Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
15
1. Instanz
SG Regensburg (FSB)
Aktenzeichen
S 3 VG 9/99
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 15 VG 10/00
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 09.05.2000 und der Bescheid des Beklagten vom 04.08.1999 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 02.12.1999 aufgehoben.
II. Es wird festgestellt, dass es sich bei dem Ereignis, von dem der Kläger am 02.01.1994 betroffen wurde, um eine grundsätzlich nach dem OEG entschädigungspflichtige Gewalttat handelt.
III. Der Beklagte hat dem Kläger die notwendigen außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge zur Hälfte zu erstatten.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob dem Kläger dem Grunde nach Versorgung nach dem Gesetz über die Entschädigung für Opfer von Gewalttaten (OEG) zusteht.
Der am 1938 geborene Kläger beantragte am 03.05.1999 Entschädigung nach dem OEG wegen einer am 02.01.1994 erlittenen Körperverletzung. Er gab an, von J. K. geschädigt worden zu sein und einen Bauchwandbruch erlitten zu haben, der laufend Entzündungen um sein Stoma zur Folge habe. Zum Beweis legte er eine ärztliche Bescheinigung des Allgemeinarztes Dr.M. vom 22.07.1996 vor, wonach dieser am 03.01.1994 eine geringe Hämatomverfärbung am Stomarand, linker Unterbauch (Zustand nach Rektumamputation und Anus praeter) festgestellt habe. Bei der Nachuntersuchung am 26.01.1994 sei die Umgebung des Stomas noch immer druckschmerzhaft gewesen. Am 24.08.1994 habe Dr.M. eine Vorwölbung der Bauchdecke über dem Anus praeter festgestellt, die sich am 20.11.1995 zum Bauchwandbruch entwickelt habe; ein ursächlicher Zusammenhang mit einer Stoßverletzung am 02.01.1994 konnte nach Auffassung von Dr.M. angenommen werden. Auch Chefarzt Dr.H. (Schreiben vom 04.03.1997) und Prof.Dr.G. (Schreiben vom 27.02.1997) nahmen zur Entstehnung des Bauchwandbruchs Stellung.
Der Beklagte zog die Akten der Staatsanwaltschaft Weiden in der Oberpfalz bezüglich der Ermittlungen gegen J.K. (5 Js 6769/94) sowie die Akte des Amtsgerichts Tirschenreuth - Zivilgericht - (C 545/96) wegen Schadensersatz bei. Aus der Akte der Staatsanwaltschaft ergibt sich, dass das Ermittlungsverfahren gegen J.K. am 09.03.1994 von der Staatsanwaltschaft mangels öffentlichen Interesses eingestellt worden ist. Als Ermittlungsergebnis wurde am 28.02.1994 Folgendes festgehalten:
"Herr P. hat am 02.01.1994 gegen 19.15 Uhr seine Schwiegermutter, Frau A. M. , in ihre Wohnung in der P. Straße gebracht. Dazu musste er über das Grundstück des Herrn K. (P. Straße) gehen. Nachdem Herr P. seiner Schwiegermutter das Haus aufgesperrt und Licht gemacht hatte, wollte er gerade das Grundstück wieder verlassen, als Herr K. hinzukam. Es entbrannte ein lauter verbaler Streit zwischen den beiden Parteien bezüglich der Benutzung der Grundstücksausfahrt. Bei dieser Auseinandersetzung verwies der Beschuldigte Herrn P. vom Grundstück. Anschließend hat Herr K. den Herrn P. am Mantelkragen haltend vom Grundstück gedrängt. Auch als Herr P. bereits auf dem Gehweg vor dem Gartenzaun stand, stritten die beiden weiter. Dabei hat der Beschuldigte den Herrn P. nochmals am Mantelkragen gepackt und zu sich über den Gartenzaun gezogen. Dabei soll die Verletzung des Herrn P. entstanden sein (siehe ärztliches Attest). Die vernommenen Zeugen konnten nicht bestätigen oder widerlegen, ob der Tathergang so gewesen ist. Herr P. stellt Strafantrag gegen Herrn K ..." Bei seiner polizeilichen Vernehmung gab J.K. u.a. an, er sei auf dem Weg von seinem Haus zum Getränkemarkt seiner Verlobten, Frau K. P. , gewesen, als er den Kläger in der Hofeinfahrt bemerkte und habe zu ihm gesagt: "Herr P. , sie wissen genau, dass sie ein Haus- und Grundstücksverbot haben. Verlassen Sie sofort mein Grundstück". Dabei habe er den Kläger durch die offene Gartentür auf den Gehsteig gedrängt und dann die Gartentür geschlossen. Er sei dann von Herrn P. massiv beleidigt worden; Frau P. habe den Gaststättenpächter H. geholt, der sich aber nicht in den Streit einmischen wollte und wieder zurück in Richtung Gaststätte gegangen sei. Er habe Herrn P. weder verletzt noch gegen den Gartenzaun gezogen. Der Kläger gab bei seiner polizeilichen Vernehmung an, J.K. habe ihn zum dritten Mal am Mantel gepackt, als er schon auf dem Gehweg war, und ihn zu sich herangezogen. Dabei sei er mit dem Unterleib an die Spitze einer Gartenzaunlatte gedrückt worden, die ihn an seinem künstlichen Darmausgang, den er vor einem Jahr erhalten hatte, verletzt habe. Zu Hause habe er festgestellt, dass der künstliche Ausgang blutete. Die Ehefrau des Klägers schilderte bei ihrer Vernehmung am 23.01.1994 den Tathergang übereinstimmend mit der Schilderung ihres Ehemanns. Die Schwiegermutter des Klägers, A. M. , geboren im Juli 1907, gab am 20.02.1994 an, gesehen zu haben, wie Herr K. den Kläger am Kragen hatte und zum Gartentor und anschließend auf den Gehsteig schob. Zuvor habe er ihn an den Gartenzaun gedrückt und geschrien: "Jetzt bist draußen und rein kommst mir nimmer". K. P. , die Tochter des Klägers, sagte am 04.02.1994 aus, sie habe ihren Vater bereits auf dem Gehsteig vor dem Grundstück stehen sehen, ca. einen halben Meter vom Gartenzaun entfernt; ihr Verlobter sei ca. zwei Meter von ihrem Vater entfernt im Hof gestanden. Der Gaststättenpächter M. H. , geboren im November 1966, sagte am 08.02.1994 aus, Frau P. habe ihn auf die Straße geholt und er habe gesehen, wie Herr K. den Kläger am Mantelkragen festgehalten habe. Er habe beide aufgefordert, die Streitigkeiten zu lassen. Daraufhin habe Herr K. den Kläger losgelassen. Der Kläger sei zum Auto gegangen, jedoch die Schimpfereien seien fortgesetzt worden. Der Kläger habe die Autotür schon offen gehabt, sie dann wieder zugeschlagen und sei zurück in Richtung von Herrn K. bis zum Gehsteigrand gegangen. Die Beschimpfungen seien weitergegangen. H. habe dann gesagt "Ich misch mich da nicht ein" und sei ins Lokal zurückgekehrt.
Laut Zivilgerichtsakte des Amtsgerichts Tirschenreuth wies dieses am 04.02.1997 durch Beschluss den Antrag des Klägers auf Gewährung von Prozesskostenhilfe (PKH) mangels hinreichender Erfolgsaussicht als unbegründet zurück. Auf die Beschwerde des Klägers bewilligte das Landgericht Weiden (Beschluss vom 24.02. 1997) unter Aufhebung des vorgenannten Beschlusses dem Kläger für den ersten Rechtszug PKH. Es sei zu berücksichtigen, dass der Kläger auf Grund der Zeugenaussagen des Gaststättenpächters H. , seiner Ehefrau sowie des Attests von Dr.M. möglicherweise seine Behauptungen beweisen könne. Auch handle es sich wahrscheinlich nicht bloß um eine Bagatellverletzung. Bei der mündlichen Verhandlung am 30.04.1997 vor dem Amtsgericht Tirschenreuth wurden nochmals der Pächter H. und die Ehefrau des Klägers als Zeugen vernommen. H. gab dabei an, die Schwiegermutter des Klägers habe entweder durch die Gaststätte oder auf einem Zugangsweg über das Nachbargrundstück in ihre Wohnung gelangen können. Sie hätten vereinbart gehabt, dass sie, wenn das Lokal geöffnet gewesen sei, nicht durch das Lokal gehen sollte. Die Ehefrau des Klägers sagte als Zeugin unter anderem aus, ihr Mann und sie hätten Hausverbot auf dem Grundstück von Herrn K. gehabt. Sie seien dennoch öfters über das Grundstück des Beklagten gegangen. Das Amtsgericht Tirschenreuth wies anschließend die Klage durch Endurteil ab, da der Kläger die Körperverletzung durch den Beklagten nicht habe beweisen können. Der Zeuge H. habe keine Körperverletzung des Klägers beobachten können. Die Zeuginnen P. hätten gegensätzliche Angaben gemacht. Am 18.06.1997 erließ das Landgericht Weiden (2 S 489/97) einen Beschluss, mit dem der Berufungsstreitwert auf 560,00 DM festgesetzt wurde, die Bewilligung von PKH für das Berufungsverfahren versagt wurde und die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Amtsgerichts Tirschenreuth kostenpflichtig verworfen wurde. Die Bewilligung von PKH scheide aus, weil die Berufungssumme nicht erreicht sei. Die Berufung hätte im Übrigen keine hinreichende Erfolgsaussicht gehabt.
Am 04.08.1999 erging im OEG-Verfahren ein Ablehnungsbescheid. Unter Bezugnahme auf das strafrechtliche Ermittlungsverfahren und den Zivilprozess wurde festgestellt, dass die anspruchsbegründenden Tatsachen, ein vorsätzlicher rechtswidriger tätlicher Angriff und die gesundheitliche Schädigung nicht nachgewiesen seien.
Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein und wies insbesondere darauf hin, dass sich die Beschlüsse des Landgerichts Weiden vom 24.02.1997 und vom 18.06.1997 zur PKH widersprächen und die Streitwertsetzung durch das Amtsgericht Tirschenreuth unterhalb der Berufungssumme nicht nachvollziehbar sei.
Am 02.12.1999 erging ein zurückweisender Widerspruchsbescheid.
Hiergegen hat sich der Kläger mit Klage zum Sozialgericht Regensburg gewandt. Er hat sein bisheriges Vorbringen wiederholt und weiterhin einen Anspruch auf Entschädigung nach dem OEG und auf Rentengewährung geltend gemacht. Durch die vorliegende männerfaustgroße Wölbung - bedingt durch den Bauchwandbruch - könne er sich nicht mehr so gut bücken wie vorher und habe auch aus diesem Grund seine Arbeitsstelle im Tierheim Tirschenreuth verloren. In der mündlichen Verhandlung am 09.05.2000 ist nochmals der Zeuge H. vernommen worden. Er hat angegeben, nach seiner Erinnerung seien der Kläger und Herr K. irgendwie zusammengehängt, d.h. einer hätte den anderen gepackt gehabt, aber wer im einzelnen wen, könne er nicht mehr sagen. Zwischen den Beteiligten sei ein Jägerzaun gewesen. Ob Herr K. den Kläger über den Zaun gezogen habe, könne er heute ebenso wenig sagen wie seinerzeit. An einen Schmerzensschrei könne er sich nicht erinnern. Auch die Ehefrau des Klägers ist vernommen worden und hat u.a. den etwa bauchhohen Zaun aus geraden Latten, die oben spitz zuliefen, beschrieben. Herr K. habe den Kläger am Mantelkragen gepackt und dessen Oberkörper über den Zaun hinweg zu sich herangezogen. Der Kläger habe laut geschrieen "Au, hör auf, ich bin schwerbehindert".
Daraufhin hat das Sozialgericht Regensburg durch Urteil die Klage abgewiesen. Die Anspruchsvoraussetzungen nach § 1 OEG seien nicht erfüllt, da der Kläger zwar am 02.01.1994 von Herrn K. am Mantelkragen gefasst worden sei, ein vorsätzlicher rechtwidriger tätlicher Angriff jedoch nicht angenommen werden könne. Herr K. habe den Kläger zunächst in Ausübung seines Hausrechts von seinem Grundstück verweisen wollen, da der Kläger aus moralisch vielleicht verständlichen, rechtlich aber nicht zu billigenden Gründen - da er von der Wohnung der Schwiegermutter auch durch die Gaststätte wieder auf die Straße hätte gehen können - der Aufforderung nicht nachgekommen sei und noch eine Diskussion angezettelt habe. Herr K. habe den Kläger im Verlauf der verbalen Auseinandersetzung - wie in Bayern üblich - "am Schlawittel gepackt", ihn dabei auch über den Jägerzaun gezogen, wobei sich der Kläger möglicherweise eine Verletzung in seinem Stoma-Bereich zugezogen habe. Dem Gericht sei nicht nachvollziehbar, dass die Zufügung dieser Verletzung mit Wissen und Wollen, d.h. vorsätzlich, erfolgt sei. Es habe sich vielmehr um eine Reflexhandlung im Rahmen einer auf Seiten von Herrn K. durch Notwehr (Hausrecht) gedeckten Auseinandersetzung gehandelt, deren Folgen Herr K. nicht habe absehen können. Im Übrigen habe der Kläger durch seine Rückkehr vom beabsichtigten Einsteigen in sein Auto wesentlich zur Eskalierung des Streits beigetragen, sodass die Versagung einer Entschädigung nach § 2 Abs.1 Satz 1 OEG angebracht sei. Dass die Folgen der Tat (Schwierigkeiten beim Bücken, Fußnägelschneiden, Schuhbinden) eine MdE von wenigstens 25 v.H. ergeben, erscheine nach Auffassung des Gerichts völlig unwahrscheinlich.
Gegen dieses Urteil hat der Kläger mit Schriftsatz vom 17.11. 2000 Berufung zum Bayerischen Landessozialgericht eingelegt und weiterhin Rente nach dem OEG begehrt, da er vom Täter nicht nur "am Schlawittel gepackt", sondern im Bewusstsein, dass es sich bei ihm um einen Schwerbehinderten mit künstlichem Darmausgang handle, über einen Gartenzaun gezogen worden sei. Außerdem habe er kein Hausverbot gehabt; er sei auf dem Zufahrtsweg zur Wohnung seiner Schwiegermutter gegangen.
Auf Anfrage haben zunächst die Zeugen J.K. und K. K. , geborene P. , von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch gemacht.
Im Erörterungstermin am 27.03.2001 hat der Kläger angegeben, er sei als Bierfahrer bei der Brauerei T. beschäftigt gewesen und habe gleichzeitig einen Getränkemarkt auf dem Grundstück P. Straße betrieben. Die Schwiegermutter habe den Teil ihres Grundstücks, auf dem sich das Bierlager befunden habe, ihrer Enkelin K. überschrieben. Diese habe ihm ca. 1988 oder 1989 den Zutritt untersagt, so dass er die Raten für sein Haus P. Straße nicht mehr habe bezahlen können. J.K. habe dann das Haus Nr.9 ungefähr 1990 ersteigert und ihn gezwungen auszuziehen, obwohl K. vorher zwei Jahre lang kostenfrei als Mieter darin gewohnt habe. K. sei streitbar und aggressiv und habe nicht nur seine Ehefrau, sondern auch seine Tochter S. und seine Schwiegertochter B. tätlich angegriffen. Die Grenzen zwischen den Häusern Nr.7 und Nr.9 seien seines Wissens nicht genau notariell festgelegt worden. K. sei seines Erachtens nicht berechtigt gewesen, ihn aus dem Hof zu weisen. Im Übrigen habe der Angriff auf ihn stattgefunden, als er bereits aus dem Grundstück hinausgegangen war. K. habe ihn vorher schwer beleidigt; es könne sein, dass auch er diesen beleidigt habe. Es sei nicht richtig, dass er vor dem Angriff schon bei seinem Auto gewesen und zurückgekehrt sei. Alles habe sich auf einem relativ schmalen Gehweg vor dem Grundstück abgespielt.
Mit Schriftsatz vom 12.04.2001 hat sich der Beklagte der Auffassung des Senats angeschlossen, wonach auf den Kläger ein (zumindest bedingt) vorsätzlicher rechtswidriger tätlicher Angriff verübt worden sei. Dennoch seien nach § 2 Abs.1 Satz 1 Leistungen zu versagen, weil der Kläger durch sein Verhalten erheblich zu der Auseinandersetzung beigetragen habe. Vor allem habe der Kläger entgegen dem rechtswirksamen Hausverbot das Grundstück des K. betreten. In Anbetracht des wiederholten Verstoßes gegen das Hausverbot und der angespannten familiären Situation sei eine defensive Haltung des Klägers angebracht gewesen.
Nach gerichtlichem Hinweis an J.K. , dass inzwischen Einigkeit zwischen den Beteiligten bestehe, dass er den Kläger tätlich angegriffen und verletzt habe und dass nur noch streitig sei, ob der Kläger die Schädigung provoziert oder mitverursacht habe, hat der Zeuge mit Schriftsatz vom 10.08.2001 eine Reihe von gerichtlichen Vorladungen ab 1987 gegenüber seiner jetzigen Frau, Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse gegen den Kläger und seine Ehefrau, in denen u.a. K. K. , geb. P. , als Drittschuldner angegeben ist und andere Unterlagen übersandt. Er habe dem Kläger und seiner Frau im Laufe des Jahres 1993 unter Zeugen mehrfach verbal ein Hausverbot für das Grundstück und Anwesen P. Straße erteilt. Er bleibe dabei, dass er dem Kläger keinerlei körperliche Misshandlungen zugefügt habe. Mit Schriftsatz vom 24.09.2001 hat der Beklagte seine Auffassung bekräftigt, wonach ein Versagungsgrund nach § 2 OEG darin zu sehen sei, dass sich der Kläger über ein bestehendes Hausverbot hinweggesetzt habe. Dies ergebe sich auch aus der Zeugenaussage der Ehefrau des Klägers vor dem Amtsgericht Tirschenreuth am 30.04.1997. Aus dem von J.K. übersandten Bauplan vom August 1962 gehe hervor, dass der Kläger damals als Bauherr den Einbau einer Gaststätte in das Wohnhaus seiner Schwiegermutter vorgenommen habe. Wenn diese im Rahmen des Pachtvertrags nicht für ein Recht zur Durchquerung der Gaststätte gesorgt und auch der Kläger bei Übernahme des Anwesens Nr.9 nicht Maßnahmen zur dinglichen Sicherung des Zugangs zum Hintereingang des Anwesens Nr.7 ergriffen habe, können diese Versäumnisse nicht als Argumentation für die Rechtsmissbräuchlichkeit des Hausverbots durch J.K. verwendet werden. Der Kläger sei vielmehr selbst am Zustandekommen der zur Tatzeit bestehenden Situation maßgeblich beteiligt gewesen.
In der mündlichen Verhandlung am 16.04.2001 hat der Kläger erklärt, er habe zwar gewusst, dass J.K. zu aggressivem Verhalten neige, habe aber, nachdem er sich außerhalb seines Grundstücks befunden habe, nicht damit gerechnet, dass er ihn packen und über den Zaun ziehen würde.
Der Kläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 09.05.2000 und den Bescheid des Beklagten vom 04.08.1999 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 02.12.1999 aufzuheben und festzustellen, dass es sich bei dem Ereignis, von dem er am 02.01.1994 betroffen wurde, um eine grundsätzlich nach dem OEG entschädigungspflichtige Gewalttat gehandelt hat.
Der Beklagte beantragt, die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 09.05.2000 zurückzuweisen.
Zur Ergänzung des Sachverhalts wird Bezug genommen auf die beigezogenen Akten des Beklagten nach dem OEG und dem Schwerbehindertengesetz, die Akten der Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Weiden in der Oberpfalz (5 Js 6769/94 gegen K. und 14 Js 7278/97 gegen K. P.), die Akte des Amtsgerichts Tirschenreuth (C 545/96 wegen Schadensersatz) sowie den Inhalt der Gerichtsakten des vorangegangenen Klageverfahrens und des Berufungsverfahrens mit allen darin befindlichen Schriftsätzen und Niederschriften.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt (§ 151 Abs.1 Sozialgerichtsgesetz - SGG -); einer Zulassung bedurfte sie nicht (§ 144 Abs.1 Satz 1 Nr.1 und Satz 2 SGG).
Der zum Schluss der mündlichen Verhandlung gestellte Antrag des Klägers bezieht sich nunmehr lediglich auf die Feststellung, dass es sich bei dem Ereignis am 02.01.1994 um eine grundsätzlich nach dem OEG entschädigungspflichtige Gewalttat gehandelt hat. Nach Auffassung des Senats hat der Kläger im Sinne von § 55 Abs.1 Nr.1 SGG ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung des Bestehens eines Versorgungsrechtsverhältnisses nach dem OEG zwischen den Beteiligten. Die Frage, ob das Vorliegen eines derartigen Rechtsverhältnisses, das zwingend die Annahme einer grundsätzlich entschädigungspflichtigen Gewalttat voraussetzt, für sich (isoliert) der Feststellung zugänglich ist, ist umstritten (ablehnend: BSGE 13, 178/180; Bley, Gesamtkommentar, Anm.4c zu § 55 SGG; befürwortend: Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, 10. Auflage, S.240m IV - allerdings zu § 55 As.1 Nr.3 SGG -; Meyer-Ladewig, Kommentar zum SGG, 6. Auflage, Rdnr.13 zu § 55; Krasney-Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 2. Auflage, IV Rdnr.89; offengelassen: BSGE 42, 178/183). Im vorliegenden Fall konzentrierte sich der Rechtsstreit bisher auf die Frage, ob die Anspruchsvoraussetzungen nach § 1 OEG, insbesondere ein vorsätzlicher tätlicher Angriff, anzunehmen sind und ob ein Versagungsgrund entgegensteht. Die medizinische Feststellung der Schädigungsfolgen und der MdE standen daher im Hintergrund. Der Kläger hat zwar eine Bescheinigung seines Hausarztes Dr.M. vorgelegt, wonach dieser am Tag nach dem Ereignis eine Hämatomverfärbung am Stomarand am linken Unterbauch des Klägers und fast acht Monate später einen Bauchwandbruch als Folge der Stoßverletzung festgestellt hat. Zur Feststellung der mit Wahrscheinlichkeit in ursächlichem Zusammenhang mit dem Ereignis am 02.01.1994 stehenden Schädigungsfolgen ist eine chirurgische Abklärung erforderlich. Im Hinblick auf den damit verbundenen weiteren Zeitaufwand (auch hinsichtlich § 109 SGG) ist dem Kläger daher ein berechtigtes Interesse an der alsbaldigen Feststellung des Vorliegens einer entschädigungspflichtigen Gewalttat zuzugestehen. Dabei war zu berücksichtigen, dass dem Kläger in einem möglichen Rechtsstreit um die rentenberechtigende Höhe der MdE sonst eine Instanz genommen würde. Wegen dieser Interessenlage des Klägers hat der Senat dessen Feststellungsinteresse bejaht. In Übereinstimmung mit den o.a. befürwortenden Kommentarmeinungen und im Hinblick auf die Rechtsprechung des BSG für den insoweit vergleichbaren Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung (BSG, 11.05.1995, 2 RU 8/94; s. auch Krasney/Udsching, a.a.O.) hält er auch die begehrte Feststellung - als eine solche i.S.d. § 55 Abs.1 Nr.1 SGG - für zulässig. Der Subsidiaritätsgrundsatz steht nicht entgegen (vgl. z.B. BSG, 18.05.1983, 12 RK 28/82; Meyer-Ladewig, a.a.O., Rdnr.19b zu § 55).
Die zulässige Berufung erweist sich auch als begründet. Sowohl im angefochtenen Urteil des Sozialgerichts Regensburg als auch in der Entscheidung des Beklagten wurde zu Unrecht das Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen nach § 1 Abs.1 OEG verneint bzw. ein Versagungsgrund nach § 2 Abs.1 OEG angenommen.
Hinsichtlich des entscheidungserheblichen äußeren Sachverhalts geht der Senat von dem Ermittlungsergebnis der Grenzpolizeistation Waldsassen (Bericht vom 28.02.1994), das im Tatbestand des Urteils des erkennenden Senats zitiert wurde, aus. Der Kläger und seine Ehefrau haben wiederholt angegeben, der Kläger sei von J.K. vom Gehweg aus über einen niedrigen Jägerzaun mit überkreuzten, spitz auslaufenden Latten am Mantelkragen zu sich ins Grundstück hereingezogen worden. Dabei sei der Kläger am linken Unterbauch (Stomarand) verletzt worden. Obwohl der Täter diesen Tathergang geleugnet hat, der von der Ehefrau des Klägers zu Hilfe gerufene Zeuge H. den Tathergang nicht bis zu Ende miterlebt hat und auch K. P. , die damalige Verlobte des J.K. vor der Polizei nur sehr vage Angaben gemacht und später die Aussage verweigert hat, wird die Schilderung des Tathergangs durch den Kläger und seine Ehefrau als schlüssig und glaubhaft angesehen. Auch die Schwiegermutter des Klägers, A. M. , hat bei ihrer polizeilichen Vernehmung am 20.02. 1994 angegeben, sie habe durch das Fenster in der Haustür gesehen, wie J.K. ihren Schwiegersohn gegen den Gartenzaun neben dem Gartentor gedrückt habe.
Ausgehend von diesem Tathergang ist der Senat zur Auffassung gelangt, dass auf den Kläger ein tätlicher Angriff, d.h. eine unmittelbar auf den Körper zielende feindselige Einwirkung verübt worden ist (vgl. Tröndle/Fischer, Strafgesetzbuch und Nebengesetze, 49. Auflage, Rdnr.21 zu § 113 StGB, ferner BSG, Urteil vom 24.04.1991, SozR 3-3800 § 1 Nr.1). Der Senat geht davon aus, dass J.K. nicht nur einen tätlichen Angriff, sondern auch den objektiven Tatbestand einer Körperverletzung im Sinne von § 223 Strafgesetzbuch (StGB) erfüllt hat. Zwar reicht nach der Rechtsprechung in Strafsachen hierfür eine nur unerhebliche körperliche Beeinträchtigung wie ein paar blaue Flecken, ein heftiger Stoß vor die Brust oder ein leichter Tritt nicht aus, wohl aber werden als Körperverletzung angesehen eine Ohrfeige, ein Würgegriff mit dem Ziel, dem Opfer einen Schock zu versetzen (Tröndle/Fischer, a.a.O., Rdnr.3 bis 5 zu § 223). Im vorliegenden Fall lag nach Auffassung des Senats deshalb eine Körperverletzung des Klägers vor, weil er durch eine üble unangemessene Behandlung in seinem körperlichen Wohlbefinden, insbesondere durch Schmerzen und Substanzschäden am linken Unterbauch (Stomarand), nicht unerheblich beeinträchtigt worden war (Schönke/Schröder, Strafgesetzbuch, 26. Auflage, Rdnr.3 zu § 223).
Ob der tätliche Angriff in feindseliger Willensrichtung bzw. die Körperverletzung vorsätzlich begangen wurde, ist ohne ein Geständnis des Klägers schwer zu beurteilen. Seit dem oben genannten Urteil des BSG vom 24.04.1991 kann dies insbesondere auch aus dem festgestellten äußeren Tathergang beurteilt werden. Im vorliegenden Fall hatte der Senat keinen Zweifel, dass bei J.K. eine feindselige Willensrichtung gegenüber dem Kläger vorhanden war, als er diesen von vorne am Mantelkragen packte und über den niedrigen Jägerzaun mit den spitzen Latten zu sich heranzog. Dabei bestand für jedermann und auch für J.K. ersichtlich das Risiko, dass die spitzen Zaunlatten den Kläger trotz der schützenden Kleidung am Unterleib verletzen oder ihm zumindest Schmerzen zufügen könnten. Hinzu kommt, dass sowohl nach den Angaben des Klägers als auch nach den gegebenen familiären Verhältnissen davon auszugehen ist, dass J.K. darüber informiert war, dass der Kläger infolge einer Darmoperation im Vorjahr ein Stoma tragen musste bzw. zumindest schmerzempfindlich im Bauchbereich war. Der Senat ist darüber hinaus davon ausgegangen, dass J.K. mit zumindest bedingtem Vorsatz den Kläger angegriffen und geschädigt hat. Der vom Senat zugrunde gelegte Geschehensablauf erlaubt nicht die Annahme, dass J.K. den Kläger nur in einer Art "Reflex" über den Jägerzaun gezogen habe, um ihm sein Hausrecht nochmals deutlich zu machen. Aus der Art und Weise des Vorgehens des Täters ist nach hiesiger Auffassung vielmehr zu schließen, dass ihm nicht nur bewusst war, dass er den Kläger durch das gewalttätige Vorgehen gesundheitlich schädigen könnte. Im Zusammenhang mit den vorhergehenden Nötigungen (mehrfaches Packen am Mantelkragen) ist das Hereinziehen des Oberkörpers des Klägers über den spitzen Zaun als Demonstration der körperlichen Überlegenheit des J.K. zu verstehen, bei der dieser eine gesundheitliche Schädigung des Klägers zumindest billigend in Kauf genommen hat (vgl. BSG-Urteile SozR 3-3800 Nrn.14, 12, 1). Dabei genügt als Anspruchsvoraussetzung für § 1 Abs.1 OEG, dass sich der (bedingte) Vorsatz des Täters nur auf einen tätlichen Angriff als solchen und nicht auf eine bestimmte gesundheitliche Schädigung richtet (Kunz/Zellner, Kommentar zum OEG, 4. Auflage 1999, Rdnr.28 zu § 1).
Der vorsätzliche tätliche Angriff war auch rechtswidrig, da er nicht durch Notwehr des Angreifers gerechtfertigt war. Der Rechtfertigungsgrund des § 32 StGB lag deshalb nicht mehr vor, weil sich der Vorfall zu einem Zeitpunkt ereignet hat, als sich der Kläger bereits außerhalb des Grundstücks des J.K. befand. Auch wenn der Kläger, als er über das Grundstück des J.K. gegangen war, gegen das von diesem ausgesprochene Hausverbot verstoßen hatte, war der rechtswidrige Angriff des Klägers auf das Eigentum des J.K. beendet, als der Kläger das Grundstück verlassen hatte und den Gehweg betrat. Ab diesem Zeitpunkt bestand keine Notwehrsituation im Sinne des § 32 Abs.2 StGB mehr; eine Verteidigungshandlung des J.K. gegenüber dem Kläger war nicht mehr erforderlich und wurde auch nicht begangen. Der Beklagte hat mit Schriftsätzen vom 12.04. und 24.09.2001 anerkannt, dass auf den Kläger ein vorsätzlicher rechtswidriger tätlicher Angriff verübt worden ist.
Der Anspruch des Klägers auf Entschädigung scheitert im Gegensatz zur Aufassung des Sozialgerichts Regensburg und des Beklagten nicht am Vorliegen eines Versagungsgrundes nach § 2 Abs.1 OEG. Nach der Rechtsprechung des BSG (z.B. Urteil vom 21.10.1998, SozR 3-3800 § 2 Nr.9) ist stets zunächst der Leistungsausschluss nach § 2 Abs.1 1. Alternative OEG, d.h. die Mitverursachung zu prüfen. Es handelt sich dabei um einen Sonderfall der Unbilligkeit (§ 2 Abs.1 2. Alternative OEG), nämlich die unmittelbare - zeitlich vorhergehende - Tatbeteiligung des Geschädigten. Diese schließt dann Leistungen nach dem OEG aus, wenn der Tatbeitrag des Opfers nach der versorgungsrechtlichen Kausalitätsnorm der wesentlichen Bedingung nicht nur ein nicht hinweg zu denkender Teil der Ursachenkette, sondern wesentliche, d.h. annähernd gleichwertige Bedingung neben dem Beitrag des rechtswidrig handelnden Angreifers ist. Im vorliegenden Fall ist insbesondere aufgrund der Zeugenaussage der Ehefrau des Klägers vor dem Amtsgericht Tirschenreuth, des aktenkundigen Schriftwechsels der Prozessbevollmächtigten des Klägers mit J.K. und in Anbetracht des seit Jahren bestehenden Familienstreits zwischen dem Kläger und seiner Tochter K. , der jetzigen Ehefrau des J.K. , davon auszugehen, dass vor dem 02.01.1994 ein Haus- und Betretungsverbot des J.K. bezüglich seines Grundstücks P. Straße gegenüber dem Kläger bestanden hat. Dadurch, dass der Kläger das Grundstück des J.K. widerrechtlich betreten hat, hat er Hausfriedensbruch im Sinne des § 123 StGB begangen. Dieses Verhalten des Klägers war der Anlass für den anschließenden Streit mit beiderseitigen Beleidigungen und die kurze Zeit später von J.K. begangene Körperverletzung. Ein Leistungsausschluss nach § 2 Abs.1 OEG im Sinne der Mitverursachung läge aber nur dann vor, wenn sich der Kläger bei seinem Ursachenbeitrag in ähnlich schwerwiegender Weise gegen die Rechtsordnung vergangen hätte wie J.K ... Dabei ist der Rang der von beiden Beteiligten verletzten Rechtsgüter und die Höhe der Strafdrohungen für die verwirklichten Straftatbestände maßgebend (BSG SozR 3-3800 § 2 Nr.7, ferner BSG-Urteil vom 20.10. 1999, B 9 VG 2/98 R). Ein Vergleich der Strafrahmen in §§ 123 Abs.1 und 223 Abs.1 StGB ergibt, dass der vom Kläger begangene Hausfriedensbruch nicht als annähernd gleichwertig mit der von J.K. begangenen Körperverletzung einzuschätzen ist. Hausfriedensbruch wird mit einer Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe bestraft, wogegen für Körperverletzung eine Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe vorgesehen ist. Beide Straftaten sind Antragsdelikte. Da der Strafrahmen für Körperverletzung fünfmal so hoch ist wie der für Hausfriedensbruch, was auch darin begründet ist, dass ein Angriff auf die körperliche Unversehrtheit schwerer wiegt als der auf das Eigentum, kann nicht von einer annähernd gleichwertigen Mitverursachung des tätlichen Angriffs durch den Kläger ausgegangen werden. Dem streitgegenständlichen tätlichen Angriff durch J.K. sind auch mehrfache wechselseitige Beschimpfungen und Beleidigungen vorausgegangen. Nach § 199 StGB kann der Strafrichter beide Beleidiger oder einen derselben für straffrei erklären, wenn eine Beleidigung auf der Stelle erwidert wird. Selbst wenn man davon ausginge, dass die vom Kläger und J.K. ausgesprochenen ehrverletzenden gegenseitigen Beleidigungen sich nicht in etwa die Waage gehalten haben und man unterstellen würde, dass die vom Kläger ausgesprochenen Beleidigungen verletzender waren, als die des J.K. , könnte darin keine mitverursachende Provokation des Klägers gesehen werden. Auch hier ergibt ein Vergleich der Strafrahmen für Beleidigung einerseits und Körperverletzung andererseits, dass der in § 185 StGB vorgesehene Strafrahmen (Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder Geldstrafe) ebenfalls deutlich hinter dem des § 223 Abs.1 StGB zurückbleibt.
Ein Fall des durch das 6. Strafrechtsreform-Gesetz vom 26.01. 1998 (BGBl.I S.164) aufgehobenen § 239 StGB, wonach auch eine strafmildernde oder strafausschließende Kompensation angenommen werden konnte, wenn u.a. eine Beleidigung auf der Stelle durch eine einfache Körperverletzung erwidert wurde, ist nach Auffassung des Senats nicht erwiesen.
Eine Versagung wegen Unbilligkeit (§ 2 Abs.1 2. Alternative) scheidet ebenfalls aus. Sie käme nur in Betracht, wenn andere Gründe, die dem Fall der Mitverursachung an Bedeutung annähernd gleichkommen, vorlägen (BSG SozR 3-3800 § 2 Nr.9). Selbst wenn das Vorbringen des J.K. zuträfe, wonach der Kläger nahezu querulatorisch ungerechtfertigte Geldforderungen ihm sowie seiner Ehefrau gegenüber durchzusetzen versucht hat und dies noch versucht, wäre dies kein ausreichender (annähernd gleichwertiger) Grund für die Versagung einer Entschädigung für eine vorsätzliche rechtswidrige Körperverletzung. Immerhin ist zu berücksichtigen, dass es nach allgemeinen Wertvorstellungen nicht angebracht erscheint, dass einer junger kräftiger Mann den ihm körperlich unterlegenen Vater seiner Verlobten angreift, weil dieser seine hilfsbedürftige Schwiegermutter nach Hause begleitet und dabei widerrechtlich sein Grundstück überquert hat.
Schließlich wäre eine Entschädigung des Klägers auch nicht wegen einer anspruchsausschließenden leichtfertigen Selbstgefährdung unbillig. Der Kläger hat zwar unter anderem bei seiner Befragung im Erörterungstermin am 27.03.2001 angegeben, J.K. habe bereits früher seine Ehefrau, eine seiner Töchter und eine Schwiegertochter tätlich angegriffen. Demnach ist er selbst vorher noch nie von K. persönlich angegriffen worden. Seine in der mündlichen Verhandlung am 16.04.2002 abgegebene Erklärung, wonach er nicht damit gerechnet habe, von J.K. außerhalb seines Grundstücks gepackt und über den Zaun gezogen zu werden, erscheint aber glaubhaft und kann nicht widerlegt werden.
Aus diesen Gründen hatte die Berufung des Klägers Erfolg.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
II. Es wird festgestellt, dass es sich bei dem Ereignis, von dem der Kläger am 02.01.1994 betroffen wurde, um eine grundsätzlich nach dem OEG entschädigungspflichtige Gewalttat handelt.
III. Der Beklagte hat dem Kläger die notwendigen außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge zur Hälfte zu erstatten.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob dem Kläger dem Grunde nach Versorgung nach dem Gesetz über die Entschädigung für Opfer von Gewalttaten (OEG) zusteht.
Der am 1938 geborene Kläger beantragte am 03.05.1999 Entschädigung nach dem OEG wegen einer am 02.01.1994 erlittenen Körperverletzung. Er gab an, von J. K. geschädigt worden zu sein und einen Bauchwandbruch erlitten zu haben, der laufend Entzündungen um sein Stoma zur Folge habe. Zum Beweis legte er eine ärztliche Bescheinigung des Allgemeinarztes Dr.M. vom 22.07.1996 vor, wonach dieser am 03.01.1994 eine geringe Hämatomverfärbung am Stomarand, linker Unterbauch (Zustand nach Rektumamputation und Anus praeter) festgestellt habe. Bei der Nachuntersuchung am 26.01.1994 sei die Umgebung des Stomas noch immer druckschmerzhaft gewesen. Am 24.08.1994 habe Dr.M. eine Vorwölbung der Bauchdecke über dem Anus praeter festgestellt, die sich am 20.11.1995 zum Bauchwandbruch entwickelt habe; ein ursächlicher Zusammenhang mit einer Stoßverletzung am 02.01.1994 konnte nach Auffassung von Dr.M. angenommen werden. Auch Chefarzt Dr.H. (Schreiben vom 04.03.1997) und Prof.Dr.G. (Schreiben vom 27.02.1997) nahmen zur Entstehnung des Bauchwandbruchs Stellung.
Der Beklagte zog die Akten der Staatsanwaltschaft Weiden in der Oberpfalz bezüglich der Ermittlungen gegen J.K. (5 Js 6769/94) sowie die Akte des Amtsgerichts Tirschenreuth - Zivilgericht - (C 545/96) wegen Schadensersatz bei. Aus der Akte der Staatsanwaltschaft ergibt sich, dass das Ermittlungsverfahren gegen J.K. am 09.03.1994 von der Staatsanwaltschaft mangels öffentlichen Interesses eingestellt worden ist. Als Ermittlungsergebnis wurde am 28.02.1994 Folgendes festgehalten:
"Herr P. hat am 02.01.1994 gegen 19.15 Uhr seine Schwiegermutter, Frau A. M. , in ihre Wohnung in der P. Straße gebracht. Dazu musste er über das Grundstück des Herrn K. (P. Straße) gehen. Nachdem Herr P. seiner Schwiegermutter das Haus aufgesperrt und Licht gemacht hatte, wollte er gerade das Grundstück wieder verlassen, als Herr K. hinzukam. Es entbrannte ein lauter verbaler Streit zwischen den beiden Parteien bezüglich der Benutzung der Grundstücksausfahrt. Bei dieser Auseinandersetzung verwies der Beschuldigte Herrn P. vom Grundstück. Anschließend hat Herr K. den Herrn P. am Mantelkragen haltend vom Grundstück gedrängt. Auch als Herr P. bereits auf dem Gehweg vor dem Gartenzaun stand, stritten die beiden weiter. Dabei hat der Beschuldigte den Herrn P. nochmals am Mantelkragen gepackt und zu sich über den Gartenzaun gezogen. Dabei soll die Verletzung des Herrn P. entstanden sein (siehe ärztliches Attest). Die vernommenen Zeugen konnten nicht bestätigen oder widerlegen, ob der Tathergang so gewesen ist. Herr P. stellt Strafantrag gegen Herrn K ..." Bei seiner polizeilichen Vernehmung gab J.K. u.a. an, er sei auf dem Weg von seinem Haus zum Getränkemarkt seiner Verlobten, Frau K. P. , gewesen, als er den Kläger in der Hofeinfahrt bemerkte und habe zu ihm gesagt: "Herr P. , sie wissen genau, dass sie ein Haus- und Grundstücksverbot haben. Verlassen Sie sofort mein Grundstück". Dabei habe er den Kläger durch die offene Gartentür auf den Gehsteig gedrängt und dann die Gartentür geschlossen. Er sei dann von Herrn P. massiv beleidigt worden; Frau P. habe den Gaststättenpächter H. geholt, der sich aber nicht in den Streit einmischen wollte und wieder zurück in Richtung Gaststätte gegangen sei. Er habe Herrn P. weder verletzt noch gegen den Gartenzaun gezogen. Der Kläger gab bei seiner polizeilichen Vernehmung an, J.K. habe ihn zum dritten Mal am Mantel gepackt, als er schon auf dem Gehweg war, und ihn zu sich herangezogen. Dabei sei er mit dem Unterleib an die Spitze einer Gartenzaunlatte gedrückt worden, die ihn an seinem künstlichen Darmausgang, den er vor einem Jahr erhalten hatte, verletzt habe. Zu Hause habe er festgestellt, dass der künstliche Ausgang blutete. Die Ehefrau des Klägers schilderte bei ihrer Vernehmung am 23.01.1994 den Tathergang übereinstimmend mit der Schilderung ihres Ehemanns. Die Schwiegermutter des Klägers, A. M. , geboren im Juli 1907, gab am 20.02.1994 an, gesehen zu haben, wie Herr K. den Kläger am Kragen hatte und zum Gartentor und anschließend auf den Gehsteig schob. Zuvor habe er ihn an den Gartenzaun gedrückt und geschrien: "Jetzt bist draußen und rein kommst mir nimmer". K. P. , die Tochter des Klägers, sagte am 04.02.1994 aus, sie habe ihren Vater bereits auf dem Gehsteig vor dem Grundstück stehen sehen, ca. einen halben Meter vom Gartenzaun entfernt; ihr Verlobter sei ca. zwei Meter von ihrem Vater entfernt im Hof gestanden. Der Gaststättenpächter M. H. , geboren im November 1966, sagte am 08.02.1994 aus, Frau P. habe ihn auf die Straße geholt und er habe gesehen, wie Herr K. den Kläger am Mantelkragen festgehalten habe. Er habe beide aufgefordert, die Streitigkeiten zu lassen. Daraufhin habe Herr K. den Kläger losgelassen. Der Kläger sei zum Auto gegangen, jedoch die Schimpfereien seien fortgesetzt worden. Der Kläger habe die Autotür schon offen gehabt, sie dann wieder zugeschlagen und sei zurück in Richtung von Herrn K. bis zum Gehsteigrand gegangen. Die Beschimpfungen seien weitergegangen. H. habe dann gesagt "Ich misch mich da nicht ein" und sei ins Lokal zurückgekehrt.
Laut Zivilgerichtsakte des Amtsgerichts Tirschenreuth wies dieses am 04.02.1997 durch Beschluss den Antrag des Klägers auf Gewährung von Prozesskostenhilfe (PKH) mangels hinreichender Erfolgsaussicht als unbegründet zurück. Auf die Beschwerde des Klägers bewilligte das Landgericht Weiden (Beschluss vom 24.02. 1997) unter Aufhebung des vorgenannten Beschlusses dem Kläger für den ersten Rechtszug PKH. Es sei zu berücksichtigen, dass der Kläger auf Grund der Zeugenaussagen des Gaststättenpächters H. , seiner Ehefrau sowie des Attests von Dr.M. möglicherweise seine Behauptungen beweisen könne. Auch handle es sich wahrscheinlich nicht bloß um eine Bagatellverletzung. Bei der mündlichen Verhandlung am 30.04.1997 vor dem Amtsgericht Tirschenreuth wurden nochmals der Pächter H. und die Ehefrau des Klägers als Zeugen vernommen. H. gab dabei an, die Schwiegermutter des Klägers habe entweder durch die Gaststätte oder auf einem Zugangsweg über das Nachbargrundstück in ihre Wohnung gelangen können. Sie hätten vereinbart gehabt, dass sie, wenn das Lokal geöffnet gewesen sei, nicht durch das Lokal gehen sollte. Die Ehefrau des Klägers sagte als Zeugin unter anderem aus, ihr Mann und sie hätten Hausverbot auf dem Grundstück von Herrn K. gehabt. Sie seien dennoch öfters über das Grundstück des Beklagten gegangen. Das Amtsgericht Tirschenreuth wies anschließend die Klage durch Endurteil ab, da der Kläger die Körperverletzung durch den Beklagten nicht habe beweisen können. Der Zeuge H. habe keine Körperverletzung des Klägers beobachten können. Die Zeuginnen P. hätten gegensätzliche Angaben gemacht. Am 18.06.1997 erließ das Landgericht Weiden (2 S 489/97) einen Beschluss, mit dem der Berufungsstreitwert auf 560,00 DM festgesetzt wurde, die Bewilligung von PKH für das Berufungsverfahren versagt wurde und die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Amtsgerichts Tirschenreuth kostenpflichtig verworfen wurde. Die Bewilligung von PKH scheide aus, weil die Berufungssumme nicht erreicht sei. Die Berufung hätte im Übrigen keine hinreichende Erfolgsaussicht gehabt.
Am 04.08.1999 erging im OEG-Verfahren ein Ablehnungsbescheid. Unter Bezugnahme auf das strafrechtliche Ermittlungsverfahren und den Zivilprozess wurde festgestellt, dass die anspruchsbegründenden Tatsachen, ein vorsätzlicher rechtswidriger tätlicher Angriff und die gesundheitliche Schädigung nicht nachgewiesen seien.
Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein und wies insbesondere darauf hin, dass sich die Beschlüsse des Landgerichts Weiden vom 24.02.1997 und vom 18.06.1997 zur PKH widersprächen und die Streitwertsetzung durch das Amtsgericht Tirschenreuth unterhalb der Berufungssumme nicht nachvollziehbar sei.
Am 02.12.1999 erging ein zurückweisender Widerspruchsbescheid.
Hiergegen hat sich der Kläger mit Klage zum Sozialgericht Regensburg gewandt. Er hat sein bisheriges Vorbringen wiederholt und weiterhin einen Anspruch auf Entschädigung nach dem OEG und auf Rentengewährung geltend gemacht. Durch die vorliegende männerfaustgroße Wölbung - bedingt durch den Bauchwandbruch - könne er sich nicht mehr so gut bücken wie vorher und habe auch aus diesem Grund seine Arbeitsstelle im Tierheim Tirschenreuth verloren. In der mündlichen Verhandlung am 09.05.2000 ist nochmals der Zeuge H. vernommen worden. Er hat angegeben, nach seiner Erinnerung seien der Kläger und Herr K. irgendwie zusammengehängt, d.h. einer hätte den anderen gepackt gehabt, aber wer im einzelnen wen, könne er nicht mehr sagen. Zwischen den Beteiligten sei ein Jägerzaun gewesen. Ob Herr K. den Kläger über den Zaun gezogen habe, könne er heute ebenso wenig sagen wie seinerzeit. An einen Schmerzensschrei könne er sich nicht erinnern. Auch die Ehefrau des Klägers ist vernommen worden und hat u.a. den etwa bauchhohen Zaun aus geraden Latten, die oben spitz zuliefen, beschrieben. Herr K. habe den Kläger am Mantelkragen gepackt und dessen Oberkörper über den Zaun hinweg zu sich herangezogen. Der Kläger habe laut geschrieen "Au, hör auf, ich bin schwerbehindert".
Daraufhin hat das Sozialgericht Regensburg durch Urteil die Klage abgewiesen. Die Anspruchsvoraussetzungen nach § 1 OEG seien nicht erfüllt, da der Kläger zwar am 02.01.1994 von Herrn K. am Mantelkragen gefasst worden sei, ein vorsätzlicher rechtwidriger tätlicher Angriff jedoch nicht angenommen werden könne. Herr K. habe den Kläger zunächst in Ausübung seines Hausrechts von seinem Grundstück verweisen wollen, da der Kläger aus moralisch vielleicht verständlichen, rechtlich aber nicht zu billigenden Gründen - da er von der Wohnung der Schwiegermutter auch durch die Gaststätte wieder auf die Straße hätte gehen können - der Aufforderung nicht nachgekommen sei und noch eine Diskussion angezettelt habe. Herr K. habe den Kläger im Verlauf der verbalen Auseinandersetzung - wie in Bayern üblich - "am Schlawittel gepackt", ihn dabei auch über den Jägerzaun gezogen, wobei sich der Kläger möglicherweise eine Verletzung in seinem Stoma-Bereich zugezogen habe. Dem Gericht sei nicht nachvollziehbar, dass die Zufügung dieser Verletzung mit Wissen und Wollen, d.h. vorsätzlich, erfolgt sei. Es habe sich vielmehr um eine Reflexhandlung im Rahmen einer auf Seiten von Herrn K. durch Notwehr (Hausrecht) gedeckten Auseinandersetzung gehandelt, deren Folgen Herr K. nicht habe absehen können. Im Übrigen habe der Kläger durch seine Rückkehr vom beabsichtigten Einsteigen in sein Auto wesentlich zur Eskalierung des Streits beigetragen, sodass die Versagung einer Entschädigung nach § 2 Abs.1 Satz 1 OEG angebracht sei. Dass die Folgen der Tat (Schwierigkeiten beim Bücken, Fußnägelschneiden, Schuhbinden) eine MdE von wenigstens 25 v.H. ergeben, erscheine nach Auffassung des Gerichts völlig unwahrscheinlich.
Gegen dieses Urteil hat der Kläger mit Schriftsatz vom 17.11. 2000 Berufung zum Bayerischen Landessozialgericht eingelegt und weiterhin Rente nach dem OEG begehrt, da er vom Täter nicht nur "am Schlawittel gepackt", sondern im Bewusstsein, dass es sich bei ihm um einen Schwerbehinderten mit künstlichem Darmausgang handle, über einen Gartenzaun gezogen worden sei. Außerdem habe er kein Hausverbot gehabt; er sei auf dem Zufahrtsweg zur Wohnung seiner Schwiegermutter gegangen.
Auf Anfrage haben zunächst die Zeugen J.K. und K. K. , geborene P. , von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch gemacht.
Im Erörterungstermin am 27.03.2001 hat der Kläger angegeben, er sei als Bierfahrer bei der Brauerei T. beschäftigt gewesen und habe gleichzeitig einen Getränkemarkt auf dem Grundstück P. Straße betrieben. Die Schwiegermutter habe den Teil ihres Grundstücks, auf dem sich das Bierlager befunden habe, ihrer Enkelin K. überschrieben. Diese habe ihm ca. 1988 oder 1989 den Zutritt untersagt, so dass er die Raten für sein Haus P. Straße nicht mehr habe bezahlen können. J.K. habe dann das Haus Nr.9 ungefähr 1990 ersteigert und ihn gezwungen auszuziehen, obwohl K. vorher zwei Jahre lang kostenfrei als Mieter darin gewohnt habe. K. sei streitbar und aggressiv und habe nicht nur seine Ehefrau, sondern auch seine Tochter S. und seine Schwiegertochter B. tätlich angegriffen. Die Grenzen zwischen den Häusern Nr.7 und Nr.9 seien seines Wissens nicht genau notariell festgelegt worden. K. sei seines Erachtens nicht berechtigt gewesen, ihn aus dem Hof zu weisen. Im Übrigen habe der Angriff auf ihn stattgefunden, als er bereits aus dem Grundstück hinausgegangen war. K. habe ihn vorher schwer beleidigt; es könne sein, dass auch er diesen beleidigt habe. Es sei nicht richtig, dass er vor dem Angriff schon bei seinem Auto gewesen und zurückgekehrt sei. Alles habe sich auf einem relativ schmalen Gehweg vor dem Grundstück abgespielt.
Mit Schriftsatz vom 12.04.2001 hat sich der Beklagte der Auffassung des Senats angeschlossen, wonach auf den Kläger ein (zumindest bedingt) vorsätzlicher rechtswidriger tätlicher Angriff verübt worden sei. Dennoch seien nach § 2 Abs.1 Satz 1 Leistungen zu versagen, weil der Kläger durch sein Verhalten erheblich zu der Auseinandersetzung beigetragen habe. Vor allem habe der Kläger entgegen dem rechtswirksamen Hausverbot das Grundstück des K. betreten. In Anbetracht des wiederholten Verstoßes gegen das Hausverbot und der angespannten familiären Situation sei eine defensive Haltung des Klägers angebracht gewesen.
Nach gerichtlichem Hinweis an J.K. , dass inzwischen Einigkeit zwischen den Beteiligten bestehe, dass er den Kläger tätlich angegriffen und verletzt habe und dass nur noch streitig sei, ob der Kläger die Schädigung provoziert oder mitverursacht habe, hat der Zeuge mit Schriftsatz vom 10.08.2001 eine Reihe von gerichtlichen Vorladungen ab 1987 gegenüber seiner jetzigen Frau, Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse gegen den Kläger und seine Ehefrau, in denen u.a. K. K. , geb. P. , als Drittschuldner angegeben ist und andere Unterlagen übersandt. Er habe dem Kläger und seiner Frau im Laufe des Jahres 1993 unter Zeugen mehrfach verbal ein Hausverbot für das Grundstück und Anwesen P. Straße erteilt. Er bleibe dabei, dass er dem Kläger keinerlei körperliche Misshandlungen zugefügt habe. Mit Schriftsatz vom 24.09.2001 hat der Beklagte seine Auffassung bekräftigt, wonach ein Versagungsgrund nach § 2 OEG darin zu sehen sei, dass sich der Kläger über ein bestehendes Hausverbot hinweggesetzt habe. Dies ergebe sich auch aus der Zeugenaussage der Ehefrau des Klägers vor dem Amtsgericht Tirschenreuth am 30.04.1997. Aus dem von J.K. übersandten Bauplan vom August 1962 gehe hervor, dass der Kläger damals als Bauherr den Einbau einer Gaststätte in das Wohnhaus seiner Schwiegermutter vorgenommen habe. Wenn diese im Rahmen des Pachtvertrags nicht für ein Recht zur Durchquerung der Gaststätte gesorgt und auch der Kläger bei Übernahme des Anwesens Nr.9 nicht Maßnahmen zur dinglichen Sicherung des Zugangs zum Hintereingang des Anwesens Nr.7 ergriffen habe, können diese Versäumnisse nicht als Argumentation für die Rechtsmissbräuchlichkeit des Hausverbots durch J.K. verwendet werden. Der Kläger sei vielmehr selbst am Zustandekommen der zur Tatzeit bestehenden Situation maßgeblich beteiligt gewesen.
In der mündlichen Verhandlung am 16.04.2001 hat der Kläger erklärt, er habe zwar gewusst, dass J.K. zu aggressivem Verhalten neige, habe aber, nachdem er sich außerhalb seines Grundstücks befunden habe, nicht damit gerechnet, dass er ihn packen und über den Zaun ziehen würde.
Der Kläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 09.05.2000 und den Bescheid des Beklagten vom 04.08.1999 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 02.12.1999 aufzuheben und festzustellen, dass es sich bei dem Ereignis, von dem er am 02.01.1994 betroffen wurde, um eine grundsätzlich nach dem OEG entschädigungspflichtige Gewalttat gehandelt hat.
Der Beklagte beantragt, die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 09.05.2000 zurückzuweisen.
Zur Ergänzung des Sachverhalts wird Bezug genommen auf die beigezogenen Akten des Beklagten nach dem OEG und dem Schwerbehindertengesetz, die Akten der Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Weiden in der Oberpfalz (5 Js 6769/94 gegen K. und 14 Js 7278/97 gegen K. P.), die Akte des Amtsgerichts Tirschenreuth (C 545/96 wegen Schadensersatz) sowie den Inhalt der Gerichtsakten des vorangegangenen Klageverfahrens und des Berufungsverfahrens mit allen darin befindlichen Schriftsätzen und Niederschriften.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt (§ 151 Abs.1 Sozialgerichtsgesetz - SGG -); einer Zulassung bedurfte sie nicht (§ 144 Abs.1 Satz 1 Nr.1 und Satz 2 SGG).
Der zum Schluss der mündlichen Verhandlung gestellte Antrag des Klägers bezieht sich nunmehr lediglich auf die Feststellung, dass es sich bei dem Ereignis am 02.01.1994 um eine grundsätzlich nach dem OEG entschädigungspflichtige Gewalttat gehandelt hat. Nach Auffassung des Senats hat der Kläger im Sinne von § 55 Abs.1 Nr.1 SGG ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung des Bestehens eines Versorgungsrechtsverhältnisses nach dem OEG zwischen den Beteiligten. Die Frage, ob das Vorliegen eines derartigen Rechtsverhältnisses, das zwingend die Annahme einer grundsätzlich entschädigungspflichtigen Gewalttat voraussetzt, für sich (isoliert) der Feststellung zugänglich ist, ist umstritten (ablehnend: BSGE 13, 178/180; Bley, Gesamtkommentar, Anm.4c zu § 55 SGG; befürwortend: Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, 10. Auflage, S.240m IV - allerdings zu § 55 As.1 Nr.3 SGG -; Meyer-Ladewig, Kommentar zum SGG, 6. Auflage, Rdnr.13 zu § 55; Krasney-Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 2. Auflage, IV Rdnr.89; offengelassen: BSGE 42, 178/183). Im vorliegenden Fall konzentrierte sich der Rechtsstreit bisher auf die Frage, ob die Anspruchsvoraussetzungen nach § 1 OEG, insbesondere ein vorsätzlicher tätlicher Angriff, anzunehmen sind und ob ein Versagungsgrund entgegensteht. Die medizinische Feststellung der Schädigungsfolgen und der MdE standen daher im Hintergrund. Der Kläger hat zwar eine Bescheinigung seines Hausarztes Dr.M. vorgelegt, wonach dieser am Tag nach dem Ereignis eine Hämatomverfärbung am Stomarand am linken Unterbauch des Klägers und fast acht Monate später einen Bauchwandbruch als Folge der Stoßverletzung festgestellt hat. Zur Feststellung der mit Wahrscheinlichkeit in ursächlichem Zusammenhang mit dem Ereignis am 02.01.1994 stehenden Schädigungsfolgen ist eine chirurgische Abklärung erforderlich. Im Hinblick auf den damit verbundenen weiteren Zeitaufwand (auch hinsichtlich § 109 SGG) ist dem Kläger daher ein berechtigtes Interesse an der alsbaldigen Feststellung des Vorliegens einer entschädigungspflichtigen Gewalttat zuzugestehen. Dabei war zu berücksichtigen, dass dem Kläger in einem möglichen Rechtsstreit um die rentenberechtigende Höhe der MdE sonst eine Instanz genommen würde. Wegen dieser Interessenlage des Klägers hat der Senat dessen Feststellungsinteresse bejaht. In Übereinstimmung mit den o.a. befürwortenden Kommentarmeinungen und im Hinblick auf die Rechtsprechung des BSG für den insoweit vergleichbaren Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung (BSG, 11.05.1995, 2 RU 8/94; s. auch Krasney/Udsching, a.a.O.) hält er auch die begehrte Feststellung - als eine solche i.S.d. § 55 Abs.1 Nr.1 SGG - für zulässig. Der Subsidiaritätsgrundsatz steht nicht entgegen (vgl. z.B. BSG, 18.05.1983, 12 RK 28/82; Meyer-Ladewig, a.a.O., Rdnr.19b zu § 55).
Die zulässige Berufung erweist sich auch als begründet. Sowohl im angefochtenen Urteil des Sozialgerichts Regensburg als auch in der Entscheidung des Beklagten wurde zu Unrecht das Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen nach § 1 Abs.1 OEG verneint bzw. ein Versagungsgrund nach § 2 Abs.1 OEG angenommen.
Hinsichtlich des entscheidungserheblichen äußeren Sachverhalts geht der Senat von dem Ermittlungsergebnis der Grenzpolizeistation Waldsassen (Bericht vom 28.02.1994), das im Tatbestand des Urteils des erkennenden Senats zitiert wurde, aus. Der Kläger und seine Ehefrau haben wiederholt angegeben, der Kläger sei von J.K. vom Gehweg aus über einen niedrigen Jägerzaun mit überkreuzten, spitz auslaufenden Latten am Mantelkragen zu sich ins Grundstück hereingezogen worden. Dabei sei der Kläger am linken Unterbauch (Stomarand) verletzt worden. Obwohl der Täter diesen Tathergang geleugnet hat, der von der Ehefrau des Klägers zu Hilfe gerufene Zeuge H. den Tathergang nicht bis zu Ende miterlebt hat und auch K. P. , die damalige Verlobte des J.K. vor der Polizei nur sehr vage Angaben gemacht und später die Aussage verweigert hat, wird die Schilderung des Tathergangs durch den Kläger und seine Ehefrau als schlüssig und glaubhaft angesehen. Auch die Schwiegermutter des Klägers, A. M. , hat bei ihrer polizeilichen Vernehmung am 20.02. 1994 angegeben, sie habe durch das Fenster in der Haustür gesehen, wie J.K. ihren Schwiegersohn gegen den Gartenzaun neben dem Gartentor gedrückt habe.
Ausgehend von diesem Tathergang ist der Senat zur Auffassung gelangt, dass auf den Kläger ein tätlicher Angriff, d.h. eine unmittelbar auf den Körper zielende feindselige Einwirkung verübt worden ist (vgl. Tröndle/Fischer, Strafgesetzbuch und Nebengesetze, 49. Auflage, Rdnr.21 zu § 113 StGB, ferner BSG, Urteil vom 24.04.1991, SozR 3-3800 § 1 Nr.1). Der Senat geht davon aus, dass J.K. nicht nur einen tätlichen Angriff, sondern auch den objektiven Tatbestand einer Körperverletzung im Sinne von § 223 Strafgesetzbuch (StGB) erfüllt hat. Zwar reicht nach der Rechtsprechung in Strafsachen hierfür eine nur unerhebliche körperliche Beeinträchtigung wie ein paar blaue Flecken, ein heftiger Stoß vor die Brust oder ein leichter Tritt nicht aus, wohl aber werden als Körperverletzung angesehen eine Ohrfeige, ein Würgegriff mit dem Ziel, dem Opfer einen Schock zu versetzen (Tröndle/Fischer, a.a.O., Rdnr.3 bis 5 zu § 223). Im vorliegenden Fall lag nach Auffassung des Senats deshalb eine Körperverletzung des Klägers vor, weil er durch eine üble unangemessene Behandlung in seinem körperlichen Wohlbefinden, insbesondere durch Schmerzen und Substanzschäden am linken Unterbauch (Stomarand), nicht unerheblich beeinträchtigt worden war (Schönke/Schröder, Strafgesetzbuch, 26. Auflage, Rdnr.3 zu § 223).
Ob der tätliche Angriff in feindseliger Willensrichtung bzw. die Körperverletzung vorsätzlich begangen wurde, ist ohne ein Geständnis des Klägers schwer zu beurteilen. Seit dem oben genannten Urteil des BSG vom 24.04.1991 kann dies insbesondere auch aus dem festgestellten äußeren Tathergang beurteilt werden. Im vorliegenden Fall hatte der Senat keinen Zweifel, dass bei J.K. eine feindselige Willensrichtung gegenüber dem Kläger vorhanden war, als er diesen von vorne am Mantelkragen packte und über den niedrigen Jägerzaun mit den spitzen Latten zu sich heranzog. Dabei bestand für jedermann und auch für J.K. ersichtlich das Risiko, dass die spitzen Zaunlatten den Kläger trotz der schützenden Kleidung am Unterleib verletzen oder ihm zumindest Schmerzen zufügen könnten. Hinzu kommt, dass sowohl nach den Angaben des Klägers als auch nach den gegebenen familiären Verhältnissen davon auszugehen ist, dass J.K. darüber informiert war, dass der Kläger infolge einer Darmoperation im Vorjahr ein Stoma tragen musste bzw. zumindest schmerzempfindlich im Bauchbereich war. Der Senat ist darüber hinaus davon ausgegangen, dass J.K. mit zumindest bedingtem Vorsatz den Kläger angegriffen und geschädigt hat. Der vom Senat zugrunde gelegte Geschehensablauf erlaubt nicht die Annahme, dass J.K. den Kläger nur in einer Art "Reflex" über den Jägerzaun gezogen habe, um ihm sein Hausrecht nochmals deutlich zu machen. Aus der Art und Weise des Vorgehens des Täters ist nach hiesiger Auffassung vielmehr zu schließen, dass ihm nicht nur bewusst war, dass er den Kläger durch das gewalttätige Vorgehen gesundheitlich schädigen könnte. Im Zusammenhang mit den vorhergehenden Nötigungen (mehrfaches Packen am Mantelkragen) ist das Hereinziehen des Oberkörpers des Klägers über den spitzen Zaun als Demonstration der körperlichen Überlegenheit des J.K. zu verstehen, bei der dieser eine gesundheitliche Schädigung des Klägers zumindest billigend in Kauf genommen hat (vgl. BSG-Urteile SozR 3-3800 Nrn.14, 12, 1). Dabei genügt als Anspruchsvoraussetzung für § 1 Abs.1 OEG, dass sich der (bedingte) Vorsatz des Täters nur auf einen tätlichen Angriff als solchen und nicht auf eine bestimmte gesundheitliche Schädigung richtet (Kunz/Zellner, Kommentar zum OEG, 4. Auflage 1999, Rdnr.28 zu § 1).
Der vorsätzliche tätliche Angriff war auch rechtswidrig, da er nicht durch Notwehr des Angreifers gerechtfertigt war. Der Rechtfertigungsgrund des § 32 StGB lag deshalb nicht mehr vor, weil sich der Vorfall zu einem Zeitpunkt ereignet hat, als sich der Kläger bereits außerhalb des Grundstücks des J.K. befand. Auch wenn der Kläger, als er über das Grundstück des J.K. gegangen war, gegen das von diesem ausgesprochene Hausverbot verstoßen hatte, war der rechtswidrige Angriff des Klägers auf das Eigentum des J.K. beendet, als der Kläger das Grundstück verlassen hatte und den Gehweg betrat. Ab diesem Zeitpunkt bestand keine Notwehrsituation im Sinne des § 32 Abs.2 StGB mehr; eine Verteidigungshandlung des J.K. gegenüber dem Kläger war nicht mehr erforderlich und wurde auch nicht begangen. Der Beklagte hat mit Schriftsätzen vom 12.04. und 24.09.2001 anerkannt, dass auf den Kläger ein vorsätzlicher rechtswidriger tätlicher Angriff verübt worden ist.
Der Anspruch des Klägers auf Entschädigung scheitert im Gegensatz zur Aufassung des Sozialgerichts Regensburg und des Beklagten nicht am Vorliegen eines Versagungsgrundes nach § 2 Abs.1 OEG. Nach der Rechtsprechung des BSG (z.B. Urteil vom 21.10.1998, SozR 3-3800 § 2 Nr.9) ist stets zunächst der Leistungsausschluss nach § 2 Abs.1 1. Alternative OEG, d.h. die Mitverursachung zu prüfen. Es handelt sich dabei um einen Sonderfall der Unbilligkeit (§ 2 Abs.1 2. Alternative OEG), nämlich die unmittelbare - zeitlich vorhergehende - Tatbeteiligung des Geschädigten. Diese schließt dann Leistungen nach dem OEG aus, wenn der Tatbeitrag des Opfers nach der versorgungsrechtlichen Kausalitätsnorm der wesentlichen Bedingung nicht nur ein nicht hinweg zu denkender Teil der Ursachenkette, sondern wesentliche, d.h. annähernd gleichwertige Bedingung neben dem Beitrag des rechtswidrig handelnden Angreifers ist. Im vorliegenden Fall ist insbesondere aufgrund der Zeugenaussage der Ehefrau des Klägers vor dem Amtsgericht Tirschenreuth, des aktenkundigen Schriftwechsels der Prozessbevollmächtigten des Klägers mit J.K. und in Anbetracht des seit Jahren bestehenden Familienstreits zwischen dem Kläger und seiner Tochter K. , der jetzigen Ehefrau des J.K. , davon auszugehen, dass vor dem 02.01.1994 ein Haus- und Betretungsverbot des J.K. bezüglich seines Grundstücks P. Straße gegenüber dem Kläger bestanden hat. Dadurch, dass der Kläger das Grundstück des J.K. widerrechtlich betreten hat, hat er Hausfriedensbruch im Sinne des § 123 StGB begangen. Dieses Verhalten des Klägers war der Anlass für den anschließenden Streit mit beiderseitigen Beleidigungen und die kurze Zeit später von J.K. begangene Körperverletzung. Ein Leistungsausschluss nach § 2 Abs.1 OEG im Sinne der Mitverursachung läge aber nur dann vor, wenn sich der Kläger bei seinem Ursachenbeitrag in ähnlich schwerwiegender Weise gegen die Rechtsordnung vergangen hätte wie J.K ... Dabei ist der Rang der von beiden Beteiligten verletzten Rechtsgüter und die Höhe der Strafdrohungen für die verwirklichten Straftatbestände maßgebend (BSG SozR 3-3800 § 2 Nr.7, ferner BSG-Urteil vom 20.10. 1999, B 9 VG 2/98 R). Ein Vergleich der Strafrahmen in §§ 123 Abs.1 und 223 Abs.1 StGB ergibt, dass der vom Kläger begangene Hausfriedensbruch nicht als annähernd gleichwertig mit der von J.K. begangenen Körperverletzung einzuschätzen ist. Hausfriedensbruch wird mit einer Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe bestraft, wogegen für Körperverletzung eine Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe vorgesehen ist. Beide Straftaten sind Antragsdelikte. Da der Strafrahmen für Körperverletzung fünfmal so hoch ist wie der für Hausfriedensbruch, was auch darin begründet ist, dass ein Angriff auf die körperliche Unversehrtheit schwerer wiegt als der auf das Eigentum, kann nicht von einer annähernd gleichwertigen Mitverursachung des tätlichen Angriffs durch den Kläger ausgegangen werden. Dem streitgegenständlichen tätlichen Angriff durch J.K. sind auch mehrfache wechselseitige Beschimpfungen und Beleidigungen vorausgegangen. Nach § 199 StGB kann der Strafrichter beide Beleidiger oder einen derselben für straffrei erklären, wenn eine Beleidigung auf der Stelle erwidert wird. Selbst wenn man davon ausginge, dass die vom Kläger und J.K. ausgesprochenen ehrverletzenden gegenseitigen Beleidigungen sich nicht in etwa die Waage gehalten haben und man unterstellen würde, dass die vom Kläger ausgesprochenen Beleidigungen verletzender waren, als die des J.K. , könnte darin keine mitverursachende Provokation des Klägers gesehen werden. Auch hier ergibt ein Vergleich der Strafrahmen für Beleidigung einerseits und Körperverletzung andererseits, dass der in § 185 StGB vorgesehene Strafrahmen (Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder Geldstrafe) ebenfalls deutlich hinter dem des § 223 Abs.1 StGB zurückbleibt.
Ein Fall des durch das 6. Strafrechtsreform-Gesetz vom 26.01. 1998 (BGBl.I S.164) aufgehobenen § 239 StGB, wonach auch eine strafmildernde oder strafausschließende Kompensation angenommen werden konnte, wenn u.a. eine Beleidigung auf der Stelle durch eine einfache Körperverletzung erwidert wurde, ist nach Auffassung des Senats nicht erwiesen.
Eine Versagung wegen Unbilligkeit (§ 2 Abs.1 2. Alternative) scheidet ebenfalls aus. Sie käme nur in Betracht, wenn andere Gründe, die dem Fall der Mitverursachung an Bedeutung annähernd gleichkommen, vorlägen (BSG SozR 3-3800 § 2 Nr.9). Selbst wenn das Vorbringen des J.K. zuträfe, wonach der Kläger nahezu querulatorisch ungerechtfertigte Geldforderungen ihm sowie seiner Ehefrau gegenüber durchzusetzen versucht hat und dies noch versucht, wäre dies kein ausreichender (annähernd gleichwertiger) Grund für die Versagung einer Entschädigung für eine vorsätzliche rechtswidrige Körperverletzung. Immerhin ist zu berücksichtigen, dass es nach allgemeinen Wertvorstellungen nicht angebracht erscheint, dass einer junger kräftiger Mann den ihm körperlich unterlegenen Vater seiner Verlobten angreift, weil dieser seine hilfsbedürftige Schwiegermutter nach Hause begleitet und dabei widerrechtlich sein Grundstück überquert hat.
Schließlich wäre eine Entschädigung des Klägers auch nicht wegen einer anspruchsausschließenden leichtfertigen Selbstgefährdung unbillig. Der Kläger hat zwar unter anderem bei seiner Befragung im Erörterungstermin am 27.03.2001 angegeben, J.K. habe bereits früher seine Ehefrau, eine seiner Töchter und eine Schwiegertochter tätlich angegriffen. Demnach ist er selbst vorher noch nie von K. persönlich angegriffen worden. Seine in der mündlichen Verhandlung am 16.04.2002 abgegebene Erklärung, wonach er nicht damit gerechnet habe, von J.K. außerhalb seines Grundstücks gepackt und über den Zaun gezogen zu werden, erscheint aber glaubhaft und kann nicht widerlegt werden.
Aus diesen Gründen hatte die Berufung des Klägers Erfolg.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
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