Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 15 RJ 201/98
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 8 RJ 38/00
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 22.02.2000 geändert und die Klage abgewiesen. Weiter wird die Klage gegen den Bescheid vom 15.07.2003 über die Ablehnung von Leistungen nach dem ZRBG abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind zwischen den Beteiligten nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin gegen die Beklagte einen Anspruch auf Gewährung von Altersruhegeld wegen Vollendung des 65. Lebensjahres aus der deutschen Arbeiterrentenversicherung hat und insofern insbesondere, ob die von der Klägerin für den Zeitraum von April 1940 bis Januar 1942 geltend gemachte Beschäftigung als glaubhaft gemachte (fikive) Beitragszeit rentenversicherungsrechtlich zu berücksichtigen ist.
Die am 1925 in B (P/Polen) geborene Klägerin, jüdischer Religionsangehörigkeit, wuchs in in ihrer Geburtsstadt auf, wo sie von 1932 bis 1939 die polnische Volksschule besuchte. Nach Kriegsbeginn siedelte sie mit ihren Eltern nach L (D/Polen) um. Im Januar 1942 wurde sie von ihnen getrennt und zunächst in das Zwangsarbeitslager I deportiert und anschließend in das Konzentrationslager S/Außenkommando des Zwangsarbeitslagers P (Kreis U) verbracht. Nach ihrer Befreiung am 08.05.1945 ging sie für kurze Zeit nach Polen zurück und wanderte 1945 über Österreich und Italien nach Palästina aus, wo sie 1946 eintraf. Die Klägerin erwarb 1948 die israelische Staatsangehörigkeit und lebt auch heute noch in Israel.
Sie ist als Verfolgte im Sinne des § 1 Bundesentschädigungsgesetz (BEG) anerkannt und bezieht eine monatliche Entschädigung für Schaden an Körper oder Gesundheit. Im Rahmen des Entschädigungsverfahrens hatte die Klägerin im Rahmen einer eidlichen Versicherung am 27.03.1956 angegeben, sie sei nach der Besetzung der Stadt B Anfang 1940 zusammen mit ihren Eltern in das Ghetto der Stadt L überführt und dort mit Hilfsarbeiten beschäftigt worden. Das Ghetto sei vollkommen abgeschlossen und jede Verbindung mit der Außenwelt unterbrochen worden. Alle Juden hätten das Judenabzeichen tragen müssen und jeder arbeitsfähige Jude sei zur Zwangsarbeit herangezogen worden. Die Arbeit sei zugeteilt worden und habe ohne Entgelt verrichtet werden müssen. Das Ghetto sei von der deutschen Polizei bewacht worden. Unter Androhung von Todesstrafe oder Deportation nach B sei strengstens verboten worden, das Ghetto zu verlassen.
Ihre damalige Einlassung wurde von der Zeugin J S in einer eidlichen Versicherung vom 27.03.1956 und von der Zeugin H I A in einer eidlichen Versicherung vom 27.03.1956 bestätigt.
Die Zeugin S führte aus, die Deutschen hätten nach der Besetzung der Stadt L ein Ghetto errichtet. Die Juden hätten nur in diesem abgegrenzten Bezirk wohnen dürfen. Sie sei Anfang 1940 in dieses Ghetto gekommen und dort der Klägerin oft begegnet. Diese habe für die Deutschen zwangsweise gearbeitet. Meistens sei sie mit Hilfsarbeiten beschäftigt worden. Jeder arbeitsfähige Jude sei gezwungen worden, für die deutsche Wehrmacht unentgeltlich zu arbeiten. Das Ghetto sei von der deutschen Polizei bewacht worden und jeder Versuch, es zu verlassen, mit Deportation oder Tod bestraft worden.
Auch die Zeugin A gab an, sie sei Anfang 1940 in das Ghetto L gekommen und habe dort die Klägerin kennengelernt. Sie seien beide mit Hilfsarbeiten beschäftigt worden und hätten sich oft getroffen und miteinander gesprochen. Alle arbeitsfähigen Juden hätten zwangsweise für die Deutschen arbeiten müssen. Für die Arbeit habe es keine Entlohnung gegeben. Lebensmittel seien durch den Judenrat verteilt worden und sehr knapp bemessen gewesen. Allen Juden sei strengstens untersagt worden, das Ghetto zu verlassen. Für jede Zuwiderhandlung sei Todesstrafe oder Deportation angedroht worden. Das Ghetto sei von der deutschen Polizei bewacht und von der Umwelt völlig abgeschlossen gewesen.
Die Klägerin beantragte am 27.08.1990 zunächst bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA), die den Vorgang im Verlauf des Verfahrens zuständigkeitshalber an die Beklagte abgab, Altersruhegeld wegen Vollendung des 65. Lebensjahres und machte im April 1991 geltend, sie habe von April 1940 bis Januar 1942 als Arbeiterin in der M Limonadenfabrik H gegen Lohn - in der Höhe nicht erinnerlich - vollschichtig gearbeitet.
Zum Nachweis ihrer Tätigkeit legte sie schriftliche Erklärungen der Zeugin T H vom 08.07.1991 und der Zeugin S I vom 22.07.1991 vor.
Die 1926 in L geborene Zeugin H führte aus, ihr sei bekannt, dass die Klägerin seit Frühjahr 1940 bei der Limonadenfabrik H in L als Arbeiterin tätig gewesen sei. Sie habe an allen Wochentagen von morgens bis zum späten Nachmittag gearbeitet und für ihre Tätigkeit den damals üblichen Lohn erhalten. Nähere Zeitangaben oder Angaben zur Höhe ihres Gehaltes könne die Zeugin nicht mehr machen. Als sie Mitte 1941 aus L deportiert worden sei, habe die Klägerin weiter bei H gearbeitet. Sie kenne die Klägerin seit ihrer Jugend. Sie hätten in unmittelbarer Nachbarschaft gewohnt und zusammen die C-Schule besucht. In der Schule, zu Hause und auf dem Weg von und zur Arbeit hätten sie sich regelmäßig getroffen.
Auch die 1924 in L geborene Zeugin I führte im Rahmen ihrer schriftlichen Erklärung aus, es sei ihr bekannt, dass die Klägerin seit Frühjahr 1940 in der Limonadenfabrik gearbeitet habe. Die Klägerin habe dort an allen Wochentagen von morgens bis zum späten Nachmittag gearbeitet. Für ihre Tätigkeit habe sie den damals üblichen Lohn erhalten. Anfang 1942 habe die Klägerin ihre Stelle aufgeben müssen, als sie deportiert worden sei. Sie kenne die Klägerin seit 1940, als sie nach L übersiedelt worden sei. Sie hätten in derselben Straße gegenüber gewohnt und in der Limonadenfabrik zusammen gearbeitet.
Zur Begründung ihres Rentenantrages führte die Klägerin weiterhin im Wesentlichen aus, die jüdische Bevölkerung Westpolens sei nach dem Einmarsch der deutschen Truppen vielfältigen Verfolgungsmaßnahmen und Zwangsmaßnahmen ausgesetzt gewesen. Sie sei jedoch nicht durchwegs zu allen Zeiten zu einer bestimmten Arbeitsaufnahme gezwungen worden, sondern hätte diese von Rechts wegen auch verweigern können. Davon abgesehen, hätten die Verfolgen ein besonders großes Interesse daran gehabt, in einem regulären Arbeitsverhältnis zu stehen, da ein solches den Schutz vor Verfolgungsmaßnahmen habe darstellen können. Auch der Zwang, einen bestimmten Wohnsitz zu nehmen, stehe - soweit er überhaupt bestanden habe - als solcher der Freiwilligkeit einer Arbeitsaufnahme nicht entgegen. In den eingegliederten Ostgebieten seien jüdische Arbeitnehmer an verschiedenen Arbeitsplätzen entgeltlich beschäftigt worden. Zur Behebung des Mangels an Arbeitskräften hätte die Beschäftigung der Juden im freien Arbeitsverhältnis Vorrang vor Einberufungen zur Zwangsarbeit gehabt. Die Arbeitskräfte seien nach Beendigung ihrer täglichen Arbeit in ihre Wohnungen bzw. ins Ghetto zurückgekehrt. Selbst dann, wenn ein hoheitlicher Eingriff auf den Beschäftigungsort und die Beschäftigungsart vorgelegen habe, sei eine dem Grunde nach rentenversicherungspflichtige Beschäftigung ausgeübt worden. Dieser Umstand habe keinen Einfluß auf das Vorliegen eines arbeitsrechtlichen Beschäftigungsverhältnisses gehabt. Auch der entlohnte Verfolgte habe zum Arbeitgeber in persönlicher Abhängigkeit gestanden.
Die Beklagte zog die Entschädigungsakte des Amtes für Wiedergutmachung in T bei und lehnte anschließend den Antrag der Klägerin mit Bescheid vom 27.11.1992 ab.
Sie führte zur Begründung aus, die Klägerin habe keine Beiträge zur Rentenversicherung nachgewiesen. Wenn Nachweise über deutsche Beitragszeiten in Verlust geraten oder nicht erreichbar seien, reiche zwar eine Glaubhaftmachung dieser Zeiten nach der Versicherungsunterlagen-Verordnung (Verordnung über die Feststellung von Leistungen aus den gesetzlichen Rentenversicherungen bei verlorenen, zerstörten, unbrauchbar gewordenen oder nicht erreichbaren Versicherungsunterlagen-VuVO) aus, Voraussetzung sei jedoch (zumindest) die Glaubhaftmachung eines versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses, für das Beiträge zur deutschen Rentenversicherung entrichtet worden seien. Während der von der Klägerin im Ghetto L geltend gemachten Arbeitszeit habe jedoch keine Versicherungspflicht bestanden. Nach dem damaligen deutschen Besatzungsrecht seien die Ghettobewohner zur Arbeit innerhalb bzw. außerhalb des Ghettos verpflichtet gewesen. Eine freie Berufs- bzw. Arbeitsplatzwahl oder ein freier Austausch zwischen Arbeit und Lohn sei nicht möglich gewesen. Es habe sich vielmehr um Zwangsarbeiten ohne Entlohnung gehandelt. Derartige Arbeiten hätten seinerzeit auch dann nicht der Versicherungspflicht unterlegen, wenn hierfür Lebensmittel, Prämien oder Ghettogeld gewährt worden wäre. Aus diesen Gründen scheide die Anwendung der VuVO aus.
Auch eine Beitragsfiktion nach dem Gesetz zur Regelung der Wiedergutmachtung nationalsozialistischen Unrechts in der Sozialversicherung (WGSVG) käme ebenso wie eine Anrechnung nach den §§ 15, 16 des Fremdrentengesetzes (FRG) nicht in Betracht, da polnische Beitragszeiten weder nachgewiesen noch überwiegend wahrscheinlich bzw. glaubhaft seien.
Beschäftigungszeiten während des Ghettoaufenthalts hätten keine Versicherungspflicht begründet und könnten deshalb gemäß dem am 01.03.1957 geltenden deutschen Recht keine Fremdrentenzeiten sein. Zeiten des Ghettoaufenthalts seien vielmehr Ersatzzeittatbestände der Freiheitsbeschränkung bzw. Freiheitsentziehung nach § 1251 Abs. 1 Nr. 4 Reichsversicherungsordnung (RVO) bzw. § 250 Abs. 1 Nr. 4 des 6. Buches des Sozialgesetzbuches (SGB VI). Eine Anrechnung von Ersatzzeiten zur Wartezeiterfüllung setze jedoch die Anerkennung von Beitrags- bzw. Beschäftigungszeiten voraus und scheide daher mangels solche Zeiten ebenfalls aus. Gegen diese Entscheidung legte die Klägerin Widerspruch ein und vertrat unter Bezugnahme auf die - die Lebensumstände von Juden im Ghetto Lodz betreffenden - Urteile des Bundessozialgericht (BSG) vom 18.06.1997 (Az.: 5 RJ 66/95 und 5 RJ 68/95) die Auffassung, rentenrechtlich sei die Sachlage im Ghetto L mit dem den Urteilen des BSG zugrunde liegenden Sachverhalten identisch. Auch vorliegend handle es sich um eine rentenversicherungsrechtlich relevante Beitragszeit. Es sei nämlich dokumentarisch nachgewiesen, dass trotz tiefgreifender Beschränkungen und verschiedener Zwänge aufgrund präziser arbeitsrechtlicher Regelungen "freie" Beschäftigungsverhältnisse mit geregelten Entgelten, gesetzlich vorgeschriebener Arbeitszeit usw. bestanden hätten. Generelle Anordnungen müsse ein Anspruchsberechtigter, der aus Gründen des § 1 BEG verfolgt worden sei, nicht glaubhaft machen. Ihm dürfe - aus welchen Gründen auch immer - die Freiwilligkeit seiner Tätigkeit nicht bestritten werden. Jeder Mensch, Zwangsmaßnahmen gleich welcher Art ausgesetzt, arbeite letztlich freiwillig, um nicht Opfer von Vernichtungsmaßnahmen zu sein.
Auch dann, wenn die Betroffenen - wie die Klägerin - in ihren Entschädigungsakten ihre Arbeiten als Zwangsarbeiten bezeichnet hätten, sei dies unschädlich. Es komme nicht darauf an, wie ein Betroffener subjektiv seine Tätigkeit klassifiziere, sondern allein darauf, dass die Klassifizierung dem objektiven Recht entspreche. Den Verfolgten dürften solche Angaben aus ihren Entschädigungsakten nicht entgegen gehalten werden, denn die damaligen Lebensumstände (z.B. Kennzeichnungspflicht, das Verbot, in bestimmten Hauptstraßen zu wohnen, die Anordnung, die Wohnung unter Zurücklassung der Habe zu räumen, das Verbot bestimmte Straßen zu betreten, Polizeistunden) seien nach der Grundsatzentscheidung des BSG für die Anerkennung von Beitragszeiten rechtlich unbeachtlich. Eine Beweiswürdigung, die Antworten zu amtsbekannten Tatsachen fordere und Angaben aus Entschädigungsverfahren auf die Goldwaage lege, um mit solchen die Anerkennung eines dem Grunde nach rentenversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses zu verneinen, sei unzulässig. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin führte insoweit ergänzend aus, nach entsprechender Rückfrage in Israel bestünden erhebliche Zweifel an der Richtigkeit der Darstellung der Klägerin. Dies betreffe auch ihre Darstellungen im Entschädigungsverfahren.
Während die Klägerin geltend gemacht habe, dass sie bereits 1940 in ein Ghetto L eingeliefert worden sei, dürfe es nach den ihm vorliegenden Unterlagen über die Einrichtungen von Ghettos bzw. der Auflösung derselben als erwiesen angesehen werden, dass Anfang 1940 überhaupt kein Ghetto in L gestanden habe, sondern erst am 01.11.1941 errichtet worden sei. Somit müssten schon erhebliche Zweifel an der Darstellung der Klägerin im Entschädigungsverfahren im Hinblick auf ihre Aussage vom 27.03.1956 erhoben werden, soweit, als sie dort erklärt habe, dass sie nach der Besetzung der Stadt Anfang 1940 zusammen mit ihren Eltern in das Ghetto überführt worden sei. Dies könne also keineswegs zutreffend sein.
Weitaus größere Zweifel bestünden auch an der Angabe der Klägerin, dass ihr Arbeit zugeteilt worden sei und sie diese ohne Entgelt habe verrichten müssen. Die Klägerin habe vielmehr als Hilfsarbeiterin in einer Sodawasserfabrik gearbeitet, und dabei habe es sich in keiner Weise um Notstandstätigkeiten gehandelt, die ohne Entgelt zu verrichten gewesen wären. Derartige Tätigkeiten seien auch entlohnt worden, wenngleich auch sicherlich in geringer Höhe. Die Angabe der Klägerin, es habe sich um Zwangsarbeiten gehandelt, seien von ihr im Entschädigungsverfahren zweckgerichtet zur Erlangung einer Gesundheitsschadensrente abgegeben worden.
Es sei festzustellen, dass die Darstellung der Klägerin im Entschädigungsverfahren außerordentlich zweifelhaft sei, wenn nicht sogar als anfechtbar bezeichnet werden müsse.
Die Widerspruchsstelle der Beklagen wies den Widerspruch der Klägerin mit Widerspruchsbescheid vom 27.08.1998 zurück und führte zur Begründung aus, auch sie sei nach Überprüfung des Sachverhalts nach Lage der Akten zu der Überzeugung gelangt, dass die angegebene Arbeitszeit im Ghetto L nicht als Beitragszeit anerkannt werden könne. Die geltend gemacht Zeit erfülle nämlich nicht die von der Rechtsprechung des BSG an ein rentenversicherungspflichtiges Arbeits- bzw. Beschäftigungsverhältnis gestellten Kriterien.
Die Klägerin hat mit Schriftsatz vom 22.09.1998, bei der Beklagten am 24.09.1998 eingegangen, gegen den ihr am 29.08.1998 zugestellten Widerspruchsbescheid Klage erhoben, mit der sie weiterhin Altersruhegeld begehrt und unter Vorlage einer schriftlichen Erklärung vom 07.10.1999 vorgetragen hat, Anfang 1940 sei gemeldet worden, dass die jüdische Bevölkerung B verlassen und nach Wahl in die Städte Bendzin, Sosnowitz, L und Dombrowa umsiedeln müsse. Da sie in L Verwandte gehabt hätten, sei sie mit ihren Eltern nach L gegangen, wo die jüdische Gemeinde ihrer Familie ein Zimmer zugewiesen und ihnen Lebensmittelkarten gegeben habe. Sie hätten kein Geld mehr gehabt bzw. etwas zum Verkaufen. Die Stadt und die Umgebung seien ihr ganz fremd gewesen. In dieser Lage sei sie gezwungen gewesen, dringend unter allen Umständen Geld zu verdienen, um wenigstens die beschränkten Zuteilungen kaufen zu können. Sie habe sich Arbeit suchen müssen. Auch ihre Verwandten hätten sich bemüht, bis sie eine Arbeit im Bereich der Flaschenreinigung einer Soda- und Limonadenfabrik bekommen habe. Sie habe dort sehr schwer arbeiten müssen, sei aber zufrieden gewesen, dass sie mit dem verdienten Geld ihre Familie mit dem kranken Vater habe unterstützen können. Sie sei zur Arbeit bzw. von der Arbeit ohne Bewachung zu Fuß gegangen, sei aber trotz ihrer Arbeitskarte von uniformierten Deutschen zeitweise zur Zwangsarbeit verpflichtet worden. In solchen Fällen habe sie den Verdienst des ganzen Tages verloren, denn diese einstweiligen Zwangsarbeiten seien nicht bezahlt worden. Der ihr in der Höhe nicht mehr erinnerliche Lohn sei je nach Stundenzahl wochenweise in der Fabrik ausgezahlt worden. Nach dem Ghettoaufenthalt sei sie bis Mai 1945 in einem Zentralarbeitslager gewesen und habe sich dort in KZ-Haft befunden. Auch nach ihrer Befreiung habe sie aufgrund der schweren Arbeit unter gesundheitlichen Schäden gelitten. Die Rückreise nach Polen für kurze Zeit und auch die Auswanderung im Mai 1946 nach Israel habe daran nichts geändert, denn die Folgen der Schäden, wie sie sie in der Zeit davor erlitten habe, habe sie in Kauf genommen, um zunächst einmal nach ihren Angehörigen zu suchen und - als sie keine gefunden habe - nach Israel auszuwandern.
Die Klägerin hat schriftsätzlich sinngemäß beantragt,
Die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 27.08.1998 zu verurteilen, ihr Altersruhegeld wegen Vollendung des 65. Lebensjahres zu bewilligen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat weiterhin die Auffassung vertreten, dass die von der Klägerin geltend gemachte Arbeitszeit während des Ghettoaufenthalts nicht als Beitragszeit berücksichtigt werden könne. Insbesondere seien die Kriterien der BSG-Rechtsprechung zum Ghetto Lodz (Freiwilligkeit und Entgeltlichkeit) nicht erfüllt. Die Klägerin habe daher keinen Anspruch auf Gewährung von Altersruhegeld.
Auf Nachfrage des Gerichts hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 03.12.1998 mitgeteilt, dass die Arbeitszeit im Ghetto L von Januar 1940 bis Januar 1942 dem Grunde nach als glaubhaft gemacht anzusehen sei. Im Anschluss daran könne eine Ersatzzeit bis zum 08.05.1945 vorgemerkt werden. Die Voraussetzungen des § 18 WGSVG seien erfüllt. Das Sozialgericht Düsseldorf hat zur Ermittlung des Sachverhalts die Entschädigungsakte des Amtes für Wiedergutmachung beigezogen und die Beklagte mit Urteil vom 22.02.2000 unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide verurteilt, der Klägerin Altersruhegeld wegen Vollendung des 65. Lebensjahres unter Berücksichtigung der Zeiten vom April 1940 bis Januar 1942 als glaubhaft gemachte (fiktive) Beitragszeiten und (soweit nicht mit Beitragszeiten, belegt) der Zeiten von November 1939 bis Mai 1945 als Ersatzzeiten ggf. nach erforderlicher bzw. nach erfolgter Entrichtung von freiwilligen Beiträgen, nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.
Die von der Klägerin geltend gemachten Zeiten von April 1940 bis Januar 1942 seien als glaubhaft gemachte (fiktive) Beitragszeiten gemäß § 1250 Abs. 1 Buchst. a RVO in Verbindung mit § 14 Abs. 2 Satz 1 WGSVG a.F. (§ 12 WGSVG n.F.) anzuerkennen. Aufgrund der Angaben der Klägerin und der Erklärungen der T H vom 08.07.1991 und der S I vom 22.07.1991 sei es zur Überzeugung der Kammer im Sinne einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit glaubhaft gemacht worden, dass die Klägerin in dieser Zeit in L als Arbeiterin in der Limonaden- und Sodafabrik H gearbeitet habe.
Das Sozialgericht Düsseldorf hat sich in der folgenden Urteilsbegründung schwerpunktmäßig sodann mit der Frage der Anerkennung einer Zwangsarbeit als rentenversicherungspflichtige Beschäftigung auseinandergesetzt und insofern zentral die Auffassung vertreten, im Rahmen der Bewertung der von den jüdischen Verfolgten geleisteten Arbeiten sei hinsichtlich der rentenrechtlichen Systematik unter Berücksichtigung der damaligen historischen und rechtlichen Umstände von einem spezifischen wiedergutmachungsrechtichen Begriff des Beschäftigungsverhältnisses auszugehen. Entscheidend sei daher, ob eine Tätigkeit verrichtet worden sei, die in rechtsstaatlich geprägten Gesellschaften gewöhnlich von freien, bezahlten Arbeitskräften ausgeübt würde, das heißt, ob im Ergebnis - auch wirtschaftlich gesehen - Erwerbsarbeit geleistet worden sei. Das Sozialgericht führte insofern im Wesentlichen aus, die Umschreibung des Begriffs des rentenversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses im Sinne der Rechtsprechung des BSG mit den geforderten Kriterien der "Freiwillligkeit" und "Entgeltlichkeit" könne nach Auffassung der Kammer aufgrund seiner Entstehungsgeschichte und seinem Sinn und Zweck nach nur für zivilisierte und rechtsstaatlich geprägte Gesellschaften von Bedeutung und Ausgangspunkt des Sozialversicherungsrechts sein. Unter der nationalsozialistischen Herrschaftsordnung als ein politisches Terrorsystem der unbeschränkten Willkür und Gewalt habe sich ein die gesamte (arbeitende) Bevölkerung erfassendes lückenloses Zwangssystem gebildet, das den freien Arbeitsvertrag in ein reines Zwangsverhältnis verwandelt habe. An die Stelle des Individualarbeitsrechts sei ein - durch besondere Straf- und Disziplinarordnungen mit zum Teil drakonischen Strafandrohungen gesichertes - auf staatlichen Zwang gestütztes Arbeitseinsatz- und Arbeitsverwaltungsrecht getreten. Der Arbeitsmarkt sei nicht mehr von der Freiwilligkeit geprägt gewesen. Die für die Sozialversicherungspflicht von abhängig Beschäftigten entwickelten (überkommenen) Begriffsmerkmale der "Freiwilligkeit und Entgeltzahlung" seien auf die menschenverachtende, dirigistische, staatlich gelenkte Arbeitseinsatzverwaltung der NS-Diktatur hinsichtlich der von jüdischen Verfolgten geleisteten Arbeiten nicht übertragbar.
Die Kammer sehe auch im Hinblick auf das Urteil des 5. Senats des BSG (vom 21.04.1999, Az.: B 5 RJ 48/98) keine Veranlassung, ihre Rechtsprechung hinsichtlich der Anerkennung der von den jüdischen Verfolgten während des 2. Weltkrieges geleisteten Zwangsarbeiten als Beitragszeiten aufzugeben; die Entscheidungsgründe berücksichtigten nicht die verfassungsrechtliche Dimension der anstehenden Thematik und entbehrten eines kritischen historischen Reflektionsprozesses.
Eine Anerkennung der weiter von der Klägerin geltend gemachten Zeiten bis Ende 1946 wegen einer sich an die Zeit der Freiheitsentziehung anschließenden Krankheit bzw. unverschuldeten Arbeitslosigkeit als Ersatzzeiten komme gemäß § 1251 Abs. 1 Nr. 4 RVO nicht in Betracht. Die Arbeitsunfähigkeit und die Arbeitslosigkeit seien als Inlandsgeschehen zu begreifen und daher ersatzzeitenrechtlich irrelevant. Dagegen seien die Zeiten von November 1939 bis Mai 1945 (soweit nicht mit Beitragszeiten belegt) wegen Freiheitsentziehung bzw. Freiheitsbeschränkung im Sinne der §§ 43 und 47 BEG als verfolgungsbedingte Ersatzzeiten gem. § 1251 Abs. 1 Nr. 4 RVO zu berücksichtigen.
Die Beklagte hat gegen dieses ihr am 09.03.2000 zugestellte Urteil am 22.03.2000 Berufung eingelegt und die Auffassung vertreten, die erkennende Kammer des Sozialgerichts habe die in den Urteilen des BSG vom 21.04.1999 (Az.: B 5 RJ 46/98 und B 5 RJ 48/98) sowie vom 14.07.1999 (Az.: B 13 RJ 61/98 und B 13 RJ 71/98) aufgestellten Kriterien nicht geprüft, sondern die Merkmale der "Freiwilligkeit und Entgeltlichkeit" bei der Tätigkeit der Klägerin im Ghetto L als für die Entscheidung über das Vorliegen eines versicherungspflichtigen Arbeitsverhältnisses dahinstehen lassen und lediglich die Ausübung der Tätigkeit als Grundlage für die Anerkennung als fiktive Beitragszeit ausreichen lassen. Dem könne nach Ansicht der Berufungsklägerin nicht gefolgt werden.
Im Übrigen könne der gerichtlichen Entscheidungsfindung, soweit sie sich allein auf die Aussagen der Zeugen T H und S I im Rentenverfahren stütze, im Hinblick auf die anderslautenden Aussagen im Entschädigungsverfahren nicht beigepflichtet werden. Die unterschiedlichen Darstellungen der Klägerin über das Zustandekommen des Arbeitsverhältnisses im Ghetto L bzw. einer evtl. Entlohnung dieser Tätigkeit hätten nach Meinung der Berufungsklägerin das Gericht veranlassen müssen, die Zeugen in Israel vernehmen zu lassen und sie mit den unterschiedlichen Beschäftigungsdarstellungen zu konfrontrieren. Die Beklagte hat mit Bescheid vom 15.07.2003 den zwischenzeitlichen Antrag der Klägerin vom 27.05.2003 auf Gewährung von Altersruhegeld auf der Grundlage des Gesetzes zur Zahlbarmachung von Renten aus Beschäftigungen in einem Ghetto (ZRBG) vom 20.06.2002 (Bundesgesetzblatt - BGBl. - I S.2074), das mit Wirkung vom 01.07.1997 in Kraft getreten ist (Art. 3 Abs. 2 ZRBG), abgelehnt.
Zeiten nach dem ZRBG könnten nur anerkannt werden, soweit Verfolgte i.S.d. BEG sich zwangsweise in einem Ghetto, welches sich in einem Gebiet befand, das vom deutschen Reich besetzt oder diesem eingegliedert war, aufgehalten hätten und dort eine aus eigenem Willensentschluss zustande gekommene Beschäftigung gegen Entgelt verrichtet hätten. Letzteres habe die Klägerin nicht glaubhaft gemacht. Sie habe vielmehr im Entschädigungsverfahren angegeben, dass sie zwangsweise zu Hilfsarbeiten herangezogen worden sei, was zwei Zeuginnen bestätigt hätten.
Diese Aussagen seien glaubhafter als die von der Klägerin und den beiden (neuen) Zeuginnen im Rentenverfahren abgegebenen Erklärungen. So behaupte die Zeugin I, mit der Klägerin in der Limonadenfabrik gearbeitet zu haben, während sie im damaligen Entschädigungsverfahren angegeben habe, sie habe im Ghetto in einem Schneidershop zwangsarbeiten müssen. Auch in ihrem Rentenverfahren habe die Zeugin immer nur eine Tätigkeit als Näherin in einem Schneidershop angegeben. Dieser Widerspruch führe dazu, dass die Aussage der Zeugin als unglaubwürdig einzustufen sei. Auch die Aussage der Zeugin H sei nicht glaubhaft. So habe diese angegeben, die Klägerin bereits seit dem gemeinsamen Schulbesuch gekannt zu haben. Die Klägerin aber habe angegeben, in B die Schule besucht zu haben, während die Zeugin H die Schule in ihrer Geburtsstadt L besucht habe. Ein gemeinsamer Schulbesuch sei daher ebensowenig wie die weitergehende Erklärung über die Beschäftigung im Ghetto nicht glaubhaft. Die Anerkennung von Zeiten nach dem ZRBG sei aus diesem Grund abzulehnen. Der Bescheid würde nach § 96 Abs.1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Gegenstand des anhängigen sozialgerichtlichen Verfahrens.
Die Beklagte und Berufungsklägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 22.02.2000 zu ändern und die Klage abzuweisen sowie die Klage ge- gen den Bescheid über die Ablehnung von Leistungen nach dem ZRBG vom 15.07.2003 abzuweisen.
Die Klägerin und Berufungsbeklagte beantragt schriftsätzlich sinngemäß,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Klägerin und Berufungsbeklagte vertritt hingegen die Auffassung, dass die Klägerin die von ihr im Rentenverfahren geltend gemachte Beschäftigung in dem Zeitraum von April 1940 bis Januar 1942 ebenso wie deren Freiwilligkeit und Entgeltlichkeit glaubhaft gemacht habe. Soweit sich die Beklagte und Berufungsklägerin auf die Angaben im Entschädigungsverfahren berufe, ergäben sich keine Anhaltspunkte, die eine Ablehnung des Klageantrags rechtfertigen würden. Beide Zeuginnen hätten insbesondere keine Zeitangaben gemacht. Der Beklagten sei bekannt, dass Juden nach der Besetzung der polnischen Städte durch deutsche Truppen Zwangsarbeiten hätten verrichten müssen, wie das Aufräumen von Straßen oder andere entsprechende Arbeiten, die teilweise eine zeitlang angehalten hätten oder nur stundenweise durchgeführt worden seien. Diese Tätigkeiten seien natürlich nicht versicherungspflichtig gewesen.
Unabhängig davon sei nicht bekannt, dass das Ghetto L mit Polizei bewacht worden sei, das Verlassen des Ghettos mit Strafen bedroht etc., wie hier in den eidesstaatlichen Versicherungen im Rahmen des Entschädigungsverfahrens behauptet worden war. Das Gegenteil sei durch zahlreiche Prozesse und neue Erkenntnisse über die Verhältnisse in einzelnen Ghettos bewiesen worden, so das die Erklärungen im Entschädigungsverfahren, die nur global abgefasst worden seien, nicht brauchbar seien, um darauf einen ablehnenden Bescheid zu stützen. Was den Lohn betreffe, ergebe sich aus dem Entschädigungsverfahren, wie auch aus dem Verwaltungs- und Klageverfahrens, kein Hinweis, da die Höhe des Lohns ohnehin in der Regel den Betreffenden nach 50 oder mehr Jahren nicht mehr erinnerlich sei.
Das Gericht hat die Entschädigungsakte des Amtes für Wiedergutmachung sowie die Rentenakten der Zeuginnen H und I beigezogen. Darüber hinaus hat das Gericht die Klägerin und Berufungsbeklagte im Rahmen der Rechtshilfe durch das israelische Amtsgericht in Tel Aviv befragt. Eine Vernehmung der in den Verfahren benannten Zeuginnen war nicht möglich. Nach Mitteilung der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in Tel Aviv vom 21.06.2001 hat die Zeugin A Israel am 01.10.1957 verlassen und die Zeugin I ist - ausweislich einer Sterbebescheinigung vom 17.06.2001 am 24.02.2001 verstorben. Mit Beschluss vom 17.07.2002 befreite das Amtsgericht in Tel Aviv die Zeuginnen T H und J S aus gesundheitlichen Gründen.
Die Klägerin hat im Rahmen ihrer Befragung am 17.07.2002 vor dem Friedensgericht Tel Aviv angegeben, sie sei Ende des Jahres 1939 oder Anfang des Jahres 1940 aus ihrer Geburtsstadt B nach L weggezogen. Damals habe es in L kein Ghetto gegeben. Sie habe in einem Stadtteil gewohnt, in dem auch Nichtjuden gewohnt hätten. Sie könne sich insbesondere nicht an ein Ghetto mit Stacheldrahtzäunen und mit bewachten Eingangs- und Ausgangstoren erinnern. Es habe dort jedoch einige Straßen gegeben, in denen viele Juden gewohnt hätten. Sie könne sich auch nicht erinnern, in welchem Monat sie von den Deutschen von L in das Lager I im Sudetenland deportiert worden sei, allerdings sei das bereits im Jahr 1942 geschehen. Sie sei von Ende 1939 oder Anfang 1940 bis 1942 in L gewesen. Ihre ganze Familie habe zuvor in B gewohnt, und nachdem die Deutschen in die Stadt gekommen seien, hätten die Verfolgungen begonnen und man hätte ihnen den Laden und das Haus weggenommen. Daher habe ihr Vater beschlossen, nach L umzuziehen, wo der Bruder und die Schwester ihres Vaters gewohnt hätten. Ihr Vater habe eine Wohnung in L gemietet und sie habe bis 1942 in dieser Wohnung gewohnt. Diese Wohnung habe sich in der Bergstraße, nicht weit entfernt vom christlichen Friedhof befunden. Ihre Familie habe in einem Zimmer der Wohnung gewohnt, die übrigen Teile der Wohnung seien von der christlichen Hausbesitzerin bewohnt worden. Das Leben sei schwer gewesen und es habe nicht genug Nahrungsmittel gegeben. Ihre Eltern hätten nicht gearbeitet und sie hätten kein Einkommen gehabt. Zu Beginn ihres Aufenthaltes in L habe sie nicht gearbeitet. Sie hätten von den Ersparnissen ihrer Eltern gelebt, sowie von diversen Wertgegenständen, die sie verkauft hätten, um zu überleben. Ihr Onkel sei ein angesehener Mann vor dem Krieg gewesen und hätte gute Beziehungen zum Judenrat gehabt. Er habe nach ungefähr zwei Monaten für die Klägerin eine Arbeit in einem Betrieb zur Herstellung von Sprudel und alkoholfreien Getränken - bei H - besorgt. Es seien Lebensmittelmarken in beschränkter Anzahl ausgeteilt worden, mit denen man habe essentielle Produkte für Geld kaufen können. Sie sei im Betrieb von H als Lohnarbeiterin beschäftigt worden. Ihre Aufgabe habe darin bestanden, die Flaschen zu waschen und sie in Kästen einzuordnen und außerdem auf Anordnung jegliche andere Arbeiten auszuführen. Sie habe ohne Unterbrechung in dem Betrieb gearbeitet, bis sie von den Deutschen mitten in der Nacht geholt und über das Durchgangslager in T in das Arbeitslager I im Sudetenland deportiert worden sei. Sie habe in dem Betrieb von H ca. 8 bis 10 Stunden am Tag gearbeitet, an allen Wochentagen außer am Sabbat, und sie glaube in Erinnerung zu haben, dass sonntags ebenfalls nicht gearbeitet worden sei. Daran könne sie sich aber nicht mehr genau erinnern. In diesem Betrieb habe sie zusammen mit Nichtjuden gearbeitet. Sie sei von Zuhause zur Arbeit und von dort zurück ohne Bewachung gegangen. Sie habe für ihre Arbeit Lohn erhalten, aber sie könne sich nicht mehr an die Höhe ihrer Bezüge erinnern. Sie könne sich nur noch daran erinnern, dass ihr Lohn am Ende jeder Woche in bar ausgezahlt worden sei. Sie habe keine Quittungen unterschrieben, es habe vielmehr im Büro eine Liste der Lohnempfänger gegeben, und sie habe neben ihrem Namen auf der Liste unterschrieben. Der Betrieb habe vorher H gehört. Nachdem die Deutschen gekommen seien, sei ein deutscher Treuhänder in den Betrieb hineingesetzt worden, der praktisch der Generaldirektor des Betriebes gewesen sei. Sie habe in der Zeit, als es den deutschen Treuhänder gab, in dem Betrieb gearbeitet und keine zusätzlichen Zuwendungen außer ihrem Lohn erhalten. Es sei einiges von ihrem Lohn abgezogen worden, aber sie wisse nicht mehr, wofür es einbehalten worden sei. Während der Zeit, in der sie in dem Betrieb gearbeitet habe, habe sie keinerlei Urlaub bekommen. Es habe sie zwar niemand gezwungen in dem Betrieb zu arbeiten, aber wenn sie sich geweigert hätte, zu arbeiten, hätte sie den Arbeitsplatz und das Einkommen verloren. Sie habe im Lager des Betriebes gearbeitet, wo drei bis vier Arbeiterinnen gearbeitet hätten. Sie glaube, das man ihr von ihrem Lohn Beiträge für die Krankenkasse (Kassa D) abgezogen habe. Sie könne sich jedoch nicht erinnern, ob man für sie Beiträge an die polnische Sozialversicherung gezahlt habe. Die Arbeit, die sie in dem Betrieb ausgeführt habe, sei nicht leicht gewesen, aber auch nicht unerträglich schwer. Bei der Arbeit habe sie keinen körperlichen Schaden erlitten. Es seien praktisch Hilfsarbeiten gewesen, für die man keinerlei besondere Ausbildung benötige, um sie auszuführen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, der beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten und der beigezogenen Entschädigungsakten des Amtes für Wiedergutmachung in Saarburg (Az.: ...) Bezug genommen. Ihre Inhalte waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte gemäß den §§ 153 Abs.1, 110 Abs.1, 126 SGG in Abwesenheit der Klägerin verhandeln und entscheiden, da ihr Prozeßbevollmächtigter in der Terminsmitteilung, die er ausweislich seines Empfangsbekenntnisses am 20.09.2003 erhalten hat, auf diese Möglichkeit hingewiesen worden ist.
Die Berufung ist zulässig und begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils des Sozialgerichts Düsseldorf vom 22.02.2000 und zur Abweisung der Klage.
Das Sozialgericht hat die Beklagte zu Unrecht unter Aufhebung des Bescheides vom 27.11.1992 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.08.1998 zur Gewährung von Altersruhegeld wegen Vollendung des 65. Lebensjahres unter Berücksichtigung glaubhaft gemachter Beitragszeiten von April 1940 bis Januar 1942 und Ersatzzeiten von November 1939 bis Mai 1945 (ggf. nach erforderlicher bzw. nach erfolgter Entrichtung von freiwilligen Beiträgen nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen) verurteilt.
Der angefochtene Bescheid verletzt die Klägerin - ebenso wie der Bescheid der Beklagten vom 15.07.2003 - nicht im Sinn des § 54 Abs. 2 SGG in ihren Rechten. Der Bescheid der Beklagten vom 27.11.1992 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.08.1998 ist rechtmäßig. Der Klägerin steht kein Anspruch auf Altersruhegeld wegen Vollendung des 65. Lebensjahres aus der deutschen Arbeiterrentenversicherung zu.
Der von der Klägerin geltend gemachte Rentenanspruch richtet sich noch nach den Vorschriften der RVO in der bis zum 31.12.1991 geltenden Fassung, weil die Klägerin auch Leistungen für die Zeit vor dem 01.01.1992 (Inkrafttreten des SGB VI gemäß Art. 85 Rentenreformgesetz - RRG - vom 18.12.1989, BGBl. I S. 2261 ff.) begehrt und den entsprechenden Rentenantrag bereits vor diesem Zeitpunkt, nämlich am 27.08.1990, gestellt hat (vgl. § 300 Abs. 2 SGB VI).
Nach § 1248 Abs. 5 RVO, der vorliegend allein als Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch in Betracht kommt, erhält der Versicherte Altersruhegeld, der das 65. Lebensjahr vollendet und nach Abs. 7 Satz 3 dieser Vorschrift die Wartezeit von 60 Kalendermonaten erfüllt hat.
Die Klägerin hat zwar am 21.10.1990 das 65. Lebensjahr vollendet, aber die gesetzlich vorgeschriebene Wartezeit nicht erfüllt.
Auf die allgemeine Wartezeit werden gemäß § 1250 Abs.1 Buchst. a) und Buchst. b) RVO Versicherungszeiten, für die nach Bundesrecht oder früheren Vorschriften der reichsgesetzllichen Invalidenversicherung Beiträge wirksam entrichtet wurden oder als entrichtet gelten (Beitragszeiten) sowie Zeiten ohne Beitragsleistung nach § 1251 RVO (Ersatzzeiten) angerechnet.
Für L, das zum früheren Regierungsbezirk Kattowitz gehörte, ist das Recht der RVO durch die Verordnung über die Einführung der Reichsversicherung in den eingegliederten Ostgebieten (Ostgebiete-VO) vom 22.12. 1941 (RGBl. I S.777 ff.) rückwirkend zum 01.01.1940 eingeführt worden. Zwar fanden die Vorschriften der RVO nach § 1 Abs.1 Satz 2 der Ostgebiete-VO grundsätzlich keine Anwendung auf Schutzangehörige und Staatenlose polnischen Volkstums, zu denen auch Juden polnischen Volkstums gehörten, aber die Regelungen wurden gemäß § 1 Abs. 2 OstgebieteVO in Verbindung mit einer Verwaltungsanordnung des Reichsarbeitsministers (RAM) vom 29.06.1942 (Amtliche Nachrichten der Reichsversicherung Nr. 20, 1942, II S.408, 409) auf diesen Personenkreis übertragen, so dass vorliegend nicht das Fremdrentenrecht, sondern das zum damaligen Zeitpunkt geltende Rentenversicherungsrecht - die Vorschriften der reichsgesetzlichen Invalidenversicherung - Anwendung finden.
Die Klägerin hat keine Beitragszahlung zur deutschen Rentenversicherung nachgewiesen. Fehlen - wie vorliegend - Versicherungsunterlagen, so genügt es zwar gemäß § 1 Abs.1 Satz 1 VuVO, der hier in der bis 31.12. 1992 geltenden Fassung (BGBl. I S.137 ff.; heute § 286 a SGB VI) Anwendung findet, für die Feststellung der rechtserheblichen Tatsachen, zu deren Nachweis die Versicherungsunterlagen dienen, dass diese Tatsachen im Sinn des § 10 Abs.1 VuVO glaubhaft gemacht sind. Dies ist der Klägerin nicht gelungen; sie selbst behauptet zwar in ihrer Aussage vom 06.11.2002 vor dem Friedensgericht in Tel Aviv, es sei "einiges von ihrem Lohn abgezogen" worden, sie wisse jedoch nicht mehr, wofür es einbehalten worden sei. Auch die von ihr benannten Zeuginnen haben in ihren schriftlichen Erklärungen zu der Frage einer Beitragszahlung keine Stellung genommen. Ihre Vernehmung war - wie ausgeführt - aus gesundheitlichen oder sonstigen Gründen nicht möglich.
Zwar stünde einer Berücksichtigung der von der Klägerin geltend gemachten Versicherungszeiten nicht entgegen, wenn Rentenversicherungsbeiträge nicht entrichtet worden sind bzw. die Beitragszahlungen nicht nachgewiesen wurden, denn es käme insoweit gemäß § 14 Abs. 2 Satz 1 WGSVG in der gemäß Art 21 RRG 1992 bis zum 31.12.1991 geltenden Fassung (seit 01.01.1992 § 12 WGSVG) die Anerkennung einer fiktiven Beitragszeit in Betracht. Danach gelten Beiträge als entrichtet, soweit der Verfolgte eine rentenversicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit ausgeübt hat und aus Verfolgungsgründen für diese keine Beiträge entrichtet worden sind. Auch wenn es für die Feststellung der nach diesem Gesetz erheblichen Tatsachen genügt, wenn sie glaubhaft gemacht worden sind, vgl. § 3 Abs. 1 WGSVG, ist der Klägerin nach Auffassung des Senats auch eine Glaubhaftmachung nicht gelungen.
Eine Tatsache ist gemäß § 3 Abs. 1 Satz 2 WGSVG glaubhaft gemacht, wenn ihr Vorliegen nach dem Ergebnis der Ermittlungen, die sich auf sämtliche erreichbaren Beweismittel erstrecken sollen, überwiegend wahrscheinlich ist.
Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts (im Anschluss an die erstinstanzlich noch vertretene Auffassung der Beklagten) sind die Zeiten von April 1940 bis Januar 1942 auch nicht als glaubhaft gemachte (fiktive) Beitragszeiten gemäß § 1250 Abs.1 Buchst a) RVO in Verbindung mit § 14 Abs.2 Satz 1 WGSVG in der bis zum 31.12.1991 geltenden Fassung anzuerkennen. Eine Beschäftigung der Klägerin bei der Firma H ist nicht überwiegend wahrscheinlich.
Zur Glaubhaftmachung der geltend gemachten Tätigkeit reichen insbesondere die schriftlichen Erklärungen der Zeuginnen H und I nicht aus.
Die in L geborene Zeugin H hat in ihrer schriftliche Erklärung vom 08.07,1991 angegeben, sie kenne die Klägerin seit ihrer Jugend. Sie hätten in unmittelbarer Nachbarschaft gewohnt und zusammen die C-Schule besucht. Gegen die Richtigkeit spricht jedoch, dass die Klägerin in B, also etwa 20 Kilometer entfernt, geboren, nach eigenen Angaben bis zu ihrem 14. Lebensjahr aufgewachsen und zur Schule gegangen ist. Es ist unwahrscheinlich, dass sich die Zeugin H und die Klägerin aus ihrer (frühen) Jugend gekannt haben und gemeinsam zur Schule gegangen sind. Ob dies der Grund dafür war, dass die Klägerin bei ihrer Vernehmung vor dem Friedensgericht in Tel Aviv als Geburtsort wahrheitswidrig D (L) angeben hat, hat der Senat dahin stehen lassen.
Auch die Aussage von S I weist fehlerhafte Angaben auf. So behauptet sie, mit der Klägerin in der Limonadenfabrik zusammen gearbeitet zu haben, während sie in ihrem eigenen Entschädigungs- und Rentenverfahren durchgängig - beispielsweise in ihren Erklärungen am 24.09.1956 und 27.05.1976 - angegeben hat, sie habe während ihres Aufenthaltes im Ghetto L von April oder Mai 1940 bis Mai 1942 in einem Schneidershop gearbeitet. Es erscheint unwahrscheinlich, dass sie lediglich die Näharbeiten mehrfach erwähnt hat, aber eine zumindest zeitweise Tätigkeit in der Limonadenfabrik nicht.
Aus den vorgelegten Erklärungen, die zudem beiden Zeuginnen an den maßgeblichen Stellen in stereotyper Art verfasst sind und schon deshalb eine ergänzende persönliche Befragung der Zeuginnen im Wege der Rechtshilfe erforderlich gemacht hätten, kann der Senat sich deshalb keine für die Annahme einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit bereits von (fiktiven) Beitragszeiten ausreichende Überzeugung bilden.
Dies war auch nicht auf der Grundlage der Erklärungen der Klägerin möglich, da diese Widersprüche aufweisen bzw. sich mit den historischen Daten nicht in Einklang bringen lassen.
So behauptet die Klägerin im Entschädigungsverfahren, sie sei nach der Besetzung von B Anfang 1940 zusammen mit ihren Eltern in das Ghetto der Stadt L überführt worden. Zwar bestanden bereits in den ersten Wochen nach Kriegsbeginn Überlegungen, B rasch zu "germanisieren" (vgl. Sibylle Steinbacher, "Musterstadt" B, Germanisierungspolitik und Judenmord in Ostoberschlesien S. 160), aufgrund der nahezu ausschließlich fremdvölkischen Einwohner wurde B bis zum Frühjahr 1941 aber nicht in das "Eindeutschungsprogramm" einbezogen (Steinbacher a.a.O.S.162). Die Folge war, dass eine Deportation aus B "erst" in der Woche vom 03.04. bis 09.04.1941 erfolgte (Steinbacher a.a.O., S. 217).
Fraglich erscheint auch, ob es zum damaligen Zeitpunkt, d.h. im Januar 1940, in L bereits ein - wie es die Klägerin und die Zeuginnen S und A im Entschädigungsverfahren darstellen - geschlossenes Ghetto bestand. Nach den Feststellungen von Weinmann (Das nationalsozialistische Lagersystem, 4. Auflage Frankfurt am Main 2001, S. 684) existierte in L in der Zeit März 1940 bis April 1943 ein Ghetto. In dem Verzeichnis von Ghettos, Zwangsarbeitslagern und Konzentrationslagern von Dr. Ungerer ist das Ghetto erst ab 15.10.1941 als geschlossen anzusehen, und nach den Feststellungen von Schwarz (Gudrun Schwarz, Die nationalsozialistischen Lager, 2. Auflage, Frankfurt am Main 1996) wurde das Ghetto erst am 01.11.1941 überhaupt errichtet. Es spricht also vieles dafür, das die Klägerin und auch die Zeuginnen - zumindest bezogen auf den Zeitraum von Anfang 1940 - die Sachlage falsch dargestellt haben, wobei zu berücksichtigen ist, dass es in vielen (nicht nur) polnischen Städten schon vor der Besetzung schon jüdische Viertel gab, deren Ursprünge ins Mittelalter zurückgingen. Es ist daher davon auszugehen, dass die Klägerin Anfang 1940 nicht in einem geschlossenen Ghetto gewohnt hat. Der Bevollmächtigte der Klägerin führt insofern selbst aus, es müssten schon "erhebliche Zweifel an der Darstellung" der Klägerin im Entschädigungsverfahren bestehen.
Unabhängig von den widersprüchlichen Angaben im Rentenverfahren mag es zwar richtig sein, dass die Klägerin - wie ihr Prozessbevollmächtigter einräumt - zumindest im Entschädigungsverfahren - bewusst - ungenaue oder gar falsche Angaben gemacht hat, um damals eine Besserstellung zu erreichen. Das wirft jedoch die Frage auf, welche Gründe dafür sprechen sollen, dass den im jetzigen Rentenverfahren gemachten Angaben ein höherer Wahrhaftigkeitswert zukommen soll als den im Entschädigungsverfahren dokumentierten Erklärungen, zumal diese viel zeitnäher gemacht wurden und nach aller Lebenserfahrung mit dem Ablauf der Zeit auch die Erinnerung an Geschehnisse verblasst.
Auch und gerade unter Berücksichtigung des schweren Schicksals der Juden auf Grund der nationalsozialistischen Verfolgungsmaßnahmen ist es bei dieser Sachlage jedenfalls nicht ausgeschlossen, dass die Klägerin (auch) im jetztigen Rentenverfahren zweckgerichtete Angaben macht, um einen Anspruch durchzusetzen, der ihr nicht zusteht (vgl. Urteil LSG NW vom 09.05.1997, Az. L 3 J 23/96). Die Zweifel werden noch dadurch verstärkt, dass die Klägerin auch im Rentenverfahren sich widersprüchlich geäussert hat.
Während sie noch im Rahmen des erstinstanzlichen Verfahrens in einer schriftlichen Erklärung vom 07.10.1999 behauptet hat, die jüdische Gemeinde habe ihrer Familie ein Zimmer in einer der Strassen zugewiesen, in der "konzentriert" Juden gewohnt hätten, gab sie vor dem Friedensgericht in Tel Aviv an, sie habe bei einer christlichen Hausbesitzerin in einem Stadtteil gelebt, in dem Nichtjuden gewohnt hätten. Unterschiedliche Angaben machte die Klägerin auch zu ihrer wirtschaftlichen Lage bei der Ankunft in L. In ihrer o.a. schriftlichen Erklärung gab sie - wie bereits im Entschädigungsverfahren - an, ihre Familie hätte ihre gesamte Habe in B zurücklassen müssen. Sie hätten bei der Ankunft in L kein Geld oder Wertgegenstände mehr gehabt. Bei ihrer persönlichen Befragung gab sie dagegen an, sie hätte zu Beginn ihres Aufenthalts in L von den Ersparnissen ihrer Eltern gelebt sowie von diversen Wertgegenständen, die sie verkauft hätten.
Der Umstand, dass die Klägerin insoweit zumindest in einer ihrer Erklärungen keine wahrheitsgemäßen Angaben gemacht hat, ist zwar nicht streitentscheidend, da es insofern nicht auf ihre damaligen Wohn- und Eigentumsverhältnisse, sondern auf das Arbeitsverhältnis ankommt, aber er hat Einfluss auf die Beurteilung der Glaubwürdigkeit der Klägerin bzw. der Glaubhaftigkeit ihrer Angaben.
In Anbetracht der zahlreichen Widersprüche und offensichtlicher Unrichtigkeiten reichen für eine Glaubhaftmachung der von der Klägerin geltend gemachten Beschäftigung in der Soda- und Limonadenfabrik in der Zeit von 1940 bis 1942 ihre eigenen Erklärungen jedenfalls nicht aus.
Vor diesem Hintergrund ergibt sich - wie ausgeführt - auch nicht die notwendige gute Möglichkeit der Richtigkeit der von der Klägerin geltend gemachten Beschäftigung nach Würdigung der vorhandenen Zeugenaussagen. Angesichts der Unstimmigkeiten im Vorbringen der Klägerin müssen Zeugenaussagen erhebliches Gewicht entfalten, um den notwendigen Grad der Glaubhaftmachung herbeiführen zu können. Davon kann aber selbst ansatzweise nicht die Rede sein.
Mangels anrechenbarer Beitragszeiten vor bzw. innerhalb von drei Jahren nach Beendigung der Verfolgung kommt auch die Anerkennung etwaiger Ersatzzeiten nicht in Betracht. Denn eine Berücksichtigung von Ersatzzeiten ist nur möglich, wenn die Klägerin als Versicherte anzusehen ist, sie also zumindest einen Beitragsmonat - und sei es auch nur fiktiv - im Rahmen der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung zurückgelegt hat. Daher stellen auch etwaige Zeiten der Verfolgung keine Versicherungszeiten in Form von gemäß §§ 1250 Abs.1 Buchst. b), 1251 Abs.3 RVO anrechenbaren Ersatzzeiten dar.
Darüber hinaus kommen auch Leistungen nach dem Gesetz zur Zahlbarmachung von Renten aus Beschäftigungen in einem Ghetto (ZRBG) vom 20.06.2002 bereits deshalb nicht in Betracht, weil die Klägerin - wie oben ausgeführt - eine Beschäftigung gegen Entgelt nicht glaubhaft nachgewiesen hat. Der Bescheid der Beklagten vom 15.07.2003, der in diesem Fall (da es um die gleiche tatsächliche Frage der versicherungspflichtigen Beschäftigung im Ghetto geht und nicht um die Frage, ob durch das ZRBG zusätzliche persönliche Voraussetzungen aufgestellt wurden, oder ob die Vorschrift - lediglich - die Zahlbarmachung von Ansprüchen gemäß § 16 FRG betrifft) aus Gründen der Prozessökonomie gemäß § 96 SGG analog zum Gegenstand des Verfahrens geworden ist, ist rechtmäßig und daher nicht aufzuheben.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.
Anlass, die Revision zuzulassen, bestand nicht, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs.2 SGG nicht erfüllt sind.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin gegen die Beklagte einen Anspruch auf Gewährung von Altersruhegeld wegen Vollendung des 65. Lebensjahres aus der deutschen Arbeiterrentenversicherung hat und insofern insbesondere, ob die von der Klägerin für den Zeitraum von April 1940 bis Januar 1942 geltend gemachte Beschäftigung als glaubhaft gemachte (fikive) Beitragszeit rentenversicherungsrechtlich zu berücksichtigen ist.
Die am 1925 in B (P/Polen) geborene Klägerin, jüdischer Religionsangehörigkeit, wuchs in in ihrer Geburtsstadt auf, wo sie von 1932 bis 1939 die polnische Volksschule besuchte. Nach Kriegsbeginn siedelte sie mit ihren Eltern nach L (D/Polen) um. Im Januar 1942 wurde sie von ihnen getrennt und zunächst in das Zwangsarbeitslager I deportiert und anschließend in das Konzentrationslager S/Außenkommando des Zwangsarbeitslagers P (Kreis U) verbracht. Nach ihrer Befreiung am 08.05.1945 ging sie für kurze Zeit nach Polen zurück und wanderte 1945 über Österreich und Italien nach Palästina aus, wo sie 1946 eintraf. Die Klägerin erwarb 1948 die israelische Staatsangehörigkeit und lebt auch heute noch in Israel.
Sie ist als Verfolgte im Sinne des § 1 Bundesentschädigungsgesetz (BEG) anerkannt und bezieht eine monatliche Entschädigung für Schaden an Körper oder Gesundheit. Im Rahmen des Entschädigungsverfahrens hatte die Klägerin im Rahmen einer eidlichen Versicherung am 27.03.1956 angegeben, sie sei nach der Besetzung der Stadt B Anfang 1940 zusammen mit ihren Eltern in das Ghetto der Stadt L überführt und dort mit Hilfsarbeiten beschäftigt worden. Das Ghetto sei vollkommen abgeschlossen und jede Verbindung mit der Außenwelt unterbrochen worden. Alle Juden hätten das Judenabzeichen tragen müssen und jeder arbeitsfähige Jude sei zur Zwangsarbeit herangezogen worden. Die Arbeit sei zugeteilt worden und habe ohne Entgelt verrichtet werden müssen. Das Ghetto sei von der deutschen Polizei bewacht worden. Unter Androhung von Todesstrafe oder Deportation nach B sei strengstens verboten worden, das Ghetto zu verlassen.
Ihre damalige Einlassung wurde von der Zeugin J S in einer eidlichen Versicherung vom 27.03.1956 und von der Zeugin H I A in einer eidlichen Versicherung vom 27.03.1956 bestätigt.
Die Zeugin S führte aus, die Deutschen hätten nach der Besetzung der Stadt L ein Ghetto errichtet. Die Juden hätten nur in diesem abgegrenzten Bezirk wohnen dürfen. Sie sei Anfang 1940 in dieses Ghetto gekommen und dort der Klägerin oft begegnet. Diese habe für die Deutschen zwangsweise gearbeitet. Meistens sei sie mit Hilfsarbeiten beschäftigt worden. Jeder arbeitsfähige Jude sei gezwungen worden, für die deutsche Wehrmacht unentgeltlich zu arbeiten. Das Ghetto sei von der deutschen Polizei bewacht worden und jeder Versuch, es zu verlassen, mit Deportation oder Tod bestraft worden.
Auch die Zeugin A gab an, sie sei Anfang 1940 in das Ghetto L gekommen und habe dort die Klägerin kennengelernt. Sie seien beide mit Hilfsarbeiten beschäftigt worden und hätten sich oft getroffen und miteinander gesprochen. Alle arbeitsfähigen Juden hätten zwangsweise für die Deutschen arbeiten müssen. Für die Arbeit habe es keine Entlohnung gegeben. Lebensmittel seien durch den Judenrat verteilt worden und sehr knapp bemessen gewesen. Allen Juden sei strengstens untersagt worden, das Ghetto zu verlassen. Für jede Zuwiderhandlung sei Todesstrafe oder Deportation angedroht worden. Das Ghetto sei von der deutschen Polizei bewacht und von der Umwelt völlig abgeschlossen gewesen.
Die Klägerin beantragte am 27.08.1990 zunächst bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA), die den Vorgang im Verlauf des Verfahrens zuständigkeitshalber an die Beklagte abgab, Altersruhegeld wegen Vollendung des 65. Lebensjahres und machte im April 1991 geltend, sie habe von April 1940 bis Januar 1942 als Arbeiterin in der M Limonadenfabrik H gegen Lohn - in der Höhe nicht erinnerlich - vollschichtig gearbeitet.
Zum Nachweis ihrer Tätigkeit legte sie schriftliche Erklärungen der Zeugin T H vom 08.07.1991 und der Zeugin S I vom 22.07.1991 vor.
Die 1926 in L geborene Zeugin H führte aus, ihr sei bekannt, dass die Klägerin seit Frühjahr 1940 bei der Limonadenfabrik H in L als Arbeiterin tätig gewesen sei. Sie habe an allen Wochentagen von morgens bis zum späten Nachmittag gearbeitet und für ihre Tätigkeit den damals üblichen Lohn erhalten. Nähere Zeitangaben oder Angaben zur Höhe ihres Gehaltes könne die Zeugin nicht mehr machen. Als sie Mitte 1941 aus L deportiert worden sei, habe die Klägerin weiter bei H gearbeitet. Sie kenne die Klägerin seit ihrer Jugend. Sie hätten in unmittelbarer Nachbarschaft gewohnt und zusammen die C-Schule besucht. In der Schule, zu Hause und auf dem Weg von und zur Arbeit hätten sie sich regelmäßig getroffen.
Auch die 1924 in L geborene Zeugin I führte im Rahmen ihrer schriftlichen Erklärung aus, es sei ihr bekannt, dass die Klägerin seit Frühjahr 1940 in der Limonadenfabrik gearbeitet habe. Die Klägerin habe dort an allen Wochentagen von morgens bis zum späten Nachmittag gearbeitet. Für ihre Tätigkeit habe sie den damals üblichen Lohn erhalten. Anfang 1942 habe die Klägerin ihre Stelle aufgeben müssen, als sie deportiert worden sei. Sie kenne die Klägerin seit 1940, als sie nach L übersiedelt worden sei. Sie hätten in derselben Straße gegenüber gewohnt und in der Limonadenfabrik zusammen gearbeitet.
Zur Begründung ihres Rentenantrages führte die Klägerin weiterhin im Wesentlichen aus, die jüdische Bevölkerung Westpolens sei nach dem Einmarsch der deutschen Truppen vielfältigen Verfolgungsmaßnahmen und Zwangsmaßnahmen ausgesetzt gewesen. Sie sei jedoch nicht durchwegs zu allen Zeiten zu einer bestimmten Arbeitsaufnahme gezwungen worden, sondern hätte diese von Rechts wegen auch verweigern können. Davon abgesehen, hätten die Verfolgen ein besonders großes Interesse daran gehabt, in einem regulären Arbeitsverhältnis zu stehen, da ein solches den Schutz vor Verfolgungsmaßnahmen habe darstellen können. Auch der Zwang, einen bestimmten Wohnsitz zu nehmen, stehe - soweit er überhaupt bestanden habe - als solcher der Freiwilligkeit einer Arbeitsaufnahme nicht entgegen. In den eingegliederten Ostgebieten seien jüdische Arbeitnehmer an verschiedenen Arbeitsplätzen entgeltlich beschäftigt worden. Zur Behebung des Mangels an Arbeitskräften hätte die Beschäftigung der Juden im freien Arbeitsverhältnis Vorrang vor Einberufungen zur Zwangsarbeit gehabt. Die Arbeitskräfte seien nach Beendigung ihrer täglichen Arbeit in ihre Wohnungen bzw. ins Ghetto zurückgekehrt. Selbst dann, wenn ein hoheitlicher Eingriff auf den Beschäftigungsort und die Beschäftigungsart vorgelegen habe, sei eine dem Grunde nach rentenversicherungspflichtige Beschäftigung ausgeübt worden. Dieser Umstand habe keinen Einfluß auf das Vorliegen eines arbeitsrechtlichen Beschäftigungsverhältnisses gehabt. Auch der entlohnte Verfolgte habe zum Arbeitgeber in persönlicher Abhängigkeit gestanden.
Die Beklagte zog die Entschädigungsakte des Amtes für Wiedergutmachung in T bei und lehnte anschließend den Antrag der Klägerin mit Bescheid vom 27.11.1992 ab.
Sie führte zur Begründung aus, die Klägerin habe keine Beiträge zur Rentenversicherung nachgewiesen. Wenn Nachweise über deutsche Beitragszeiten in Verlust geraten oder nicht erreichbar seien, reiche zwar eine Glaubhaftmachung dieser Zeiten nach der Versicherungsunterlagen-Verordnung (Verordnung über die Feststellung von Leistungen aus den gesetzlichen Rentenversicherungen bei verlorenen, zerstörten, unbrauchbar gewordenen oder nicht erreichbaren Versicherungsunterlagen-VuVO) aus, Voraussetzung sei jedoch (zumindest) die Glaubhaftmachung eines versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses, für das Beiträge zur deutschen Rentenversicherung entrichtet worden seien. Während der von der Klägerin im Ghetto L geltend gemachten Arbeitszeit habe jedoch keine Versicherungspflicht bestanden. Nach dem damaligen deutschen Besatzungsrecht seien die Ghettobewohner zur Arbeit innerhalb bzw. außerhalb des Ghettos verpflichtet gewesen. Eine freie Berufs- bzw. Arbeitsplatzwahl oder ein freier Austausch zwischen Arbeit und Lohn sei nicht möglich gewesen. Es habe sich vielmehr um Zwangsarbeiten ohne Entlohnung gehandelt. Derartige Arbeiten hätten seinerzeit auch dann nicht der Versicherungspflicht unterlegen, wenn hierfür Lebensmittel, Prämien oder Ghettogeld gewährt worden wäre. Aus diesen Gründen scheide die Anwendung der VuVO aus.
Auch eine Beitragsfiktion nach dem Gesetz zur Regelung der Wiedergutmachtung nationalsozialistischen Unrechts in der Sozialversicherung (WGSVG) käme ebenso wie eine Anrechnung nach den §§ 15, 16 des Fremdrentengesetzes (FRG) nicht in Betracht, da polnische Beitragszeiten weder nachgewiesen noch überwiegend wahrscheinlich bzw. glaubhaft seien.
Beschäftigungszeiten während des Ghettoaufenthalts hätten keine Versicherungspflicht begründet und könnten deshalb gemäß dem am 01.03.1957 geltenden deutschen Recht keine Fremdrentenzeiten sein. Zeiten des Ghettoaufenthalts seien vielmehr Ersatzzeittatbestände der Freiheitsbeschränkung bzw. Freiheitsentziehung nach § 1251 Abs. 1 Nr. 4 Reichsversicherungsordnung (RVO) bzw. § 250 Abs. 1 Nr. 4 des 6. Buches des Sozialgesetzbuches (SGB VI). Eine Anrechnung von Ersatzzeiten zur Wartezeiterfüllung setze jedoch die Anerkennung von Beitrags- bzw. Beschäftigungszeiten voraus und scheide daher mangels solche Zeiten ebenfalls aus. Gegen diese Entscheidung legte die Klägerin Widerspruch ein und vertrat unter Bezugnahme auf die - die Lebensumstände von Juden im Ghetto Lodz betreffenden - Urteile des Bundessozialgericht (BSG) vom 18.06.1997 (Az.: 5 RJ 66/95 und 5 RJ 68/95) die Auffassung, rentenrechtlich sei die Sachlage im Ghetto L mit dem den Urteilen des BSG zugrunde liegenden Sachverhalten identisch. Auch vorliegend handle es sich um eine rentenversicherungsrechtlich relevante Beitragszeit. Es sei nämlich dokumentarisch nachgewiesen, dass trotz tiefgreifender Beschränkungen und verschiedener Zwänge aufgrund präziser arbeitsrechtlicher Regelungen "freie" Beschäftigungsverhältnisse mit geregelten Entgelten, gesetzlich vorgeschriebener Arbeitszeit usw. bestanden hätten. Generelle Anordnungen müsse ein Anspruchsberechtigter, der aus Gründen des § 1 BEG verfolgt worden sei, nicht glaubhaft machen. Ihm dürfe - aus welchen Gründen auch immer - die Freiwilligkeit seiner Tätigkeit nicht bestritten werden. Jeder Mensch, Zwangsmaßnahmen gleich welcher Art ausgesetzt, arbeite letztlich freiwillig, um nicht Opfer von Vernichtungsmaßnahmen zu sein.
Auch dann, wenn die Betroffenen - wie die Klägerin - in ihren Entschädigungsakten ihre Arbeiten als Zwangsarbeiten bezeichnet hätten, sei dies unschädlich. Es komme nicht darauf an, wie ein Betroffener subjektiv seine Tätigkeit klassifiziere, sondern allein darauf, dass die Klassifizierung dem objektiven Recht entspreche. Den Verfolgten dürften solche Angaben aus ihren Entschädigungsakten nicht entgegen gehalten werden, denn die damaligen Lebensumstände (z.B. Kennzeichnungspflicht, das Verbot, in bestimmten Hauptstraßen zu wohnen, die Anordnung, die Wohnung unter Zurücklassung der Habe zu räumen, das Verbot bestimmte Straßen zu betreten, Polizeistunden) seien nach der Grundsatzentscheidung des BSG für die Anerkennung von Beitragszeiten rechtlich unbeachtlich. Eine Beweiswürdigung, die Antworten zu amtsbekannten Tatsachen fordere und Angaben aus Entschädigungsverfahren auf die Goldwaage lege, um mit solchen die Anerkennung eines dem Grunde nach rentenversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses zu verneinen, sei unzulässig. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin führte insoweit ergänzend aus, nach entsprechender Rückfrage in Israel bestünden erhebliche Zweifel an der Richtigkeit der Darstellung der Klägerin. Dies betreffe auch ihre Darstellungen im Entschädigungsverfahren.
Während die Klägerin geltend gemacht habe, dass sie bereits 1940 in ein Ghetto L eingeliefert worden sei, dürfe es nach den ihm vorliegenden Unterlagen über die Einrichtungen von Ghettos bzw. der Auflösung derselben als erwiesen angesehen werden, dass Anfang 1940 überhaupt kein Ghetto in L gestanden habe, sondern erst am 01.11.1941 errichtet worden sei. Somit müssten schon erhebliche Zweifel an der Darstellung der Klägerin im Entschädigungsverfahren im Hinblick auf ihre Aussage vom 27.03.1956 erhoben werden, soweit, als sie dort erklärt habe, dass sie nach der Besetzung der Stadt Anfang 1940 zusammen mit ihren Eltern in das Ghetto überführt worden sei. Dies könne also keineswegs zutreffend sein.
Weitaus größere Zweifel bestünden auch an der Angabe der Klägerin, dass ihr Arbeit zugeteilt worden sei und sie diese ohne Entgelt habe verrichten müssen. Die Klägerin habe vielmehr als Hilfsarbeiterin in einer Sodawasserfabrik gearbeitet, und dabei habe es sich in keiner Weise um Notstandstätigkeiten gehandelt, die ohne Entgelt zu verrichten gewesen wären. Derartige Tätigkeiten seien auch entlohnt worden, wenngleich auch sicherlich in geringer Höhe. Die Angabe der Klägerin, es habe sich um Zwangsarbeiten gehandelt, seien von ihr im Entschädigungsverfahren zweckgerichtet zur Erlangung einer Gesundheitsschadensrente abgegeben worden.
Es sei festzustellen, dass die Darstellung der Klägerin im Entschädigungsverfahren außerordentlich zweifelhaft sei, wenn nicht sogar als anfechtbar bezeichnet werden müsse.
Die Widerspruchsstelle der Beklagen wies den Widerspruch der Klägerin mit Widerspruchsbescheid vom 27.08.1998 zurück und führte zur Begründung aus, auch sie sei nach Überprüfung des Sachverhalts nach Lage der Akten zu der Überzeugung gelangt, dass die angegebene Arbeitszeit im Ghetto L nicht als Beitragszeit anerkannt werden könne. Die geltend gemacht Zeit erfülle nämlich nicht die von der Rechtsprechung des BSG an ein rentenversicherungspflichtiges Arbeits- bzw. Beschäftigungsverhältnis gestellten Kriterien.
Die Klägerin hat mit Schriftsatz vom 22.09.1998, bei der Beklagten am 24.09.1998 eingegangen, gegen den ihr am 29.08.1998 zugestellten Widerspruchsbescheid Klage erhoben, mit der sie weiterhin Altersruhegeld begehrt und unter Vorlage einer schriftlichen Erklärung vom 07.10.1999 vorgetragen hat, Anfang 1940 sei gemeldet worden, dass die jüdische Bevölkerung B verlassen und nach Wahl in die Städte Bendzin, Sosnowitz, L und Dombrowa umsiedeln müsse. Da sie in L Verwandte gehabt hätten, sei sie mit ihren Eltern nach L gegangen, wo die jüdische Gemeinde ihrer Familie ein Zimmer zugewiesen und ihnen Lebensmittelkarten gegeben habe. Sie hätten kein Geld mehr gehabt bzw. etwas zum Verkaufen. Die Stadt und die Umgebung seien ihr ganz fremd gewesen. In dieser Lage sei sie gezwungen gewesen, dringend unter allen Umständen Geld zu verdienen, um wenigstens die beschränkten Zuteilungen kaufen zu können. Sie habe sich Arbeit suchen müssen. Auch ihre Verwandten hätten sich bemüht, bis sie eine Arbeit im Bereich der Flaschenreinigung einer Soda- und Limonadenfabrik bekommen habe. Sie habe dort sehr schwer arbeiten müssen, sei aber zufrieden gewesen, dass sie mit dem verdienten Geld ihre Familie mit dem kranken Vater habe unterstützen können. Sie sei zur Arbeit bzw. von der Arbeit ohne Bewachung zu Fuß gegangen, sei aber trotz ihrer Arbeitskarte von uniformierten Deutschen zeitweise zur Zwangsarbeit verpflichtet worden. In solchen Fällen habe sie den Verdienst des ganzen Tages verloren, denn diese einstweiligen Zwangsarbeiten seien nicht bezahlt worden. Der ihr in der Höhe nicht mehr erinnerliche Lohn sei je nach Stundenzahl wochenweise in der Fabrik ausgezahlt worden. Nach dem Ghettoaufenthalt sei sie bis Mai 1945 in einem Zentralarbeitslager gewesen und habe sich dort in KZ-Haft befunden. Auch nach ihrer Befreiung habe sie aufgrund der schweren Arbeit unter gesundheitlichen Schäden gelitten. Die Rückreise nach Polen für kurze Zeit und auch die Auswanderung im Mai 1946 nach Israel habe daran nichts geändert, denn die Folgen der Schäden, wie sie sie in der Zeit davor erlitten habe, habe sie in Kauf genommen, um zunächst einmal nach ihren Angehörigen zu suchen und - als sie keine gefunden habe - nach Israel auszuwandern.
Die Klägerin hat schriftsätzlich sinngemäß beantragt,
Die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 27.08.1998 zu verurteilen, ihr Altersruhegeld wegen Vollendung des 65. Lebensjahres zu bewilligen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat weiterhin die Auffassung vertreten, dass die von der Klägerin geltend gemachte Arbeitszeit während des Ghettoaufenthalts nicht als Beitragszeit berücksichtigt werden könne. Insbesondere seien die Kriterien der BSG-Rechtsprechung zum Ghetto Lodz (Freiwilligkeit und Entgeltlichkeit) nicht erfüllt. Die Klägerin habe daher keinen Anspruch auf Gewährung von Altersruhegeld.
Auf Nachfrage des Gerichts hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 03.12.1998 mitgeteilt, dass die Arbeitszeit im Ghetto L von Januar 1940 bis Januar 1942 dem Grunde nach als glaubhaft gemacht anzusehen sei. Im Anschluss daran könne eine Ersatzzeit bis zum 08.05.1945 vorgemerkt werden. Die Voraussetzungen des § 18 WGSVG seien erfüllt. Das Sozialgericht Düsseldorf hat zur Ermittlung des Sachverhalts die Entschädigungsakte des Amtes für Wiedergutmachung beigezogen und die Beklagte mit Urteil vom 22.02.2000 unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide verurteilt, der Klägerin Altersruhegeld wegen Vollendung des 65. Lebensjahres unter Berücksichtigung der Zeiten vom April 1940 bis Januar 1942 als glaubhaft gemachte (fiktive) Beitragszeiten und (soweit nicht mit Beitragszeiten, belegt) der Zeiten von November 1939 bis Mai 1945 als Ersatzzeiten ggf. nach erforderlicher bzw. nach erfolgter Entrichtung von freiwilligen Beiträgen, nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.
Die von der Klägerin geltend gemachten Zeiten von April 1940 bis Januar 1942 seien als glaubhaft gemachte (fiktive) Beitragszeiten gemäß § 1250 Abs. 1 Buchst. a RVO in Verbindung mit § 14 Abs. 2 Satz 1 WGSVG a.F. (§ 12 WGSVG n.F.) anzuerkennen. Aufgrund der Angaben der Klägerin und der Erklärungen der T H vom 08.07.1991 und der S I vom 22.07.1991 sei es zur Überzeugung der Kammer im Sinne einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit glaubhaft gemacht worden, dass die Klägerin in dieser Zeit in L als Arbeiterin in der Limonaden- und Sodafabrik H gearbeitet habe.
Das Sozialgericht Düsseldorf hat sich in der folgenden Urteilsbegründung schwerpunktmäßig sodann mit der Frage der Anerkennung einer Zwangsarbeit als rentenversicherungspflichtige Beschäftigung auseinandergesetzt und insofern zentral die Auffassung vertreten, im Rahmen der Bewertung der von den jüdischen Verfolgten geleisteten Arbeiten sei hinsichtlich der rentenrechtlichen Systematik unter Berücksichtigung der damaligen historischen und rechtlichen Umstände von einem spezifischen wiedergutmachungsrechtichen Begriff des Beschäftigungsverhältnisses auszugehen. Entscheidend sei daher, ob eine Tätigkeit verrichtet worden sei, die in rechtsstaatlich geprägten Gesellschaften gewöhnlich von freien, bezahlten Arbeitskräften ausgeübt würde, das heißt, ob im Ergebnis - auch wirtschaftlich gesehen - Erwerbsarbeit geleistet worden sei. Das Sozialgericht führte insofern im Wesentlichen aus, die Umschreibung des Begriffs des rentenversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses im Sinne der Rechtsprechung des BSG mit den geforderten Kriterien der "Freiwillligkeit" und "Entgeltlichkeit" könne nach Auffassung der Kammer aufgrund seiner Entstehungsgeschichte und seinem Sinn und Zweck nach nur für zivilisierte und rechtsstaatlich geprägte Gesellschaften von Bedeutung und Ausgangspunkt des Sozialversicherungsrechts sein. Unter der nationalsozialistischen Herrschaftsordnung als ein politisches Terrorsystem der unbeschränkten Willkür und Gewalt habe sich ein die gesamte (arbeitende) Bevölkerung erfassendes lückenloses Zwangssystem gebildet, das den freien Arbeitsvertrag in ein reines Zwangsverhältnis verwandelt habe. An die Stelle des Individualarbeitsrechts sei ein - durch besondere Straf- und Disziplinarordnungen mit zum Teil drakonischen Strafandrohungen gesichertes - auf staatlichen Zwang gestütztes Arbeitseinsatz- und Arbeitsverwaltungsrecht getreten. Der Arbeitsmarkt sei nicht mehr von der Freiwilligkeit geprägt gewesen. Die für die Sozialversicherungspflicht von abhängig Beschäftigten entwickelten (überkommenen) Begriffsmerkmale der "Freiwilligkeit und Entgeltzahlung" seien auf die menschenverachtende, dirigistische, staatlich gelenkte Arbeitseinsatzverwaltung der NS-Diktatur hinsichtlich der von jüdischen Verfolgten geleisteten Arbeiten nicht übertragbar.
Die Kammer sehe auch im Hinblick auf das Urteil des 5. Senats des BSG (vom 21.04.1999, Az.: B 5 RJ 48/98) keine Veranlassung, ihre Rechtsprechung hinsichtlich der Anerkennung der von den jüdischen Verfolgten während des 2. Weltkrieges geleisteten Zwangsarbeiten als Beitragszeiten aufzugeben; die Entscheidungsgründe berücksichtigten nicht die verfassungsrechtliche Dimension der anstehenden Thematik und entbehrten eines kritischen historischen Reflektionsprozesses.
Eine Anerkennung der weiter von der Klägerin geltend gemachten Zeiten bis Ende 1946 wegen einer sich an die Zeit der Freiheitsentziehung anschließenden Krankheit bzw. unverschuldeten Arbeitslosigkeit als Ersatzzeiten komme gemäß § 1251 Abs. 1 Nr. 4 RVO nicht in Betracht. Die Arbeitsunfähigkeit und die Arbeitslosigkeit seien als Inlandsgeschehen zu begreifen und daher ersatzzeitenrechtlich irrelevant. Dagegen seien die Zeiten von November 1939 bis Mai 1945 (soweit nicht mit Beitragszeiten belegt) wegen Freiheitsentziehung bzw. Freiheitsbeschränkung im Sinne der §§ 43 und 47 BEG als verfolgungsbedingte Ersatzzeiten gem. § 1251 Abs. 1 Nr. 4 RVO zu berücksichtigen.
Die Beklagte hat gegen dieses ihr am 09.03.2000 zugestellte Urteil am 22.03.2000 Berufung eingelegt und die Auffassung vertreten, die erkennende Kammer des Sozialgerichts habe die in den Urteilen des BSG vom 21.04.1999 (Az.: B 5 RJ 46/98 und B 5 RJ 48/98) sowie vom 14.07.1999 (Az.: B 13 RJ 61/98 und B 13 RJ 71/98) aufgestellten Kriterien nicht geprüft, sondern die Merkmale der "Freiwilligkeit und Entgeltlichkeit" bei der Tätigkeit der Klägerin im Ghetto L als für die Entscheidung über das Vorliegen eines versicherungspflichtigen Arbeitsverhältnisses dahinstehen lassen und lediglich die Ausübung der Tätigkeit als Grundlage für die Anerkennung als fiktive Beitragszeit ausreichen lassen. Dem könne nach Ansicht der Berufungsklägerin nicht gefolgt werden.
Im Übrigen könne der gerichtlichen Entscheidungsfindung, soweit sie sich allein auf die Aussagen der Zeugen T H und S I im Rentenverfahren stütze, im Hinblick auf die anderslautenden Aussagen im Entschädigungsverfahren nicht beigepflichtet werden. Die unterschiedlichen Darstellungen der Klägerin über das Zustandekommen des Arbeitsverhältnisses im Ghetto L bzw. einer evtl. Entlohnung dieser Tätigkeit hätten nach Meinung der Berufungsklägerin das Gericht veranlassen müssen, die Zeugen in Israel vernehmen zu lassen und sie mit den unterschiedlichen Beschäftigungsdarstellungen zu konfrontrieren. Die Beklagte hat mit Bescheid vom 15.07.2003 den zwischenzeitlichen Antrag der Klägerin vom 27.05.2003 auf Gewährung von Altersruhegeld auf der Grundlage des Gesetzes zur Zahlbarmachung von Renten aus Beschäftigungen in einem Ghetto (ZRBG) vom 20.06.2002 (Bundesgesetzblatt - BGBl. - I S.2074), das mit Wirkung vom 01.07.1997 in Kraft getreten ist (Art. 3 Abs. 2 ZRBG), abgelehnt.
Zeiten nach dem ZRBG könnten nur anerkannt werden, soweit Verfolgte i.S.d. BEG sich zwangsweise in einem Ghetto, welches sich in einem Gebiet befand, das vom deutschen Reich besetzt oder diesem eingegliedert war, aufgehalten hätten und dort eine aus eigenem Willensentschluss zustande gekommene Beschäftigung gegen Entgelt verrichtet hätten. Letzteres habe die Klägerin nicht glaubhaft gemacht. Sie habe vielmehr im Entschädigungsverfahren angegeben, dass sie zwangsweise zu Hilfsarbeiten herangezogen worden sei, was zwei Zeuginnen bestätigt hätten.
Diese Aussagen seien glaubhafter als die von der Klägerin und den beiden (neuen) Zeuginnen im Rentenverfahren abgegebenen Erklärungen. So behaupte die Zeugin I, mit der Klägerin in der Limonadenfabrik gearbeitet zu haben, während sie im damaligen Entschädigungsverfahren angegeben habe, sie habe im Ghetto in einem Schneidershop zwangsarbeiten müssen. Auch in ihrem Rentenverfahren habe die Zeugin immer nur eine Tätigkeit als Näherin in einem Schneidershop angegeben. Dieser Widerspruch führe dazu, dass die Aussage der Zeugin als unglaubwürdig einzustufen sei. Auch die Aussage der Zeugin H sei nicht glaubhaft. So habe diese angegeben, die Klägerin bereits seit dem gemeinsamen Schulbesuch gekannt zu haben. Die Klägerin aber habe angegeben, in B die Schule besucht zu haben, während die Zeugin H die Schule in ihrer Geburtsstadt L besucht habe. Ein gemeinsamer Schulbesuch sei daher ebensowenig wie die weitergehende Erklärung über die Beschäftigung im Ghetto nicht glaubhaft. Die Anerkennung von Zeiten nach dem ZRBG sei aus diesem Grund abzulehnen. Der Bescheid würde nach § 96 Abs.1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Gegenstand des anhängigen sozialgerichtlichen Verfahrens.
Die Beklagte und Berufungsklägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 22.02.2000 zu ändern und die Klage abzuweisen sowie die Klage ge- gen den Bescheid über die Ablehnung von Leistungen nach dem ZRBG vom 15.07.2003 abzuweisen.
Die Klägerin und Berufungsbeklagte beantragt schriftsätzlich sinngemäß,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Klägerin und Berufungsbeklagte vertritt hingegen die Auffassung, dass die Klägerin die von ihr im Rentenverfahren geltend gemachte Beschäftigung in dem Zeitraum von April 1940 bis Januar 1942 ebenso wie deren Freiwilligkeit und Entgeltlichkeit glaubhaft gemacht habe. Soweit sich die Beklagte und Berufungsklägerin auf die Angaben im Entschädigungsverfahren berufe, ergäben sich keine Anhaltspunkte, die eine Ablehnung des Klageantrags rechtfertigen würden. Beide Zeuginnen hätten insbesondere keine Zeitangaben gemacht. Der Beklagten sei bekannt, dass Juden nach der Besetzung der polnischen Städte durch deutsche Truppen Zwangsarbeiten hätten verrichten müssen, wie das Aufräumen von Straßen oder andere entsprechende Arbeiten, die teilweise eine zeitlang angehalten hätten oder nur stundenweise durchgeführt worden seien. Diese Tätigkeiten seien natürlich nicht versicherungspflichtig gewesen.
Unabhängig davon sei nicht bekannt, dass das Ghetto L mit Polizei bewacht worden sei, das Verlassen des Ghettos mit Strafen bedroht etc., wie hier in den eidesstaatlichen Versicherungen im Rahmen des Entschädigungsverfahrens behauptet worden war. Das Gegenteil sei durch zahlreiche Prozesse und neue Erkenntnisse über die Verhältnisse in einzelnen Ghettos bewiesen worden, so das die Erklärungen im Entschädigungsverfahren, die nur global abgefasst worden seien, nicht brauchbar seien, um darauf einen ablehnenden Bescheid zu stützen. Was den Lohn betreffe, ergebe sich aus dem Entschädigungsverfahren, wie auch aus dem Verwaltungs- und Klageverfahrens, kein Hinweis, da die Höhe des Lohns ohnehin in der Regel den Betreffenden nach 50 oder mehr Jahren nicht mehr erinnerlich sei.
Das Gericht hat die Entschädigungsakte des Amtes für Wiedergutmachung sowie die Rentenakten der Zeuginnen H und I beigezogen. Darüber hinaus hat das Gericht die Klägerin und Berufungsbeklagte im Rahmen der Rechtshilfe durch das israelische Amtsgericht in Tel Aviv befragt. Eine Vernehmung der in den Verfahren benannten Zeuginnen war nicht möglich. Nach Mitteilung der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in Tel Aviv vom 21.06.2001 hat die Zeugin A Israel am 01.10.1957 verlassen und die Zeugin I ist - ausweislich einer Sterbebescheinigung vom 17.06.2001 am 24.02.2001 verstorben. Mit Beschluss vom 17.07.2002 befreite das Amtsgericht in Tel Aviv die Zeuginnen T H und J S aus gesundheitlichen Gründen.
Die Klägerin hat im Rahmen ihrer Befragung am 17.07.2002 vor dem Friedensgericht Tel Aviv angegeben, sie sei Ende des Jahres 1939 oder Anfang des Jahres 1940 aus ihrer Geburtsstadt B nach L weggezogen. Damals habe es in L kein Ghetto gegeben. Sie habe in einem Stadtteil gewohnt, in dem auch Nichtjuden gewohnt hätten. Sie könne sich insbesondere nicht an ein Ghetto mit Stacheldrahtzäunen und mit bewachten Eingangs- und Ausgangstoren erinnern. Es habe dort jedoch einige Straßen gegeben, in denen viele Juden gewohnt hätten. Sie könne sich auch nicht erinnern, in welchem Monat sie von den Deutschen von L in das Lager I im Sudetenland deportiert worden sei, allerdings sei das bereits im Jahr 1942 geschehen. Sie sei von Ende 1939 oder Anfang 1940 bis 1942 in L gewesen. Ihre ganze Familie habe zuvor in B gewohnt, und nachdem die Deutschen in die Stadt gekommen seien, hätten die Verfolgungen begonnen und man hätte ihnen den Laden und das Haus weggenommen. Daher habe ihr Vater beschlossen, nach L umzuziehen, wo der Bruder und die Schwester ihres Vaters gewohnt hätten. Ihr Vater habe eine Wohnung in L gemietet und sie habe bis 1942 in dieser Wohnung gewohnt. Diese Wohnung habe sich in der Bergstraße, nicht weit entfernt vom christlichen Friedhof befunden. Ihre Familie habe in einem Zimmer der Wohnung gewohnt, die übrigen Teile der Wohnung seien von der christlichen Hausbesitzerin bewohnt worden. Das Leben sei schwer gewesen und es habe nicht genug Nahrungsmittel gegeben. Ihre Eltern hätten nicht gearbeitet und sie hätten kein Einkommen gehabt. Zu Beginn ihres Aufenthaltes in L habe sie nicht gearbeitet. Sie hätten von den Ersparnissen ihrer Eltern gelebt, sowie von diversen Wertgegenständen, die sie verkauft hätten, um zu überleben. Ihr Onkel sei ein angesehener Mann vor dem Krieg gewesen und hätte gute Beziehungen zum Judenrat gehabt. Er habe nach ungefähr zwei Monaten für die Klägerin eine Arbeit in einem Betrieb zur Herstellung von Sprudel und alkoholfreien Getränken - bei H - besorgt. Es seien Lebensmittelmarken in beschränkter Anzahl ausgeteilt worden, mit denen man habe essentielle Produkte für Geld kaufen können. Sie sei im Betrieb von H als Lohnarbeiterin beschäftigt worden. Ihre Aufgabe habe darin bestanden, die Flaschen zu waschen und sie in Kästen einzuordnen und außerdem auf Anordnung jegliche andere Arbeiten auszuführen. Sie habe ohne Unterbrechung in dem Betrieb gearbeitet, bis sie von den Deutschen mitten in der Nacht geholt und über das Durchgangslager in T in das Arbeitslager I im Sudetenland deportiert worden sei. Sie habe in dem Betrieb von H ca. 8 bis 10 Stunden am Tag gearbeitet, an allen Wochentagen außer am Sabbat, und sie glaube in Erinnerung zu haben, dass sonntags ebenfalls nicht gearbeitet worden sei. Daran könne sie sich aber nicht mehr genau erinnern. In diesem Betrieb habe sie zusammen mit Nichtjuden gearbeitet. Sie sei von Zuhause zur Arbeit und von dort zurück ohne Bewachung gegangen. Sie habe für ihre Arbeit Lohn erhalten, aber sie könne sich nicht mehr an die Höhe ihrer Bezüge erinnern. Sie könne sich nur noch daran erinnern, dass ihr Lohn am Ende jeder Woche in bar ausgezahlt worden sei. Sie habe keine Quittungen unterschrieben, es habe vielmehr im Büro eine Liste der Lohnempfänger gegeben, und sie habe neben ihrem Namen auf der Liste unterschrieben. Der Betrieb habe vorher H gehört. Nachdem die Deutschen gekommen seien, sei ein deutscher Treuhänder in den Betrieb hineingesetzt worden, der praktisch der Generaldirektor des Betriebes gewesen sei. Sie habe in der Zeit, als es den deutschen Treuhänder gab, in dem Betrieb gearbeitet und keine zusätzlichen Zuwendungen außer ihrem Lohn erhalten. Es sei einiges von ihrem Lohn abgezogen worden, aber sie wisse nicht mehr, wofür es einbehalten worden sei. Während der Zeit, in der sie in dem Betrieb gearbeitet habe, habe sie keinerlei Urlaub bekommen. Es habe sie zwar niemand gezwungen in dem Betrieb zu arbeiten, aber wenn sie sich geweigert hätte, zu arbeiten, hätte sie den Arbeitsplatz und das Einkommen verloren. Sie habe im Lager des Betriebes gearbeitet, wo drei bis vier Arbeiterinnen gearbeitet hätten. Sie glaube, das man ihr von ihrem Lohn Beiträge für die Krankenkasse (Kassa D) abgezogen habe. Sie könne sich jedoch nicht erinnern, ob man für sie Beiträge an die polnische Sozialversicherung gezahlt habe. Die Arbeit, die sie in dem Betrieb ausgeführt habe, sei nicht leicht gewesen, aber auch nicht unerträglich schwer. Bei der Arbeit habe sie keinen körperlichen Schaden erlitten. Es seien praktisch Hilfsarbeiten gewesen, für die man keinerlei besondere Ausbildung benötige, um sie auszuführen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, der beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten und der beigezogenen Entschädigungsakten des Amtes für Wiedergutmachung in Saarburg (Az.: ...) Bezug genommen. Ihre Inhalte waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte gemäß den §§ 153 Abs.1, 110 Abs.1, 126 SGG in Abwesenheit der Klägerin verhandeln und entscheiden, da ihr Prozeßbevollmächtigter in der Terminsmitteilung, die er ausweislich seines Empfangsbekenntnisses am 20.09.2003 erhalten hat, auf diese Möglichkeit hingewiesen worden ist.
Die Berufung ist zulässig und begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils des Sozialgerichts Düsseldorf vom 22.02.2000 und zur Abweisung der Klage.
Das Sozialgericht hat die Beklagte zu Unrecht unter Aufhebung des Bescheides vom 27.11.1992 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.08.1998 zur Gewährung von Altersruhegeld wegen Vollendung des 65. Lebensjahres unter Berücksichtigung glaubhaft gemachter Beitragszeiten von April 1940 bis Januar 1942 und Ersatzzeiten von November 1939 bis Mai 1945 (ggf. nach erforderlicher bzw. nach erfolgter Entrichtung von freiwilligen Beiträgen nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen) verurteilt.
Der angefochtene Bescheid verletzt die Klägerin - ebenso wie der Bescheid der Beklagten vom 15.07.2003 - nicht im Sinn des § 54 Abs. 2 SGG in ihren Rechten. Der Bescheid der Beklagten vom 27.11.1992 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.08.1998 ist rechtmäßig. Der Klägerin steht kein Anspruch auf Altersruhegeld wegen Vollendung des 65. Lebensjahres aus der deutschen Arbeiterrentenversicherung zu.
Der von der Klägerin geltend gemachte Rentenanspruch richtet sich noch nach den Vorschriften der RVO in der bis zum 31.12.1991 geltenden Fassung, weil die Klägerin auch Leistungen für die Zeit vor dem 01.01.1992 (Inkrafttreten des SGB VI gemäß Art. 85 Rentenreformgesetz - RRG - vom 18.12.1989, BGBl. I S. 2261 ff.) begehrt und den entsprechenden Rentenantrag bereits vor diesem Zeitpunkt, nämlich am 27.08.1990, gestellt hat (vgl. § 300 Abs. 2 SGB VI).
Nach § 1248 Abs. 5 RVO, der vorliegend allein als Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch in Betracht kommt, erhält der Versicherte Altersruhegeld, der das 65. Lebensjahr vollendet und nach Abs. 7 Satz 3 dieser Vorschrift die Wartezeit von 60 Kalendermonaten erfüllt hat.
Die Klägerin hat zwar am 21.10.1990 das 65. Lebensjahr vollendet, aber die gesetzlich vorgeschriebene Wartezeit nicht erfüllt.
Auf die allgemeine Wartezeit werden gemäß § 1250 Abs.1 Buchst. a) und Buchst. b) RVO Versicherungszeiten, für die nach Bundesrecht oder früheren Vorschriften der reichsgesetzllichen Invalidenversicherung Beiträge wirksam entrichtet wurden oder als entrichtet gelten (Beitragszeiten) sowie Zeiten ohne Beitragsleistung nach § 1251 RVO (Ersatzzeiten) angerechnet.
Für L, das zum früheren Regierungsbezirk Kattowitz gehörte, ist das Recht der RVO durch die Verordnung über die Einführung der Reichsversicherung in den eingegliederten Ostgebieten (Ostgebiete-VO) vom 22.12. 1941 (RGBl. I S.777 ff.) rückwirkend zum 01.01.1940 eingeführt worden. Zwar fanden die Vorschriften der RVO nach § 1 Abs.1 Satz 2 der Ostgebiete-VO grundsätzlich keine Anwendung auf Schutzangehörige und Staatenlose polnischen Volkstums, zu denen auch Juden polnischen Volkstums gehörten, aber die Regelungen wurden gemäß § 1 Abs. 2 OstgebieteVO in Verbindung mit einer Verwaltungsanordnung des Reichsarbeitsministers (RAM) vom 29.06.1942 (Amtliche Nachrichten der Reichsversicherung Nr. 20, 1942, II S.408, 409) auf diesen Personenkreis übertragen, so dass vorliegend nicht das Fremdrentenrecht, sondern das zum damaligen Zeitpunkt geltende Rentenversicherungsrecht - die Vorschriften der reichsgesetzlichen Invalidenversicherung - Anwendung finden.
Die Klägerin hat keine Beitragszahlung zur deutschen Rentenversicherung nachgewiesen. Fehlen - wie vorliegend - Versicherungsunterlagen, so genügt es zwar gemäß § 1 Abs.1 Satz 1 VuVO, der hier in der bis 31.12. 1992 geltenden Fassung (BGBl. I S.137 ff.; heute § 286 a SGB VI) Anwendung findet, für die Feststellung der rechtserheblichen Tatsachen, zu deren Nachweis die Versicherungsunterlagen dienen, dass diese Tatsachen im Sinn des § 10 Abs.1 VuVO glaubhaft gemacht sind. Dies ist der Klägerin nicht gelungen; sie selbst behauptet zwar in ihrer Aussage vom 06.11.2002 vor dem Friedensgericht in Tel Aviv, es sei "einiges von ihrem Lohn abgezogen" worden, sie wisse jedoch nicht mehr, wofür es einbehalten worden sei. Auch die von ihr benannten Zeuginnen haben in ihren schriftlichen Erklärungen zu der Frage einer Beitragszahlung keine Stellung genommen. Ihre Vernehmung war - wie ausgeführt - aus gesundheitlichen oder sonstigen Gründen nicht möglich.
Zwar stünde einer Berücksichtigung der von der Klägerin geltend gemachten Versicherungszeiten nicht entgegen, wenn Rentenversicherungsbeiträge nicht entrichtet worden sind bzw. die Beitragszahlungen nicht nachgewiesen wurden, denn es käme insoweit gemäß § 14 Abs. 2 Satz 1 WGSVG in der gemäß Art 21 RRG 1992 bis zum 31.12.1991 geltenden Fassung (seit 01.01.1992 § 12 WGSVG) die Anerkennung einer fiktiven Beitragszeit in Betracht. Danach gelten Beiträge als entrichtet, soweit der Verfolgte eine rentenversicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit ausgeübt hat und aus Verfolgungsgründen für diese keine Beiträge entrichtet worden sind. Auch wenn es für die Feststellung der nach diesem Gesetz erheblichen Tatsachen genügt, wenn sie glaubhaft gemacht worden sind, vgl. § 3 Abs. 1 WGSVG, ist der Klägerin nach Auffassung des Senats auch eine Glaubhaftmachung nicht gelungen.
Eine Tatsache ist gemäß § 3 Abs. 1 Satz 2 WGSVG glaubhaft gemacht, wenn ihr Vorliegen nach dem Ergebnis der Ermittlungen, die sich auf sämtliche erreichbaren Beweismittel erstrecken sollen, überwiegend wahrscheinlich ist.
Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts (im Anschluss an die erstinstanzlich noch vertretene Auffassung der Beklagten) sind die Zeiten von April 1940 bis Januar 1942 auch nicht als glaubhaft gemachte (fiktive) Beitragszeiten gemäß § 1250 Abs.1 Buchst a) RVO in Verbindung mit § 14 Abs.2 Satz 1 WGSVG in der bis zum 31.12.1991 geltenden Fassung anzuerkennen. Eine Beschäftigung der Klägerin bei der Firma H ist nicht überwiegend wahrscheinlich.
Zur Glaubhaftmachung der geltend gemachten Tätigkeit reichen insbesondere die schriftlichen Erklärungen der Zeuginnen H und I nicht aus.
Die in L geborene Zeugin H hat in ihrer schriftliche Erklärung vom 08.07,1991 angegeben, sie kenne die Klägerin seit ihrer Jugend. Sie hätten in unmittelbarer Nachbarschaft gewohnt und zusammen die C-Schule besucht. Gegen die Richtigkeit spricht jedoch, dass die Klägerin in B, also etwa 20 Kilometer entfernt, geboren, nach eigenen Angaben bis zu ihrem 14. Lebensjahr aufgewachsen und zur Schule gegangen ist. Es ist unwahrscheinlich, dass sich die Zeugin H und die Klägerin aus ihrer (frühen) Jugend gekannt haben und gemeinsam zur Schule gegangen sind. Ob dies der Grund dafür war, dass die Klägerin bei ihrer Vernehmung vor dem Friedensgericht in Tel Aviv als Geburtsort wahrheitswidrig D (L) angeben hat, hat der Senat dahin stehen lassen.
Auch die Aussage von S I weist fehlerhafte Angaben auf. So behauptet sie, mit der Klägerin in der Limonadenfabrik zusammen gearbeitet zu haben, während sie in ihrem eigenen Entschädigungs- und Rentenverfahren durchgängig - beispielsweise in ihren Erklärungen am 24.09.1956 und 27.05.1976 - angegeben hat, sie habe während ihres Aufenthaltes im Ghetto L von April oder Mai 1940 bis Mai 1942 in einem Schneidershop gearbeitet. Es erscheint unwahrscheinlich, dass sie lediglich die Näharbeiten mehrfach erwähnt hat, aber eine zumindest zeitweise Tätigkeit in der Limonadenfabrik nicht.
Aus den vorgelegten Erklärungen, die zudem beiden Zeuginnen an den maßgeblichen Stellen in stereotyper Art verfasst sind und schon deshalb eine ergänzende persönliche Befragung der Zeuginnen im Wege der Rechtshilfe erforderlich gemacht hätten, kann der Senat sich deshalb keine für die Annahme einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit bereits von (fiktiven) Beitragszeiten ausreichende Überzeugung bilden.
Dies war auch nicht auf der Grundlage der Erklärungen der Klägerin möglich, da diese Widersprüche aufweisen bzw. sich mit den historischen Daten nicht in Einklang bringen lassen.
So behauptet die Klägerin im Entschädigungsverfahren, sie sei nach der Besetzung von B Anfang 1940 zusammen mit ihren Eltern in das Ghetto der Stadt L überführt worden. Zwar bestanden bereits in den ersten Wochen nach Kriegsbeginn Überlegungen, B rasch zu "germanisieren" (vgl. Sibylle Steinbacher, "Musterstadt" B, Germanisierungspolitik und Judenmord in Ostoberschlesien S. 160), aufgrund der nahezu ausschließlich fremdvölkischen Einwohner wurde B bis zum Frühjahr 1941 aber nicht in das "Eindeutschungsprogramm" einbezogen (Steinbacher a.a.O.S.162). Die Folge war, dass eine Deportation aus B "erst" in der Woche vom 03.04. bis 09.04.1941 erfolgte (Steinbacher a.a.O., S. 217).
Fraglich erscheint auch, ob es zum damaligen Zeitpunkt, d.h. im Januar 1940, in L bereits ein - wie es die Klägerin und die Zeuginnen S und A im Entschädigungsverfahren darstellen - geschlossenes Ghetto bestand. Nach den Feststellungen von Weinmann (Das nationalsozialistische Lagersystem, 4. Auflage Frankfurt am Main 2001, S. 684) existierte in L in der Zeit März 1940 bis April 1943 ein Ghetto. In dem Verzeichnis von Ghettos, Zwangsarbeitslagern und Konzentrationslagern von Dr. Ungerer ist das Ghetto erst ab 15.10.1941 als geschlossen anzusehen, und nach den Feststellungen von Schwarz (Gudrun Schwarz, Die nationalsozialistischen Lager, 2. Auflage, Frankfurt am Main 1996) wurde das Ghetto erst am 01.11.1941 überhaupt errichtet. Es spricht also vieles dafür, das die Klägerin und auch die Zeuginnen - zumindest bezogen auf den Zeitraum von Anfang 1940 - die Sachlage falsch dargestellt haben, wobei zu berücksichtigen ist, dass es in vielen (nicht nur) polnischen Städten schon vor der Besetzung schon jüdische Viertel gab, deren Ursprünge ins Mittelalter zurückgingen. Es ist daher davon auszugehen, dass die Klägerin Anfang 1940 nicht in einem geschlossenen Ghetto gewohnt hat. Der Bevollmächtigte der Klägerin führt insofern selbst aus, es müssten schon "erhebliche Zweifel an der Darstellung" der Klägerin im Entschädigungsverfahren bestehen.
Unabhängig von den widersprüchlichen Angaben im Rentenverfahren mag es zwar richtig sein, dass die Klägerin - wie ihr Prozessbevollmächtigter einräumt - zumindest im Entschädigungsverfahren - bewusst - ungenaue oder gar falsche Angaben gemacht hat, um damals eine Besserstellung zu erreichen. Das wirft jedoch die Frage auf, welche Gründe dafür sprechen sollen, dass den im jetzigen Rentenverfahren gemachten Angaben ein höherer Wahrhaftigkeitswert zukommen soll als den im Entschädigungsverfahren dokumentierten Erklärungen, zumal diese viel zeitnäher gemacht wurden und nach aller Lebenserfahrung mit dem Ablauf der Zeit auch die Erinnerung an Geschehnisse verblasst.
Auch und gerade unter Berücksichtigung des schweren Schicksals der Juden auf Grund der nationalsozialistischen Verfolgungsmaßnahmen ist es bei dieser Sachlage jedenfalls nicht ausgeschlossen, dass die Klägerin (auch) im jetztigen Rentenverfahren zweckgerichtete Angaben macht, um einen Anspruch durchzusetzen, der ihr nicht zusteht (vgl. Urteil LSG NW vom 09.05.1997, Az. L 3 J 23/96). Die Zweifel werden noch dadurch verstärkt, dass die Klägerin auch im Rentenverfahren sich widersprüchlich geäussert hat.
Während sie noch im Rahmen des erstinstanzlichen Verfahrens in einer schriftlichen Erklärung vom 07.10.1999 behauptet hat, die jüdische Gemeinde habe ihrer Familie ein Zimmer in einer der Strassen zugewiesen, in der "konzentriert" Juden gewohnt hätten, gab sie vor dem Friedensgericht in Tel Aviv an, sie habe bei einer christlichen Hausbesitzerin in einem Stadtteil gelebt, in dem Nichtjuden gewohnt hätten. Unterschiedliche Angaben machte die Klägerin auch zu ihrer wirtschaftlichen Lage bei der Ankunft in L. In ihrer o.a. schriftlichen Erklärung gab sie - wie bereits im Entschädigungsverfahren - an, ihre Familie hätte ihre gesamte Habe in B zurücklassen müssen. Sie hätten bei der Ankunft in L kein Geld oder Wertgegenstände mehr gehabt. Bei ihrer persönlichen Befragung gab sie dagegen an, sie hätte zu Beginn ihres Aufenthalts in L von den Ersparnissen ihrer Eltern gelebt sowie von diversen Wertgegenständen, die sie verkauft hätten.
Der Umstand, dass die Klägerin insoweit zumindest in einer ihrer Erklärungen keine wahrheitsgemäßen Angaben gemacht hat, ist zwar nicht streitentscheidend, da es insofern nicht auf ihre damaligen Wohn- und Eigentumsverhältnisse, sondern auf das Arbeitsverhältnis ankommt, aber er hat Einfluss auf die Beurteilung der Glaubwürdigkeit der Klägerin bzw. der Glaubhaftigkeit ihrer Angaben.
In Anbetracht der zahlreichen Widersprüche und offensichtlicher Unrichtigkeiten reichen für eine Glaubhaftmachung der von der Klägerin geltend gemachten Beschäftigung in der Soda- und Limonadenfabrik in der Zeit von 1940 bis 1942 ihre eigenen Erklärungen jedenfalls nicht aus.
Vor diesem Hintergrund ergibt sich - wie ausgeführt - auch nicht die notwendige gute Möglichkeit der Richtigkeit der von der Klägerin geltend gemachten Beschäftigung nach Würdigung der vorhandenen Zeugenaussagen. Angesichts der Unstimmigkeiten im Vorbringen der Klägerin müssen Zeugenaussagen erhebliches Gewicht entfalten, um den notwendigen Grad der Glaubhaftmachung herbeiführen zu können. Davon kann aber selbst ansatzweise nicht die Rede sein.
Mangels anrechenbarer Beitragszeiten vor bzw. innerhalb von drei Jahren nach Beendigung der Verfolgung kommt auch die Anerkennung etwaiger Ersatzzeiten nicht in Betracht. Denn eine Berücksichtigung von Ersatzzeiten ist nur möglich, wenn die Klägerin als Versicherte anzusehen ist, sie also zumindest einen Beitragsmonat - und sei es auch nur fiktiv - im Rahmen der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung zurückgelegt hat. Daher stellen auch etwaige Zeiten der Verfolgung keine Versicherungszeiten in Form von gemäß §§ 1250 Abs.1 Buchst. b), 1251 Abs.3 RVO anrechenbaren Ersatzzeiten dar.
Darüber hinaus kommen auch Leistungen nach dem Gesetz zur Zahlbarmachung von Renten aus Beschäftigungen in einem Ghetto (ZRBG) vom 20.06.2002 bereits deshalb nicht in Betracht, weil die Klägerin - wie oben ausgeführt - eine Beschäftigung gegen Entgelt nicht glaubhaft nachgewiesen hat. Der Bescheid der Beklagten vom 15.07.2003, der in diesem Fall (da es um die gleiche tatsächliche Frage der versicherungspflichtigen Beschäftigung im Ghetto geht und nicht um die Frage, ob durch das ZRBG zusätzliche persönliche Voraussetzungen aufgestellt wurden, oder ob die Vorschrift - lediglich - die Zahlbarmachung von Ansprüchen gemäß § 16 FRG betrifft) aus Gründen der Prozessökonomie gemäß § 96 SGG analog zum Gegenstand des Verfahrens geworden ist, ist rechtmäßig und daher nicht aufzuheben.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.
Anlass, die Revision zuzulassen, bestand nicht, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs.2 SGG nicht erfüllt sind.
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