L 18 VS 48/97

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
18
1. Instanz
SG Bayreuth (FSB)
Aktenzeichen
S 3 V 53/95
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 18 VS 48/97
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Zur Frage, wann wehrdiensteigentümliche Verhältnisse die wesentliche
Bedingung für nachteilige gesundheitliche Folgen einer wehrdienstunabhängigen
Erkrankung darstellen.
I. Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichts Bayreuth vom 25.03.1997 und der Bescheid des Beklagten vom 15.05.1995 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 22.08.1995 aufgehoben und der Beklagte dem Grunde nach verurteilt, beim Kläger als Wehrdienstbeschädigungsfolgen den Verlust der Sehkraft des rechten Auges und eine Hemianopsie nach links im Sinne der Entstehung anzuerkennen.
II. Der Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist, ob beim Kläger Sehstörungen als Wehrdienstbeschädigung (WDB) nach dem Soldatenversorgungsgesetz (SVG) anzuerkennen sind.

Der am ...1972 geborene Kläger wurde am 01.01.1994 zur Ableistung seines Grundwehrdienstes zur Bundeswehr einberufen. Schon bei der Einstellungsuntersuchung des Klägers am 03.01.1994 fiel dem Truppenarzt eine Minderung der Sehleistung des rechten Auges auf und bei der Tauglichkeitsuntersuchung zur Führung von Militärkraftfahrzeugen am 04.02.1994 wurden Gesichtsfeldausfälle bemerkt. Am 08.02.1994 wurde beim Kläger im Krankenhaus Cham ein gutartiges Gliom an der Hirnanhangdrüse diagnostiziert, woraufhin er am 16.02.1994 in das Bundeswehrkrankenhaus nach Ulm überwiesen wurde. Am 14.03.1994 erfolgte im Bundeswehrkrankenhaus Ulm eine Operation an der Hirnanhangdrüse. Durch die Operation erblindete der Kläger auf dem rechten Auge und erlitt einen Halbseitengesichtsfeldausfall am linken Auge nach links. Das Wehrdienstverhältnis endete am 30.12.1994.

Der Beklagte lehnte den Antrag des Klägers auf Gewährung von Beschädigtenversorgung mit Bescheid vom 15.05.1995 mit der Begründung ab, die Schädigung sei nicht auf wehrdiensteigentümliche Verhältnisse zurückzuführen. Der Widerspruch des Klägers war erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 22.08.1995).

Im anschließenden Klageverfahren hat das Sozialgericht Bayreuth (SG) ein Gutachten des Neurochirurgen Prof. Dr ... vom 10.07.1996 eingeholt, der eine Optikusatrophie rechts und eine Hemianopsie nach links beim Kläger diagnostizierte. Er hielt den erfolgten Eingriff entsprechend den Ausführungen des Operationsberichtes für regelhaft und lege artis durchgeführt. Schädigende Einflüsse des Wehrdienstes seien nicht ursächlich für das Entstehen des raumfordernden Prozesses und damit auch nicht für das Entstehen der Sehstörungen. Durch den raumfordernden Prozeß und der Sehnervenkreuzung sei keine aktuelle tatsächliche oder vermeintliche Lebensgefahr für den Kläger gegeben gewesen. Es habe bei nichtoperativer Behandlung aber das Risiko bestanden, daß die Sehfähigkeit im weiteren Verlauf sich schrittweise verschlechtere. Aus diesem Grund sei eine aktuelle Indikation zur operativen Freilegung und Entlastung der Sehnerven und der Sehnervenkreuzung erforderlich gewesen, wobei diese jedoch auch nach einer gewissen weiteren Zeit (gerechnet im Wochenbereich) hätte stattfinden können. Daß keine äußerst hohe Dringlichkeit zur operativen Versorgung des Prozesses bestanden habe, sei auch daran zu sehen, daß zwischen Feststellung der Sehstörung und dem operativen Eingriff rund 4 bis 6 Wochen vergangen seien, ohne daß sich hierdurch eine zusätzliche Gefährdung des Klägers ergeben hätte.

Das SG hat die Klage mit Urteil vom 25.03.1997 abgewiesen und sich auf das Gutachten des Prof. Dr ... gestützt. Es hat u.a. ausgeführt, die truppenärztliche Versorgung könne nicht als wesentliche Mitursache für die Sehstörung angesehen werden. Die Operation sei im überwiegend eigenen Interesse des Klägers durchgeführt worden. Die vorliegende Sehstörung sei als operatives Risiko zu werten, das auch bei jeder Operation in einem zivilen Krankenhaus hätte entstehen können. Auch die Anwendung des sog. Operationserlasses vom 23. Januar 1987 führe zu keinem anderen Ergebnis, da die wesentliche Ursache für die durchgeführte Operation und die jetzige Sehstörung nicht in wehrdiensteigentümlichen Verhältnissen begründet sei, sondern schicksalhaft entstanden sei.

Gegen dieses Urteil hat der Kläger Berufung eingelegt und im wesentlichen vorgetragen: Da er sich zu keinem Zeitpunkt in einer lebensbedrohlichen Situation befunden habe, seien die Voraussetzungen für die Anwendung des Operationserlasses erfüllt. Darüber hinaus sei er über die Folgen der Operation nicht hinreichend aufgeklärt worden. Ihm sei lediglich in einem zehnminütigen Gespräch erklärt worden, daß die geplante Operation völlig harmlos und mit einer Blinddarmoperation vergleichbar sei. Darauf, daß u.U. auch eine Totalerblindung eintreten könne, sei er zu keinem Zeitpunkt hingewiesen worden. Wäre er auf diesen Umstand seitens der Militärärzte aufmerksam gemacht worden, hätte er mit Sicherheit der Operation im Bundeswehrkrankenhaus Ulm nicht zugestimmt. Seine Eltern sowie seine Freundin könnten bestätigen, daß zu keinem Zeitpunkt über das Risiko einer dauerhaften Erblindung durch die Operation gesprochen worden sei. Des weiteren müsse davon ausgegangen werden, daß den operierenden Militärärzten ein Operationsfehler unterlaufen sei. In der schriftlichen Stellungnahme des Bundeswehrkrankenhauses Ulm vom 28.04.1994 gegenüber dem Truppenarzt des 3. Jägerbataillons 113 in Cham werde ausdrücklich darauf hingewiesen, daß eine Wehrdienstbeschädigung im Sinne des Operationserlasses wahrscheinlich sei. Prof. Dr ... (Erlangen) habe ihm mitgeteilt, daß die Durchtrennung des Sehnervs ein Operationsfehler sei. Normalerweise dürfe so etwas nicht passieren. Nach einem Urteil des Bayer. Landessozialgerichts (BayLSG) vom 22.06.1989 - Az. L 7 V 101/84.SVG - seien aufgrund des Operationserlasses Behandlungs- und Aufklärungsfehler bei truppenärztlicher oder truppenärztlich veranlaßter Behandlung stets als durch wehrdiensteigentümliche Verhältnisse zumindest wesentlich mitbedingt anzusehen. Es sei ein weiteres ärztliches Gutachten über die durchgeführte Operation im Bundeswehrkrankenhaus Ulm einzuholen. Als Sachverständiger werde Prof. Dr ... empfohlen, der Spezialist auf dem Gebiet der Hypophysenerkrankung sei.

Der Senat hat die Bundesrepublik Deutschland notwendig zum Verfahren beigeladen.

Der Kläger beantragt,

den Beklagten unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Bayreuth vom 25.03.1997 sowie des Bescheides vom 15.05.1995 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 22.08.1995 zu verurteilen, die bei ihm bestehenden Sehschädigungen beider Augen als Folge einer Wehrdienstbeschädigung anzuerkennen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Bayreuth vom 25.03.1997 zurückzuweisen.

Die Beigeladene schließt sich diesem Antrag an.

Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf die SVG-Akte und Schwerbehindertenakte des Klägers, die WDB-Akte des Wehrbereichsgebührnisamtes V Stuttgart, die Archivakte des BayLSG L 7 V 101/84.SVG sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers ist zulässig (§§ 143, 151 Sozialgerichtsgesetz ) und auch begründet.

Beim Kläger sind der Verlust der Sehkraft des rechten Auges und eine Hemianopsie nach links als Folgen einer WDB im Sinne der Entstehung nach dem SVG anzuerkennen. Die im Rundschreiben (Rdschr) des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung (BMA) vom 23. Januar 1987-VI a 1 - 52090 (Bundesarbeitsblatt 3/1987, 81), sog. Operationserlaß, genannten Voraussetzungen für das Vorliegen von Versorgungsschutz bei nachteiligen gesundheitlichen Folgen einer truppenärztlichen Behandlung sind erfüllt.

Ein Soldat, der eine WDB erlitten hat, erhält gem. § 80 SVG nach Beendigung des Wehrdienstverhältnisses wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen der WDB auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des Bundesversorgungsgesetzes (BVG). WDB ist eine gesundheitliche Schädigung, die durch eine Wehrdienstverrichtung, durch einen während der Ausübung des Wehrdienstes erlittenen Unfall oder durch die dem Wehrdienst eigentümlichen Verhältnisse herbeigeführt worden ist (§ 81 Abs. 1 SVG).

Die anspruchsbegründenden Tatbestandsmerkmale der §§ 80 und 81 Abs. 1 dritte Alternative SVG sind entgegen der Auffassung des SG zu bejahen. Es besteht ein haftungsbegründender Kausalzusammenhang zwischen den wehrdiensteigentümlichen Verhältnissen der truppenärztlichen Behandlung und dem eingetretenen Gesundheitsschaden (WDB). Ebenso ist der haftungsausfüllende Kausalzusammenhang zwischen der WDB und der nach dem SVG zu entschädigenden Gesundheitsstörung als Folge der WDB zu bejahen. Die haftungsbegründende Kausalität muß erwiesen sein, wogegen für die haftungsausfüllende Kausalität die Beweiserleichterung des § 81 Abs. 6 Satz 1 SVG gilt. Danach genügt für die Anerkennung einer Gesundheitsstörung als Folge einer WDB die Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs.

Wehrdiensteigentümlich im Sinne des §§ 81 Abs. 1 SVG sind nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) die besonderen Gegebenheiten des soldatischen Sozialbereichs, die sich deutlich von vergleichbaren des Zivilbereichs unterscheiden. Dazu zählt auch die truppenärztliche Behandlung wehr- dienst- u n a b h ä n g i g e r Gesundheitsstörungen. Wehrdiensteigentümlich ist in diesem Zusammenhang die besondere Verpflichtung des Soldaten, sich gesund zu halten und vor allem der Ausschluß der freien Arztwahl im Rahmen der Heilfürsorge (vgl. BSG SozR 3200 § 81 Nr. 20). Der Zwang, sich ausschließlich von Offizieren des Sanitätsdienstes oder von den von ihnen ausgewählten Ärzten behandeln zu lassen, wird dadurch bekräftigt, daß der Soldat eine Behandlung durch einen von ihm ausgesuchten Zivilarzt selbst finanzieren müßte (BSG aaO).

Der BMA hat mit dem o.g. Rdschr vom 23. Januar 1987 den Versorgungsschutz bei nachteiligen gesundheitlichen Folgen einer truppenärztlichen Behandlung im einzelnen geregelt. Danach umfaßt der Begriff der truppenärztlichen Behandlung (Rdschr aaO Ziff. 1.1.) Operationen, sofern sie im Rahmen der unentgeltlichen truppenärztlichen Versorgung durchgeführt oder veranlaßt werden (aaO 1.1.1.). Nachteilige gesundheitliche Folgen im Sinne des Erlasses sind die Folgen einer truppenärztlichen Behandlung, die außerhalb des mit der Behandlung angestrebten Heilerfolges liegen (aaO 1.2.1.). In Ziff. 3.1. des Erlasses ist festgehalten, daß bei der truppenärztlichen Behandlung von Gesundheitsstörungen, die nicht Folgen einer WDB sind, nachteilige gesundheitliche Folgen der Behandlung als Folgen einer WDB anzuerkennen sind, wenn die Behandlung auf den Wehrdienst oder die dem Wehrdienst eigentümlichen Verhältnisse im Sinne des § 81 SVG zurückzuführen ist. In Ziff. 3.1.2. des Erlasses wird die truppenärztliche Behandlung im Sinne der Teilziffer 1.1. wegen ihrer Besonderheiten, die sich deutlich von vergleichbaren Gegebenheiten des Zivillebens unterscheiden, als wehrdiensteigentümlich klassifiziert. Hinsichtlich der Kausalitätserfordernisse ist in Ziff. 4 des Rundschreibens bestimmt, daß für die Anerkennung nachteiliger gesundheitlicher Folgen der Behandlung in jedem Einzelfall ein Ursachenzusammenhang zwischen der truppenärztlichen Behandlung und einer gesundheitlichen Schädigung sowie die Wahrscheinlichkeit eines Ursachenzusammenhangs zwischen dieser Schädigung und ihren gesundheitlichen Folgen erforderlich ist (aaO 4.1.). Der Wehrdienst oder wehrdiensteigentümliche Verhältnisse sind dann nicht wesentliche Bedingung für nachteilige gesundheitliche Folgen einer Behandlung, wenn andere Umstände eine überwiegende Bedeutung erlangt haben. Das kann z.B. der Fall sein, wenn in den Fällen der Teilziffer 3. eine Behandlung wegen eines tatsächlich oder vermeintlich lebensbedrohenden Zustandes durchgeführt wurde und nachteilige gesundheitliche Folgen nicht auf eine unsachgemäße Behandlung zurückzuführen sind (aaO 4.2.).

Vorliegend stellen wehrdiensteigentümliche Verhältnisse die wesentliche Bedingung für die nachteiligen gesundheitlichen Folgen der Behandlung dar. Zwar verbleibt das Risiko einer wehrdienstunabhängigen Erkrankung selbst, wie Risiken der Diagnostik und der Behandlung einschließlich der Operation einer solchen Erkrankung, grundsätzlich beim Soldaten. Deshalb rechnet das BSG im Urteil vom 24.03.1987 (SozR 3200 § 81 Nr. 27) die Risiken einer aus vitalem Interesse lege artis durchgeführten Operation nicht den dem Wehrdienst eigentümlichen Verhältnissen zu. Bei nicht lebensbedrohlichen Erkrankungen und solchen, die keiner dringenden sofortigen Behandlung bedürfen, kann die Wehrdiensteigentümlichkeit der truppenärztlichen Behandlung aber schon deshalb gegeben sein, weil der Soldat seiner gesetzlichen und gesteigerten Pflicht zur Gesundheitspflege nachgekommen ist, um seine Dienstfähigkeit auf einem möglichst hohen Niveau zu erhalten, bzw. raschest wieder herzustellen. Diese Gesichtspunkte können so im Vordergrund stehen, daß auch bei einer lege artis durchgeführten truppenärztlichen Behandlung evtl. aufgetretene Schäden den dem Wehrdienst eigentümlichen Verhältnissen kausal zugerechnet werden können (vgl. BSG SozR 3200 § 81 Nr. 20).

So ist es hier. Durch den Tumor bestand nach den Feststellungen des vom SG gehörten Neurochirurgen Prof. Dr ... beim Kläger keine tatsächliche oder vermeintliche Lebensgefahr. Zwar bestand durch den raumfordernden Prozeß bei nichtoperativer Behandlung das Risiko, daß die Sehfähigkeit sich im weiteren Verlauf schrittweise verschlechtert und zur Erblindung führt. Jedoch hätte der Kläger, ohne sofort zusätzliche schwerwiegende gesundheitliche Folgen befürchten zu müssen, die Operation auch zu einem (in Wochen gerechnet) späteren Zeitpunkt durchführen lassen können. Der Kläger war aber als Soldat gehalten, seine Gesundheit raschest wieder herzustellen. Darüber hinaus mußte der Kläger sich von den Ärzten des Bundeswehrkrankenhauses Ulm behandeln lassen und konnte das Behandlungsrisiko durch die Ausübung der freien Arztwahl nicht selbst steuern. Die haftungsbegründende Kausalität ist somit zu bejahen. Auch die haftungsausfüllende Kausalität ist gegeben. Nach den Feststellungen des Prof. Dr ... sind die nunmehr vorliegenden Sehstörungen des Klägers mit Wahrscheinlichkeit auf die Operation der Hirnanhangdrüse zurückzuführen.

Dieses Ergebnis steht im Einklang mit den Vorschriften des Operationserlasses. Vorliegend haben nicht "andere (wehrdienstunabhängige) Umstände" im Sinne der Ziffer 4.2 Satz 1 dieses Erlasses eine ü b e r w i e g e n d e Bedeutung erlangt. Die Wehrdiensteigentümlichkeit der truppenärztlichen Behandlung steht in ihrer Bedeutung dem Risiko der wehrdienstunabhängigen Erkrankung zumindest annähernd gleichwertig gegenüber. Haben mehrere Bedingungen wenigstens annähernd gleichwertig zur Entstehung des Schadens beigetragen, ist jede von ihnen Ursache im Sinne des Versorgungsrechts (Wilke-Fehl, Soziales Entschädigungsrecht, 7. Auflage, § 1 BVG Rdnr. 69 unter Verweisung auf BSG-Rechtsprechung). Nur bei einer aus vitalem Interesse dringenden s o f o r t i g e n Operation käme einer schädigungsunabhängigen Erkrankung eine überwiegende Bedeutung zu, weil in einem solchen Fall der Gesichtspunkt der Wehrdiensteigentümlichkeit infolge Ausschlusses der freien Arztwahl in den Hintergrund träte. Lebensgefahr hat beim Kläger aber zu keinem Zeitpunkt bestanden.

Es kann dahinstehen, ob der Kläger über die Folgen der Operation über das von ihm zur Kenntnis genommene Merkblatt hinaus hinreichend aufgeklärt worden ist. Dem vom Kläger zum Umfang der Aufklärungspflicht angeführtem Urteil des BayLSG vom 22.06.1989 - Az. L 7 V 101/84.SVG - lag ein anderer Sachverhalt zugrunde. Dort hatte bei dem Soldaten der Verdacht auf einen Rückenmarkstumor bestanden, welcher eine raschest mögliche Abklärung erforderte, um ein Stadium der Inoperabilität bei weiterem Wachstum zu vermeiden. Die spinale Angiographie erfolgte aus vitalem Interesse und das LSG hat die spezifischen Verhältnisse der truppenärztlichen Behandlung in der mangelnden Aufklärung über das Risiko einer Querschnittslähmung gesehen. Vorliegend hingegen sind die wehrdiensteigentümlichen Verhältnisse in Übereinstimmung mit der ständigen Rechtsprechung des BSG und dem Operationserlaß des BMA in den Besonderheiten der truppenärztlichen Behandlung als solcher begründet. Es bedarf auch keiner weiteren Sachaufklärung dahingehend, ob die Operation tatsächlich lege artis durchgeführt worden ist, da für die Annahme einer WDB der Nachweis eines ärztlichen Kunstfehlers nicht erforderlich ist.

Der Beklagte war zu einer Anerkennung der Sehstörungen im Sinne der Entstehung zu verurteilen. Zwar waren beim Kläger vor der Operation infolge des Glioms bereits eine Minderung der Sehleistung und Gesichtsfeldausfälle festgestellt worden, nämlich bei der Einstellungsuntersuchung am 03.01.1994 und der Tauglichkeitsuntersuchung am 04.02.1994. Gleichwohl kommt eine Anerkennung im Sinne der Verschlimmerung nicht in Betracht, da das o p e r a t i o n s b e d i n g t aufgetretene Chiasma-Syndrom sich als ein anderes Leiden darstellt als die durch den noch nicht operierten raumfordernden Tumor verursachte Sehstörung. Der Senat vermag die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) aufgrund des von Prof. Dr ... eingeholten neurochirurgischen Gutachtens vom 10.07.1996 nicht festzusetzen. Die MdE in Höhe von 60 - 70 v.H. ist lediglich aufgrund eines im Rahmen dieses Gutachtens eingeholten augenärztlichen Befundes eingeschätzt worden. Zur Beschleunigung des Verfahrens hat der Senat im Rahmen des ihm zustehenden Ermessens deshalb den Beklagten nur dem Grunde nach verurteilt (vgl. Meyer-Ladewig, SGG, 5. Auflage, § 130 RdNr. 1). Dieser wird die MdE-Festsetzung - ggfs. gestaffelt nach Zeiträumen - nach weiteren (augenfachärztlichen) Ermittlungen vorzunehmen haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
Saved