Krankheit eines Versicherten zum Zeitpunkt der Eheschließung gewesen sei. Die Ehe des Klägers mit der Versicherten habe nur annähernd sechs Monate und damit weniger als ein Jahr gedauert. Zur Überzeugung der Kammer sei die gesetzliche Vermutung des § 46 Abs. 2a SGB VI nicht widerlegt. Zwar sei es zutreffend, dass der Tod der Versicherten nicht unmittelbar Folge der Tumorerkrankung gewesen sei. Dennoch habe den Eheleuten zum Zeitpunkt der Eheschließung bewusst gewesen sein müssen, dass die Grunderkrankung weit fortgeschritten und bei erfolgter palliativer Behandlung von einer limitierten Lebenserwartung auszugehen gewesen sei. Dies habe der behandelnde Onkologe Dr. P in seinem Befundbericht vom 17. Dezember 2010 und ergänzendem Schreiben vom 20. Mai 2011 bestätigt. Zudem habe die Klinik G angegeben, dass mit der Patientin und dem Kläger ausführliche Gespräche über die Prognose stattgefunden hätten. Zur Überzeugung der Kammer habe eine offenkundige lebensbedrohliche Erkrankung vorgelegen, so dass zur Widerlegung der Versorgungsabsicht gewichtige "besondere Umstände" erforderlich seien. Soweit diese nach den Angaben des Klägers in der Bekanntgabe der Heiratsabsicht im Rahmen der Silvesterfeier 2008 zu sehen seien, habe die Beweisaufnahme dies nicht im erforderlichen Maße bestätigen können. Die Angaben des Klägers und der Zeugen ließen sich in wesentlichen Punkten nicht in Einklang bringen. Während die Mutter des Klägers, die Zeugin S, von einer erfreuten und begeisterten Atmosphäre nach der Ankündigung der Heirat gesprochen habe, hätten der Kläger und der Zeuge W eine eher verhaltende, nahezu unbeachtet gebliebene Reaktion beschrieben. Der Zeuge W habe angegeben, erst nach Mitternacht von der bei den hochbetagten Eltern des Klägers stattgefundenen Feier gegangen zu sein, während der Kläger selber eingeräumt habe, die Gruppe sei vor Mitternacht weitergezogen. Die Schwester des Klägers habe angegeben, der Kläger habe ihr gegenüber geäußert, sich Silvester verlobt zu haben. Hingegen habe der Kläger nachvollziehbar eine Verlobung bereits im Oktober 2008 beschrieben. Nach alledem sei davon auszugehen, dass der Kläger und die Versicherte tatsächlich die Absicht gehabt hätten, nach längerem Zusammenleben irgendwann zu heiraten. Von einer konkreten Heiratsabsicht mit entsprechenden Plänen, Vorbereitungen oder einer Terminfestlegung könne hingegen nicht ausgegangen werden. Dementsprechend habe der Kläger auch selbst angegeben, der konkrete Plan zu heiraten sei im Juni 2009 entstanden, nachdem es der Versicherten nach der vorangegangenen Lungenembolie besser gegangen sei. Es sei danach nicht bewiesen, dass ein konkret ins Auge gefasster Hochzeitsplan durch die Erkrankung der Versicherten hätte aufgeschoben werden müssen. Es lägen unter Berücksichtigung der Gesamtumstände nach allem "besondere Umstände" im Sinne des § 46 Abs. 2a SGB VI nicht vor.

Mit seiner Berufung verfolgt der Kläger sein Begehren weiter und trägt vor: Nach der ersten Operation der Versicherten sei er von seinem Arbeitgeber entlassen worden und habe erst zweieinhalb Jahre danach wieder angefangen zu arbeiten. Es sei unzutreffend, wenn das SG davon ausgehe, dass den Eheleuten zum Zeitpunkt der Eheschließung bewusst gewesen sein müsse, dass die Grunderkrankung weit fortgeschritten und bei erfolgter palliativer Behandlung von einer limitierten Lebenserwartung auszugehen gewesen sei. Eine palliative Chemotherapie sei erst ab August 2009 vorgenommen worden. (Erst) am 15. Juni 2009 sei von Seiten der Reha-Klinik eine Computertomographie veranlasst worden und es habe sich ein Verdacht auf ein Rezidiv ergeben. Im maßgeblichen Zeitpunkt der Anmeldung zur kurzfristigen Eheschließung (12. Juni 2009) habe zwar eine schwere Erkrankung vorgelegen, es sei jedoch weder eine palliative Chemotherapie zu diesem Zeitpunkt bereits erfolgt noch sei sie zu diesem Zeitpunkt angedacht gewesen. Eine unumkehrbar feststehende lebensbeendende Erkrankung, und hierauf ziele eine palliative Versorgung ab, sei nicht festgestellt gewesen. Nach Angaben der Klinik G hätten zwar mit der Versicherten und ihm ausführliche Gespräche über die Prognose stattgefunden, allerdings sei unklar, wann genau welche Prognose besprochen worden sei. Das SG habe ferner nicht hinreichend gewürdigt, dass er – der Kläger – sich aus emotionaler Bindung und tiefer Zuneigung in konsequenter Verwirklichung der bekannten Heiratspläne mit der Versicherten getraut und auf eine Besserung ihres Zustandes gehofft habe. Die mündliche Verhandlung habe entgegen der Auffassung des SG ergeben, dass er und die Versicherte sich bereits im Oktober 2008 verlobt hätten, dies am Silvesterabend 2008 bekannt gegeben hätten und für Februar 2009 eine Reise geplant sowie nach einer Besserung des Gesundheitszustandes der Versicherten Mitte Juni 2009 geheiratet hätten. Damit stelle sich die Heirat als konsequente Verwirklichung eines bereits vor Erlangung der Kenntnis der schweren Erkrankung bestehenden Heiratsentschlusses da. Allen Aussagen sei gemein, dass am Silvesterabend bzw. im Fall der Zeugin K telefonisch nach Null Uhr erklärt worden sei, dass geheiratet werden solle. Die Zeugenaussagen würden nur insoweit nicht miteinander korrespondieren, als dies die (unmaßgeblichen) äußeren Umstände eines vier Jahre zurückliegenden Abends betreffe. Er und die Versicherte seien Mitte Januar 2009 von den Ereignissen überrollt worden. Dass in der folgenden Zeit der Gesundheitszustand der Versicherten einzig im Vordergrund gestanden habe und der bereits im Jahr 2008 feststehende und bekanntgemachte Heiratsentschluss dann bei einer Besserung des Gesundheitszustandes im Juni 2009 (erst) umgesetzt worden sei, sei ohne weiteres nachvollziehbar.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 15. Oktober 2012 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 13. April 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. August 2010 zu verurteilen, ihm ab 1. Januar 2010 Witwerrente aus der Versicherung der 2009 verstorbenen O L zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen. Sie verteidigt das angegriffene Urteil.

Wegen des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf deren vorbereitende Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen, wegen der medizinischen Feststellungen auf die zu dem Verfahren eingeholten Befund- und Entlassungsberichte.

Die Gerichtsakte und die Rentenakte der Versicherten haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers ist unbegründet.

Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf WR nach § 46 SGB VI. Nach der genannten Vorschrift haben Witwer, die nicht wieder geheiratet haben, nach dem Tod des versicherten Ehegatten, der – wie hier – die allgemeine Wartezeit erfüllt hat, Anspruch auf kleine WR (Abs. 1 Satz 1) bzw. nach der hier allein in Betracht kommenden Nr. 1 des Abs. 2 Satz 1 ab Vollendung des 45. Lebensjahres auf große WR. Die tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Vorschrift waren beim Kläger hinsichtlich der kleinen WR zum Zeitpunkt des Ablebens der Versicherten und hinsichtlich der großen WR ab 20. Juli 2012 erfüllt. Den Ansprüchen auf WR steht indes die Vorschrift des § 46 Abs. 2a SGB VI entgegen.

Danach haben Witwer keinen Anspruch auf WR, wenn die Ehe – wie hier - nicht mindestens ein Jahr gedauert hat, es sei denn, dass nach den besonderen Umständen des Falles die Annahme nicht gerechtfertigt ist, dass es der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat war, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen. Diese Vorschrift wurde durch Artikel 1 Nr. 6b des Altersvermögensergänzungsgesetzes vom 21. März 2001 (BGBl. I S. 403) mit Wirkung vom 1. Januar 2002 in das SGB VI eingefügt. Sie begründet für alle seit ihrem Inkrafttreten am 01. Januar 2002 (vgl. § 242a Abs. 3 SGB VI) geschlossenen Ehen die gesetzliche Vermutung, dass bei einem Tod des Versicherten innerhalb eines Jahres nach der Eheschließung die Erlangung einer Versorgung alleiniger oder überwiegender Zweck der Eheschließung war. Die Ehe zwischen dem Kläger und der Versicherten hat weniger als ein Jahr gedauert, nämlich vom 18. Juni 2009 bis zum 12. Dezember 2009. Die gesetzliche Vermutung des § 46 Abs. 2a SGB VI greift also ein. Sie ist vorliegend nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens auch nicht widerlegt, weil zur vollen Überzeugung des Senats nicht erwiesen ist, dass der während eines stationären Klinikaufenthaltes der Versicherten vollzogenen Eheschließung zumindest gleichgewichtig (auch) Motive zugrunde lagen, die nicht auf Versorgungsgesichtspunkten beruhen.

Eine gewichtige Bedeutung bei der Gesamtbewertung aller vom Senat feststellbaren inneren und äußeren Ehemotive kommt dem Gesundheits- bzw. Krankheitszustand der Versicherten zum Zeitpunkt der Eheschließung zu. So kann ein gegen die gesetzliche Annahme einer Versorgungsehe sprechender besonderer (äußerer) Umstand insbesondere dann anzunehmen sein, wenn der Tod des Versicherten, bei welchem bisher kein gesundheitliches Risiko eines bevorstehenden Ablebens bekannt war, unvermittelt, das heißt plötzlich oder unerwartet eingetreten ist. Auf der anderen Seite ist bei Heirat eines zum Zeitpunkt der Eheschließung offenkundig bereits an einer lebensbedrohlichen Krankheit leidenden Versicherten in der Regel der Ausnahmetatbestand des § 46 Abs. 2a SGB VI nicht erfüllt (vgl. hierzu Bundessozialgericht – BSG -, Urteil vom 6. Mai 2010 – B 13 R 134/08 R – juris). Indes ist auch bei einer nach objektiven Maßstäben schweren Erkrankung mit einer ungünstigen Verlaufsprognose und entsprechender Kenntnis der Ehegatten im Einzelfall der Nachweis nicht ausgeschlossen, dass dessen ungeachtet (überwiegend oder zumindest gleichwertig) aus anderen als aus Versorgungsgründen geheiratet wurde. Allerdings müssen dann bei der abschließenden Gesamtbewertung diejenigen besonderen (inneren und äußeren) Umstände, die gegen eine Versorgungsehe sprechen, umso gewichtiger sein, je offenkundiger und je lebensbedrohlicher die Krankheit eines Versicherten zum Zeitpunkt der Eheschließung gewesen war (vgl. BSG aaO). Dementsprechend steigt mit dem Grad der Lebensbedrohlichkeit einer Krankheit und dem Grad der Offenkundigkeit zugleich der Grad des Zweifels an dem Vorliegen solcher vom hinterbliebenen Ehegatten zu beweisenden besondere Umstände, welche von diesem für die Widerlegung der gesetzlichen Annahme ("Vermutung") einer Versorgungsehe bei einem Versterben des versicherten Ehegatten innerhalb eines Jahres nach Eheschließung angeführt werden. Bei alldem ist der Ausnahmetatbestand des § 46 Abs. 2a SGB VI nur erfüllt, wenn insoweit nach § 202 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in Verbindung mit § 292 Zivilprozessordnung (ZPO) der volle Beweis erbracht wird. Dieser erfordert zumindest einen der Gewissheit nahe kommenden Grad der Wahrscheinlichkeit; die nur denkbare Möglichkeit reicht nicht aus. Hiernach ist eine Tatsache bewiesen, wenn sie in so hohem Grade wahrscheinlich ist, dass alle Umstände des Falls nach vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens und nach der allgemeinen Lebenserfahrung geeignet sind, die volle richterliche Überzeugung zu begründen. Eingedenk des im sozialgerichtlichen Verfahrens gemäß § 103 SGG geltenden Amtermittlungsgrundsatzes muss der Betroffene zur Anspruchsbegründung den Sachverhalt zwar nicht darlegen und beweisen. Er muss allerdings dann mit der Versagung des geltend gemachten Anspruchs auf WR rechnen, wenn nach Ausschöpfung des Amtsermittlungsgrundsatzes "besondere Umstände" im Sinne des § 46 Abs. 2a SGB VI nicht festgestellt werden können. Denn die Darlegungs- und Beweislast für ihr Vorliegen als ein den Anspruch begründender Umstand und damit auch die Folgen eines nicht ausreichenden Beweises trägt nach dem Grundsatz der objektiven Beweislast derjenige, welcher den WR-Anspruch geltend macht (vgl BSG, Urteil vom 5. Mai 2009 - B 13 R 55/08 R = SozR 4-2600 § 46 Nr. 6 mwN). Hiervon ausgehend vermag der Senat im vorliegenden Einzelfall keine besonderen Umstände im Sinne von § 46 Abs. 2a SGB VI zu erkennen, welche die volle richterliche Überzeugung dahin zu erbringen vermögen, dass es nicht der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat war, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen.

Beiden Eheleuten, die schon seit 2003 in einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft lebten, war zum Zeitpunkt der Eheschließung zweifelsfrei bekannt, dass die Versicherte so lebensbedrohlich erkrankt war, dass sie jederzeit hätte sterben können. Bei der Versicherten war bereits im Februar 2009 eine lebensbedrohliche Erkrankung in Gestalt eines Glioblastoms diagnostiziert worden. Dabei handelt es sich – wie allgemein bekannt ist – um einen unheilbaren bösartigen Hirntumor mit sehr schlechter Prognose. Die mittlere Überlebenszeit, die zwischen 7,5 Monaten und 17,1 Monaten beträgt, kann mittels Operation, Bestrahlung und Chemotherapie lediglich um einige Monate verlängert werden kann (vgl. das Stichwort "Glioblastom"; http://de.wikipedia.org/wiki/Glioblastom). Bei dem nach der operativen Entfernung des Tumors durchgeführten MRT vom 9. Februar 2009 zeigte sich überdies noch eine resttumorsuspekte Kontrastmittelanreicherung am Resektionsrand (vgl. Bericht des C für Neurologie, Neurochirurgie und Psychiatrie vom 20. Februar 2009). Die im Februar 2009 begonnene Radiochemotherapie, bei der sich die Versicherte ängstlich gegenüber ihrer Krankheitssituation zeigte (vgl. Bericht des C für Tumormedizin vom 12. März 2009), musste abgebrochen werden, nachdem es im April 2009 zu einem Herzstillstand mit Reanimation gekommen war. Im Verlauf der neurologischen Frührehabilitation in der Klinik G verbesserte sich das Befinden der Versicherten zwar zunächst etwas. Sie war mobiler und konnte unter Therapiebedingungen am Rollator laufen. Seit Anfang Juni 2009 verschlechterte sich der Zustand der Versicherten jedoch kontinuierlich und das Laufen am Rollator war nicht mehr möglich. "Unter dem Verdacht eines Rezidivs des Glioblastoms" wurde die Cortison-Dosis erhöht, was kurzeitig zu einer leichten Besserung des Allgemeinzustandes führte. Eine am 5. Juni 2009 durchgeführte craniale Computertomographie (CCT) ergab sodann einen suspekten Herdbefund (vgl. Entlassungsbericht der Klinik G vom 7. Juli 2009). Nach Mitteilung der Klinik G vom 6. Juni 2011 haben mit der Versicherten sowie dem Kläger ausführliche Gespräche über die Prognose stattgefunden (z.B. am 2. und 10. Juni 2009). Auch wenn über den Inhalt dieser Gespräche letztlich nichts Näheres festgestellt werden kann, so hat der Senat keinen Zweifel daran, dass die Versicherte und der Kläger aufgrund der bereits im Februar gestellten Diagnose einer lebensbedrohlichen Erkrankung mit bekannter infauster Prognose (vgl. Schreiben des behandelnden Internisten Dr. P vom 20. Mai 2011), des jedenfalls ab Anfang Juni 2009 progredienten Verlaufs dieser Erkrankung und der sich angesichts des Herdbefundes aus dem CCT vom 5. Juni 2009 abzeichnenden Wahrscheinlichkeit eines Rezidivs noch vor Anmeldung der Trauung am 12. Juni 2009 mit einem weiteren schnellen Fortschreiten der Erkrankung im Sinne eines raschen tödlichen Verlaufs rechnen mussten und damit auch gerechnet haben. Entgegen der Berufungsbegründung vom 5. Februar 2013 erfolgte die Anmeldung zur Eheschließung vom 12. Juni 2009 ersichtlich unter dem Eindruck einer Verschlechterung der fortschreitenden lebensbeendenden Erkrankung, nicht aber einer – zu diesem Zeitpunkt an keiner Stelle dokumentierten – Besserung des Gesundheitszustandes der Versicherten. Eine länger andauernde wesentliche Besserung des Gesundheitszustandes der Versicherten, die angesichts der sehr schlechten Prognose der Grunderkrankung von vorneherein nicht erwartet werden konnte, war jedenfalls ab Anfang Juni 2009 äußerst unwahrscheinlich geworden. Der Kläger hat denn auch in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat eingeräumt, dass die Anmeldung zur Trauung noch während des Rehabilitationsaufenthaltes in der Klinik vorgenommen wurde, weil befürchtet worden sei, dass die Versicherte zu einem späteren Zeitpunkt nicht mehr hätte "ja" sagen können. Dieses Eingeständnis kennzeichnet treffend den damaligen Gesundheitszustand der Versicherten und die zum damaligen Zeitpunkt für jedermann erkennbare Tendenz der weiteren Verschlimmerung ihres Zustandes.

Nach der angeführten Rechtsprechung des BSG könnte die Beklagte zur Rentengewährung nur dann verurteilt werden, wenn der Senat hätte feststellen können, dass der Kläger und Versicherte bereits vor Bekanntwerden der lebensbedrohlichen Erkrankung der Versicherten im Frühjahr 2009 eine feste Heiratsabsicht gehabt hatten und die Eheschließung krankheitsbedingt auf Juni 2009 verschoben wurde; mithin sich die Eheschließung trotz der lebensbedrohlichen Erkrankung als konsequente Verwirklichung eines zuvor getroffenen Heiratsentschlusses erwiese. Der Senat ist aber bei der erforderlichen Gesamtbewertung nicht in der Lage, im Wege des Vollbeweises eine solche Feststellung zu treffen. Das SG hat die Beweisaufnahme im Termin zur mündlichen Verhandlung dahin gewertet, dass eine feste Eheschließungsabsicht weder zu Silvester 2008 - wie vom Kläger behauptet - noch im Zeitraum bis Juni 2009 nachweisbar ist. Der Senat macht sich diese Bewertung in vollem Umfang zu Eigen und nimmt gemäß § 153 Abs. 2 SGG Bezug auf die Ausführungen im angefochtenen Urteil (S. 5 Abs. 4 bis S. 7 Abs. 1 letzte Zeile). Ergänzend ist lediglich auszuführen: Im vorliegenden Fall ist für den Zeitraum vor Anmeldung der Eheschließung auch unter Berücksichtigung der Angaben des Klägers im Berufungsverfahren allenfalls zu erkennen, dass der Kläger und die Versicherte sich mit dem nicht näher konkretisierten Gedanken getragen haben, ihre tiefe Zuneigung zueinander und ihr gegenseitiges Versprechen, "ein Leben lang zusammen zu bleiben", mit der Eheschließung zu besiegeln. Insofern liegt der Fall anders als der vom Oberverwaltungsgericht (OVG) Koblenz zur vergleichbaren Vorschrift des § 19 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Beamtenversorgungsgesetz entschiedene Fall eines ebenfalls an einem Glioblastom erkrankten und nach fünfmonatiger Ehe verstorbenen Polizeikommissars, welcher nach übereinstimmenden Zeugenaussagen sich bereits vor Diagnosestellung zur Heirat an einem bestimmten Termin entschlossen und bereits eine Hochzeitsreise gebucht hatte (vgl. OVG Koblenz, Urteil vom 29. Oktober 2013 – 2 A 11261/12 -, juris). Im vorliegenden Fall ist der konkrete Plan zu heiraten, wie vom Kläger im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem SG eingeräumt – erst im Juni 2009 entstanden. Zu diesem Zeitpunkt hatte sich aber - entgegen der Behauptung des Klägers – die gesundheitliche Situation der Versicherten tiefgreifend und rapide verschlechtert, sodass davon auszugehen ist, dass der Entschluss zu Eheschließung letztlich unter dem Eindruck der sich abzeichnenden hoffnungslosen Lage der Versicherten getroffen wurde. In der Gesamtschau kommt den zugunsten des Klägers zu berücksichtigenden Gesichtspunkten, dass der Kläger und die Versicherte ihrer Liebesbeziehung vor dem nahenden Tod der Versicherten noch den "offiziellen Segen" geben und die Betreuung der pflegebedürftigen Versicherten sichern wollten, kein derartiges Gewicht zu, dass diese Beweggründe zumindest als dem Versorgungsgedanken gleichgewichtige Motive anzusehen wären, zumal hier auch zu berücksichtigen ist, dass sich die wirtschaftliche Situation des Klägers bei Gewährung der begehrten WR auch tatsächlich verbessert hätte. Dem Kläger wird nicht unterstellt, dass die von ihm für die Heirat angeführten Beweggründe nicht (auch) vorgelegen hätten. Im Rahmen der gebotenen Gesamtabwägung ist angesichts der festgestellten äußeren Umstände jedoch davon auszugehen, dass diese nicht ausschlaggebend für die Heiratsabsicht waren bzw. dass es sich hierbei im Verhältnis zur Versorgungsabsicht jedenfalls nicht um zumindest gleichwertige Beweggründe gehandelt hat.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nrn. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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