L 15 V 13/99

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
15
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 11 V 13/97
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 15 V 13/99
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 3. März 1999 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Erhöhung der Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) des Klägers wegen einer behaupteten Verschlimmerung seines Kriegsleidens im Bereich Herz und Lunge streitig.

Der am 1926 in Neudorf, Kreis Hermannstadt, Rumänien, geborene Kläger befand sich vom Januar 1945 bis Oktober 1946 wegen deutscher Volkszugehörigkeit in einem russischen Internierungslager. Mit Bescheid vom 11.06.1955 wurde bei ihm ab 01.01.1954 eine Lungen-Tbc mit einer MdE um 40 v.H. als Schädigungsfolge nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) anerkannt.

Durch Ausführungsbescheid vom 16.06.1977 (nach Klageverfahren vor dem Sozialgericht Augsburg - S 11 V 310/75 und 329/75 -) wurde als weitere Schädigungsfolge eine "Rechtsherzbelastung (latentes Cor pulmonale)" anerkannt und die MdE auf 50 v.H. erhöht. Am 25.11.1986 wurde zuletzt mit bindendem Bescheid Schädigungsfolge Nr.1 ergänzt durch: "Pleuraverschwartung rechts und kompensatorisches Emphysem mit kombinierter Ventilationsstörung". Die MdE wurde ab 01.04.1986 nach § 30 Abs.1 BVG mit 80 v.H. eingeschätzt. Nicht als Schädigungsfolgen anerkannt wurden: Magen-, Kniegelenks- und Wirbelsäulenbeschwerden.

Am 01.08.1988 stellte der Kläger einen Verschlimmerungsantrag bezogen auf Gesundheitssstörungen der Lunge und des Herzens, am 03.08.1988 zusätzlich einen Antrag auf Zugunstenentscheidung bzgl. der Anerkennung von Schädigungsfolgen im Bereich der Kniegelenke und des Magens. Nach einer versorgungsärztlichen Untersuchung durch Dr.B. ergingen am 01. und 02.02.1989 Ablehnungsbescheide; der Widerspruch des Klägers wurde mit Bescheiden vom 26. und 27.06.1989 zurückgewiesen.

Am 02.07.1996 stellte der Kläger erneut einen Antrag auf Erhöhung seiner MdE von 80 v.H. auf 100 v.H. Zur Begründung machte er geltend, er sei seit 10 Jahren müde und könne nur langsam gehen. Er müsse viele Medikamente wegen seines Lungenleidens nehmen und leide nachts zwei bis dreimal wöchentlich unter Hustenanfällen, danach habe er Schmerzen in der Herzgegend; dies sei schädigungsbedingt. Dem Antrag beigefügt war ein Bericht des Krankenhauses der Kreisspitalstiftung W. über einen stationären Aufenthalt vom 17. bis 23.05.1996 sowie Arztbriefe des Kardiologen Dr.L. vom 05.06. und 17.06.1996 über die Ergebnisse eines EKG, einer Lungenfunktionsprüfung und einer Koronarangiographie. Außerdem klagte der Kläger über Darmbeschwerden.

In einer versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 15.10.1996 kam Dr.B. zu dem Ergebnis, dass die Erkrankung des Klägers im Bereich des linken Herzens auf einer schädigungsfremden Durchblutungsstörung wegen einer koronaren Herzerkrankung beruhe, die zur Stenose des RIVA (Ramus interventricularis anterior) geführt habe. Die Lungenwerte hätten sich nicht verschlechtert; die MdE sei nicht zu erhöhen. Das Darmleiden sei schädigungsunabhängig (Folge einer Sigmadivertikulose). Daraufhin erging am 23.10.1996 ein Bescheid mit dem der Leidensverschlimmerungsantrag bzgl. der Lunge, des Herzens und des Darms abgelehnt wurde.

Mit seinem Widerspruch wandte der Kläger ein, es sei eine Verschlimmerung der Rechtsherzerkrankung eingetreten, er habe keinen Antrag auf Anerkennung einer Linksherzerkrankung gestellt. Die linke Herzkammer sei gesund, dies ergebe der Bericht von Dr.H. (bzw.Dr. L.) vom 05.06.1996. Auch seien die Darm-, Galle-, Leberschädigungen Kriegsleiden, was von dem Mitgefangenen Johann Singer und seinem Vetter Andreas Femmig bestätigt worden sei. Den Widerspruch wies der Beklagte mit Bescheid vom 06.02.1997 zurück. Die Anerkennung von Schädigungsfolgen im Bereich des Magens, der Galle, der Leber sei bereits mit Bescheid vom 16.07.1975 abgelehnt worden; die Rücknahme dieses Bescheids nach § 44 Sozialgesetzbuch 10. Buch (SGB X) sei mit Bescheid vom 02.02.1989 geprüft und nochmals abgelehnt worden. Die bestehende Sigmadivertikulose sei schädigungsfremd; eine Verschlimmerung der Rechtsherzbelastung sei nicht nachweisbar (hierzu lag eine versorgungsärztliche Stellungnahme von Dr.H. vom 29.01.1997 vor).

Hiergegen hat der Kläger am 27.02.1997 Klage zum Sozialgericht Augsburg erhoben und weiterhin eine MdE für Schädigungsfolgen in Höhe von 100 v.H. begehrt. Es liege eine Verschlimmerung der Rechtsherzbelastung vor; auch seien seine Darmbeschwerden, die Gallenblasen- und Leberschädigung auf eine im Januar 1946 durchgemachte Wurst- oder Fleischvergiftung zurückzuführen und damit als Schädigungsfolgen anzuerkennen.

In einem vom Sozialgericht u.a. beigezogenen Befundbericht des Allgemeinarztes F. sind aufgeführt worden: 1966 eine Magenoperation nach Billroth II, eine Gallenblasenoperation 1972, seit 11/1990 pectanginöse Beschwerden, seit 11/1994 eine Hepatitis C; in den letzten Monaten bestehe beim Kläger ein Nachlassen der Merkfähigkeit, seit 6/1994 sei die Diagnose einer depressiven Neurose und eines hirnorganischen Psychosyndroms gestellt worden.

Im Auftrag des Sozialgerichts hat der Chefarzt des Klinikums K. , Dr.S. , am 24.10.1997 ein internistisches Gutachten über den Kläger nach Untersuchung vorgelegt; danach sei nach Überzeugung des Sachverständigen eine Verschlechterung insofern eingetreten, als zur mittelgradigen restriktiven Ventilationsstörung nunmehr eine mittelgradige obstruktive Ventilationsstörung getreten sei, die eine MdE von 70 v.H. rechtfertige. Die Rechtsherzbelastung des Klägers sei mit einer MdE von 100 v.H. zu bewerten, da eine Ruheförderinsuffizienz Grad IV nach Rosskamm-Reindell vorliege. Bei der durchgeführten Rechtsherzkatheteruntersuchung mit Belastung hätten sich unter Ruhebedingungen normale Druckwerte im kleinen Kreislauf gezeigt; bei der anschließend durchgeführten Fahrradergometerbelastung bis 75 Watt, die wegen allgemeiner Erschöpfung und Atemnot abgebrochen worden sei, habe sich ein deutlich pathologischer Anstieg des Pulmonalarteriendruckes bei gleichzeitig vermindertem Anstieg des Herzzeitvolumens ergeben. Im Vergleich zur Herzkatheteruntersuchung im Oktober 1976 in der Uniklinik Ulm, bei der der Kläger noch bis 130 Watt habe belastet werden können, sei eine deutliche Verschlechterung eingetreten. Die Gesamt-MdE sei mit 100 zu bewerten. Zum internistischen Gutachten ist auch ein radiologisches Zusatzgutachten von Dr.A. erstellt worden.

Der Beklagte hat mit Schriftsatz vom 27.02.1998 beantragt, dennoch die Klage abzuweisen und zur Begründung auf eine versorgungsärztliche Stellungnahme der Internistin und Kardiologien Dr.L. vom 17.02.1998 hingewiesen. Danach sei zwar dem vorgelegten Gutachten darin zuzustimmen, dass eine mittelgradige restriktive und obstruktive Lungenfunktionseinschränkung mit Verminderung der Messwerte um mehr als ein Drittel, aber weniger als zwei Drittel bestehe. Hierfür sei nach den Anhaltspunkten 1996 eine MdE von 50 bis 70 v.H. vorgesehen. Bei einer Vitalkapazität von 58 % und einer weitgehend reversiblen Obstruktion sei jedoch eine höhere MdE als 50 bis 60 v.H. nicht zu begründen. Gegenüber den Vorbefunden von 1986 sei keine relevante Befundverschlimmerung eingetreten. Die Blutgaswerte seien jetzt sogar günstiger. Eine respiratorische Insuffizienz bestehe nicht. Vor allem sei aber keine Verschlimmerung der schädigungsbedingten Herzerkrankung eingetreten. Es liege weiterhin eine Rechtsherzbelastung im Sinne eines latenten Cor pulmonale vor; in Ruhe seien die Druckwerte noch regelrecht, unter Belastung mit 75 Watt ergebe sich eine latente pulmonale Hypertonie. Da keine Verdickung oder Erweiterung des rechten Ventrikels nachgewiesen sei, handele es sich nicht um eine manifeste Rechtsherzinsuffizienz. Die MdE betrage nach den Anhaltspunkten 1996 (S.87) zwischen 20 bis 40 v.H. Die Rechtsherzbelastung verursache jedoch nicht die vom Kläger geltend gemachten anfallsartigen Brustschmerzen; dies komme von der koronaren Herzerkrankung durch Stenosierung des RIVAS; beim Belastungs-EKG hätten sich Zeichen einer Myocardminderdurchblutung ergeben; dies führe zu pectanginösen Beschwerden auch ohne erkennbare Schädigung der linken Herzkammer. Eine Gesamt-MdE von 80 v.H. sei somit weiterhin zutreffend.

Das Sozialgericht hat anschließend den Internisten Dr.R. beauftragt, ein Gutachten nach Aktenlage zu erstellen. In diesem Gutachten vom 06.04.1988 hat der Sachverständige keine wesentliche schädigungsbedingte Leidensverschlimmerung festgestellt, da eine obstruktive Ventilationseinschränkung schon 1986 vorgelegen habe und die coronare Herzkrankheit, die Hirngefäßsklerose und die Verdauungsstörungen schädigungsfremd seien.

Mit Schriftsatz vom 15.05.1998 hat der Kläger der Auffassung des Beklagten und des Sachverständigen Dr.R. widersprochen und eine Übersicht über seine Medikamenteneinnahmen und Sauerstoffanwendungen während des Monats April mit Uhrzeiten übersandt. In einem weiteren Schriftsatz hat der Kläger darauf hingewiesen, dass zweimal Notarzteinsätze wegen akuter Bronchitis erforderlich gewesen seien und die angebliche Besserung bei der letzten Begutachtung nur von massiver Medikamenteneinnahme herrühre.

In einer ergänzenden Stellungnahme vom 08.06.1998 hat Dr.R. darauf hingewiesen, dass die Notarzteinsätze im Januar und Februar 1998 wegen einer akuten Bronchitiserkrankung erfolgt seien und nichts an der Beurteilung der Schädigungsfolgen ändern könnten. Nächtliche Rhythmusstörungen seien Zeichen einer schädigungsfremden Coronarerkrankung.

Mit Urteil vom 03.03.1999 hat das Sozialgericht daraufhin die Klage abgewiesen und sich der Beurteilung des Sachverständigen Dr.R. und des Beklagten angeschlossen; der Auffassung des Sachverständigen Dr.S. hat das Sozialgerichts nicht folgen können.

Gegen dieses Urteil hat der Kläger Berufung zum Bayerischen LSG eingelegt und weiterhin eine MdE um 100 v.H. begehrt. Mit Schriftsatz vom 30.05.1999 hat der Kläger ausführlich dargelegt, aus welchen Gründen seines Erachtens eine Verschlimmerung der Lungen- und Rechtsherzschädigung eingetreten sei. Er hat auch ein Schreiben von Dr.S. vom 14.05.1999 darüber, dass das kompensatorische Lungenemphysem links ebenfalls Schädigungsfolge sei, beigefügt; denn Dr.R. habe diesen Kausalzusammenhang bestritten. Der Kläger hat außerdem zwei Farbfotos vorgelegt, die ihn bei einer Behandlung mittels Inhalationsgerät in der Wohnung sowie ein Sauerstoffinhalationsgerät zeigen. Schließlich hat er mit Schriftsatz vom 15.09.1999 die Auffassung vertreten, dass die Messwerte 1998 und 1996/97 hinsichtlich der Vitalkapazität seiner Lunge eine Verschlimmerung ergäben. Zu diesem Vorbringen hat der Beklagte durch Dr.L. am 22.09.1999 versorgungsärztlich Stellung genommen. Danach sei die Ausrüstung eines Patienten mit obstruktiver Atemwegserkrankung mit einem mukolytisch und broncholytisch wirkenden Inhalationsapparat normal; auch die Tatsache, dass der Kläger ein Sauerstoffgerät benütze, sei für die Beurteilung der Schädigungsfolgen unerheblich. Bei der Begutachtung durch Dr.S. seien die Blutgase auch ohne vorherige Anwendung von Sauerstoff ausgeglichen gewesen. Das Farbfoto zeige auch, dass beim Kläger keine Zyanose oder Halsvenenstauung bestehe.

In einer vom Senat eingeholten ergänzenden Stellungnahme von Dr.R. vom 12.10.1999 hat dieser ausgeführt, er habe nicht bestritten, dass das kompensartorische Lungenemphysem als Schädigungsfolge anzusehen sei. Im Übrigen beeinflusse die Broncholyse die Vitalkapazität nicht, wirke sich lediglich auf die obstruktive Komponente der Ventilationsstörung aus. Die Messwerte der Vitalkapazität hätten sich gegenüber 1986 gebessert. Schließlich fehle die Befundgrundlage für die Annahme, dass die Rechtsherzbelastung unter geringer körperlicher Belastung zur Dekompensation neige.

Auf Antrag des Klägers hat der Senat im März 2000 den Internisten und Kardiologen Dr.H. zum Sachverständigen ernannt (§ 109 Sozialgerichtsgesetz - SGG -). Nach Unstimmigkeiten mit dem Kläger hat dieser zunächst ein von ihm nicht unterschriebenes Gutachten vom 20.05.2000 übersandt, wonach dem Kläger keine höhere MdE als 80 v.H. zustehe und die Schädigungsfolgen im angefochtenen Bescheid zutreffend erfasst seien. Dieses Ergebnis hat der Sachverständige mit unterzeichnetem Schreiben vom 02.08.00 ausdrücklich bestätigt und festgestellt, dass die Herzerkrankung des Klägers nach der NYHA-Klassifikation dem Stadium II entspreche.

Mit Schriftsatz vom 23.08.2000 hat der Kläger erwidert, bei ihm sei nach der obengenannten Klassifikation die Stufe IV richtig, da er in Ruhe unter Atemnot und Rhythmusstörungen leide.

Der Beklagte hat eine versorgungsärztliche Stellungnahme von Dr.L. vom 05.09.2000 übersandt, wonach anzumerken sei, dass Lungenfunktionsparameter generell stark schwanken würden und es sein könne, dass deshalb die Vorbewertung zu ungünstig und nicht anhaltend repräsentativ für den damaligen Leidenszustand gewesen sei. Dennoch könnten nunmehr die sich jetzt günstiger darstellenden Befunde nicht zu einer nochmals höheren Bewertung des Lungenleidens führen. Aus dem Gutachten von Dr.H. ergebe sich, dass in Ruhe beim Kläger auch jetzt noch keine anhaltende kardiopulmonale Beeinträchtigung bestehe; erst nach einer Belastung mit 25 und 50 Watt sei etwas Atemnot festgestellt worden. Periphere Ödeme und Halsvenenstauung seien von Dr.H. nicht beschrieben worden.

In der mündlichen Verhandlung am 29.06.2001 hat der Kläger einen Schriftsatz vom 25.06. übergeben, wonach die im Urteil des Sozialgerichts erwähnte Bewertung seines Herzleidens mit einer MdE von mindestens 20 v.H. unterschlagen worden sei; sonst hätte die 1986 anerkannte MdE von 80 v.H. auf 100 v.H. erhöht werden müssen. Auch in den Schriftsätzen vom 29.06., 23.08, 06.10., 09.11. und 23.12.2000 hat der Kläger vorgerechnet, dass die verschlimmerte Lungenschädigung mit 10 % plus 60 % = 70 % zu bewerten sei und die verschlimmerte Herzschädigung nach "NYHA" mit 60 % einzuschätzen sei, was zu 130 % führe.

Der Kläger beantragt, den Beklagten unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Augsburg vom 03.03.1999 und des Bescheides vom 23.10.1996 i.d.F. des Widerspruchsbescheides vom 06.02. 1997 zu verurteilen, ihm ab Juli 1996 wegen wesentlicher Verschlimmerung der Schädigungsfolgen im Bereich der Lunge und des Herzens Versorgung nach einer MdE von 100 v.H. zu gewähren.

Der Beklagte beantragt, die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozial- gerichts Augsburg vom 03.03.1999 zurückzuweisen.

Ergänzend zum Sachverhalt wird auf die beigezogenen Beschädigten- und Schwerbehindertenakten des Beklagten sowie die Restakten des Sozialgerichts Augsburg aus Klageverfahren der Jahre 1975, 1977 und 1978 sowie die Klageakte des vorhergehenden Rechtsstreits (S 11 V 13/97) und die Berufungsakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht (§§ 143, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) eingelegte Berufung ist zulässig; sie erweist sich jedoch als unbegründet.

Das Sozialgericht hat zu Recht die angefochtenen Bescheide des Beklagten bestätigt, wonach die im August 1996 wegen Verschlimmerung der anerkannten Schädigungsfolgen beantragte Neufeststellung der MdE nach § 30 Abs.1 BVG abgelehnt wurde.

Nach § 48 Abs.1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung dann aufzuheben, wenn in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei Erlass des Verwaltungsakts vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Eine solche wesentliche Änderung der Verhältnisse im gesundheitlichen Bereich liegt insbesondere dann vor, wenn sich eine bereits anerkannte Schädigungsfolge verschlimmert hat oder eine weitere Gesundheitsstörung aufgetreten ist, die mit Wahrscheinlichkeit ursächlich auf ein schädigendes Ereignis im Sinne des BVG oder auf die bereits anerkannten Schädigungsfolgen zurückzuführen ist.

Im Vergleich mit den dem Bescheid vom 25.11.1986 zugrunde liegenden gesundheitlichen Verhältnissen des Klägers, wie sie im Gutachten der Versorgungsärztin Dr.S. vom 04.11.1986 beschrieben sind, haben sich die beim Kläger anerkannten Schädigungsfolgen im Bereich der Lunge und des Herzens nicht wesentlich verschlimmert. Infolge der kurz nach Entlassung des Klägers aus dem russischen Internierungslager Kriwoirog am 03.10.1946 festgestellten Lungentuberkulose besteht seit November 1986 unverändert ein Zustand nach Lungentuberkulose mit Pleura-Verschwartung rechts und kompensatorischen Lungenemphysem links sowie eine kombinierte mittelgradige restriktive und obstruktive Ventilationsstörung vor. Die Auffassung des Klägers, wonach die obstruktive Ventilationsstörung hinzugekommen sei, ist unzutreffend. Die Lungenfachärztin Dr.S. hat bereits in ihrem Gutachten vom November 1986 die Zunahme der restriktiven Ventilationsstörung sowie zusätzlich eine obstruktive Ventilationsstörung festgestellt. Dementsprechend wurde im Bescheid vom 25.11.1986 eine "kombinierte" Ventilationsstörung anerkannt. Nach den "Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz" (AP) Ausgabe 1996 ist nach Nr.26.8 auf Seite 83 eine Lungenfunktionsstörung mittleren Grades mit einer MdE von 50 bis 70 v.H. zu bewerten, sofern eine Atemnot bereits bei alltäglicher leichter Belastung festzustellen ist und statische und dynamische Messwerte der Lungenfunktionsprüfung bis zu zwei Drittel niedriger sind als die Sollwerte bzw. eine respiratorische Partialinsuffizienz vorliegt. Mit Ausnahme von Dr.S. stimmen die übrigen gerichtlichen Sachverständigen Dr.R. und Dr.H. darin überein, dass sich seit 1986 die Lungenfunktion des Klägers nicht wesentlich verschlechtert hat, sondern weiterhin mittelgradig eingeschränkt ist; so weist unter anderem Dr.H. darauf hin, dass die Vitalkapazität der Lunge 1986 37 %, 1997 bei der Untersuchung durch Dr.S. nur zu 58 % und im April 2000 bei der Untersuchung durch Dr.H. auf 40 % der Norm eingeschränkt war. Die obstruktive Ventilationseinschränkung betrug 1986 54 %, 1997 31 %, nach Broncholyse 58 % und im April 2000 41 % der Norm. Die Versorgungsärztin Dr.L. hat in ihrer im Wege des Urkundsbeweises verwerteten Stellungnahme vom 05.09.2000 überzeugend darauf hingewiesen, dass Lungenfunktionsparameter generell je nach Reizzustand der Bronchien schwanken und darüber hinaus mitarbeitsabhängig sind. Möglicherweise seien die Werte aus dem Jahre 1986 die relativ ungünstig waren, nicht anhaltend repräsentativ für den damaligen Leidenszustand gewesen.

Eine Erhöhung der Einzel-MdE für die Lungenfunktionsstörungen, die im Bereich von 60 v.H. anzusiedeln ist, kann daher im Hinblick auf die AP, denen nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts und des Bundesverfassungsgerichts normähnliche Qualität zukommt, und mangels wesentlicher Verschlimmerung dieses Leidens nicht begründet werden.

Auch mit der Behauptung, die als Schädigungsfolge anerkannte Rechtsherzbelastung habe sich verschlimmert, sie neige bereits unter geringer körperlicher Belastung zur Dekompensation und begründe eine Einzel-MdE von 60 v.H., kann der Kläger weiterhin nicht durchdringen. Auch wenn der gerichtliche Sachverständige Dr.S. in seinem Gutachten vom 24.10.1997 trotz möglicher Fahrradergometerbelastung bis 75 Watt eine Ruheförderinsuffizienz Grad IV nach Rosskamm-Reindell angenommen hat, steht diese Auffassung ebenfalls nicht mit den im sozialen Entschädigungsrecht maßgeblichen Kriterien der AP 1996 im Einklang. Nach Nr.26.9 der AP (Seite 87) ist für eine Herzkrankheit mit Leistungsbeeinträchtigung bei mittelschwerer Belastung, d.h. bei Beschwerden und Auftreten pathologischer Messdaten unter Ergometerbelastung mit 75 Watt eine MdE von 20 bis 40 v.H. vorgeschrieben. Der Sachverständige Dr.R. stellte in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 12.10.1999 fest, dass die Herzminderleistung des Klägers durch das Cor pulmonale eindeutig der obengenannten zweiten Stufe der Kriterien der AP 96 auf Seite 87 entspreche, da für die Bewertung im sozialen Entschädigungsrecht nicht die Ruheförderinsuffizienz wie für die NYHA-Stadieneinteilung maßgeblich sei, sondern ausschließlich die funktionelle Auswirkung der Herzerkrankung. Bei der Untersuchung durch Dr.H. im April 2000 erfolgte ein Abbruch der fahrradergometrischen Belastung bei 50 Watt wegen Erschöpfung, jedoch ohne Angina pectoris-Zeichen mit etwas Luftnot. Im Hinblick auf die echokardiographischen Befunde und Blutdruckwerte hielt Dr.H. in Übereinstimmung mit dem Beklagten, der in seiner versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 05.09.2000 eine manifeste Rechtsherzinsuffizienz weiterhin verneinte, ebenfalls eine Einordnung der Herzerkrankung in den Bereich einer MdE von 20 bis 40 v.H. für angemessen.

Schließlich geht der Kläger zu Unrecht davon aus, dass die Gesamt-MdE aus den einzelnen Bewertungen für die Schädigungfolgen Nr.1 und Nr.2 durch Addition zu ermitteln sei. Nach Nr.19 Abs.1 der obengenannten AP dürfen einzelne MdE-Werte grundsätzlich nicht addiert werden. Auch andere Rechenmethoden sind für die Bildung eines Gesamt-MdE-Grades ungeeignet. Maßgebend sind die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen zueinander. Normalerweise ist von der Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, die den höchsten Einzel-MdE Grad bedingt; anschließend ist zu prüfen, ob und inwieweit durch eine weitere Funktionsbeeinträchtigung das Ausmaß der gesundheitlichen Beeinträchtgung größer wird. Im vorliegenden Fall sind die einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen zwar nicht voneinander unabhängig, da sie denselben Lebensbereich, nämlich die körperliche Leistungsfähigkeit betreffen. Die Schädigungsfolgen im Bereich der Lunge und des Herzen wirken sich aber gegenseitig nicht besonders nachteilig aus, d.h. sie verstärken sich nicht, sondern sie überschneiden sich eher, da die durch die Lungenerkrankung eingeschränkte Geh- und Leistungsfähigkeit durch die Herzerkrankung nicht nochmals in dem Umfang eingeschränkt wird, der sich bei isoliertem Vorliegen der Herzerkrankung ergeben würde. Somit erscheint dem Senat eine Gesamt-MdE von 80 v.H. selbst dann noch ausreichend, wenn nunmehr eine Einzel-MdE von 40 für das Herzleiden anzunehmen wäre.

Ein Anspruch auf höhere Versorgung ist beim Kläger somit nicht gegeben. Aus diesem Grunde musste die Berufung gegen das klageabweisende Urteil zurückgewiesen werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.

Gründe zur Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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