L 9 SO 36/14 B

Land
Schleswig-Holstein
Sozialgericht
Schleswig-Holsteinisches LSG
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
9
1. Instanz
SG Schleswig (SHS)
Aktenzeichen
S 12 SO 6/14 ER
Datum
2. Instanz
Schleswig-Holsteinisches LSG
Aktenzeichen
L 9 SO 36/14 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
1. Fortführung: Eingeschränkte Zuständigkeit des Sozialhilfeträgers bei Kosten der Schulbegleitung.

2. Ergänzung zu L 9 SO 222/13 B ER - Beschluss vom 17. Februar 2014.

3. Der Kernbereich der pädagogischen Arbeit wird durch das Schulgesetz des jeweiligen Landes definiert, nicht durch das SGB XII.
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Schleswig vom 19. Februar 2014 wird zurückgewiesen. Die außergerichtlichen Kosten des Klägers sind auch im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

Die am 3. März 2014 vom Antragsteller erhobene Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Schleswig vom 19. Februar 2014 mit dem sinngemäßen Antrag,

den Beschluss des Sozialgerichts Schleswig vom 19. Februar 2014 aufzuheben und den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, die Kosten der Schulbegleitung für ihn – den Antragsteller – für weitere fünf Stunden in der Woche zu übernehmen,

hat keinen Erfolg.

In dem angegriffenen Beschluss hat das Sozialgericht Schleswig ausgeführt, der Antragsteller gehöre zum eingliederungshilfeberechtigen Personenkreis nach §§ 53 ff. Sozialgesetzbuch, Zwölftes Buch (SGB XII). Nach § 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB XII seien Leistungen der Eingliederungshilfe auch Hilfen zu einer angemessenen Schulbildung. Dies werde durch § 12 Eingliederungshilfeverordnung konkretisiert. Die Abgrenzung zwischen der Eingliederungshilfe nach dem SGB XII und der pädagogischen Arbeit der Schule orientiere sich an Sinn und Zweck der jeweiligen Leistungsbereiche. Die Eingliederungshilfe normiere die Hilfen im Sinne unterstützender Leistungen, während die Schulbildung unter Einfluss von Didaktik und Pädagogik dem Schulträger obliege. Der Kernbereich der schulischen Arbeit liege außerhalb des Zuständigkeitsbereiches des Sozialhilfeträgers. Der Sozialhilfeträger habe im Wege der Schulbegleitung lediglich dafür Sorge zu tragen, die behinderungsspezifischen Defizite auszugleichen, um eine Teilhabe am Unterricht zu ermöglichen. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze seien die mit Bescheid vom 11. Dezember 2013 nunmehr gewährten 17 Wochenstunden und ein zusätzlicher monatlicher Pool von fünf Stunden ausreichend, die behinderungsbedingten Defizite des Antragstellers aufzufangen. Zwecks Vermeidung von Wiederholungen wird auf diese zutreffenden Ausführungen gemäß § 142 Abs. 2 Satz 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Bezug genommen.

Auch der Senat hält weitere fünf Stunden Schulbegleitung zu Lasten des Antragsgegners nicht für erforderlich. Der Senat hat bereits mit Beschluss vom 17. Februar 2014 in einem vergleichbaren Fall ausgeführt, dass gemäß § 4 Abs. 1 SchulGSH der Auftrag der Schule bestimmt werde durch das Recht des jungen Menschen auf eine seiner Begabung, seinen Fähigkeiten und seiner Neigung entsprechende Erziehung und Ausbildung. Weiter heißt es in jenem Beschluss:

"Nach § 4 Abs. 11 Satz 1 SchulGSH sind Schülerinnen und Schüler mit Behinderung zur Erreichung dieses Zieles besonders zu unterstützen. Mit Gesetz zur Änderung des Schulgesetzes vom 28. Januar 2011 (Gesetz- und Verordnungsblatt für Schleswig-Holstein, S. 23) wurde das SchulGSH dahingehend geändert, dass in § 4 Abs. 11 Satz 2 angefügt wurde. Dieser lautet: "Das Ziel einer inklusiven Beschulung steht dabei im Vordergrund." § 5 Abs. 1 SchulGSH wurde dahin geändert, dass Satz 3 nunmehr lautet: "Die begabungsgerechte und entwicklungsgemäße Förderung der einzelnen Schülerin und des einzelnen Schülers ist durchgängiges Unterrichtsprinzip in allen Schulen." Zudem war bereits vorher in § 5 Abs. 2 SchulGSH geregelt, dass Schülerinnen und Schüler unabhängig von dem Vorliegen eines sonderpädagogischen Förderbedarfs gemeinsam unterrichtet werden, soweit es die organisatorischen, personellen und sachlichen Möglichkeiten erlauben und es der individuellen Förderung der Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf entspricht (gemeinsamer Unterricht). In der Begründung zum Gesetz zur Änderung des Schulgesetzes vom 28. Januar 2011 (Drucksache 17/858) heißt es u. a., dass der gemeinsame Unterricht an den allgemeinbildenden Schulen der Zielvorstellung des § 5 Abs. 1 SchulGSH und dem Gedanken der Inklusion gemäß Art. 24 des Übereinkommens der Vereinten Nationen vom 13. September 2006 über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (Behindertenrechtskonvention – BRK –) im Schulbereich entsprechen solle. Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf sollten an allgemeinbildenden Schulen unterrichtet werden. Nach der Intention des Gesetzgebers, wie sie in der Begründung niedergelegt ist, und dem Wortlaut von § 4 Abs. 11, § 5 Abs. 1, Abs. 2 SchulGSH ist es Aufgabe der Schule, den gemeinsamen Unterricht von behinderten und nichtbehinderten Schülern zu gewährleisten.

Dies hat die Schleswig-Holsteinische Landesregierung in ihrem Bericht zur landesweiten Umsetzung von Inklusion in der Schule (Drucksache 17/1568) vom 16. Juni 2011 präzisiert und bekräftigt. Danach bedeute Inklusion bezogen auf die Schule, dass ein Kind unabhängig von seiner Behinderung in das Regelschulsystem aufgenommen werden könne und der Staat die Voraussetzungen dafür schaffen solle, dass dieses Ziel verwirklicht werden könne und dass auch Kinder mit Behinderung innerhalb des Regelschulsystems die für ihre Bildung und ihre Persönlichkeitsentfaltung notwendige Förderung erführen (S. 8 f). Mit der jüngsten Änderung des Schulgesetzes in § 4 Abs. 11 werde die inklusive Beschulung als eines der Bildungs- und Erziehungsziele aufgenommen. Inhaltlich verlange diese Vorschrift, Schülerinnen und Schülern mit Behinderung besonders zu unterstützen, verbunden mit der Maßgabe, dass dabei das Ziel einer inklusiven Beschulung im Vordergrund stehen müsse. Dadurch sei ein Leitprinzip im Schulgesetz verankert worden, mit dem die 1990 begonnene Entwicklung fortgesetzt und wesentlich verstärkt werde (S. 11). Weiter ist in dem Bericht aufgeführt: "Denn schon seit dieser Zeit fordert das Schulgesetz in § 5 Abs. 2, dass Schülerinnen und Schüler unabhängig von dem Vorliegen eines sonderpädagogischen Förderbedarfs – einer Behinderung also – gemeinsam zu unterrichten (sind). Zwar wird hier noch die Einschränkung vorgenommen "soweit es die organisatorischen, personellen und sachlichen Möglichkeiten erlauben" – aber bereits in den letzten Jahren vor Inkrafttreten der BRK sind nur noch wenige Fälle bekannt geworden, in denen die Aufnahme in das Regelschulsystem unter Hinweis auf den Vorbehalt in § 5 Abs. 2, 2. Halbsatz SchulGSH verweigert wurde. Das Recht auf inklusive Beschulung darf nur in eng begrenzten Ausnahmen eingeschränkt werden, etwa bei einer unzumutbaren Belastung für den Schulträger oder bei einer Gefährdung für Mitschülerinnen und Mitschüler. In Schleswig-Holstein besteht offenbar schon ein breiter gesellschaftlicher Konsens darüber, dass Kinder mit einer Behinderung in der schulischen Gemeinschaft mit anderen aufwachsen sollen." (S. 11f).

Es ist somit Aufgabe der Schule, die gemeinsame Beschulung von behinderten und nichtbehinderten Schülerinnen und Schülern sicherzustellen.

Durch die Rechtsprechung wird Schulbegleitung zu Lasten des Sozialhilfeträgers zugesprochen (Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht, Beschluss vom 26. September 2012 – L 9 SO 141/12 B ER; Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 22. März 2012 – B 8 SO 30/10 R; Sozialgericht Karlsruhe, Urteil vom 26. Juli 2012 – S 1 SO 580/12). Dem Bundessozialgericht folgend (Urteil vom 22. März 2012 – B 8 SO 30/10 R) werden in der Rechtsprechung allerdings Maßnahmen ausgeschlossen, die dem Kernbereich der pädagogischen Arbeit der Schule zuzuordnen sind (Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 27. August 2013 – L 9 SO 211/13 B ER; Landessozialgericht Thüringen, Beschluss vom 30. September 2008 – L 8 SO 801/08 ER; Landessozialgericht Sachsen, Beschluss vom 3. Juni 2010 – L 7 SO 19/09 B ER). Von der Leistungspflicht des Sozialhilfeträgers könnten auch Maßnahmen umfasst werden, die zum Aufgabenbereich der Schulverwaltung gehörten. Ausgeschlossen seien allerdings Maßnahmen, die dem Kernbereich der pädagogischen Arbeit der Schule zuzuordnen seien. Dies folge daraus, dass § 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch, Zwölftes Buch (SGB XII), ausdrücklich anordne, die Bestimmungen über die Ermöglichung der Schulbildung im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht sollten unberührt bleiben. Die schulrechtlichen Verpflichtungen stünden demnach grundsätzlich neben den sozialhilferechtlichen, ohne dass sie sich gegenseitig inhaltlich beeinflussten. § 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB XII normiere lediglich Hilfen, mithin unterstützende Leistungen, überlasse die Schulbildung selbst aber den Schulträgern. Der Kernbereich der schulischen Arbeit liege damit nach Sinn und Zweck der §§ 53, 54 SGB XII gänzlich außerhalb der Zuständigkeit des Sozialhilfeträgers (so BSG, Urteil vom 22. März 2012 – B 8 SO 30/10 R, recherchiert bei juris, Rn. 21).

Der so definierte Kernbereich der schulischen Arbeit ist im SchulGSH umrissen, wie durch den Bericht der Landesregierung zur landesweiten Umsetzung von Inklusion in der Schule vom 16. Juni 2011 nochmals bestätigt wird. So wird durch § 4 Abs. 1 SchulGSH – wie bereits oben ausgeführt – der Auftrag der Schule bestimmt durch das Recht des jungen Menschen auf eine seiner Begabung, seinen Fähigkeiten und seiner Neigung entsprechende Erziehung und Ausbildung sowie durch die staatliche Aufgabe, die einzelnen Schülerinnen und Schüler auf ihre Stellung als Bürgerin und Bürger mit den entsprechenden Rechten und Pflichten vorzubereiten. Nach Abs. 3 dieser Vorschrift soll die Schule den jungen Menschen zu der Fähigkeit verhelfen, in einer ständig sich wandelnden Welt ein erfülltes Leben zu führen. Sie soll dazu befähigen, Verantwortung im privaten, familiären und öffentlichen Leben zu übernehmen und für sich und andere Leistungen zu erbringen, insbesondere auch in Form von ehrenamtlichem Engagement. Nach Abs. 4 soll die Schule die Offenheit des jungen Menschen gegenüber kultureller und religiöser Vielfalt, den Willen zur Völkerverständigung und die Friedensfähigkeit fördern. Sie soll den jungen Menschen befähigen, die Bedeutung der Heimat und der besonderen Verantwortung und Verpflichtung Deutschlands in einem gemeinsamen Europa sowie die Bedeutung einer gerechten Ordnung der Welt zu erfassen. Zum Bildungsauftrag der Schule gehört die Erziehung des jungen Menschen zur freien Selbstbestimmung in Achtung Andersdenkender, zum politischen und sozialen Handeln und zur Beteiligung an der Gestaltung der Arbeitswelt und der Gesellschaft im Sinne der freiheitlich demokratischen Grundordnung. Nach § 4 Abs. 11 Satz 2 SchulGSH steht das Ziel einer inklusiven Beschulung dabei im Vordergrund. Die Aufgabe der Schule geht somit laut Schulgesetz weit über die reine Wissensvermittlung hinaus. Sie soll jeden einzelnen – einschließlich der behinderten Schülerinnen und Schüler – im Rahmen ihrer oder seiner Möglichkeiten – erziehen und fördern und dabei insbesondere behinderungsbedingte Defizite ausgleichen. Die Schule hat daher Maßnahmen und Räumlichkeiten anzubieten, dass behinderte Schülerinnen und Schüler gemeinsam mit den übrigen Schülerinnen und Schülern beschult werden können. Hilfen, die gesetzlich vom Schulträger zu erfüllen sind, können nicht vom Sozialhilfeträger verlangt werden (OVG Bremen, Beschluss vom 10. Dezember 1998 – 2 BB 421/98; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 3. Juli 1997 – 6 S 9/97)."

Nach diesen Grundsätzen ist eine über die mit Bescheid vom 11. Dezember 2013 gewährten 17 Stunden Schulbegleitung pro Woche einschließlich eines Pools von fünf Stunden im Monat bis zum 11. Juli 2014 hinausgehende, weitere Schulbegleitung nicht anzuerkennen. Lediglich im Hinblick auf das Beschwerdevorbringen ist zu ergänzen: Die Fachärztin für Kinder- und Jugendheilkunde Dr. K vom Fachdienst Gesundheit des Antragsgegners hat in ihrem Gutachten vom 21. Oktober 2013 u. a. ausgeführt:

"A leidet neben dem Förderbedarf Lernen an einer Dyspraxie. Es handelt sich um eine Bewegungsstörung, durch die der Alltag (z. B. das Essen, Trinken, Waschen, Anziehen und die Arbeit) stark beeinträchtigt wird. Dadurch sind die Kinder, später die Jugendlichen, Erwachsenen in allen Handlungen des Alltags signifikant verlangsamt und in den Handlungsergebnissen deutlich unter dem Durchschnitt. Schwierigkeiten zeigen sich auch bei der Reflexion eigener Leistung. Die motorische Entwicklung ist allgemein verzögert: Da Handlungen nur erschwert geplant und erlernt werden, sind alle motorischen Entwicklungsschritte verzögert, damit die sensorische Entwicklung. Die Koordination ist erschwert. Folgen davon sind in der weiteren hirnorganischen Entwicklung zu bemerken, da der Reifungsprozess zwingend von sensorischen Impulsen abhängig ist. Folgen dabei sind auch zusätzliche Schwierigkeiten in Seriation, Raumlage was sich auf Rechtschreibung, Rechnen auswirkt. Die geringe Fähigkeit in der Handlungsplanung bewirkt, dass die Voraussetzungen für alle Lernleistungen nur erschwert gegeben sind und dass zusätzlich viel intellektuelle Energie in den kleinen Dingen, die nicht direkt zur Aufgabenbewältigung dienen, gebunden ist (Buch aufschlagen, Heft aufschlagen, Stift aussuchen, bereitlegen, Lineal anlegen ). Daher ist A - zur angemessenen Bewältigung des Schulalltags und Gewährung der Teilhabe auf Unterstützung angewiesen."

Nach Erstellung des Gutachtens hat der Antragsgegner am 24. Oktober 2013 eine Hospitation in der Schule des Antragstellers durchgeführt. Laut Protokoll über die Hospitation und ein anschließendes Gespräch mit dem Schulleiter der Schule N in S , der Klassenlehrerin, der für den Antragsteller tätigen Schulbegleiterin, der Schulsozialarbeiterin und einer Lehrkraft vom Förderzentrum Lernen S -K ist aufgeführt, dass der Antragsteller in der Lage sei, die jeweiligen Unterrichtseinheiten à 45 Minuten zu bewältigen. Er benötige keinen Unterstützungsbedarf zum Ausgleich körperlich motorischer Defizite, die Assistenz sei aber notwendig bei jeglicher Abweichung von festen Strukturen, Abläufen und Formen. Der Antragsteller habe einen hohen Unterstützungsbedarf in den Fächern Mathematik und Englisch. In anderen Stunden sei eine Unterstützung jedoch nicht notwendig. Dreh- und Angelpunkt der gegenwärtigen Situation und des daraus resultierenden Unterstützungsbedarfs sei die bei dem Antragsteller deutlich zu registrierende Wahrnehmungsstörung. In einigen Fächern sei der Antragsteller ohne eine individuelle Unterstützung nicht in der Lage, auch nur ansatzweise am Unterricht und der Vermittlung von Lerninhalten teilzuhaben. Die alleinige Übertragung dieser Unterstützungsaufgabe auf die unterrichtende Lehrkraft sei nicht möglich, da der intensive Unterstützungsbedarf A - vollumfänglich die komplette Unterrichtsstunde anhalte. Daher solle zunächst die Schulbegleitung auf neun Wochenstunden reduziert werden. Die Pausensituation solle zukünftig vermehrt in die Zuständigkeit der Schule überführt werden.

Nach Reduzierung der Schulbegleitung auf neun Stunden in der Woche ab Anfang November 2013 eskalierten offenbar Streitigkeiten mit Mitschülern. Nach einem Bericht der Lehrkraft vom Förderzentrum Lernen, Frau L , vom 16. Dezember 2013 habe die Reduzierung der Schulbegleitung gezeigt, dass A ohne individuelle Unterstützung im Schulalltag noch nicht zu Recht komme und daher mehr Schulbegleitung benötige. Dem hat der Antragsgegner mit Bescheid vom 11. De¬zember 2013 Rechnung getragen, indem die Schulbegleitung für 17 Stunden in der Woche zuzüglich eines Pools von fünf Stunden im Monat zugebilligt wurde, wie dies früher durchgängig der Fall gewesen war. Es spricht nichts dafür, dass der Antragsteller einen über diese gewährten Stunden der Schulbegleitung hinausgehenden Bedarf hat. Der Antragsteller hat sowohl in der früheren Schule in F als auch in der Schule N bei einer Schulbegleitung von wöchentlich 17 Stunden gute Fortschritte gemacht und sich in die jeweiligen Schulen gut eingeordnet. Das wird auch dadurch bestätigt, dass in dem Hospitations- und Gesprächsprotokoll vom 24. Oktober 2013 übereinstimmend festgestellt wird, dass er in der neuen Schule "angekommen" sei.

Der Senat geht daher davon aus, dass bei behinderungsbedingter Schulbegleitung zu Lasten des Beklagten von 17 Stunden/Woche und bei der inklusionsgemäßen Erfüllung der schulischen Aufgaben der Bedarf des Antragstellers an Förderung ausreichend berücksichtigt ist.

Zu dem Kernbereich der Schule gehören alle schulischen Maßnahmen, die dazu dienen, die staatlichen Lehrziele zu erreichen, in erster Linie also der Unterricht, der die für den erfolgreichen Abschluss notwendigen Kenntnisse vermittelt (BSG, Urteil vom 15. November 2012 – B 8 SO 10/11 R, recherchiert bei juris, Rdn. 17). Der Kernbereich der pädagogischen Arbeit ist dementsprechend nicht betroffen, wenn die als Leistung der Eingliederungshilfe begehrte Maßnahme lediglich dazu dienen soll, die eigentliche Arbeit der Lehrer abzusichern und mit die Rahmenbedingungen dafür zu schaffen, den erfolgreichen Schulbesuch zu ermöglichen (Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 20. Dezember 2013 – L 9 SO 429/13 B ER unter Hinweis auf Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 18. Oktober 2012 – 5 C 21.11). Das bedeutet nach Auffassung des Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen (Beschluss vom 20. Dezember 2013 – L 9 SO 429/13 B ER, recherchiert bei juris, Rdn. 29 unter Bezugnahme auf BSG, Urteil vom 22. März 2012 – B 8 SO 30/10 R) dass die Unterstützung eines behinderten Schülers durch einen Integrationshelfer den pädagogischen Kernbereich grundsätzlich selbst dann nicht berühre, wenn der Integrationshelfer auch pädagogische Aufgaben übernehme, wie z. B. die Anleitung zur Konzentration auf den Unterricht. Grund hierfür sei, dass der Kernbereich der pädagogischen Arbeit der Lehrer nicht nach den schulrechtlichen Vorschriften des jeweils betroffenen Landes, sondern bundeseinheitlich durch Auslegung der sozialhilferechtlichen Vorschriften zu bestimmen sei.

Dem folgt der beschließende Senat nicht. Zum einen gehört es sicherlich zu den täglichen pädagogischen Aufgaben einer Lehrkraft, alle Schüler zur Konzentration anzuhalten, um ihnen Techniken zu vermitteln, wie man sich Wissen aneignet. Zum anderen hängt es von den schulrechtlichen Bestimmungen eines Landes ab, inwieweit behinderte Schüler unter dem Grundgedanken der Inklusion in die Schulen zu integrieren sind. "Der pädagogische Kernbereich beschreibt zunächst, bei allen Unterschieden der Schulart, der Schüler/Schülerinnen, der Lehrkräfte und Hilfebedarfe, einen Normbereich, der weitgehend mit oder ohne behinderungsbedingte Bedarfe gedacht wird, jedenfalls Normalitätsbedingungen impliziert. Je mehr er solche Bedarfe selbst in seine Struktur und Gestaltung, in die Qualifikation der Lehrkräfte aufnimmt, insbesondere in der Förderschule, umso mehr übernimmt er selbst das Geschäft der individuellen Förderung, trägt er zur Optimierung des Prinzips bei. Der pädagogische Kernbereich ist also in Bezug auf behinderungsbedingte Beeinträchtigungen variabel und flexibel, ein in Bezug auf individuelle Förderung bewegliches System. Soweit dies nicht der Fall ist, das System an seine Grenzen stößt, wo ein besonderer und darüber hinausgehender eingliederungshilferechtlicher Bedarf vorhanden ist, um erfolgreich am Schulleben teilzunehmen, muss dieser so optimiert werden, dass diese Teilnahme ermöglicht wird. Das Schulsystem selbst und das Schulrecht – nicht in erster Linie die individualisierende Förderung der Eingliederungshilfe – bestimmen, in welchem Maße es "geländegängig" sein muss. Für diese Geländegängigkeit im Bereich des Schulrechts sprechen auch gute Gründe der UN-Behindertenrechtskonvention" (so Riehle, Kernbereich der pädagogischen Arbeit und Schulbegleitung, ZFSH SGB 2014, Seite 78, 81). Daraus folgt, dass in einem Land wie Schleswig-Holstein, in dem die Inklusion zur wesentlichen Aufgabe einer jeden Schule gehört, die Schule mehr Verpflichtungen trifft, diese Aufgabe zu bewältigen. Sie darf diese Aufgabe nicht pauschal in den Bereich der Eingliederungshilfe verweisen. Je mehr das Schulrecht den individuell bestehenden behinderungsbedingten Bedarf eines Menschen als schulische Aufgabe formuliert, umso mehr kommt der jeweiligen Schule die Aufgabe zu, den behinderten Schüler/die behinderte Schülerin dadurch zu fördern, dass sie – die Schule – den Kernbereich der schulischen Aktivitäten, und damit nicht nur die Wissensvermittlung, sondern auch das Erlernen von Techniken zur Wissensaufnahme und – wie oben anhand desSchulgesetzes des Landes Schleswig-Holstein dargestellt – die umfassenden bildungsgemäßen und gesellschaftlichen Anforderungen wahrnimmt.

Gemessen an diesen Grundsätzen reicht die gewährte Anzahl von 17 Wochenstun-den für den Antragsteller aus, dass seine behinderungsbedingten Defizite im Rahmen der Eingliederungshilfe insoweit ausgeglichen werden können, als die Schulbegleitung in der überwiegenden Anzahl der Stunden einen sicheren Rahmen gewährleistet, innerhalb dessen der Antragsteller aufnahmefähig für die Wahrnehmung der pädagogischen Kernaufgaben durch die Lehrkräfte ist. Insoweit ist auch zu berücksichtigen, dass der Antragsteller nicht in allen Stunden eine Schulbegleitung benötigt, wie bei der Hospitation übereinstimmend festgestellt wurde, dass er in einigen Fächern durch eine Lehrkraft der Förderschule S -K unterstützt wird (Bescheid des Schulamtes vom 25. September 2013) und dass ein sonderpädagogischer Förderbedarf für den Förderschwerpunkt Lernen und Sprache besteht, der dem schulischen Bereich zuzuordnen ist. Einen darüber hinausgehenden Bedarf hat der Antragsteller nicht glaubhaft gemacht. An einer dahingehenden Glaubhaftmachung fehlt es auch unter Berücksichtigung des von dem Antragsteller mit Schriftsatz vom 7. April 2014 eingereichten Bericht von Frau B W , Kreisfachberatung im Schulamt des Antragsgegners, vom 26. Februar 2014, in dem – insbesondere auf den Seiten 3 und 4 – darauf hingewiesen wird, dass der Antragsteller in einer noch kleineren Lerngruppe als in der gegenwärtigen Schule besser aufgehoben wäre.

Insoweit ist auch – entgegen der Auffassung des Prozessbevollmächtigten des Antragstellers – weder eine erneute Beweisaufnahme durch das Einholen von Gutachten, Anhörung von Zeugen bzw. des Antragstellers selbst erforderlich. Der Senat geht von den vom Antragsteller selbst vorgetragenen und in der Gerichts- und Beiakte aufgeführten gesundheitlichen Beeinträchtigungen aus, so dass es hierzu keiner Beweiserhebung bedarf. Auch der Bedarf des Antragstellers ergibt sich aus den der Sache zugrundeliegenden Akten.

Ebenso wenig bedarf es der Durchführung einer mündlichen Verhandlung – wie vom Prozessbevollmächtigten des Antragstellers beantragt –. Entscheidungen im Eilverfahren ergehen in der Regel ohne mündliche Verhandlung (vgl. Keller in Meyer-Lade¬wig u. a., Kommentar zum SGG, 10. Aufl. 2012, § 86b Rdn. 43). Gründe für das Vorliegen einer Ausnahme von diesem Grundsatz sind hier nicht ersichtlich. Im Übrigen hat der Prozessbevollmächtigte des Antragstellers seinen Standpunkt so deutlich und wiederholt vorgetragen, dass es einer weiteren Klärung in Form einer mündlichen Erörterung seines Vorbringens nicht bedarf.

Die Kostenentscheidung folgt aus entsprechender Anwendung von § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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