Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
17
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 6 U 140/00
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 17 U 88/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 13.02.2001 wird zurückgewiesen.
II. Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Unfall des Klägers vom 14.07.1999 als Arbeitsunfall (Wegeunfall) anzuerkennen und zu entschädigen ist. Der am 1969 geborene Kläger, der von Beruf Programmierer ist, erlitt am 14.07.1999, gegen 20.25 Uhr, auf dem Heimweg von seiner Arbeitsstätte, der Firma J. Leiterplattentechnologie GmbH in E. , einen Motorradunfall mit seiner Suzuki GSE 500. Kurz vor seiner Wohnung in der S.straße in E. verunglückte er in demselben Ort in der N.straße. Seine Arbeitsstätte hatte er gegen 19.45 Uhr verlassen. Über die O.straße, G. , B 2 (Richtung Nürnberg), A 3 (Richtung Würzburg), B 4 (Richtung Erlangen-Tennenlohe) war er nach E. und dort über die P.-Straße, K.straße, K.-Straße bis zur Nstraße gefahren. Diese Wegstrecke beträgt bis zur E. Innenstadt ca 28,3 km. Der direkte Weg zwischen seiner Arbeitsstätte und der Wohnung (über H. , Staatsstraße 2243, 2240, U. bis zur Innenstadt E.) ist 15,4 km lang. Bei dem Unfall zog sich der Kläger eine Dens-Fraktur (Anderson II), BWK-III- und IV-Frakturen mit stabiler Hinterkante und Querfortsatzabrissen, Schlüsselbeinbruch links, Commotio cerebri, Verrenkungsbruch der Daumenmittelhandknochenbasis rechts sowie multiple Abschürfungen am gesamten Körper zu (Bericht der chirurgischen Klinik mit Poliklinik der Universität E. vom 30.07.1999). Er befand sich bis 10.09.1999 in stationärer Behandlung und war anschließend arbeitsunfähig krank. Die Beklagte zog die Unterlagen der Verkehrspolizei-Inspektion E. bei. Der Kläger führte mit Schreiben vom 15.12.1999 aus, er habe die längere Wegstrecke deswegen bevorzugt, weil sie in der Regel schneller zu befahren sei. Die kürzere Strecke berge bei Benutzung eines Motorrads gewisse Gefährdungsmomente. Sie sei oft stark verschmutzt durch landwirtschaftlichen Verkehr sowie Mühlenbetriebe der Umgebung und einer Erdaushubdeponie entlang der Wegstrecke. Das Ordnungsamt des Marktes E. teilte am 02.02.2000 mit, die kürzere Strecke über U. nach E. sei für einen Motorradfahrer eventuell verkehrstechnisch ungünstiger. Es seien mehrere Ortsteile zu durchfahren. Deshalb könne nicht so schnell gefahren werden wie auf der Bundesautobahn. Auch sei im Feierabendverkehr mit verstärkten Verkehrsaufkommen und Stauungen zu rechnen. Mit Bescheid vom 14.02.2000 lehnte die Beklagte die Anerkennung eines Wegeunfalles nach § 8 Abs 2 Nr 1 SGB VII ab. Es liege ein unversicherter Umweg vor. Der direkte Weg sei erheblich verlängert worden (doppelt so lang). Im Widerspruchsverfahren betonte der Kläger nochmals, die von ihm gewählte Strecke sei zeitlich erheblich kürzer gewesen. Der direkte Weg sei der ungünstigere, weil zB bei der Anschlussstelle in O. ein Verkehrskreisel gebaut wurde, der zu erheblichen Behinderungen führte. Zudem seien Überholeinschränkungen durch landwirtschaftlichen Verkehr und unübersichtliche Straßenführungen zu beachten, einige Ampeln behinderten den Verkehrsfluss. Außerdem habe er den längeren, aber sicheren Weg benutzt, weil er das Motorrad erst ca 2 Monate besaß und sich Fahrpraxis aneignen wollte. Mit Bescheid vom 12.04.2000 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Hiergegen hat der Kläger Klage zum SG Nürnberg erhoben und beantragt, ihm Entschädigungsleistungen aus dem Verkehrsunfall vom 14.07.1999 zuzuerkennen. Er hat vorgetragen, auf der längeren Strecke bestehe die Hälfte des Weges aus der Benutzung der Bundesautobahn. Dadurch könne er schneller fahren und eine Zeitersparnis von ca 5 bis 10 Minuten herausholen. Die Beklagte hat ausgeführt, der gewählte Weg sei doppelt so lang wie die direkte Verbindung und daher zeitlich nicht kürzer. Es treffe nicht zu, dass der direkte Weg wegen einer Vielzahl landwirtschaftlicher Betriebe verschmutzt sei. Staubedingte Behinderungen seien auf der Strecke zum Unfallzeitpunkt nicht zu erwarten. Zwar bestehe die Hälfte der vom Kläger gewählten Wegstrecke aus Bundesautobahnen, die übrige Wegstrecke umfasse aber ebenfalls Landstraße sowie innerstädtischen Verkehr. Bei Benutzung eines doppelt so langen Weges sei der Kläger ein zusätzliches Risiko eingegangen, das nicht zu Lasten der gesetzlichen Unfallversicherung gehen könne. Mit Urteil vom 13.02.2001 hat das SG Nürnberg die Beklagte verurteilt, das Ereignis vom 14.07.1999 als Wegeunfall anzuerkennen und Leistungen nach den gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Kläger sei in der Wahl des Weges grundsätzlich frei. Er müsse nicht die kürzeste und schnellste Strecke wählen. Die Wahlfreiheit beziehe sich auf die Verkehrsverhältnisse, den Zeitbedarf und die persönliche Neigung. Dass der Weg über die Bundesautobahn zeitlich schneller, störungsfreier und sogar risikoärmer als die direkte Wegstrecke gewesen sei, sei glaubhaft. Gegen dieses Urteil hat die Beklagte Berufung eingelegt und vorgetragen, dass die doppelt so lange Strecke keinen zeitlichen Vorteil bringe. Der Kläger habe in etwa ein gleich langes Stück Landstraße bewältigen müssen wie auf der kürzeren Route über Uttenreuth. Er habe hier mit denselben potenziellen Gefahrenmomenten wie bei der direkten Wegstrecke rechnen müssen. Zusätzlich komme eine Autobahnstrecke in etwa gleicher Länge hinzu. Gerade der Weg über die Autobahn stelle bei einem ungeübten Motorradfahranfänger - wie dem Kläger - ein erhebliches Gefahrenmoment dar. Auf Anfrage des Senats hat das Landratsamt E. mit Schreiben vom 07.08.2001 mitgeteilt, es könne nicht eingeschätzt werden, ob die gewählte Strecke tatsächlich schneller sei oder nur subjektiv so empfunden werde. Die den direkten Weg betreffende Staatsstraße 2240 sei einem starken Feierabendverkehr ausgesetzt. Die Verkehrsbelastung betrage 20.000 Fahrzeuge pro Tag, wobei als Hauptverkehrsrichtung jedoch der Weg aus der Stadt überwiege. Verschmutzungen wegen der Mühlenbetriebe und durch Erdaushub seien nicht auszuschließen. Die Straßenführung sei als nicht unübersichtlich anzusehen, jedoch seien viele Ortsdurchfahrten mit Fußgängerampeln vorhanden.
Die Beklagte beantragt, das Urteil des SG Nürnberg vom 13.02.2001 aufzuheben, die Klage abzuweisen und die Revision zuzulassen.
Der Kläger beantragt, die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG Nürnberg vom 13.02.2001 zurückzuweisen.
Wegen weiterer Einzelheiten wird ergänzend auf den Inhalt der Verwaltungsakte der Beklagten sowie der Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Beklagten ist zulässig, in der Sache aber nicht begründet. Wie das SG - im Ergebnis - zu Recht entschieden hat, stellt das Ereignis vom 14.07.1999 einen Arbeitsunfall im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung dar. Die Beklagte ist daher verpflichtet, den Kläger nach den gesetzlichen Bestimmungen zu entschädigen (§ 8 Abs 1, Abs 2 Nr 1 iVm § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII). Unstreitig hat der Kläger am 14.07.1999 auf dem Nachhauseweg von seiner Arbeitsstätte zur Wohnung in E. einen Motorradunfall erlitten. Streitig ist allein, ob dieser Unfall einen Arbeitsunfall im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung darstellt und nach den gesetzlichen Bestimmungen zu entschädigen ist. § 8 Abs 1 SGB VII verlangt hierfür einen Unfall, den ein Versicherter bei einer der in den §§ 2, 3 oder 6 genannten Tätigkeiten, also versicherten Tätigkeiten erleidet. Nach § 8 Abs 2 Nr 1 sind versicherte Tätigkeiten auch das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit (Wegeunfall). Das unfallbringende Verhalten muss der im Gesetz genannten Tätigkeit zuzurechnen sein. Zwischen dem konkreten unfallbringenden Verhalten und dem generell versicherten Tätigkeitsbereich des Versicherten muss also ein innerer Zusammenhang bestehen (Bereiter-Hahn/Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, 5. Auflage, § 8 RdNr 6; BSG SozR 2200 § 550 Nr 76). Dabei ist zu ermitteln, ob die jeweilige Verrichtung innerhalb der Grenze liegt, bis zu welcher der Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung reicht (BSGE 63, 273; 61, 127). Die finale Handlungstendenz des Versicherten, also der Zweck seines Handelns, ist insbesondere dann bedeutsam, wenn es um die Abgrenzung der versicherten von der eigenwirtschaftlichen Tätigkeit geht (Bereiter-Hahn aaO RdNr 6.4). Dem privaten Bereich zuzurechnende Tätigkeiten dienen den Interessen des Versicherten und nicht dem Betrieb oder Unternehmen. Bei diesen eigenwirtschaftlichen bzw privaten Tätigkeiten besteht daher kein Versicherungsschutz. Der Senat sieht die Fahrt des Klägers (Heimweg von der Arbeitsstätte) von E. über die BAB nach E. , die einen Umweg im Verhältnis zur direkten unmittelbaren Fahrtstrecke von E. über U. nach E. darstellt, als unter Versicherungsschutz stehend an. Von Bedeutung ist dabei, dass beim Umweg, der doppelt so lang ist wie die direkte Verbindung E.-E. , als Zielrichtung der jeweilige Grenzpunkt des Weges beibehalten, die kürzere Strecke jedoch nicht unbedeutend verlängert wird. Zielrichtung muss stets die Wohnung bleiben, was beim Kläger der Fall war. Unzweifelhaft hat der Umweg beim Kläger die Heimfahrtstrecke von 15,4 auf 28,3 km verlängert. Nach der uneinheitlichen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts steht zB eine Verlängerung des Gesamtweges von 6,6 auf 11 km nicht unter Versicherungsschutz (Bereiter-Hahn aaO RdNr 12.35). Eine schematische Betrachtung der Längenunterschiede zwischen dem direkten und dem eingeschlagenen Weg ist aber nicht zulässig, zumal die Längenunterschiede vor allem bei kurzen Wegstrecken besonders groß sein können, ohne dass der Unfallversicherungsschutz schon aus diesem Grunde zu verneinen ist (Kasseler Kommentar - Ricke - § 8 RdNr 205). Vielmehr sind alle rechtserheblichen Umstände heranzuziehen, welche den Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und dem gewählten Weg begründen oder ausschließen (Bereiter-Hahn aaO RdNr 12.34). Die Versicherten müssen nämlich nicht die kürzeste Strecke und die schnellste Art wählen. Sie haben in einem nicht engen Rahmen eine Wahlfreiheit. Dies gilt insbesondere für die jeweiligen Verkehrsverhältnisse, die Art des benutzten Verkehrsmittels, die Dauer des üblichen Weges, die Entfernung, den Zeitbedarf und die persönliche Neigung (Kasseler Kommentar aaO RdNr 201; Podzun 121 Seite 8; Lauterbach § 8 RdNr 465, 506). Insbesondere besteht Versicherungsschutz auch dann, wenn der Umweg im Hinblick auf das gewählte Verkehrsmittel geeignet ist, um möglichst schnell (zB zur Vermeidung von Verkehrstauungen) und sicher (dh mit geringeren Gefahren) die Arbeitsstätte bzw die Wohnung zu erreichen. Da die gesamten Umstände des jeweiligen Einzelfalles als maßgebend anzusehen sind, hat die Verdoppelung des Heimweges nicht die allein entscheidende Bedeutung (BSG aaO). Insbesondere in seiner Rechtsprechung zum sog "dritten Ort" hat das Bundessozialgericht eine erhebliche Verlängerung des Weges noch als angemessen angesehen, wenn angesichts der Verkehrsverhältnisse nur wenige Minuten mehr benötigt werden. Dies bedeutet, dass selbst bei einer Verdoppelung des Umweges noch Versicherungsschutz besteht, wenn ganz besondere Gründe den Umweg rechtfertigen (Kasseler Kommentar aaO RdNr 211; Lauterbach § 8 RdNr 465). Hinsichtlich des Heimweges des Klägers ist zu beachten, dass die direkte Strecke über U. erhebliche Gefährdungsmomente und auch Zeitverzögerungen bot. Es ist nach Auffassung des Senats nachgewiesen, dass die entsprechende Fahrbahn durch landwirtschaftlichen Verkehr, Mühlenbetriebe sowie eine Erdaushubdeponie häufig verschmutzt war. Dem widerspricht auch das Landratsamt E. in seinem Schreiben vom 07.08.2001 nicht. Bei Feierabendverkehr musste mit verstärkten Verkehrsaufkommen und zeitbeeinträchtigenden Stauungen gerechnet werden (siehe auch Schreiben des Marktes E. vom 02.02.2000). Dadurch konnten zeitraubende Einschränkungen wegen des starken Gegenverkehrs beim Überholen auftreten. Zudem mussten mehrere Ortsteile mit Fußgängerampeln durchfahren werden. Der Kläger konnte sich hier nicht so schnell bewegen wie zB auf der Bundesautobahn. Der längere Weg über die Bundesautobahn hat sich daher als verkehrsgünstiger herausgestellt. Es ist insoweit nachvollziehbar, dass der Kläger auf dieser Strecke einige Minuten früher zu seiner Wohnung kam als auf dem direkten Weg. Im Rahmen seiner Wahlfreiheit, bei der durchaus die persönliche Neigung zum Fahren auf der Autobahn mit einfließen kann, sieht der Senat den Umweg über die Bundesautobahn als noch unter Versicherungsschutz stehend an. Dabei berücksichtigt er auch, dass in großstädtischen Ballungsräumen (Erlangen/Nürnberg/Fürth) hinsichtlich des geeigneten Heimweges andere Maßstäbe die Wahlfreiheit des Versicherten erweitern. Der Unfall vom 14.07.1999 ist daher als Arbeitsunfall anzuerkennen und nach den gesetzlichen Bestimmungen zu entschädigen.
Die Berufung der Beklagten ist als unbegründet zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Sozialgerichtsgesetz.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
II. Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Unfall des Klägers vom 14.07.1999 als Arbeitsunfall (Wegeunfall) anzuerkennen und zu entschädigen ist. Der am 1969 geborene Kläger, der von Beruf Programmierer ist, erlitt am 14.07.1999, gegen 20.25 Uhr, auf dem Heimweg von seiner Arbeitsstätte, der Firma J. Leiterplattentechnologie GmbH in E. , einen Motorradunfall mit seiner Suzuki GSE 500. Kurz vor seiner Wohnung in der S.straße in E. verunglückte er in demselben Ort in der N.straße. Seine Arbeitsstätte hatte er gegen 19.45 Uhr verlassen. Über die O.straße, G. , B 2 (Richtung Nürnberg), A 3 (Richtung Würzburg), B 4 (Richtung Erlangen-Tennenlohe) war er nach E. und dort über die P.-Straße, K.straße, K.-Straße bis zur Nstraße gefahren. Diese Wegstrecke beträgt bis zur E. Innenstadt ca 28,3 km. Der direkte Weg zwischen seiner Arbeitsstätte und der Wohnung (über H. , Staatsstraße 2243, 2240, U. bis zur Innenstadt E.) ist 15,4 km lang. Bei dem Unfall zog sich der Kläger eine Dens-Fraktur (Anderson II), BWK-III- und IV-Frakturen mit stabiler Hinterkante und Querfortsatzabrissen, Schlüsselbeinbruch links, Commotio cerebri, Verrenkungsbruch der Daumenmittelhandknochenbasis rechts sowie multiple Abschürfungen am gesamten Körper zu (Bericht der chirurgischen Klinik mit Poliklinik der Universität E. vom 30.07.1999). Er befand sich bis 10.09.1999 in stationärer Behandlung und war anschließend arbeitsunfähig krank. Die Beklagte zog die Unterlagen der Verkehrspolizei-Inspektion E. bei. Der Kläger führte mit Schreiben vom 15.12.1999 aus, er habe die längere Wegstrecke deswegen bevorzugt, weil sie in der Regel schneller zu befahren sei. Die kürzere Strecke berge bei Benutzung eines Motorrads gewisse Gefährdungsmomente. Sie sei oft stark verschmutzt durch landwirtschaftlichen Verkehr sowie Mühlenbetriebe der Umgebung und einer Erdaushubdeponie entlang der Wegstrecke. Das Ordnungsamt des Marktes E. teilte am 02.02.2000 mit, die kürzere Strecke über U. nach E. sei für einen Motorradfahrer eventuell verkehrstechnisch ungünstiger. Es seien mehrere Ortsteile zu durchfahren. Deshalb könne nicht so schnell gefahren werden wie auf der Bundesautobahn. Auch sei im Feierabendverkehr mit verstärkten Verkehrsaufkommen und Stauungen zu rechnen. Mit Bescheid vom 14.02.2000 lehnte die Beklagte die Anerkennung eines Wegeunfalles nach § 8 Abs 2 Nr 1 SGB VII ab. Es liege ein unversicherter Umweg vor. Der direkte Weg sei erheblich verlängert worden (doppelt so lang). Im Widerspruchsverfahren betonte der Kläger nochmals, die von ihm gewählte Strecke sei zeitlich erheblich kürzer gewesen. Der direkte Weg sei der ungünstigere, weil zB bei der Anschlussstelle in O. ein Verkehrskreisel gebaut wurde, der zu erheblichen Behinderungen führte. Zudem seien Überholeinschränkungen durch landwirtschaftlichen Verkehr und unübersichtliche Straßenführungen zu beachten, einige Ampeln behinderten den Verkehrsfluss. Außerdem habe er den längeren, aber sicheren Weg benutzt, weil er das Motorrad erst ca 2 Monate besaß und sich Fahrpraxis aneignen wollte. Mit Bescheid vom 12.04.2000 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Hiergegen hat der Kläger Klage zum SG Nürnberg erhoben und beantragt, ihm Entschädigungsleistungen aus dem Verkehrsunfall vom 14.07.1999 zuzuerkennen. Er hat vorgetragen, auf der längeren Strecke bestehe die Hälfte des Weges aus der Benutzung der Bundesautobahn. Dadurch könne er schneller fahren und eine Zeitersparnis von ca 5 bis 10 Minuten herausholen. Die Beklagte hat ausgeführt, der gewählte Weg sei doppelt so lang wie die direkte Verbindung und daher zeitlich nicht kürzer. Es treffe nicht zu, dass der direkte Weg wegen einer Vielzahl landwirtschaftlicher Betriebe verschmutzt sei. Staubedingte Behinderungen seien auf der Strecke zum Unfallzeitpunkt nicht zu erwarten. Zwar bestehe die Hälfte der vom Kläger gewählten Wegstrecke aus Bundesautobahnen, die übrige Wegstrecke umfasse aber ebenfalls Landstraße sowie innerstädtischen Verkehr. Bei Benutzung eines doppelt so langen Weges sei der Kläger ein zusätzliches Risiko eingegangen, das nicht zu Lasten der gesetzlichen Unfallversicherung gehen könne. Mit Urteil vom 13.02.2001 hat das SG Nürnberg die Beklagte verurteilt, das Ereignis vom 14.07.1999 als Wegeunfall anzuerkennen und Leistungen nach den gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Kläger sei in der Wahl des Weges grundsätzlich frei. Er müsse nicht die kürzeste und schnellste Strecke wählen. Die Wahlfreiheit beziehe sich auf die Verkehrsverhältnisse, den Zeitbedarf und die persönliche Neigung. Dass der Weg über die Bundesautobahn zeitlich schneller, störungsfreier und sogar risikoärmer als die direkte Wegstrecke gewesen sei, sei glaubhaft. Gegen dieses Urteil hat die Beklagte Berufung eingelegt und vorgetragen, dass die doppelt so lange Strecke keinen zeitlichen Vorteil bringe. Der Kläger habe in etwa ein gleich langes Stück Landstraße bewältigen müssen wie auf der kürzeren Route über Uttenreuth. Er habe hier mit denselben potenziellen Gefahrenmomenten wie bei der direkten Wegstrecke rechnen müssen. Zusätzlich komme eine Autobahnstrecke in etwa gleicher Länge hinzu. Gerade der Weg über die Autobahn stelle bei einem ungeübten Motorradfahranfänger - wie dem Kläger - ein erhebliches Gefahrenmoment dar. Auf Anfrage des Senats hat das Landratsamt E. mit Schreiben vom 07.08.2001 mitgeteilt, es könne nicht eingeschätzt werden, ob die gewählte Strecke tatsächlich schneller sei oder nur subjektiv so empfunden werde. Die den direkten Weg betreffende Staatsstraße 2240 sei einem starken Feierabendverkehr ausgesetzt. Die Verkehrsbelastung betrage 20.000 Fahrzeuge pro Tag, wobei als Hauptverkehrsrichtung jedoch der Weg aus der Stadt überwiege. Verschmutzungen wegen der Mühlenbetriebe und durch Erdaushub seien nicht auszuschließen. Die Straßenführung sei als nicht unübersichtlich anzusehen, jedoch seien viele Ortsdurchfahrten mit Fußgängerampeln vorhanden.
Die Beklagte beantragt, das Urteil des SG Nürnberg vom 13.02.2001 aufzuheben, die Klage abzuweisen und die Revision zuzulassen.
Der Kläger beantragt, die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG Nürnberg vom 13.02.2001 zurückzuweisen.
Wegen weiterer Einzelheiten wird ergänzend auf den Inhalt der Verwaltungsakte der Beklagten sowie der Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Beklagten ist zulässig, in der Sache aber nicht begründet. Wie das SG - im Ergebnis - zu Recht entschieden hat, stellt das Ereignis vom 14.07.1999 einen Arbeitsunfall im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung dar. Die Beklagte ist daher verpflichtet, den Kläger nach den gesetzlichen Bestimmungen zu entschädigen (§ 8 Abs 1, Abs 2 Nr 1 iVm § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII). Unstreitig hat der Kläger am 14.07.1999 auf dem Nachhauseweg von seiner Arbeitsstätte zur Wohnung in E. einen Motorradunfall erlitten. Streitig ist allein, ob dieser Unfall einen Arbeitsunfall im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung darstellt und nach den gesetzlichen Bestimmungen zu entschädigen ist. § 8 Abs 1 SGB VII verlangt hierfür einen Unfall, den ein Versicherter bei einer der in den §§ 2, 3 oder 6 genannten Tätigkeiten, also versicherten Tätigkeiten erleidet. Nach § 8 Abs 2 Nr 1 sind versicherte Tätigkeiten auch das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit (Wegeunfall). Das unfallbringende Verhalten muss der im Gesetz genannten Tätigkeit zuzurechnen sein. Zwischen dem konkreten unfallbringenden Verhalten und dem generell versicherten Tätigkeitsbereich des Versicherten muss also ein innerer Zusammenhang bestehen (Bereiter-Hahn/Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, 5. Auflage, § 8 RdNr 6; BSG SozR 2200 § 550 Nr 76). Dabei ist zu ermitteln, ob die jeweilige Verrichtung innerhalb der Grenze liegt, bis zu welcher der Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung reicht (BSGE 63, 273; 61, 127). Die finale Handlungstendenz des Versicherten, also der Zweck seines Handelns, ist insbesondere dann bedeutsam, wenn es um die Abgrenzung der versicherten von der eigenwirtschaftlichen Tätigkeit geht (Bereiter-Hahn aaO RdNr 6.4). Dem privaten Bereich zuzurechnende Tätigkeiten dienen den Interessen des Versicherten und nicht dem Betrieb oder Unternehmen. Bei diesen eigenwirtschaftlichen bzw privaten Tätigkeiten besteht daher kein Versicherungsschutz. Der Senat sieht die Fahrt des Klägers (Heimweg von der Arbeitsstätte) von E. über die BAB nach E. , die einen Umweg im Verhältnis zur direkten unmittelbaren Fahrtstrecke von E. über U. nach E. darstellt, als unter Versicherungsschutz stehend an. Von Bedeutung ist dabei, dass beim Umweg, der doppelt so lang ist wie die direkte Verbindung E.-E. , als Zielrichtung der jeweilige Grenzpunkt des Weges beibehalten, die kürzere Strecke jedoch nicht unbedeutend verlängert wird. Zielrichtung muss stets die Wohnung bleiben, was beim Kläger der Fall war. Unzweifelhaft hat der Umweg beim Kläger die Heimfahrtstrecke von 15,4 auf 28,3 km verlängert. Nach der uneinheitlichen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts steht zB eine Verlängerung des Gesamtweges von 6,6 auf 11 km nicht unter Versicherungsschutz (Bereiter-Hahn aaO RdNr 12.35). Eine schematische Betrachtung der Längenunterschiede zwischen dem direkten und dem eingeschlagenen Weg ist aber nicht zulässig, zumal die Längenunterschiede vor allem bei kurzen Wegstrecken besonders groß sein können, ohne dass der Unfallversicherungsschutz schon aus diesem Grunde zu verneinen ist (Kasseler Kommentar - Ricke - § 8 RdNr 205). Vielmehr sind alle rechtserheblichen Umstände heranzuziehen, welche den Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und dem gewählten Weg begründen oder ausschließen (Bereiter-Hahn aaO RdNr 12.34). Die Versicherten müssen nämlich nicht die kürzeste Strecke und die schnellste Art wählen. Sie haben in einem nicht engen Rahmen eine Wahlfreiheit. Dies gilt insbesondere für die jeweiligen Verkehrsverhältnisse, die Art des benutzten Verkehrsmittels, die Dauer des üblichen Weges, die Entfernung, den Zeitbedarf und die persönliche Neigung (Kasseler Kommentar aaO RdNr 201; Podzun 121 Seite 8; Lauterbach § 8 RdNr 465, 506). Insbesondere besteht Versicherungsschutz auch dann, wenn der Umweg im Hinblick auf das gewählte Verkehrsmittel geeignet ist, um möglichst schnell (zB zur Vermeidung von Verkehrstauungen) und sicher (dh mit geringeren Gefahren) die Arbeitsstätte bzw die Wohnung zu erreichen. Da die gesamten Umstände des jeweiligen Einzelfalles als maßgebend anzusehen sind, hat die Verdoppelung des Heimweges nicht die allein entscheidende Bedeutung (BSG aaO). Insbesondere in seiner Rechtsprechung zum sog "dritten Ort" hat das Bundessozialgericht eine erhebliche Verlängerung des Weges noch als angemessen angesehen, wenn angesichts der Verkehrsverhältnisse nur wenige Minuten mehr benötigt werden. Dies bedeutet, dass selbst bei einer Verdoppelung des Umweges noch Versicherungsschutz besteht, wenn ganz besondere Gründe den Umweg rechtfertigen (Kasseler Kommentar aaO RdNr 211; Lauterbach § 8 RdNr 465). Hinsichtlich des Heimweges des Klägers ist zu beachten, dass die direkte Strecke über U. erhebliche Gefährdungsmomente und auch Zeitverzögerungen bot. Es ist nach Auffassung des Senats nachgewiesen, dass die entsprechende Fahrbahn durch landwirtschaftlichen Verkehr, Mühlenbetriebe sowie eine Erdaushubdeponie häufig verschmutzt war. Dem widerspricht auch das Landratsamt E. in seinem Schreiben vom 07.08.2001 nicht. Bei Feierabendverkehr musste mit verstärkten Verkehrsaufkommen und zeitbeeinträchtigenden Stauungen gerechnet werden (siehe auch Schreiben des Marktes E. vom 02.02.2000). Dadurch konnten zeitraubende Einschränkungen wegen des starken Gegenverkehrs beim Überholen auftreten. Zudem mussten mehrere Ortsteile mit Fußgängerampeln durchfahren werden. Der Kläger konnte sich hier nicht so schnell bewegen wie zB auf der Bundesautobahn. Der längere Weg über die Bundesautobahn hat sich daher als verkehrsgünstiger herausgestellt. Es ist insoweit nachvollziehbar, dass der Kläger auf dieser Strecke einige Minuten früher zu seiner Wohnung kam als auf dem direkten Weg. Im Rahmen seiner Wahlfreiheit, bei der durchaus die persönliche Neigung zum Fahren auf der Autobahn mit einfließen kann, sieht der Senat den Umweg über die Bundesautobahn als noch unter Versicherungsschutz stehend an. Dabei berücksichtigt er auch, dass in großstädtischen Ballungsräumen (Erlangen/Nürnberg/Fürth) hinsichtlich des geeigneten Heimweges andere Maßstäbe die Wahlfreiheit des Versicherten erweitern. Der Unfall vom 14.07.1999 ist daher als Arbeitsunfall anzuerkennen und nach den gesetzlichen Bestimmungen zu entschädigen.
Die Berufung der Beklagten ist als unbegründet zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Sozialgerichtsgesetz.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
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