Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 5 KR 4554/12
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 KR 4072/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Eine Langfristverordnung mit dem Heilmittel "Manuelle Therapie" kommt auch dann in Betracht, wenn eine Diagnose vorliegt, die nicht in der Anlage zum Merkblatt des G-BA zur Genehmigung langfristiger Heilmittelbehandlungen gelistet ist und die Schwere und Dauerhaftigkeit der Schädigungen mit den in der Anlage genannten Diagnosen vergleichbar ist (hier Hämochromatose mit Gelenkfunktionsstörungen).
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg wird zurückgewiesen. Die Beklagte trägt auch im Berufungsverfahren die außergerichtlichen Kosten des Klägers.
Tatbestand:
Streitig ist, ob der Kläger einen Anspruch auf eine sogenannte Langfristverordnung von Heilmitteln hat.
Der Kläger ist am 07.10.1951 geboren. Er leidet seit über zehn Jahren an Hämochromatose (Eisenspeicherkrankheit) mit Polyarthrose fast aller Gelenke und erhält bereits seit Jahren fortlaufend manuelle Therapie. Bei ihm ist ein Grad der Behinderung (GdB) von 100 % mit Merkzeichen "aG" festgestellt. Aufgrund der chronisch-progredienten Grunderkrankung wurden dem Kläger 2003 und 2005 beide Hüften, 2009 das linke und 2014 das rechte Kniegelenk ersetzt.
Mit Schreiben vom 20.02.2012 legt er eine Heilmittelverordnung des behandelnden Chirurgen und Orthopäden Dr. K., F. vom 13.02.2012 über sechs Einheiten manuelle Therapie, jeweils zwei Termine pro Woche, vor. Dr. K. führte aus, dass ein Antrag auf längerfristige Genehmigung gestellt werde, da eine dauerhafte, schwere Behinderung mit nachgewiesenen massiven funktionellen und strukturellen Schädigungen inklusive endoprothetischer Versorgung beider Hüftgelenke und des linken Kniegelenks vorliege. Langfristig drohe eine Verschlechterung, aktuell drohe eine Endoprothese an der linken Schulter bei massiver Gonarthrose mit Verdacht auf Cuff-Arthropathie.
Auf Rückfrage der Beklagten teilte der Kläger mit, dass er seit mehreren Jahren regelmäßig manuelle Therapie erhalte, etwa zweimal wöchentlich aufgrund multipler Arthrose.
Die Beklagte veranlasste eine sozialmedizinische Beurteilung beim Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK). Dr. C. führte unter dem 05.03.2012 aus, dass aufgrund der bisherigen Angaben eine prognostische Einschätzung nicht möglich sei. Nach der Heilmittel-Richtlinie sei jedoch eine besondere Begründung mit prognostischer Einschätzung erforderlich. Zur vorliegenden Schädigung und der daraus resultierenden Beeinträchtigung könne aus sozialmedizinischer Sicht derzeit keine Angabe gemacht werden.
Die Beklagte lehnte hierauf mit Bescheid vom 08.03.2012 die beantragte Langfristverordnung ab (Blatt 10 Verw.-Akte).
Hiergegen erhob der Kläger mit Schreiben vom 16.03.2012 Widerspruch und legte ein Schreiben des behandelnden Chirurgen und Orthopäden Dr. K. vom 14.04.2012 (Blatt 15 Verw.-Akte) vor. Dr. K. führte aus, dass es aufgrund der schweren Grunderkrankung zu massiven Einschränkungen der Teilhabe gekommen sei. Die Wirbelsäule insgesamt sei stark arthrotisch und degenerativ verändert. Entsprechendes gelte für die Sprunggelenke, die Hand-, Finger-, Fuß- und Zehengelenke. Dr. K. übersandte Meßblätter für die Wirbelsäule und die oberen und unteren Gliedmaßen, in denen nach der Neutral-0-Methode Bewegungseinschränkungen dokumentiert sind.
Die Beklagte veranlasste eine weitere Stellungnahme beim MDK. Dr. C. führte unter dem 22.05.2012 (Blatt 26 Verw.-Akte) aus, dass die übermittelten Informationen nicht ausreichend seien, um eine prognostische Einschätzung, insbesondere im Hinblick auf eine drohende Verschlechterung, zu prüfen.
Die Beklagte veranlasste eine sozialmedizinische Begutachtung nach Aktenlage beim MDK. Unter dem 04.07.2012 (Blatt 38 Verw.-Akte) führte Dr. O. aus, dass der manuellen Therapie ein komplexes Untersuchungs- und Behandlungskonzept von reversiblen Bewegungsstörungen der Funktionseinheit Gelenk, Muskulatur und Nerv zugrunde liege. Die Grunderkrankung des Klägers sei durch eine übermäßige Speicherung von Eisen gekennzeichnet. Häufig seien auch Gelenke betroffen, überwiegend in Form von degenerativen Veränderungen, auch entzündlichen Gelenksreaktionen, ähnlich einer rheumatoiden Arthritis. Der Kläger leide bereits erheblich an multiplen degenerativen Gelenkveränderungen, insbesondere der Hüft- und Kniegelenke, der Schultergelenke, auch der Sprung- und Fingergelenke. Außerdem würden degenerative Veränderungen der Wirbelsäule einschließlich einer Spinalkanalstenose mitgeteilt. Es würden nachvollziehbar bereits erhebliche Beeinträchtigungen vorliegen. Auch ein vom Kläger durchgeführtes regelmäßiges und angepasstes Eigentraining sei nicht ausreichend, eine Verbesserung oder Stabilisierung zu erreichen. Die Notwendigkeit einer häufigen und auch außerhalb des Regelfalls durchzuführenden Heilmitteltherapie könne prinzipiell nachvollzogen werden. Die Veränderungen infolge der Hämochromatose könnten zwar formal nicht als "reversible Funktionsstörungen" bezeichnet werden und würden als solche keine primäre Indikation für manuelle Therapie darstellen. Dennoch könne es zu "Blockierungen" oder kurzfristigen und dann reversiblen Funktionsstörungen infolge der degenerativen Veränderungen kommen, so dass in diesen Fällen das Heilmittel "Manuelle Therapie" indiziert sein könne. Die manuelle Therapie stelle jedoch keine Dauerbehandlung degenerativer Gelenkerkrankungen dar. Daher könne im konkreten Fall weder eine Dauertherapie mit manueller Therapie außerhalb des Regelfalles (§ 8 Abs 4 der Heilmittel-Richtlinien) noch die langfristige Genehmigung dieses speziellen Heilmittels (§ 8 Abs 5 Heilmittel-Richtlinien) nachvollzogen werden. Der Kläger bedürfe jedoch weiterhin einer regelmäßigen Heilmitteltherapie, auch außerhalb des Regelfalles. Insoweit sei allgemeine Krankengymnastik ausreichend, diese könne auch im Bewegungsbad durchgeführt werden. Bei zusätzlichen Funktionsstörungen könne weiterhin auch manuelle Therapie eingesetzt werden.
Der Kläger legte ein weiteres Schreiben Dr. K. vom 30.07.2012 zur Frage der Abgrenzung von Krankengymnastik und manueller Therapie vor (Blatt 44 Verw.-Akte).
Die Beklagte wies mit Widerspruchsbescheid vom 14.08.2012 den Widerspruch als unbegründet zurück. Zwar hätten Versicherte mit langfristigem Behandlungsbedarf nach § 32 Abs 1a Fünftes Bund Sozialgesetzbuch (Gesetzliche Krankenversicherung, SGB V) die Möglichkeit, sich auf Antrag die erforderlichen Heilmittel von der Krankenkasse für einen längeren geeigneten Zeitraum genehmigen zu lassen. Das nähere hierzu habe der Gemeinsame Bundesausschuss in der Heilmittel-Richtlinie geregelt. Jedoch würden die Voraussetzungen des § 8 Abs 5 der Heilmittel-Richtlinien nicht vorliegen. Eine Dauerbehandlung mit manueller Therapie sei nicht indiziert. Die erforderliche regelmäßige Behandlung könne mit allgemeiner Krankengymnastik erfolgen.
Hiergegen hat der Kläger am 13.09.2012 Klage zum Sozialgericht Freiburg (SG) erhoben und zur Begründung Arztbriefe der chirurgischen Abteilung des B.-K.-Krankenhauses W. vom 27.03.2009 und 09.12.2009 und des Neurochirurgen Dr. B. vom 21.04.2010 vorgelegt. Er hat darauf hingewiesen, dass der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) im Merkblatt über die Genehmigung langfristiger Heilmittelbehandlungen nach § 32 Abs 1a SGB V iVm § 8 Abs 5 Richtlinie über die Verordnung von Heilmitteln in der vertragsärztlichen Versorgung (Heilmittel-RL) die Möglichkeit einer Einzelfallbetrachtung bei nichtgelisteten Diagnosen eröffnet habe, wenn schwere und Dauerhaftigkeit der Schädigungen mit den in der Anlage zum Merkblatt aufgeführten Diagnosen vergleichbar sei. Der Kläger hat mitgeteilt, dass er seit September 2002 mit wenigen Unterbrechungen und mit Wissen der Beklagten dauernd mit manueller Therapie behandelt werde. Es sei unverständlich, nachdem der Gesetzgeber die Möglichkeit einer Langzeitgenehmigung geschaffen habe, warum diese abgelehnt werde. Es sei zu befürchten, dass er ohne Langzeitgenehmigung künftig nicht mehr ausreichend mit Heilmitteln außerhalb des Regelfalles versorgt werde, da die Ärzte das Regressrisiko zu fürchten hätten.
Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat auf die Begründungen der angefochtenen Bescheide Bezug genommen. Die Voraussetzungen für die Erteilung einer Genehmigung einer langfristigen Heilmittelbehandlung seien nicht erfüllt. Das Merkblatt sei verbindlich.
Das SG hat Beweis erhoben durch die Einholung eines Sachverständigengutachtens bei dem Arzt für Orthopädie, Sportmedizin, physikalische und rehabilitative Medizin ua Dr. H., F ... Im Gutachten vom 23.11.2012 beschrieb Dr. H. folgende Gesundheitsstörungen beim Kläger: - Hämochromatose mit Polyarthrose fast aller Gelenke, - Cervikalsyndrom bei Spondyl-/Uncarthrose und Osteochondrose besonders C4 bis Th1, - Omarthrose links, - Radiocarpalarthrose beidseits, - Polyarthrose beider Hände bzw Finger, - chronisches Lumbalsyndrom bei Skoliose rechts lumbal, - chronisches Lumbalsyndrom bei radiologischen Verschleißzeichen ganze LWS, - chronisches Lumbalsyndrom bei spinaler Stenose L4-S1 rechts und L3-S1 links, - Coxarthrose beidseits, - Panarthrose beider Kniegelenke, - Posttraumatische Arthrose des oberen Sprunggelenkes links, - Posttraumatische Arthrose des unteren Sprunggelenkes links und - Arthrose des oberen Sprunggelenkes rechts. Es würden multiple Funktionseinschränkungen des Bewegungsapparates im Sinne einer Polyarthrose vorliegen. Die Betonung der Symptome liege auf der Hämochromatose-Arthropathie mit fortgeschrittenen und destruierenden Verschleißzeichen im Sinne der Arthrose. Sowohl die Grundbehandlung der Hämochromatose im Hinblick auf die chronisch-degenerativen Veränderungen als auch der akut entzündliche Schub bedürfe der intensiven und regelmäßigen Physiotherapie zur Erhaltung der Funktionen des Bewegungsapparates auch ggfs nach Einsatz von Endoprothesen so lange wie möglich. Die gleichzeitige Behandlung mit Aderlässen oder eisenbindenden Medikamenten habe auf die Funktion des Bewegungsapparates keinen ausreichenden Einfluss, weshalb der Physiotherapie eine zentrale Bedeutung zukomme. Unter Berücksichtigung der vorliegenden Diagnosen bestehe eine dauerhafte Indikation lebenslang für Physiotherapie. Aus fachlicher Sicht sei die manuelle Therapie als passive Gelenkmobilisation, zur Behandlung von muskulären Verkettungssydromen sowie zur mobilisierenden Behandlung des gelenksnahen Bindegewebes und der inserierenden Sehnen eindeutig indiziert. Die Auffassung des MDK, dass vorliegend ausreichend mit allgemeiner Krankengymnastik behandelt werden könne, sei unzutreffend und entspreche nicht dem aktuellen wissenschaftlichen Stand. Bei Behandlungen nur mit allgemeiner Krankengymnastik werde fehlerhaft die Palette der physiotherapeutischen Behandlungsmöglichkeiten der Hämochromatose nicht ausreichend und fachgerecht ausgeschöpft, was die Gefahr eines ungünstigeren Krankheitsverlaufes erheblich verstärke. Auch die Auffassung des MDK, dass die manuelle Therapie lediglich für die Behandlung reversibler Funktionsstörungen indiziert sei, entspreche nicht dem aktuellen wissenschaftlichen Standard. Nach den derzeit gültigen Behandlungsrichtlinien der Fachgesellschaften werde die manuelle Therapie nicht nur im klassischen Sinne für die Behandlung von akuten Blockaden eingesetzt, sondern auch zur Behandlung wiederkehrender oder langfristiger Funktionsstörungen (Mobilisation). Eine Beschränkung der Indikation für manuelle Therapie auf die kurzfristig und zufällig eintretenden Blockierungen seien nach dem derzeitigen wissenschaftlichen Standard nicht gerechtfertigt. Die Indikation für eine Langfristverordnung beruhe darauf, dass die Grunderkrankung nicht heilbar sei und die durch die Grunderkrankung eingetretenen Veränderungen des Bewegungsapparates sich beim Kläger in einem fortgeschrittenen Stadium befänden, welche ua auch mehrfach größere operative Eingriffe erforderlich gemacht hätten. Auch unter Zugrundelegung der Voraussetzungen des § 8 Abs 5 der Heilmittel-Richtlinie ergebe sich fachärztlicherseits eine klare Indikation für die Langfristverordnung, da eine besondere Schwere der funktionellen und strukturellen Schädigungen des Bewegungsapparates und der Beeinträchtigung der Aktivitäten bestehe. Diese Schädigungen und Beeinträchtigungen seien aufgrund ihrer degenerativen Natur nicht reversibel und würden erkennbar langfristig und auf Dauer bestehen.
Das SG hat nach Bekanntwerden des Merkblattes des G-BA vom 22.11.2012 eine ergänzende Stellungnahme des Sachverständigen veranlasst zur Frage, ob Schwere und Dauerhaftigkeit der Schädigungen die beim Kläger vorliegen, mit den in der Anlage zum Merkblatt aufgeführten Diagnosen vergleichbar seien.
Mit Schreiben vom 05.03.2013 führte Dr. H. aus, dass die funktionellen Auswirkungen der beim Kläger anlässlich der Begutachtung festgestellten Diagnosen aus fachorthopädischer Sicht vergleichbar mit denjenigen der in der Anlage aufgeführten Diagnosen seien. Insbesondere unter Berücksichtigung des Umstandes, dass die vorhandenen Diagnosen mit ihren funktionellen Auswirkungen sich gegenseitig verstärkten und ergänzten, bestehe beim Kläger ein Zustand iS einer funktionellen Gesamtbeeinträchtigung, wie er beispielsweise bei der Glykogenspeicherkrankheit oder beim Marfan-Syndrom vorliege. Diese beiden Erkrankungen seien in der Anlage zum Merkblatt des G-BA aufgelistet. Die Voraussetzungen der im Merkblatt des G-BA genannten Einzelfall-Beantragung bei nicht gelisteten Diagnosen würden vorliegen.
Die Beklagte legte eine sozialmedizinische Stellungnahme des MDK (Dr. O.) vom 04.04.2013 vor. Es sei zwar richtig, dass die manuelle Therapie nicht nur bei Blockaden eingesetzt werde, sondern auch zur Behandlung wiederkehrender oder langfristiger Funktionsstörungen (Mobilisation). Auch sei der Untersuchungsbefund Dr. H. nachvollziehbar und unstrittig. Die Ausführungen des Sachverständigen zum wissenschaftlichen Standard sei nicht nachvollziehbar, da wissenschaftliche Untersuchungen zu Wirksamkeit von Physiotherapie und manueller Therapie bei Hämochromatose bislang nicht vorliegen würden. Eine Vergleichbarkeit der Schädigungen des beim Kläger vorliegenden Krankheitsbildes mit den Schädigungen der beiden angeführten Diagnosen aus dem Merkblatt sei nicht ohne Weiteres möglich. Entscheidend sei nicht die Diagnose allein, sondern der jeweils individuelle Behandlungsbedarf. Aus gutachterlicher Sicht sei es nicht wahrscheinlich, dass ein Jahr lang ausschließlich das Heilmittel manuelle Therapie erforderlich und zielführend sei.
Mit Urteil vom 15.08.2013 hat das SG der Klage stattgegeben und den Bescheid der Beklagten vom 08.03.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14.08.2012 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, die Langzeitverordnung des Dr. K. vom 13.02.2012 bis zum 12.02.2015 zu genehmigen. Das Gutachten des Dr. H. sei schlüssig und überzeugend. Maßgeblich sei die besondere Schwere der funktionellen und strukturellen Schädigungen des Bewegungsapparates. Die manuelle Therapie sei zur langfristigen Anwendung geeignet, wohingegen die Behandlungsmöglichkeiten nicht ausreichend und fachgerecht ausgeschöpft würden, wenn der Kläger nur auf allgemeine Krankengymnastik verwiesen werde. Das Merkblatt des GBA sei nicht Bestandteil der Heilmittel-Richtlinien. Abgesehen davon bestehe auch nach den Vorgaben des Merkblatts der Anspruch, denn auch dann, wenn der Vertragsarzt einen langfristigen Heilmittelbedarf feststelle und eine nicht in der Anlage gelistete Diagnose vorliege, komme im Einzelfall eine erforderliche langfristige Heilmittelbehandlung in Betracht. Schwere und Dauerhaftigkeit der Schädigungen seien mit den in der Anlage zum Merkblatt aufgeführten Diagnosen vergleichbar. Auch insoweit habe der gerichtliche Sachverständige nachvollziehbar und plausibel ausgeführt, dass diese Voraussetzungen vorliegen würden. Im Übrigen sei es unverständlich, wenn der Kläger, der bereits seit etwa 10 Jahren mehr oder weniger ununterbrochen manuelle Therapie zweimal wöchentlich auf Kosten der Beklagten erhalte, nun nicht zu dem Personenkreis gehören solle, für den der Gesetzgeber die Möglichkeit einer Langfristverordnung geschaffen habe.
Gegen das ihr am 09.09.2013 zugestellte Urteil des SG hat die Beklagte am 18.09.2013 Berufung beim Landessozialgericht Baden-Württemberg eingelegt. Das Merkblatt des GBA sei verbindlich. Ihm komme als Anhang zur Heilmittelrichtlinie der gleiche Stellenwert zu wie der Richtlinie selbst. Jedenfalls sei nach § 91 Abs 6 SGB V die Verbindlichkeit der Beschlüsse des GBA zu beachten. Die beim Kläger vorliegende Erkrankung sei mit dem im Merkblatt genannten Erkrankungen nicht vergleichbar, weil sie schubförmig verlaufe und unterschiedliche Gelenke in einer je nach Gelenk und Krankheitsschub unterschiedlichen Weise betreffe. Die Beklagte hat auf das MDK-Gutachten Dr. O. vom 04.04.2013 Bezug genommen. Die vom SG vorgenommene Befristung auf drei Jahre sei ebenfalls nicht nachvollziehbar. Genehmigungen langfristiger Heilmittelbehandlungen würden von der Beklagten in aller Regel auf ein Jahr befristet werden. Es sei nicht absehbar, welche Operationen in den kommenden Jahren etwa im Bereich der gegenwärtig stark betroffenen linken Schulter oder des immer noch beeinträchtigten linken Knies erforderlich seien und wie sich dann der Heilmittelbedarf darstelle.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 15.08.2013 aufzuheben und die Klage abzuweisen, hilfsweise Beweis zu erheben durch Beiziehung des Krankenhausberichts über die Knie-Operation vom 08.01.2014 und den stationären Aufenthalt sowie des Entlassungsberichts über die Reha-Maßnahme vom 21.01. bis 11.02.2014 zur Abklärung der weiteren Prognose.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Das Urteil des SG sei zutreffend. Unrichtig sei, dass die beim Kläger bestehende Erkrankung schubförmig verlaufe. Tatsächlich sei die Erkrankung mit ständigen, länger andauernden schmerzhaften Bewegungseinschränkungen verbunden und werde seit über 10 Jahren mit manueller Therapie und täglicher Einnahme von Schmerzmitteln behandelt. Der Sachverständige habe zutreffend ausgeführt, dass eine besondere Schwere der funktionellen und strukturellen Schädigungen des Bewegungsapparates vorliege und dass von einem langfristigen, dauerhaften und nicht reversiblen Zustand auszugehen sei. Welche rechtliche Qualität das Merkblatt aufweise, sei letztlich nicht entscheidend, denn auch bei angenommener Bindungswirkung würden die Voraussetzungen für die Langfristverordnung vorliegen, wie das SG zutreffend ausgeführt habe.
Der Senat hat Beweis erhoben durch die Einholung einer sachverständigen Stellungnahme bei Dr. H ... Dieser hat mit Schreiben vom 25.11.2013 (Blatt 20 Senatsakte) ausgeführt, dass die Indikationen und Behandlungstechniken der manuellen Therapie vielfältiger und spezifizierter seien als diejenigen der allgemeinen Krankengymnastik. Die Hämochromatose sei eine derart seltene Erkrankung, dass es keine größeren wissenschaftlich untersuchten Fallzahlen zu spezifischen Behandlungsfragen der Physiotherapie dieser Erkrankung geben könne. Bei den in der Anlage zum Merkblatt gelisteten Erkrankungen Glykogenspeicherkrankheiten und Marfan-Syndrom würden vergleichbare Gelenkfunktionsstörungen mit vergleichbarer Entstehungsursache und vergleichbarer Progredienz bestehen, entsprechend den beim Kläger vorliegenden Verhältnissen. Die vom MDK reklamierte engmaschige ärztliche Kontrolle finde statt. Die beim Kläger vorhandenen Gelenkdestruktionen und Funktionsausfälle seien von dauerhafter Natur, da der vorhandene Gendefekt ständig wirksam sei. Insofern handle es sich um eine Defensivposition der Therapie, die aus diesem Grund auch ständig fortgeführt werden müsse. Die medizinischen Voraussetzungen für die Genehmigung einer Langfristverordnung Physiotherapie im Sinne der manuellen Therapie seien auch unter Berücksichtigung des Merkblatts erfüllt.
Die Beklagte hat hierauf eine weitere sozialmedizinische gutachterliche Stellungnahme des MDK (Dr. O.) vom 19.12.2013 vorgelegt (Blatt 32 Senatsakte). Es würden keine wissenschaftlichen Belege dafür vorliegen, dass manuelle Therapie als Dauertherapie der allgemeinen Krankengymnastik und fallsweise manueller Therapie vorzuziehen sei. Es bestehe zwar ein langfristiger Heilmittelbehandlungsbedarf, die beantragte Genehmigung von ausschließlich manueller Therapie über mindestens ein Jahr hinaus werde nicht gesehen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die beigezogene Verwaltungsakte sowie die Gerichtsakten beider Instanzen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Beklagten hat keinen Erfolg.
Die nach den §§ 143, 144, 151 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist statthaft, zulässig aber unbegründet. Zu Recht hat das SG der Klage stattgegeben, die streitbefangenen Bescheide der Beklagten, die rechtwidrig waren und den Kläger in seinen Rechten verletzten, aufgehoben, und die Beklagte verurteilt, die Langfristverordnung des Dr. Klein vom 13.02.2012 bis zum 12.02.2015 zu genehmigen.
Der Kläger hat einen Anspruch auf Krankenbehandlung in Form der Versorgung mit dem Heilmittel "Manuelle Therapie". Er hat diesen Anspruch wegen der besonderen Schwere und Langfristigkeit seiner funktionellen/strukturellen Schädigungen, der Beeinträchtigungen der Aktivitäten und des nachvollziehbaren Therapiebedarfs auch langfristig iS von § 32 Abs 1a SGB V.
Versicherte der GKV haben gegen ihre Krankenkasse Anspruch auf die zu den gesetzlich festgelegten Zwecken notwendige Krankenbehandlung (§ 27 Abs 1 S 1 SGB V). Die Krankenbehandlung umfasst ua die Versorgung mit Heilmitteln (§ 11 Abs 1 Nr 4, § 27 Abs 1 S 2 Nr 3, § 32 SGB V). Der Behandlungs- und Versorgungsanspruch eines Versicherten unterliegt den sich aus § 2 Abs 1 und § 12 Abs 1 SGB V ergebenden Einschränkungen. Er umfasst nur solche Leistungen, die zweckmäßig und wirtschaftlich sind und deren Qualität und Wirksamkeit dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechen.
Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) entscheidet hierzu in Richtlinien gemäß § 92 Abs 1 S 1 SGB V über die ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten, auch speziell über die Verordnung von Heilmitteln (§ 92 Abs 1 S 2 Nr 6 iVm Abs 6 SGB V) sowie über die Einführung neuer Heilmittel (§ 138 SGB V; vgl BSGE 109, 116 = SozR 4-2500 § 125 Nr 7, RdNr 10). Durch diese Richtlinien wird auch der Umfang der den Versicherten von den Krankenkassen geschuldeten ambulanten Leistungen verbindlich festgelegt (vgl § 91 Abs 6 SGB V; BSGE 97, 190 = SozR 4-2500 § 27 Nr 12, RdNr 12 - LITT; BSGE 111, 137 = SozR 4-2500 § 13 Nr 25, RdNr 16; BSG SozR 4-2500 § 13 Nr 29 RdNr 13 - HBO, auch zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen, stRspr). Als Hilfeleistung einer nichtärztlichen Person darf die Leistung "Heilmittel" schließlich nur erbracht werden, wenn sie ärztlich angeordnet und verantwortet ist (§ 15 Abs 1 S 2 SGB V; zum Bedeutungsgehalt der vertragsärztlichen Verordnung vgl BSGE 109, 116 = SozR 4-2500 § 125 Nr 7, RdNr 13).
Versicherte mit langfristigem Behandlungsbedarf haben nach § 32 Abs 1a SGB V die Möglichkeit, sich auf Antrag die erforderlichen Heilmittel von der Krankenkasse für einen geeigneten Zeitraum genehmigen zu lassen. Das Nähere, insbesondere zu den Genehmigungsvoraussetzungen, regelt der G-BA in den Richtlinien nach § 92 Abs 1 S 2 Nr 6.
Die Heilmittel-RL des G-BA in der Fassung vom 20.01.2011/19.05.2011 (BAnz Nr 96, S 2247 vom 30.06.2011, abrufbar unter https://www.g-ba.de/downloads/62-492-532/HeilM-RL 2011-05-19 bf.pdf, abgerufen am 26.05.2014) erfasst in §§ 2 Abs 1 S 1 iVm § 19 Abs 3 Nr 7 die manuelle Therapie als Unterfall der Bewegungstherapie (Maßnahme der physikalischen Therapie).
§ 8 Abs 1 S 1 und 2 der Heilmittel-RL lautet: Lässt sich die Behandlung mit der nach Maßgabe des Heilmittelkatalogs bestimmten Gesamtverordnungsmenge nicht abschließen, sind weitere Verordnungen möglich (Verordnungen außerhalb des Regelfalls, insbesondere längerfristige Verordnungen). Solche Verordnungen bedürfen einer besonderen Begründung mit prognostischer Einschätzung.
§ 8 Abs 5 der Heilmittel-RL lautet: Auf Antrag der oder des Versicherten entscheidet die Krankenkasse darüber, ob der oder dem Versicherten wegen der sich aus der ärztlichen Begründung ergebenden besonderen Schwere und Langfristigkeit ihrer oder seiner funktionellen/strukturellen Schädigungen, der Beeinträchtigungen der Aktivitäten und des nachvollziehbaren Therapiebedarfs die insoweit verordnungsfähigen Leistungen in dem insoweit verordnungsfähigen Umfang langfristig genehmigt werden können. Die Genehmigung kann zeitlich befristet werden, soll aber mindestens ein Jahr umfassen.
Das Merkblatt des G-BA zur Genehmigung langfristiger Heilmittelbehandlungen nach § 32 Abs 1a SGB V in Verbindung mit § 8 Abs 5 Heilmittel-Richtlinie vom 22.11.2012 (KVS Mitteilungen 2012, Beilage Heft 12, 1-12; abrufbar unter https://www.g-ba.de/downloads/17-98-3382/2013-09-19 HeilM-RL Merkblatt%20mit%20Anlage.pdf, abgerufen am 26.05.2014), zuletzt geändert durch Beschluss des G-BA vom 19.09.2013, bestimmt unter D 3 c) Folgendes: "Stellt die Vertragsärztin oder der Vertragsarzt fest, dass bei der Patientin oder dem Patienten ein langfristiger Heilmittelbedarf aufgrund einer nicht in der Anlage gelisteten Diagnose vorliegt, kann die Patientin oder der Patient bei der Krankenkasse eine Genehmigung einer notwendigen langfristigen Heilmittelbehandlung beantragen. Eine Genehmigung kommt dann in Betracht, wenn Schwere und Dauerhaftigkeit der Schädigungen mit den in der Anlage aufgeführten Diagnosen vergleichbar ist."
Der Senat ist nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme davon überzeugt, dass die beim Kläger vorliegenden Schädigungen in Schwere und Dauerhaftigkeit mit den in der Anlage zum Merkblatt aufgeführten Diagnosen vergleichbar ist und dass eine langfristige Behandlung iS von § 8 Abs 5 Heilmittel-RL mit manueller Therapie geeignet und erforderlich ist, die Beschwerden zu lindern und den Krankheitsverlauf zu bremsen. Dies hat der Sachverständige Dr. Heinold nachvollziehbar und plausibel dargelegt. Der Sachverständige ist Arzt für Orthopädie, Sportmedizin, physikalische und rehabilitative Medizin ua und hat im Gutachten vom 23.11.2012 folgende beim Kläger vorliegende Gesundheitsstörungen beschrieben: - Hämochromatose mit Polyarthrose fast aller Gelenke, - Cervikalsyndrom bei Spondyl-/Uncarthrose und Osteochondrose besonders C4 bis Th1, - Omarthrose links, - Radiocarpalarthrose beidseits, - Polyarthrose beider Hände bzw Finger, - chronisches Lumbalsyndrom bei Skoliose rechts lumbal, - chronisches Lumbalsyndrom bei radiologischen Verschleißzeichen ganze LWS, - chronisches Lumbalsyndrom bei spinaler Stenose L4-S1 rechts und L3-S1 links, - Coxarthrose beidseits, - Panarthrose beider Kniegelenke, - Posttraumatische Arthrose des oberen Sprunggelenkes links, - Posttraumatische Arthrose des unteren Sprunggelenkes links und - Arthrose des oberen Sprunggelenkes rechts.
Nach den eingehenden Darlegungen des Sachverständigen, die für den Senat überzeugend sind, liegen infolge der Eisenspeicherkrankheit bereits multiple Funktionseinschränkungen des Bewegungsapparates im Sinne einer Polyarthrose vor. Die Hämochromatose-Arthropathie mit fortgeschrittenen und destruierenden Verschleißzeichen erfordert nach den überzeugenden Schlussfolgerungen des Sachverständigen eine langfristige, regelmäßige und intensive Physiotherapie zur Erhaltung der Funktionen des Bewegungsapparates, auch ggfs nach Einsatz von Endoprothesen, in jedem Fall so lange wie möglich. Dies gilt nach den differenzierten Ausführungen des Sachverständigen sowohl für die Grundbehandlung der Hämochromatose im Hinblick auf chronisch-degenerative Veränderungen als auch für akut entzündliche Schübe. Unter Berücksichtigung der vorliegenden Diagnosen besteht nach der für den Senat überzeugenden Schlussfolgerung Dr. Heinolds eine dauerhafte Indikation lebenslang für Physiotherapie iS der manuellen Therapie, die als passive Gelenkmobilisation, zur Behandlung von muskulären Verkettungssyndromen sowie zur mobilisierenden Behandlung des gelenksnahen Bindegewebes und der inserierenden Sehnen vorliegend indiziert ist. Die Auffassung des MDK, dass vorliegend – anders als jahrelang geschehen - ausreichend mit allgemeiner Krankengymnastik behandelt werden könne, hat den Senat nicht überzeugt. Nach den Behandlungsrichtlinien der Fachgesellschaften wird die manuelle Therapie, wie Dr. Heinold dargelegt hat, nicht nur im klassischen Sinne für die Behandlung von akuten Blockaden eingesetzt, sondern auch zur Behandlung wiederkehrender oder langfristiger Funktionsstörungen (Mobilisation). Dr. Obermann hat dies in seinen sozialmedizinischen MDK-Stellungnahmen vom 04.04.2013 und 19.12.2013 überdies selbst eingeräumt. Auch sei der Untersuchungsbefund des gerichtlichen Sachverständigen Dr. Heinolds nachvollziehbar und unstrittig. Es bestehe langfristiger Heilmittelbehandlungsbedarf beim Kläger. Schließlich hat der gerichtliche Sachverständige Dr. Heinold auch nachvollziehbar ausgeführt, dass die Indikationen und Behandlungstechniken der manuellen Therapie vielfältiger und spezifizierter sind als diejenigen der allgemeinen Krankengymnastik. Insofern handelt es sich um eine Defensivposition der Therapie, die aus diesem Grund auch ständig fortgeführt werden muss. Des Weiteren findet auch die vom MDK für erforderlich erachtete engmaschige ärztliche Kontrolle statt.
Die Sinnhaftigkeit der weiteren Ausführungen des MDK, wonach die Diagnosen aus dem Merkblatt des G-BA nicht ohne weiteres mit den beim Kläger vorliegenden Diagnosen verglichen werden könnten, erschließt sich dem Senat nicht, denn dies hat niemand behauptet bzw getan. Der gerichtliche Sachverständige hat, so wie es im Merkblatt verlangt ist, die Auswirkungen der Erkrankung des Klägers (Schwere und Dauerhaftigkeit der Schädigungen) untersucht. Er hat für den Senat überzeugend ausgeführt, dass bei den in der Anlage zum Merkblatt gelisteten Erkrankungen Glykogenspeicherkrankheiten und Marfan-Syndrom vergleichbare Gelenkfunktionsstörungen mit vergleichbarer Progredienz vorliegen, entsprechend den beim Kläger vorliegenden Verhältnissen.
Soweit Dr. Obermann ausführt, eine Indikation für die beantragte Genehmigung von ausschließlich manueller Therapie über mindestens ein Jahr hinaus werde nicht gesehen, folgt der Senat dem nicht. Alle Ärzte sind sich darin einig, dass ein langfristiger Heilmittelbehandlungsbedarf beim Kläger besteht. Die Indikation für eine Langfristverordnung beruht darauf, wie Dr. Heinold überzeugend dargelegt hat, dass die Grunderkrankung nicht heilbar ist und die durch die Grunderkrankung eingetretenen Veränderungen des Bewegungsapparates sich beim Kläger in einem fortgeschrittenen Stadium befinden, wie bereits oben ausgeführt. Es liegen bereits multiple Funktionseinschränkungen des Bewegungsapparates im Sinne einer Polyarthrose vor. Wegen der Hämochromatose-Arthropathie mit fortgeschrittenen und destruierenden Verschleißzeichen besteht nach der für den Senat überzeugenden Schlussfolgerung Dr. Heinolds eine dauerhafte Indikation lebenslang für Physiotherapie iS der manuellen Therapie. Die Schädigungen und Beeinträchtigungen sind nicht reversibel und werden auf Dauer bestehen. Es geht vorliegend nicht um vollständige Heilung, sondern um eine Linderung der besonderen Schwere der funktionellen und strukturellen Schädigungen des Bewegungsapparates und der Beeinträchtigung der Aktivitäten iS einer defensiven Behandlung, iS eines Abbremsens des Krankheitsverlaufs. Auch dies ist entgegen der Auffassung des MDK Gegenstand der manuellen Therapie. So ist zB auch die muskuläre und reflektorische Stabilisierung der Gelenke zur Schmerzlinderung Teil des Anwendungsbereichs der manuellen Therapie (Krämer/Nentwig, Orthopädische Schmerztherapie, S. 48). Dies ergibt sich auch aus dem vom Kläger vorgelegten VdAK-Rahmenvertrag (Bl. 4 SG-Akte). Dort sind in der Leistungsbeschreibung der manuellen Therapie nicht nur reversible Störungen genannt, sondern auch Bewegungsstörungen der WS, Schmerzlinderung bei arthrogenen Störungen, Einwirkung auf Gelenkrezeptoren, u.a.
Der vom SG ausgesprochene Zeitraum von 3 Jahren ist sachgerecht und geeignet iS von § 32 Abs 1a SGB V. Soweit die Beklagte selbst vorgebracht hat, Genehmigungen langfristiger Heilmittelbehandlungen würden von ihr in der Regel auf ein Jahr befristet, steht dies nicht in Einklang mit § 8 Abs 5 S 2 Heilmittel-RL. Die Genehmigung kann danach zwar zeitlich befristet werden, soll aber "mindestens ein Jahr" umfassen und nicht "bis zu einem Jahr", wie es die Beklagte nach eigenem Vorbringen handhabt. Dies ist rechtswidrig.
Dem in der mündlichen Verhandlung gestellten Antrag der Beklagten, weitere Befundberichte wegen der im Januar 2014 stattgefundenen Knie-Operation rechts einzuholen, war nicht nachzukommen, da insoweit kein konkretes Beweisthema benannt ist, sondern ein Ausforschungsbeweis vorliegt. Ein unzulässiger Ausforschungsbeweis liegt im sozialgerichtlichen Verfahren vor, wenn ihm die Bestimmtheit bei der Angabe der Tatsachen oder Beweismittel fehlt, oder aber der Beweisführer erst aus der Beweisaufnahme die Grundlage für weitere Behauptungen gewinnen will (vgl BSG 19.11.2009, B 13 R 303/09 B (juris); 19.20.2011, B 13 R 33/11 R, NZS 2012, 230). Letzteres ist der Fall. "Zur Abklärung der weiteren Prognose" ist zu unbestimmt und lässt nicht erkennen, zum Beweis welcher Tatsache sachverständige Zeugen befragt werden sollen. Im Übrigen kommt es auf die weitere Prognose am rechten Kniegelenk auch nicht an. Aufgrund der chronisch-progredienten Grunderkrankung wurden dem Kläger bereits 2003 und 2005 beide Hüften und 2009 das linke Kniegelenk ersetzt, ohne dass dies zu einer Unterbrechung der manuellen Therapie geführt hätte. Auch führt eine Behandlung am linken Knie nicht dazu, dass die am gesamten übrigen Bewegungsapparat vorliegende Polyarthrose entfällt. An der oben dargelegten Erforderlichkeit der langfristigen manuellen Therapie ändert die OP am rechten Knie und die durchgeführte Anschluss-Reha nichts.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs 2 Nr 1 und 2 SGG).
Tatbestand:
Streitig ist, ob der Kläger einen Anspruch auf eine sogenannte Langfristverordnung von Heilmitteln hat.
Der Kläger ist am 07.10.1951 geboren. Er leidet seit über zehn Jahren an Hämochromatose (Eisenspeicherkrankheit) mit Polyarthrose fast aller Gelenke und erhält bereits seit Jahren fortlaufend manuelle Therapie. Bei ihm ist ein Grad der Behinderung (GdB) von 100 % mit Merkzeichen "aG" festgestellt. Aufgrund der chronisch-progredienten Grunderkrankung wurden dem Kläger 2003 und 2005 beide Hüften, 2009 das linke und 2014 das rechte Kniegelenk ersetzt.
Mit Schreiben vom 20.02.2012 legt er eine Heilmittelverordnung des behandelnden Chirurgen und Orthopäden Dr. K., F. vom 13.02.2012 über sechs Einheiten manuelle Therapie, jeweils zwei Termine pro Woche, vor. Dr. K. führte aus, dass ein Antrag auf längerfristige Genehmigung gestellt werde, da eine dauerhafte, schwere Behinderung mit nachgewiesenen massiven funktionellen und strukturellen Schädigungen inklusive endoprothetischer Versorgung beider Hüftgelenke und des linken Kniegelenks vorliege. Langfristig drohe eine Verschlechterung, aktuell drohe eine Endoprothese an der linken Schulter bei massiver Gonarthrose mit Verdacht auf Cuff-Arthropathie.
Auf Rückfrage der Beklagten teilte der Kläger mit, dass er seit mehreren Jahren regelmäßig manuelle Therapie erhalte, etwa zweimal wöchentlich aufgrund multipler Arthrose.
Die Beklagte veranlasste eine sozialmedizinische Beurteilung beim Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK). Dr. C. führte unter dem 05.03.2012 aus, dass aufgrund der bisherigen Angaben eine prognostische Einschätzung nicht möglich sei. Nach der Heilmittel-Richtlinie sei jedoch eine besondere Begründung mit prognostischer Einschätzung erforderlich. Zur vorliegenden Schädigung und der daraus resultierenden Beeinträchtigung könne aus sozialmedizinischer Sicht derzeit keine Angabe gemacht werden.
Die Beklagte lehnte hierauf mit Bescheid vom 08.03.2012 die beantragte Langfristverordnung ab (Blatt 10 Verw.-Akte).
Hiergegen erhob der Kläger mit Schreiben vom 16.03.2012 Widerspruch und legte ein Schreiben des behandelnden Chirurgen und Orthopäden Dr. K. vom 14.04.2012 (Blatt 15 Verw.-Akte) vor. Dr. K. führte aus, dass es aufgrund der schweren Grunderkrankung zu massiven Einschränkungen der Teilhabe gekommen sei. Die Wirbelsäule insgesamt sei stark arthrotisch und degenerativ verändert. Entsprechendes gelte für die Sprunggelenke, die Hand-, Finger-, Fuß- und Zehengelenke. Dr. K. übersandte Meßblätter für die Wirbelsäule und die oberen und unteren Gliedmaßen, in denen nach der Neutral-0-Methode Bewegungseinschränkungen dokumentiert sind.
Die Beklagte veranlasste eine weitere Stellungnahme beim MDK. Dr. C. führte unter dem 22.05.2012 (Blatt 26 Verw.-Akte) aus, dass die übermittelten Informationen nicht ausreichend seien, um eine prognostische Einschätzung, insbesondere im Hinblick auf eine drohende Verschlechterung, zu prüfen.
Die Beklagte veranlasste eine sozialmedizinische Begutachtung nach Aktenlage beim MDK. Unter dem 04.07.2012 (Blatt 38 Verw.-Akte) führte Dr. O. aus, dass der manuellen Therapie ein komplexes Untersuchungs- und Behandlungskonzept von reversiblen Bewegungsstörungen der Funktionseinheit Gelenk, Muskulatur und Nerv zugrunde liege. Die Grunderkrankung des Klägers sei durch eine übermäßige Speicherung von Eisen gekennzeichnet. Häufig seien auch Gelenke betroffen, überwiegend in Form von degenerativen Veränderungen, auch entzündlichen Gelenksreaktionen, ähnlich einer rheumatoiden Arthritis. Der Kläger leide bereits erheblich an multiplen degenerativen Gelenkveränderungen, insbesondere der Hüft- und Kniegelenke, der Schultergelenke, auch der Sprung- und Fingergelenke. Außerdem würden degenerative Veränderungen der Wirbelsäule einschließlich einer Spinalkanalstenose mitgeteilt. Es würden nachvollziehbar bereits erhebliche Beeinträchtigungen vorliegen. Auch ein vom Kläger durchgeführtes regelmäßiges und angepasstes Eigentraining sei nicht ausreichend, eine Verbesserung oder Stabilisierung zu erreichen. Die Notwendigkeit einer häufigen und auch außerhalb des Regelfalls durchzuführenden Heilmitteltherapie könne prinzipiell nachvollzogen werden. Die Veränderungen infolge der Hämochromatose könnten zwar formal nicht als "reversible Funktionsstörungen" bezeichnet werden und würden als solche keine primäre Indikation für manuelle Therapie darstellen. Dennoch könne es zu "Blockierungen" oder kurzfristigen und dann reversiblen Funktionsstörungen infolge der degenerativen Veränderungen kommen, so dass in diesen Fällen das Heilmittel "Manuelle Therapie" indiziert sein könne. Die manuelle Therapie stelle jedoch keine Dauerbehandlung degenerativer Gelenkerkrankungen dar. Daher könne im konkreten Fall weder eine Dauertherapie mit manueller Therapie außerhalb des Regelfalles (§ 8 Abs 4 der Heilmittel-Richtlinien) noch die langfristige Genehmigung dieses speziellen Heilmittels (§ 8 Abs 5 Heilmittel-Richtlinien) nachvollzogen werden. Der Kläger bedürfe jedoch weiterhin einer regelmäßigen Heilmitteltherapie, auch außerhalb des Regelfalles. Insoweit sei allgemeine Krankengymnastik ausreichend, diese könne auch im Bewegungsbad durchgeführt werden. Bei zusätzlichen Funktionsstörungen könne weiterhin auch manuelle Therapie eingesetzt werden.
Der Kläger legte ein weiteres Schreiben Dr. K. vom 30.07.2012 zur Frage der Abgrenzung von Krankengymnastik und manueller Therapie vor (Blatt 44 Verw.-Akte).
Die Beklagte wies mit Widerspruchsbescheid vom 14.08.2012 den Widerspruch als unbegründet zurück. Zwar hätten Versicherte mit langfristigem Behandlungsbedarf nach § 32 Abs 1a Fünftes Bund Sozialgesetzbuch (Gesetzliche Krankenversicherung, SGB V) die Möglichkeit, sich auf Antrag die erforderlichen Heilmittel von der Krankenkasse für einen längeren geeigneten Zeitraum genehmigen zu lassen. Das nähere hierzu habe der Gemeinsame Bundesausschuss in der Heilmittel-Richtlinie geregelt. Jedoch würden die Voraussetzungen des § 8 Abs 5 der Heilmittel-Richtlinien nicht vorliegen. Eine Dauerbehandlung mit manueller Therapie sei nicht indiziert. Die erforderliche regelmäßige Behandlung könne mit allgemeiner Krankengymnastik erfolgen.
Hiergegen hat der Kläger am 13.09.2012 Klage zum Sozialgericht Freiburg (SG) erhoben und zur Begründung Arztbriefe der chirurgischen Abteilung des B.-K.-Krankenhauses W. vom 27.03.2009 und 09.12.2009 und des Neurochirurgen Dr. B. vom 21.04.2010 vorgelegt. Er hat darauf hingewiesen, dass der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) im Merkblatt über die Genehmigung langfristiger Heilmittelbehandlungen nach § 32 Abs 1a SGB V iVm § 8 Abs 5 Richtlinie über die Verordnung von Heilmitteln in der vertragsärztlichen Versorgung (Heilmittel-RL) die Möglichkeit einer Einzelfallbetrachtung bei nichtgelisteten Diagnosen eröffnet habe, wenn schwere und Dauerhaftigkeit der Schädigungen mit den in der Anlage zum Merkblatt aufgeführten Diagnosen vergleichbar sei. Der Kläger hat mitgeteilt, dass er seit September 2002 mit wenigen Unterbrechungen und mit Wissen der Beklagten dauernd mit manueller Therapie behandelt werde. Es sei unverständlich, nachdem der Gesetzgeber die Möglichkeit einer Langzeitgenehmigung geschaffen habe, warum diese abgelehnt werde. Es sei zu befürchten, dass er ohne Langzeitgenehmigung künftig nicht mehr ausreichend mit Heilmitteln außerhalb des Regelfalles versorgt werde, da die Ärzte das Regressrisiko zu fürchten hätten.
Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat auf die Begründungen der angefochtenen Bescheide Bezug genommen. Die Voraussetzungen für die Erteilung einer Genehmigung einer langfristigen Heilmittelbehandlung seien nicht erfüllt. Das Merkblatt sei verbindlich.
Das SG hat Beweis erhoben durch die Einholung eines Sachverständigengutachtens bei dem Arzt für Orthopädie, Sportmedizin, physikalische und rehabilitative Medizin ua Dr. H., F ... Im Gutachten vom 23.11.2012 beschrieb Dr. H. folgende Gesundheitsstörungen beim Kläger: - Hämochromatose mit Polyarthrose fast aller Gelenke, - Cervikalsyndrom bei Spondyl-/Uncarthrose und Osteochondrose besonders C4 bis Th1, - Omarthrose links, - Radiocarpalarthrose beidseits, - Polyarthrose beider Hände bzw Finger, - chronisches Lumbalsyndrom bei Skoliose rechts lumbal, - chronisches Lumbalsyndrom bei radiologischen Verschleißzeichen ganze LWS, - chronisches Lumbalsyndrom bei spinaler Stenose L4-S1 rechts und L3-S1 links, - Coxarthrose beidseits, - Panarthrose beider Kniegelenke, - Posttraumatische Arthrose des oberen Sprunggelenkes links, - Posttraumatische Arthrose des unteren Sprunggelenkes links und - Arthrose des oberen Sprunggelenkes rechts. Es würden multiple Funktionseinschränkungen des Bewegungsapparates im Sinne einer Polyarthrose vorliegen. Die Betonung der Symptome liege auf der Hämochromatose-Arthropathie mit fortgeschrittenen und destruierenden Verschleißzeichen im Sinne der Arthrose. Sowohl die Grundbehandlung der Hämochromatose im Hinblick auf die chronisch-degenerativen Veränderungen als auch der akut entzündliche Schub bedürfe der intensiven und regelmäßigen Physiotherapie zur Erhaltung der Funktionen des Bewegungsapparates auch ggfs nach Einsatz von Endoprothesen so lange wie möglich. Die gleichzeitige Behandlung mit Aderlässen oder eisenbindenden Medikamenten habe auf die Funktion des Bewegungsapparates keinen ausreichenden Einfluss, weshalb der Physiotherapie eine zentrale Bedeutung zukomme. Unter Berücksichtigung der vorliegenden Diagnosen bestehe eine dauerhafte Indikation lebenslang für Physiotherapie. Aus fachlicher Sicht sei die manuelle Therapie als passive Gelenkmobilisation, zur Behandlung von muskulären Verkettungssydromen sowie zur mobilisierenden Behandlung des gelenksnahen Bindegewebes und der inserierenden Sehnen eindeutig indiziert. Die Auffassung des MDK, dass vorliegend ausreichend mit allgemeiner Krankengymnastik behandelt werden könne, sei unzutreffend und entspreche nicht dem aktuellen wissenschaftlichen Stand. Bei Behandlungen nur mit allgemeiner Krankengymnastik werde fehlerhaft die Palette der physiotherapeutischen Behandlungsmöglichkeiten der Hämochromatose nicht ausreichend und fachgerecht ausgeschöpft, was die Gefahr eines ungünstigeren Krankheitsverlaufes erheblich verstärke. Auch die Auffassung des MDK, dass die manuelle Therapie lediglich für die Behandlung reversibler Funktionsstörungen indiziert sei, entspreche nicht dem aktuellen wissenschaftlichen Standard. Nach den derzeit gültigen Behandlungsrichtlinien der Fachgesellschaften werde die manuelle Therapie nicht nur im klassischen Sinne für die Behandlung von akuten Blockaden eingesetzt, sondern auch zur Behandlung wiederkehrender oder langfristiger Funktionsstörungen (Mobilisation). Eine Beschränkung der Indikation für manuelle Therapie auf die kurzfristig und zufällig eintretenden Blockierungen seien nach dem derzeitigen wissenschaftlichen Standard nicht gerechtfertigt. Die Indikation für eine Langfristverordnung beruhe darauf, dass die Grunderkrankung nicht heilbar sei und die durch die Grunderkrankung eingetretenen Veränderungen des Bewegungsapparates sich beim Kläger in einem fortgeschrittenen Stadium befänden, welche ua auch mehrfach größere operative Eingriffe erforderlich gemacht hätten. Auch unter Zugrundelegung der Voraussetzungen des § 8 Abs 5 der Heilmittel-Richtlinie ergebe sich fachärztlicherseits eine klare Indikation für die Langfristverordnung, da eine besondere Schwere der funktionellen und strukturellen Schädigungen des Bewegungsapparates und der Beeinträchtigung der Aktivitäten bestehe. Diese Schädigungen und Beeinträchtigungen seien aufgrund ihrer degenerativen Natur nicht reversibel und würden erkennbar langfristig und auf Dauer bestehen.
Das SG hat nach Bekanntwerden des Merkblattes des G-BA vom 22.11.2012 eine ergänzende Stellungnahme des Sachverständigen veranlasst zur Frage, ob Schwere und Dauerhaftigkeit der Schädigungen die beim Kläger vorliegen, mit den in der Anlage zum Merkblatt aufgeführten Diagnosen vergleichbar seien.
Mit Schreiben vom 05.03.2013 führte Dr. H. aus, dass die funktionellen Auswirkungen der beim Kläger anlässlich der Begutachtung festgestellten Diagnosen aus fachorthopädischer Sicht vergleichbar mit denjenigen der in der Anlage aufgeführten Diagnosen seien. Insbesondere unter Berücksichtigung des Umstandes, dass die vorhandenen Diagnosen mit ihren funktionellen Auswirkungen sich gegenseitig verstärkten und ergänzten, bestehe beim Kläger ein Zustand iS einer funktionellen Gesamtbeeinträchtigung, wie er beispielsweise bei der Glykogenspeicherkrankheit oder beim Marfan-Syndrom vorliege. Diese beiden Erkrankungen seien in der Anlage zum Merkblatt des G-BA aufgelistet. Die Voraussetzungen der im Merkblatt des G-BA genannten Einzelfall-Beantragung bei nicht gelisteten Diagnosen würden vorliegen.
Die Beklagte legte eine sozialmedizinische Stellungnahme des MDK (Dr. O.) vom 04.04.2013 vor. Es sei zwar richtig, dass die manuelle Therapie nicht nur bei Blockaden eingesetzt werde, sondern auch zur Behandlung wiederkehrender oder langfristiger Funktionsstörungen (Mobilisation). Auch sei der Untersuchungsbefund Dr. H. nachvollziehbar und unstrittig. Die Ausführungen des Sachverständigen zum wissenschaftlichen Standard sei nicht nachvollziehbar, da wissenschaftliche Untersuchungen zu Wirksamkeit von Physiotherapie und manueller Therapie bei Hämochromatose bislang nicht vorliegen würden. Eine Vergleichbarkeit der Schädigungen des beim Kläger vorliegenden Krankheitsbildes mit den Schädigungen der beiden angeführten Diagnosen aus dem Merkblatt sei nicht ohne Weiteres möglich. Entscheidend sei nicht die Diagnose allein, sondern der jeweils individuelle Behandlungsbedarf. Aus gutachterlicher Sicht sei es nicht wahrscheinlich, dass ein Jahr lang ausschließlich das Heilmittel manuelle Therapie erforderlich und zielführend sei.
Mit Urteil vom 15.08.2013 hat das SG der Klage stattgegeben und den Bescheid der Beklagten vom 08.03.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14.08.2012 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, die Langzeitverordnung des Dr. K. vom 13.02.2012 bis zum 12.02.2015 zu genehmigen. Das Gutachten des Dr. H. sei schlüssig und überzeugend. Maßgeblich sei die besondere Schwere der funktionellen und strukturellen Schädigungen des Bewegungsapparates. Die manuelle Therapie sei zur langfristigen Anwendung geeignet, wohingegen die Behandlungsmöglichkeiten nicht ausreichend und fachgerecht ausgeschöpft würden, wenn der Kläger nur auf allgemeine Krankengymnastik verwiesen werde. Das Merkblatt des GBA sei nicht Bestandteil der Heilmittel-Richtlinien. Abgesehen davon bestehe auch nach den Vorgaben des Merkblatts der Anspruch, denn auch dann, wenn der Vertragsarzt einen langfristigen Heilmittelbedarf feststelle und eine nicht in der Anlage gelistete Diagnose vorliege, komme im Einzelfall eine erforderliche langfristige Heilmittelbehandlung in Betracht. Schwere und Dauerhaftigkeit der Schädigungen seien mit den in der Anlage zum Merkblatt aufgeführten Diagnosen vergleichbar. Auch insoweit habe der gerichtliche Sachverständige nachvollziehbar und plausibel ausgeführt, dass diese Voraussetzungen vorliegen würden. Im Übrigen sei es unverständlich, wenn der Kläger, der bereits seit etwa 10 Jahren mehr oder weniger ununterbrochen manuelle Therapie zweimal wöchentlich auf Kosten der Beklagten erhalte, nun nicht zu dem Personenkreis gehören solle, für den der Gesetzgeber die Möglichkeit einer Langfristverordnung geschaffen habe.
Gegen das ihr am 09.09.2013 zugestellte Urteil des SG hat die Beklagte am 18.09.2013 Berufung beim Landessozialgericht Baden-Württemberg eingelegt. Das Merkblatt des GBA sei verbindlich. Ihm komme als Anhang zur Heilmittelrichtlinie der gleiche Stellenwert zu wie der Richtlinie selbst. Jedenfalls sei nach § 91 Abs 6 SGB V die Verbindlichkeit der Beschlüsse des GBA zu beachten. Die beim Kläger vorliegende Erkrankung sei mit dem im Merkblatt genannten Erkrankungen nicht vergleichbar, weil sie schubförmig verlaufe und unterschiedliche Gelenke in einer je nach Gelenk und Krankheitsschub unterschiedlichen Weise betreffe. Die Beklagte hat auf das MDK-Gutachten Dr. O. vom 04.04.2013 Bezug genommen. Die vom SG vorgenommene Befristung auf drei Jahre sei ebenfalls nicht nachvollziehbar. Genehmigungen langfristiger Heilmittelbehandlungen würden von der Beklagten in aller Regel auf ein Jahr befristet werden. Es sei nicht absehbar, welche Operationen in den kommenden Jahren etwa im Bereich der gegenwärtig stark betroffenen linken Schulter oder des immer noch beeinträchtigten linken Knies erforderlich seien und wie sich dann der Heilmittelbedarf darstelle.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 15.08.2013 aufzuheben und die Klage abzuweisen, hilfsweise Beweis zu erheben durch Beiziehung des Krankenhausberichts über die Knie-Operation vom 08.01.2014 und den stationären Aufenthalt sowie des Entlassungsberichts über die Reha-Maßnahme vom 21.01. bis 11.02.2014 zur Abklärung der weiteren Prognose.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Das Urteil des SG sei zutreffend. Unrichtig sei, dass die beim Kläger bestehende Erkrankung schubförmig verlaufe. Tatsächlich sei die Erkrankung mit ständigen, länger andauernden schmerzhaften Bewegungseinschränkungen verbunden und werde seit über 10 Jahren mit manueller Therapie und täglicher Einnahme von Schmerzmitteln behandelt. Der Sachverständige habe zutreffend ausgeführt, dass eine besondere Schwere der funktionellen und strukturellen Schädigungen des Bewegungsapparates vorliege und dass von einem langfristigen, dauerhaften und nicht reversiblen Zustand auszugehen sei. Welche rechtliche Qualität das Merkblatt aufweise, sei letztlich nicht entscheidend, denn auch bei angenommener Bindungswirkung würden die Voraussetzungen für die Langfristverordnung vorliegen, wie das SG zutreffend ausgeführt habe.
Der Senat hat Beweis erhoben durch die Einholung einer sachverständigen Stellungnahme bei Dr. H ... Dieser hat mit Schreiben vom 25.11.2013 (Blatt 20 Senatsakte) ausgeführt, dass die Indikationen und Behandlungstechniken der manuellen Therapie vielfältiger und spezifizierter seien als diejenigen der allgemeinen Krankengymnastik. Die Hämochromatose sei eine derart seltene Erkrankung, dass es keine größeren wissenschaftlich untersuchten Fallzahlen zu spezifischen Behandlungsfragen der Physiotherapie dieser Erkrankung geben könne. Bei den in der Anlage zum Merkblatt gelisteten Erkrankungen Glykogenspeicherkrankheiten und Marfan-Syndrom würden vergleichbare Gelenkfunktionsstörungen mit vergleichbarer Entstehungsursache und vergleichbarer Progredienz bestehen, entsprechend den beim Kläger vorliegenden Verhältnissen. Die vom MDK reklamierte engmaschige ärztliche Kontrolle finde statt. Die beim Kläger vorhandenen Gelenkdestruktionen und Funktionsausfälle seien von dauerhafter Natur, da der vorhandene Gendefekt ständig wirksam sei. Insofern handle es sich um eine Defensivposition der Therapie, die aus diesem Grund auch ständig fortgeführt werden müsse. Die medizinischen Voraussetzungen für die Genehmigung einer Langfristverordnung Physiotherapie im Sinne der manuellen Therapie seien auch unter Berücksichtigung des Merkblatts erfüllt.
Die Beklagte hat hierauf eine weitere sozialmedizinische gutachterliche Stellungnahme des MDK (Dr. O.) vom 19.12.2013 vorgelegt (Blatt 32 Senatsakte). Es würden keine wissenschaftlichen Belege dafür vorliegen, dass manuelle Therapie als Dauertherapie der allgemeinen Krankengymnastik und fallsweise manueller Therapie vorzuziehen sei. Es bestehe zwar ein langfristiger Heilmittelbehandlungsbedarf, die beantragte Genehmigung von ausschließlich manueller Therapie über mindestens ein Jahr hinaus werde nicht gesehen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die beigezogene Verwaltungsakte sowie die Gerichtsakten beider Instanzen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Beklagten hat keinen Erfolg.
Die nach den §§ 143, 144, 151 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist statthaft, zulässig aber unbegründet. Zu Recht hat das SG der Klage stattgegeben, die streitbefangenen Bescheide der Beklagten, die rechtwidrig waren und den Kläger in seinen Rechten verletzten, aufgehoben, und die Beklagte verurteilt, die Langfristverordnung des Dr. Klein vom 13.02.2012 bis zum 12.02.2015 zu genehmigen.
Der Kläger hat einen Anspruch auf Krankenbehandlung in Form der Versorgung mit dem Heilmittel "Manuelle Therapie". Er hat diesen Anspruch wegen der besonderen Schwere und Langfristigkeit seiner funktionellen/strukturellen Schädigungen, der Beeinträchtigungen der Aktivitäten und des nachvollziehbaren Therapiebedarfs auch langfristig iS von § 32 Abs 1a SGB V.
Versicherte der GKV haben gegen ihre Krankenkasse Anspruch auf die zu den gesetzlich festgelegten Zwecken notwendige Krankenbehandlung (§ 27 Abs 1 S 1 SGB V). Die Krankenbehandlung umfasst ua die Versorgung mit Heilmitteln (§ 11 Abs 1 Nr 4, § 27 Abs 1 S 2 Nr 3, § 32 SGB V). Der Behandlungs- und Versorgungsanspruch eines Versicherten unterliegt den sich aus § 2 Abs 1 und § 12 Abs 1 SGB V ergebenden Einschränkungen. Er umfasst nur solche Leistungen, die zweckmäßig und wirtschaftlich sind und deren Qualität und Wirksamkeit dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechen.
Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) entscheidet hierzu in Richtlinien gemäß § 92 Abs 1 S 1 SGB V über die ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten, auch speziell über die Verordnung von Heilmitteln (§ 92 Abs 1 S 2 Nr 6 iVm Abs 6 SGB V) sowie über die Einführung neuer Heilmittel (§ 138 SGB V; vgl BSGE 109, 116 = SozR 4-2500 § 125 Nr 7, RdNr 10). Durch diese Richtlinien wird auch der Umfang der den Versicherten von den Krankenkassen geschuldeten ambulanten Leistungen verbindlich festgelegt (vgl § 91 Abs 6 SGB V; BSGE 97, 190 = SozR 4-2500 § 27 Nr 12, RdNr 12 - LITT; BSGE 111, 137 = SozR 4-2500 § 13 Nr 25, RdNr 16; BSG SozR 4-2500 § 13 Nr 29 RdNr 13 - HBO, auch zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen, stRspr). Als Hilfeleistung einer nichtärztlichen Person darf die Leistung "Heilmittel" schließlich nur erbracht werden, wenn sie ärztlich angeordnet und verantwortet ist (§ 15 Abs 1 S 2 SGB V; zum Bedeutungsgehalt der vertragsärztlichen Verordnung vgl BSGE 109, 116 = SozR 4-2500 § 125 Nr 7, RdNr 13).
Versicherte mit langfristigem Behandlungsbedarf haben nach § 32 Abs 1a SGB V die Möglichkeit, sich auf Antrag die erforderlichen Heilmittel von der Krankenkasse für einen geeigneten Zeitraum genehmigen zu lassen. Das Nähere, insbesondere zu den Genehmigungsvoraussetzungen, regelt der G-BA in den Richtlinien nach § 92 Abs 1 S 2 Nr 6.
Die Heilmittel-RL des G-BA in der Fassung vom 20.01.2011/19.05.2011 (BAnz Nr 96, S 2247 vom 30.06.2011, abrufbar unter https://www.g-ba.de/downloads/62-492-532/HeilM-RL 2011-05-19 bf.pdf, abgerufen am 26.05.2014) erfasst in §§ 2 Abs 1 S 1 iVm § 19 Abs 3 Nr 7 die manuelle Therapie als Unterfall der Bewegungstherapie (Maßnahme der physikalischen Therapie).
§ 8 Abs 1 S 1 und 2 der Heilmittel-RL lautet: Lässt sich die Behandlung mit der nach Maßgabe des Heilmittelkatalogs bestimmten Gesamtverordnungsmenge nicht abschließen, sind weitere Verordnungen möglich (Verordnungen außerhalb des Regelfalls, insbesondere längerfristige Verordnungen). Solche Verordnungen bedürfen einer besonderen Begründung mit prognostischer Einschätzung.
§ 8 Abs 5 der Heilmittel-RL lautet: Auf Antrag der oder des Versicherten entscheidet die Krankenkasse darüber, ob der oder dem Versicherten wegen der sich aus der ärztlichen Begründung ergebenden besonderen Schwere und Langfristigkeit ihrer oder seiner funktionellen/strukturellen Schädigungen, der Beeinträchtigungen der Aktivitäten und des nachvollziehbaren Therapiebedarfs die insoweit verordnungsfähigen Leistungen in dem insoweit verordnungsfähigen Umfang langfristig genehmigt werden können. Die Genehmigung kann zeitlich befristet werden, soll aber mindestens ein Jahr umfassen.
Das Merkblatt des G-BA zur Genehmigung langfristiger Heilmittelbehandlungen nach § 32 Abs 1a SGB V in Verbindung mit § 8 Abs 5 Heilmittel-Richtlinie vom 22.11.2012 (KVS Mitteilungen 2012, Beilage Heft 12, 1-12; abrufbar unter https://www.g-ba.de/downloads/17-98-3382/2013-09-19 HeilM-RL Merkblatt%20mit%20Anlage.pdf, abgerufen am 26.05.2014), zuletzt geändert durch Beschluss des G-BA vom 19.09.2013, bestimmt unter D 3 c) Folgendes: "Stellt die Vertragsärztin oder der Vertragsarzt fest, dass bei der Patientin oder dem Patienten ein langfristiger Heilmittelbedarf aufgrund einer nicht in der Anlage gelisteten Diagnose vorliegt, kann die Patientin oder der Patient bei der Krankenkasse eine Genehmigung einer notwendigen langfristigen Heilmittelbehandlung beantragen. Eine Genehmigung kommt dann in Betracht, wenn Schwere und Dauerhaftigkeit der Schädigungen mit den in der Anlage aufgeführten Diagnosen vergleichbar ist."
Der Senat ist nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme davon überzeugt, dass die beim Kläger vorliegenden Schädigungen in Schwere und Dauerhaftigkeit mit den in der Anlage zum Merkblatt aufgeführten Diagnosen vergleichbar ist und dass eine langfristige Behandlung iS von § 8 Abs 5 Heilmittel-RL mit manueller Therapie geeignet und erforderlich ist, die Beschwerden zu lindern und den Krankheitsverlauf zu bremsen. Dies hat der Sachverständige Dr. Heinold nachvollziehbar und plausibel dargelegt. Der Sachverständige ist Arzt für Orthopädie, Sportmedizin, physikalische und rehabilitative Medizin ua und hat im Gutachten vom 23.11.2012 folgende beim Kläger vorliegende Gesundheitsstörungen beschrieben: - Hämochromatose mit Polyarthrose fast aller Gelenke, - Cervikalsyndrom bei Spondyl-/Uncarthrose und Osteochondrose besonders C4 bis Th1, - Omarthrose links, - Radiocarpalarthrose beidseits, - Polyarthrose beider Hände bzw Finger, - chronisches Lumbalsyndrom bei Skoliose rechts lumbal, - chronisches Lumbalsyndrom bei radiologischen Verschleißzeichen ganze LWS, - chronisches Lumbalsyndrom bei spinaler Stenose L4-S1 rechts und L3-S1 links, - Coxarthrose beidseits, - Panarthrose beider Kniegelenke, - Posttraumatische Arthrose des oberen Sprunggelenkes links, - Posttraumatische Arthrose des unteren Sprunggelenkes links und - Arthrose des oberen Sprunggelenkes rechts.
Nach den eingehenden Darlegungen des Sachverständigen, die für den Senat überzeugend sind, liegen infolge der Eisenspeicherkrankheit bereits multiple Funktionseinschränkungen des Bewegungsapparates im Sinne einer Polyarthrose vor. Die Hämochromatose-Arthropathie mit fortgeschrittenen und destruierenden Verschleißzeichen erfordert nach den überzeugenden Schlussfolgerungen des Sachverständigen eine langfristige, regelmäßige und intensive Physiotherapie zur Erhaltung der Funktionen des Bewegungsapparates, auch ggfs nach Einsatz von Endoprothesen, in jedem Fall so lange wie möglich. Dies gilt nach den differenzierten Ausführungen des Sachverständigen sowohl für die Grundbehandlung der Hämochromatose im Hinblick auf chronisch-degenerative Veränderungen als auch für akut entzündliche Schübe. Unter Berücksichtigung der vorliegenden Diagnosen besteht nach der für den Senat überzeugenden Schlussfolgerung Dr. Heinolds eine dauerhafte Indikation lebenslang für Physiotherapie iS der manuellen Therapie, die als passive Gelenkmobilisation, zur Behandlung von muskulären Verkettungssyndromen sowie zur mobilisierenden Behandlung des gelenksnahen Bindegewebes und der inserierenden Sehnen vorliegend indiziert ist. Die Auffassung des MDK, dass vorliegend – anders als jahrelang geschehen - ausreichend mit allgemeiner Krankengymnastik behandelt werden könne, hat den Senat nicht überzeugt. Nach den Behandlungsrichtlinien der Fachgesellschaften wird die manuelle Therapie, wie Dr. Heinold dargelegt hat, nicht nur im klassischen Sinne für die Behandlung von akuten Blockaden eingesetzt, sondern auch zur Behandlung wiederkehrender oder langfristiger Funktionsstörungen (Mobilisation). Dr. Obermann hat dies in seinen sozialmedizinischen MDK-Stellungnahmen vom 04.04.2013 und 19.12.2013 überdies selbst eingeräumt. Auch sei der Untersuchungsbefund des gerichtlichen Sachverständigen Dr. Heinolds nachvollziehbar und unstrittig. Es bestehe langfristiger Heilmittelbehandlungsbedarf beim Kläger. Schließlich hat der gerichtliche Sachverständige Dr. Heinold auch nachvollziehbar ausgeführt, dass die Indikationen und Behandlungstechniken der manuellen Therapie vielfältiger und spezifizierter sind als diejenigen der allgemeinen Krankengymnastik. Insofern handelt es sich um eine Defensivposition der Therapie, die aus diesem Grund auch ständig fortgeführt werden muss. Des Weiteren findet auch die vom MDK für erforderlich erachtete engmaschige ärztliche Kontrolle statt.
Die Sinnhaftigkeit der weiteren Ausführungen des MDK, wonach die Diagnosen aus dem Merkblatt des G-BA nicht ohne weiteres mit den beim Kläger vorliegenden Diagnosen verglichen werden könnten, erschließt sich dem Senat nicht, denn dies hat niemand behauptet bzw getan. Der gerichtliche Sachverständige hat, so wie es im Merkblatt verlangt ist, die Auswirkungen der Erkrankung des Klägers (Schwere und Dauerhaftigkeit der Schädigungen) untersucht. Er hat für den Senat überzeugend ausgeführt, dass bei den in der Anlage zum Merkblatt gelisteten Erkrankungen Glykogenspeicherkrankheiten und Marfan-Syndrom vergleichbare Gelenkfunktionsstörungen mit vergleichbarer Progredienz vorliegen, entsprechend den beim Kläger vorliegenden Verhältnissen.
Soweit Dr. Obermann ausführt, eine Indikation für die beantragte Genehmigung von ausschließlich manueller Therapie über mindestens ein Jahr hinaus werde nicht gesehen, folgt der Senat dem nicht. Alle Ärzte sind sich darin einig, dass ein langfristiger Heilmittelbehandlungsbedarf beim Kläger besteht. Die Indikation für eine Langfristverordnung beruht darauf, wie Dr. Heinold überzeugend dargelegt hat, dass die Grunderkrankung nicht heilbar ist und die durch die Grunderkrankung eingetretenen Veränderungen des Bewegungsapparates sich beim Kläger in einem fortgeschrittenen Stadium befinden, wie bereits oben ausgeführt. Es liegen bereits multiple Funktionseinschränkungen des Bewegungsapparates im Sinne einer Polyarthrose vor. Wegen der Hämochromatose-Arthropathie mit fortgeschrittenen und destruierenden Verschleißzeichen besteht nach der für den Senat überzeugenden Schlussfolgerung Dr. Heinolds eine dauerhafte Indikation lebenslang für Physiotherapie iS der manuellen Therapie. Die Schädigungen und Beeinträchtigungen sind nicht reversibel und werden auf Dauer bestehen. Es geht vorliegend nicht um vollständige Heilung, sondern um eine Linderung der besonderen Schwere der funktionellen und strukturellen Schädigungen des Bewegungsapparates und der Beeinträchtigung der Aktivitäten iS einer defensiven Behandlung, iS eines Abbremsens des Krankheitsverlaufs. Auch dies ist entgegen der Auffassung des MDK Gegenstand der manuellen Therapie. So ist zB auch die muskuläre und reflektorische Stabilisierung der Gelenke zur Schmerzlinderung Teil des Anwendungsbereichs der manuellen Therapie (Krämer/Nentwig, Orthopädische Schmerztherapie, S. 48). Dies ergibt sich auch aus dem vom Kläger vorgelegten VdAK-Rahmenvertrag (Bl. 4 SG-Akte). Dort sind in der Leistungsbeschreibung der manuellen Therapie nicht nur reversible Störungen genannt, sondern auch Bewegungsstörungen der WS, Schmerzlinderung bei arthrogenen Störungen, Einwirkung auf Gelenkrezeptoren, u.a.
Der vom SG ausgesprochene Zeitraum von 3 Jahren ist sachgerecht und geeignet iS von § 32 Abs 1a SGB V. Soweit die Beklagte selbst vorgebracht hat, Genehmigungen langfristiger Heilmittelbehandlungen würden von ihr in der Regel auf ein Jahr befristet, steht dies nicht in Einklang mit § 8 Abs 5 S 2 Heilmittel-RL. Die Genehmigung kann danach zwar zeitlich befristet werden, soll aber "mindestens ein Jahr" umfassen und nicht "bis zu einem Jahr", wie es die Beklagte nach eigenem Vorbringen handhabt. Dies ist rechtswidrig.
Dem in der mündlichen Verhandlung gestellten Antrag der Beklagten, weitere Befundberichte wegen der im Januar 2014 stattgefundenen Knie-Operation rechts einzuholen, war nicht nachzukommen, da insoweit kein konkretes Beweisthema benannt ist, sondern ein Ausforschungsbeweis vorliegt. Ein unzulässiger Ausforschungsbeweis liegt im sozialgerichtlichen Verfahren vor, wenn ihm die Bestimmtheit bei der Angabe der Tatsachen oder Beweismittel fehlt, oder aber der Beweisführer erst aus der Beweisaufnahme die Grundlage für weitere Behauptungen gewinnen will (vgl BSG 19.11.2009, B 13 R 303/09 B (juris); 19.20.2011, B 13 R 33/11 R, NZS 2012, 230). Letzteres ist der Fall. "Zur Abklärung der weiteren Prognose" ist zu unbestimmt und lässt nicht erkennen, zum Beweis welcher Tatsache sachverständige Zeugen befragt werden sollen. Im Übrigen kommt es auf die weitere Prognose am rechten Kniegelenk auch nicht an. Aufgrund der chronisch-progredienten Grunderkrankung wurden dem Kläger bereits 2003 und 2005 beide Hüften und 2009 das linke Kniegelenk ersetzt, ohne dass dies zu einer Unterbrechung der manuellen Therapie geführt hätte. Auch führt eine Behandlung am linken Knie nicht dazu, dass die am gesamten übrigen Bewegungsapparat vorliegende Polyarthrose entfällt. An der oben dargelegten Erforderlichkeit der langfristigen manuellen Therapie ändert die OP am rechten Knie und die durchgeführte Anschluss-Reha nichts.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs 2 Nr 1 und 2 SGG).
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