L 14 KG 18/97

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Kindergeld-/Erziehungsgeldangelegenheiten
Abteilung
14
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 61 Kg 112/96
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 14 KG 18/97
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Klägers werden der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 17. Oktober 1997 sowie der Bescheid der Beklagten vom 8. November 1994 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 27. Februar 1996 dahingehend geändert, dass die Bewilligung von Kindergeld für den Monat September 1994 nur in Höhe von 30,00 DM und erst ab Oktober 1994 in voller Höhe aufgehoben wird. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist ein Anspruch auf Kindergeld für die Zeit ab 1. September 1994 wegen Einkommens des Kindes.

Der Kläger bezog für seine am 16. August 1972 geborene Tochter Karin (K) Kindergeld. Am Oberstufenzentrum Bürowirtschaft, Sozialversicherung und Verwaltung in Berlin-Steglitz absolvierte K eine Ausbildung zur Bürogehilfin. Diese blieb ohne Erfolg, da K auch die 2. Wiederholungsprüfung vor der Industrie- und Handelskammer zu Berlin Ende Mai 1994 nicht bestand. Nach erfolgreich durchgeführter Arbeitserprobung (17. Mai bis 10. Juni 1994) begann K eine vom Arbeitsamt III Berlin gem. § 56 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) geförderte Ausbildung zur Bürokraft im Annedore-Leber-Berufsbildungswerk in Berlin ohne Heimunterbringung. Diese Ausbildung schloss K im August 1997 erfolgreich ab.

Mit Bewilligungsverfügung der Beklagten vom 6. April 1994 erhielt der Kläger rückwirkend ab Februar 1994 weiterhin Kindergeld, das bis einschließlich Mai 1994 gezahlt wurde.

Mit Bescheid vom 21. September 1994 bewilligte das Arbeitsamt II Berlin K Ausbildungsgeld ab 1. September 1994 in Höhe von monatlich 640,00 DM.

Mit Schreiben vom 29. September 1994 wies die Beklagte den Kläger darauf hin, dass sich die Voraussetzungen zum Bezug des Kindergeldes für über 16 Jahre alte Kinder ab Januar 1994 wesentlich geändert hätten und bat den Kläger unter Beifügung eines Vordrucks um Erklärung zu den Einkünften eines über 16 Jahre alten Kindes. Nach Eingang dieser Erklärung bei der Beklagten am 6. Oktober 1994 verfügte diese am 8. November 1995 die Nachzahlung des Kindergeldes für die Zeit vom 1. Juni bis 31. August 1994. Außerdem hob sie mit Bescheid vom 8. November 1994 die Entscheidung über die Bewilligung des Kindergeldes für K gem. § 2 Abs. 2 Satz 2 des Bundeskindergeldgesetzes (BKGG) in Verbindung mit § 48 des Sozialgesetzbuches, Zehntes Buch (SGB X) mit Ablauf des Monats August 1994 auf, weil K aus dem Ausbildungsverhältnis Ausbildungsgeld in Höhe von wenigstens 610,00 DM monatlich zustehe. Hiergegen hat der Kläger Widerspruch erhoben mit dem Hinweis, seine Tochter K habe trotz intensiver Bemühungen in der freien Wirtschaft wegen ihrer Behinderung keine Ausbildungsstelle erhalten und sei wegen ihrer Behinderung außerstande sich selbst zu unterhalten. Das Versorgungsamt I Berlin habe mit Bescheid vom 6. Oktober 1994 bei K einen Grad der Behinderung von 50 anerkannt wegen folgender Behinderungen: „Geistig-seelischer Entwicklungsrückstand mit sozialen Folgeerscheinungen, Sprachstörung.“

Mit Widerspruchsbescheid vom 27. Februar 1996 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers als unbegründet zurück. Die Voraussetzungen des § 2 Abs. 2 BKGG in der Fassung des mit Wirkung vom 1. Januar 1994 an geltenden Artikel 5 des Ersten Gesetzes zur Umsetzung des Spar-, Konsolidierungs- und Wachstumsprogramms (1. SKWPG) vom 21. Dezember 1993 (BGBl. I, S. 2353) lägen ab September 1994 nicht mehr vor, da K Ausbildungsgeld in Höhe von 640,00 DM monatlich erhalte. Nach Einschätzung der zuständigen Stelle des Arbeitsamts II Berlin könne nicht davon ausgegangen werden, dass K wegen körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung außerstande sein werde, sich selbst zu unterhalten (§ 2 Abs. 2 Nr. 3 BKGG). Sie absolviere lediglich in einer Rehabilitationseinrichtung eine theoriereduzierte Ausbildung zur Bürokraft. Ihre Schwerbehinderung betrage „lediglich“ 50 v. H ... Da auch davon auszugehen sei, dass K eine mehr als kurzzeitige Beschäftigung im Sinne des § 102 AFG ausüben könne, habe die Überprüfung der getroffenen Entscheidung zu keiner Abänderung führen können. Gem. § 48 Abs. 1 SGB X sei die zugrunde liegende Bewilligungsentscheidung für die Zukunft ab September 1994 aufzuheben gewesen.

In seiner dagegen erhobenen Klage hat der Kläger vorgetragen, die Frage, ob seine Tochter K außerstande sei, sich selbst zu unterhalten und ob für sie ein Kindergeldanspruch nach § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BKGG bestehe, hänge davon ab, ob die Ausbildungsvergütung zur Deckung ihres vollen individuellen Unterhaltsbedarfs ausreiche. Dies sei mit dem Betrag von 640,00 DM monatlich nicht der Fall. Bei der Bewertung des Unterhaltsbedarfs sei der gesamte Lebensbedarf des behinderten Kindes zu berücksichtigen, vor allem auch die notwendige persönliche Betreuung. Durch die seit September 1994 begonnene berufsfördernde Bildungsmaßnahme solle seine Tochter K erst zu einer Berufsausübung befähigt werden. Ob dies der Fall sein werde, könne sich erst am Ende der Maßnahme herausstellen.

Das Sozialgericht hat am 3. April 1997 die Mutter der K persönlich gehört und am 4. September 1997 M als Zeugin vernommen. Die Mutter gab an, die Ausbildung finde an 5 Tagen der Woche jeweils von 7.30 Uhr bis 16.30 Uhr in Berlin Britz statt. K wohne in der elterlichen Wohnung in Berlin Spandau. Sie benötige keine besondere Ausstattung der Wohnung und ebenso wenig besondere Kleidung. Die Zeugin ist im Annedore-Leber-Berufsbildungswerk als Diplompsychologin beschäftigt. Sie bekundete, K habe inzwischen ihre Ausbildung planmäßig durchgeführt und die Prüfung als Bürokraft bestanden. Es würden nur solche Auszubildenden aufgenommen, die in der Lage und bereit seien, 8 Stunden täglich ausgebildet zu werden. K habe diese Voraussetzung erfüllt. In diesem Berufsbildungswerk sei die Ausbildungssituation für die Auszubildenden besonders günstig. Anders als in der freien Wirtschaft gäbe es ein besonderes Betreuungsangebot, wie den psychologischen Dienst und andere begleitende Dienste. Die Auszubildenden würden in kleinen Gruppen ausgebildet, und auch der Berufsschulunterricht finde im Hause statt.

Durch Gerichtsbescheid vom 17. Oktober 1997 hat das Sozialgericht sodann die Klage abgewiesen. Soweit der Kläger beantragt habe, ihm einen Kindergeldzuschlag für die Zeit vom 1. Oktober 1994 bis zum 31. Dezember 1995 zu zahlen, sei die Klage unzulässig. Die angefochtenen Bescheide enthielten keine Entscheidung über einen Kindergeldzuschlag. Im Übrigen sei die Klage unbegründet. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Zahlung von Kindergeld für seine Tochter K für die Zeit vom 1. September 1994 bis zum 31. Dezember 1995, weil K eine Ausbildungshilfe von wenigstens 610,00 DM monatlich erhalten habe. Der Kläger habe keinen von dem Einkommen der K unabhängigen Anspruch auf Kindergeld gem. § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BKGG. Nach dieser Vorschrift würden Kinder, die das 16. Lebensjahr vollendet hätten, berücksichtigt, wenn sie wegen körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung außerstande seien, sich selbst zu unterhalten. Die in § 2 Abs. 2 Satz 2 und 3 BKGG beschriebenen Einkommensgrenzen würden für diese Kinder nicht gelten. Außerstande sich selbst zu unterhalten sei, wer im rentenrechtlichen Sinne erwerbsunfähig sei (Bundessozialgericht - BSG - , Urteil vom 14. August 1984, 10 RKg 6/83, in SozR 5870 § 2 Nr. 35). Es spreche in der Regel dafür, dass ein behindertes Kind auch imstande sei, sich selbst zu unterhalten, wenn es für längere Zeit in einem geringfügig entlohnten Dauerarbeitsverhältnis stehe oder seine Ausbildung erfolgreich fortgesetzt habe. Nach glaubwürdiger Aussage der Zeugin M habe K ihre Ausbildung planmäßig durchgeführt und abgeschlossen. Dass die Ausbildungssituation in der von K besuchten Rehabilitationseinrichtung gegenüber dem allgemeinen Arbeitsmarkt besonders günstig sei, ändere nichts daran, dass K in der Lage gewesen sei, vollschichtig tätig zu werden. Ein früheres ärztliches Gutachten der Beklagten (Gutachten vom 25. September 1989) bestätige, dass K durchaus in der Lage sei, vollschichtig leichte Arbeiten auszuüben. Eine Leistungseinschränkung im Sinne einer Erwerbsunfähigkeit sei damit jedenfalls nicht erreicht. Soweit der Kläger vortrage, es werde für seine Tochter sehr schwierig werden, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt eine Beschäftigung zu finden, führe das zu keinem anderen Ergebnis. Maßgeblich sei, ob K „infolge von Krankheit oder anderer Gebrechen oder von Schwäche ihrer körperlichen oder geistigen Kräfte“ erwerbsunfähig sei. In der streitigen Zeit sei es auch für andere, nicht behinderte Jugendliche schwierig gewesen, wenn nicht gar unmöglich, einen Ausbildungsplatz zu finden. Die allgemein schlechte Arbeitsmarktlage führe nicht zu einer anderen Beurteilung.

Gegen den am 28. November 1997 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die am 11. Dezember 1997 erhobene Berufung des Klägers, mit der er im Wesentlichen sein bisheriges Vorbringen wiederholt. Nach § 44 Abs. 2 Sozialgesetzbuch, Sechstes Buch (SGB VI) seien erwerbsunfähig auch Versicherte nach § 1 Nr. 2, die wegen Art oder Schwere der Behinderung nicht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig sein könnten. Auch wenn die Voraussetzungen des § 1 Nr. 2 SGB VI bei K nicht vorlägen, sei sie dennoch im rechtenrechtlichen Sinn als erwerbsunfähige Person zu behandeln, da sie die Voraussetzung des § 1 Nr. 3 SGB VI erfülle, d.h. zu den Personen gehöre, die in Einrichtungen der Jugendhilfe oder in Berufsbildungswerken oder ähnlichen Einrichtungen für Behinderte für eine Erwerbstätigkeit befähigt werden sollen. Seit der Ausbildung zur Bürokraft sei bei K zusätzlich ein Bluthochdruckleiden hinzugekommen.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 17. Oktober 1997 sowie den Bescheid der Beklagten vom 8. November 1994 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 27. Februar 1996 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm für die Zeit vom 1. September 1994 bis 31. Dezember 1995 Kindergeld für seine Tochter K zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend. Es sei nicht ersichtlich, weshalb eine Behinderte mit einem Grad der Behinderung von 50 nicht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig sein könne, obwohl eine Vielzahl von Behinderten mit einem wesentlich höheren Behinderungsgrad in regulären Beschäftigungsverhältnissen stünden und damit ihren Lebensunterhalt decken könnten.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die zwischen den Beteiligen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, sowie die die Tochter K beteffende Kindergeldakte der Beklagten - Band II Nr. 023187 -, die Reha Akte der Beklagten - Stamm-Nr.: 220534 - und die Leistungsakte - Stamm-Nr.: 933 A 37 1339 - die vorlagen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung gewesen sind Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht (§ 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG - ) erhobene Berufung des Klägers ist zulässig, insbesondere ist sie gem. § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG statthaft, weil der Beschwerdewert 1000,00 DM übersteigt.

Sachlich ist die Berufung im Wesentlichen unbegründet. Lediglich für den Monat September 1994 war die Bewilligung des Kindergeldes nur in Höhe von 30,00 DM aufzuheben.

Nach § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit gegenüber den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen bei seinem Erlass eine wesentliche Änderung eingetreten ist. Vorliegend hat K ab 1. September 1994 eine Ausbildungshilfe als berufsfördernde Leistung zur Rehabilitation in Höhe von monatlich 640,00 DM erhalten. Nach § 2 Abs. 2 Satz 2 und 3 BKGG in der Fassung des 1. SKWPG, das am 1. Januar 1994 in Kraft getreten war, waren beim Kindergeld solche Kinder nicht mehr zu berücksichtigen, denen aus dem Ausbildungsverhältnis oder einer Erwerbstätigkeit Bruttobezüge in Höhe von wenigstens 750,00 DM monatlich zugestanden haben (Satz 2) oder Lohnersatzleistungen oder als Ausbildungshilfe gewährte Zuschüsse von Unternehmen, aus öffentlichen Mitteln oder von Förderungseinrichtungen, die hierfür öffentliche Mittel erhalten, von wenigstens 610,00 DM monatlich (Satz 3). K stand ab 1. September 1994 Ausbildungshilfe von mehr als 609,99 DM netto zu. Damit war die Berechtigung des Klägers zum Kindergeldbezug für K entfallen. Entgegen der Auffassung des Klägers liegt bei K auch nicht die Voraussetzung des § 2 Abs. 2 Nr. 3 BKGG vor, wonach Kinder, die das 16. Lebensjahr vollendet haben und die wegen körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung außerstande sind, sich selbst zu unterhalten, zu berücksichtigen sind, also das Einkommen nach § 2 Abs. 2 Satz 2 und 3 BKGG unbeachtlich wäre. Bei K ist mit Bescheid des Versorgungsamts I Berlin vom 22. Dezember 1977 erstmalig ein Grad der Behinderung von 50 v. H. festgestellt worden wegen eines geistig-seelischen Entwicklungsrückstandes. Bei gleichbleibendem Grad der Behinderung von 50 hat das Versorgungsamt I Berlin mit dem Bescheid vom 6. Oktober 1994 zusätzlich soziale Folgeerscheinungen und Sprachstörung festgestellt. Die geistig-seelische Behinderung der K hat indes nicht dazu geführt, dass sie im hier streitigen Zeitraum außerstande war, sich selbst zu unterhalten. Wie bereits das Sozialgericht zutreffend ausgeführt hat, entspricht der Begriff des „Außerstandeseins“ demjenigen der Erwerbsunfähigkeit in § 1247 Abs. 2 Satz 1 der Reichsversicherungsordnung (RVO) bzw. seit 1. Januar 1992 § 44 SGB VI. Ziel beider Regelungen ist es , die betreffende Sozialleistung demjenigen zu gewähren, der nicht selbst in der Lage ist, sich durch Arbeit das Existenzminimum zu verdienen (vgl. BSG, SozR 5870 § 2 Nr. 35 und Urteil vom 28. Mai 1997, 14/10 RKg 38/95 mit weiteren Nachweisen in DBIR 4401, BKGG/§2). Danach ist in der Regel die Fähigkeit zum Selbstunterhalten ohne weiteres anzunehmen, wenn das Kind für längere Zeit in einem mehr als nur geringfügig entlohnten Dauerarbeitsverhältnis steht. Die Geringfügigkeitsgrenze, die nach § 44 Abs. 2 SGB VI ein Siebentel der Bezugsgröße beträgt, lag nach § 18 Sozialgesetzbuch, Viertes Buch (SGB IV) im Jahr 1994 bei 560,00 DM monatlich. Selbst wenn die Entlohnung von K unter der Geringfügigkeitsgrenze gelegen hätte, wäre dies unbeachtlich, weil die geringe Entlohnung nicht Folge der Behinderung gewesen wäre, sondern im Hinblick auf die Ausbildung erfolgte. Nach dieser höchstrichterlichen Rechtsprechung, der der Senat folgt, kommt es allein darauf an, ob das Kind nach Abschluss der Ausbildung ein ausreichendes Einkommen erzielen kann. Das ist vorliegend zu bejahen. K hat trotz ihrer Behinderung die Ausbildung zur Bürokraft im August 1997 erfolgreich abgeschlossen. Bei einem derartigen Beruf kann im Hinblick auf den tariflichen Mindestlohn in aller Regel davon ausgegangen werden, dass er auch einen Behinderten in die Lage versetzt, sich selbst zu unterhalten. Anhaltspunkte dafür, dass dies bei K nicht der Fall gewesen wäre, sind nicht ersichtlich. Das Arbeitsamt hat K nach Abschluss ihrer Ausbildung ab 27. August 1997 Arbeitslosengeld gezahlt, sie also auf dem Arbeitsmarkt als verfügbar angesehen und ein Bemessungsentgelt nach dem Tarifvertrag für die Berliner Metallindustrie in Höhe von monatlich 2730,20 DM zugrunde gelegt. Des weiteren hat K in der Zeit vom 1. August 1998 bis 31. Juli 1999 als Bürokraft im Rahmen einer Arbeitsbeschaffungsmaßnahme gearbeitet und hierfür zuletzt ab 1. April 1999 ein Entgelt in Höhe von 2481,81 DM erhalten. Im Übrigen liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass K auch ohne die erfolgte Ausbildung zur Bürokraft nicht in der Lage gewesen wäre, sich auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt selbst zu unterhalten, etwa durch Bürohilfsarbeiten. Hierfür spricht auch, dass die von der Beklagten durchgeführte Reha-Maßnahme nur bewilligt werden durfte, wenn ein erfolgreicher Abschuss zu erwarten war. Dass K in der Lage ist, eine Erwerbstätigkeit in gewisser Regelmäßigkeit vollschichtig auszuüben ( § 44 Abs. 2 1. Halbsatz SGB VI), wird auch vom Kläger selbst nicht bestritten. K ist auch nicht als Versicherte nach § 1 Nr. 2 SGB VI gem. § 44 Abs. 2 Halbsatz 2 SGB VI erwerbsunfähig, da sie nicht zu dem genannten Personenkreis gehört. Entgegen der Auffassung des Klägers ist nach dem eindeutigen Wortlaut in § 44 Abs. 2 SGB VI bezüglich der Art oder Schwere der Behinderung lediglich auf Personen im Sinne des § 1 Nr. 2 SGB VI abzustellen, und nicht auf solche nach § 1 Nr. 3 SGB VI. Die Voraussetzungen der Erwerbsunfähigkeit nach § 44 Abs. 2 SGB VI liegen mithin bei K nicht vor. Es sind auch weder besondere Umstände vorgetragen noch für den Senat ersichtlich, die die Erwerbsfähigkeit der K aus gesundheitlichen Gründen derart eingeschränkt hätten, dass wegen einer „ ...schweren spezifischen Leistungsbehinderung“ oder einer „Summierung ungewöhnlicher Leistungsbeschränkungen“ von vornherein nicht von einem „offenen Arbeitsmarkt“ auszugehen wäre (vgl. BSG, SozR 3-2200 § 1246 Nr. 50), zumal dann die Ausbildung gar nicht hätte durchgeführt werden dürfen. Insbesondere diente die Ausbildung der Qualifizierung der K und nicht der Befähigung, überhaupt am Arbeitsleben teilnehmen zu können.

Nach § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. das heißt angesichts des Bescheides vom 8. November 1994 für die Zeit ab Dezember 1994 (vgl. BSG SozR 1300 § 48 Nr. 31). Die Beklagte war aber auch berechtigt, die Leistungsbewilligung mit Wirkung für die Vergangenheit - seit Änderung der Verhältnisse ab 1. September 1994 - aufzuheben, weil nach Erlass des Verwaltungsaktes (Kindergeldbewilligung) Einkommen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde (§ 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X) und ein atypischer Fall nicht vorliegt. Diese verschuldensunabhängige Aufhebungsmöglichkeit beschränkt sich jedoch auf den Teil der Leistung, durch den die Entgeltgrenze überschritten wird („soweit“, vgl. BSG SozR 3-1300 § 48 Nr. 42). Da hier eine Ausbildungsvergütung bis zum Betrag von 609,99 DM (neben dem Kindergeld von 70,- DM) noch leistungsunschädlich gewesen wäre, wurde diese Grenze erst bei 679,99 DM überschritten, so dass bei einem Gesamtbetrag von Vergütung und Kindergeld in Höhe von 710,- DM eine Aufhebung nur in Höhe von 30,01 DM (gerundet 30,- DM, vgl. § 20 Abs. 3 BKGG), zulässig wäre. Allerdings konnte der Kläger bereits dem Schreiben der Beklagten vom 29. September 1994 entnehmen, dass der Anspruch auf Kindergeld durch die Ausbildungsvergütung in vollem Umfang entfallen war, ferner war die Leistung bereits eingestellt worden. Deshalb kann er sich für die Zeit ab Oktober 1994 nicht mehr auf Vertrauensschutz berufen (§ 48 Abs.1 Satz 2 Nr. 4 SGB X), so dass eine rückwirkende vollständige Aufhebung der Kindergeldbewilligung schon ab Oktober 1994 zulässig war.

Insgesamt war demgemäss die Aufhebung der Kindergeldbewilligung für den Monat September 1994 in Höhe von 30,- DM (so dass noch 40,- DM zu zahlen sind) und ab Oktober 1994 in voller Höhe zulässig. Die Berufung konnte danach nur in geringem Umfang Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung folgt auf § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Saved