Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 14 R 3128/12
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 R 1257/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 05.02.2014 aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.
Das Sozialgericht hat auch über die Kosten des Berufungsverfahrens zu entscheiden.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung
Der 1957 geborene Kläger hat den Beruf eines Kraftfahrzeugmechanikers erlernt. Er war zuletzt als Lagerarbeiter bei der Firma M. versicherungspflichtig beschäftigt. Seit Februar 2009 ist er arbeitslos. Am 20.12.2011 beantragte er bei der Beklagten die Bewilligung einer Rente wegen Erwerbsminderung.
Nach Beiziehung diverser Befundunterlagen ließ die Beklagte den Kläger am 19.03.2012 durch die Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. K. begutachten. Diese diagnostizierte in ihrem Gutachten eine rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig mittelschwer, die nicht psychotherapeutisch oder medikamentös behandelt werde, eine somatoforme Schmerzverarbeitungsstörung nach Arbeitsverkehrsunfall 2007 und Dickdarmoperation 2007 sowie degenerative Veränderungen im Bereich der Halswirbelsäule, Z. n. Karpaltunnelsyndrom und anamnestisch rezidivierenden Nebenhodenentzündungen. Im Rahmen der körperlichen Untersuchung hätten sich Aggravationstendenzen im Sinne von starkem Danebengreifen im Finger-Nase-Versuch beidseits und deutlich verlangsamten Bewegungen gezeigt. Medikamentenspiegel der angegebenen Antidepressiva Mirtazapin und Citalopram seien nicht nachweisbar gewesen. Der Kläger sei in der Lage, leichte bis mittelschwere körperliche Tätigkeiten mit qualitativen Einschränkungen sechs Stunden und mehr täglich in Tag-, Früh- und Spätschicht durchzuführen. Seine letzte Tätigkeit als Lagerarbeiter könne der Kläger in einem zeitlichen Umfang von sechs Stunden und mehr arbeitstäglich ausüben.
Mit Bescheid vom 18.04.2012 lehnte die Beklagte daraufhin den Rentenantrag des Klägers ab.
Dagegen legte der Kläger mit Schreiben vom 21.04.2012 Widerspruch ein. Er könne aus gesundheitlichen Gründen keiner Tätigkeit mehr nachgehen. Er könne nicht mehr schlafen und sich wegen der Depressionen nicht mehr konzentrieren. Dazu würden seine orthopädischen Erkrankungen kommen. Er habe ständig Schmerzen im Bereich der Halswirbelsäule und im Rücken sowie Bandscheibenprobleme. Die Schmerzen würden ins linke Bein bis ins Fußgelenk ziehen. Ihm sei auch schwindlig. Seine Hände würden ständig einschlafen. Auch nachts habe er starke Schmerzen. Er dürfe auch nicht schwer heben oder tragen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 06.09.2012 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück.
Am 26.09.2012 erhob der Kläger Klage zum Sozialgericht Mannheim. Seine Erkrankungen würden ihn derart beeinträchtigen, dass kein sechsstündiges Leistungsvermögen mehr gegeben sei. Seit einem Verkehrsunfall im Jahr 2007 leide er anhaltend an physischen und psychischen Erkrankungen sowie ständigen Schmerzen. Er leide nach wie vor anhaltend unter Nackenschmerzen, unter Bewegungseinschränkungen im Nackenbereich und Schmerzen in der gesamten Wirbelsäule, unter Pelzigkeitsgefühlen in den Händen und unter Schwindel. Er benötige Schmerzpflaster. Zudem bestehe eine Blasenschwäche mit teilweiser Inkontinenz und Nebenhodenentzündungen. Durch die Einnahme von Schmerzmitteln sei er ständig müde. Als es im April 2010 zu einem weiteren leichten Auffahrunfall gekommen sei, seien bei ihm die traumatischen Symptome des ersten Unfalls 2007 verstärkt in Form von Zittern, Schweißausbrüchen, Nervosität, Schlaflosigkeit und Angstzuständen aufgekommen. Er befinde sich seit Januar 2008 regelmäßig und durchgehend in fachpsychiatrischer Behandlung bei der Fachärztin für Psychiatrie St. und nehme zahlreiche Medikamente ein. Es sei nicht nachvollziehbar, wie die Beklagte zu der Auffassung gelange, seine Erkrankungen seien weder medikamentös noch psychotherapeutisch behandelt. Er habe Physiotherapie durchgeführt sowie eine Schmerztherapie bei Dr. R. in W ... Er beantragte die Anhörung seiner behandelnden Ärzte (Hausarzt P. W., Fachärztin Psychiatrie und Neurologie St ..., Facharzt für Orthopädie Dr. B., Neurochirurg Dr. D., Facharzt für Urologie Dr. U.) als sachverständige Zeugen.
Das Sozialgericht teilte dem Kläger mit Schreiben vom 15.01.2013 mit, dass die Verwertung des im Verfahren S 14 U 1982/10 eingeholten psychiatrischen Sachverständigengutachtens von Dr. Sch. vom 23.02.2011 beabsichtigt sei. Dessen Diagnosen deckten sich mit denen der Verwaltungsgutachterin K., so dass der Sachverhalt geklärt sei und keine Veranlassung zur Einholung der sachverständigen Zeugenaussagen bestehe.
Der Kläger ließ daraufhin mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten darauf verweisen, dass das Gutachten von Dr. Sch. die Beweisaufnahme nicht ersetzen könne, da es bereits vor zwei Jahren und in einem rechtlich anders gelagerten Unfallversicherungsstreit eingeholt worden sei. Das Gutachten von Dr. Sch. sei schon deshalb nicht aktuell, weil er eine leichte depressive Störung beschrieben habe, während die Beklagte selbst von einer rezidivierenden depressiven Störung in mittelschwerer Form ausgehe. Er befinde sich seit Jahren in fachneurologisch-psychiatrischer Behandlung und nehme seine Medikamente ein. Hinzu kämen noch die weiteren Gesundheitsstörungen. Die angegebenen Ärzte seien daher anzuhören. Der Kläger legte noch einen Entlassbrief der Chirurgischen Klinik des Universitätsklinikums M. vom 12.03.2013 vor, in dem über eine ambulante Behandlung des Klägers wegen einer Leistenhernie rechts mit OP-Indikation berichtet wird. Der Kläger erteilte unter Aufrechterhaltung der von ihm erhobenen Verfahrensrüge mangelnder Sachaufklärung am 22.07.2013 sein Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung.
Das Sozialgericht zog das Gutachten von Dr. Sch. vom 23.02.2011 bei. Der Gutachter hatte massive Verdeutlichungstendenzen in Bezug auf psychotische, neurologische, anamnetische, affektive und intelligenzbezogene Symptome beschrieben. Deutliche Auffälligkeiten hätten sich in Bezug auf die Validität der vom Probanden gemachten Angaben zu Beschwerden und Funktionsbeeinträchtigungen etwa bei der Rotationseinschränkung der HWS ergeben. Die Ergebnisse der Beschwerdevalidierungsverfahren würden auf eine gezielte negative Antwortverzerrung hin im Sinne einer gezielten Falschangabe zu deuten sein. Die vom Kläger gemachten Aussagen würden bei vordergründiger Betrachtung das Bild einer neurologisch wie psychisch schwerst und komplex gestörten Person ergeben, was so definitiv nichts mit der Realität zu tun habe. Aus den aktenkundigen Vorbefunden und dem aktuellen Befund lasse sich die Diagnose einer leichtgradigen depressiven Störung stellen. Diese Diagnose schließe nicht aus, dass es zwischenzeitlich stärkergradige depressive Störungen gegeben habe, wie sie im Rahmen der stationären psychosomatischen Behandlung in Bad D. im Sommer 2008 festgestellt worden seien. Eine posttraumatische Belastungsstörung sei im Falle des Klägers weder aktuell noch für die Vergangenheit seit dem in Rede stehenden Schädigungsereignis zu diagnostizieren. Vor dem Hintergrund der beschriebenen massiven Verdeutlichungstendenz sei es nicht möglich gewesen, ein möglicherweise bestehendes, tatsächliches Funktionsdefizit im Bereich der Halswirbelsäule zu objektivieren. Er gehe aber von einer Somatisierungsstörung aus.
Mit Urteil vom 05.02.2014 wies das Sozialgericht Mannheim die Klage ohne mündliche Verhandlung ab. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Bewilligung einer Rente wegen Erwerbsminderung gegen die Beklagte. Nach § 43 SGB VI hätten Versicherte Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung, wenn sie teilweise oder voll erwerbsgemindert seien, die allgemeine Wartezeit und die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllt hätten. Erwerbsgemindert sei nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein könne. Hierbei sei die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs. 3 SGB VI). Es sei nicht feststellbar, dass der Kläger teilweise oder voll erwerbsgemindert sei. Auf der Grundlage der Ergebnisse der Sachverständigengutachten von Dr. Sch. und der Verwaltungsgutachterin Dr. K. gelangte das Sozialgericht zu der Feststellung, dass der Kläger an den rentenrechtlich relevanten dauerhaften Krankheiten einer leichten depressive Störung, einer Somatisierungsstörung und an degenerativen Halswirbelsäulenveränderungen leide. Ob der Kläger an weiteren oder schwergradigeren Gesundheitsstörungen leide, sei aufgrund des Verhaltens des Klägers in Begutachtungssituationen nicht aufzuklären. Die Begutachtung durch Dr. Sch. habe den von der Rechtsprechung aufgestellten Qua-litätsanforderungen an psychiatrische Sachverständigengutachten entsprochen. Insbesondere habe sich der Sachverständige testpsychologischer Testverfahren zur Validierung der vom Kläger angegebenen Beschweren bedient. Unter Berücksichtigung des simulativen Verhaltens habe der Sachverständige keine schwerwiegende psychiatrische Erkrankung beim Kläger feststellen können. Der Kläger habe also durch sein Verhalten eine valide Einschätzung der bei ihm vorliegenden Gesundheitsstörungen unmöglich gemacht. Die Beibehaltung dieses Verhaltens auch im Rahmen der Begutachtung durch die Verwaltungsgutachterin Dr. K. verwundere umso mehr, als dass der Kläger im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 19.10.2011 vom Vorsitzenden darauf hingewiesen worden sei, dass aufgrund seines Verhaltens während der Begutachtung durch Dr. Sch. eine Feststellung der bei ihm vorliegenden Gesundheitsbeschwerden unmöglich geworden sei. Trotzdem habe der Kläger bei der Begutachtung durch die Verwaltungsgutachterin Dr. K. am 19.03.2012 wieder durch sein aggravierendes Verhalten versucht Beschwerden anzugeben, die objektiv so nicht vorhanden gewesen seien. Darüber hinaus habe eine Blutuntersuchung belegen können, dass der Kläger bei der Angabe der von ihm eingenommenen Arzneimittel nicht die Wahrheit gesagt habe. Die Kammer sehe vor diesem Hintergrund keine Möglichkeit durch weitere Ermittlungsmaßnahmen, wie z.B. die Einholung eines neuen Sachverständigengutachtens, die tatsächlich beim Kläger vorhandenen Gesundheitsstörungen zu Tage zu fördern. Die Kammer habe keine Zweifel daran, dass der Kläger auch im Rahmen einer erneuten Begutachtung wieder den Versuch unternehmen werde, den Sachverständigen über die bei ihm vorliegenden Gesundheitsstörungen zu täuschen. Vor diesem Hintergrund sei darauf hinzuweisen, dass der Sachverständige Dr. Sch. explizit ausgeschlossen habe, dass das Verhalten des Klägers auf einer psychischen Erkrankung beruhe, sondern willensgesteuert sei. Soweit der Kläger die Auffassung vertrete, dass die Kammer wegen des Gebots der Waffengleichheit bzw. wegen des Grundsatzes eines fairen Verfahrens weitere Ermittlungen von Amts wegen hätte durchführen müssen, verkenne er, dass das Gericht im Rahmen seines Ermessens die Ermittlungen und Maßnahmen bestimme, die nach seiner materiell-rechtlichen Auffassung zur Aufklärung des Sachverhalts notwendig seien. Das gerichtliche Ermessen sei dabei durch die Pflicht zur Aufklärung des Sachverhalts in dem für die Entscheidung erforderlichen Umfang begrenzt. Ein Verstoß gegen § 103 SGG liege nur dann vor, wenn sich die Kammer zu einer weiteren Sachaufklärung hätte gedrängt fühlen müssen (BSG, 06.02.2003, B 7 AL 104/01 R). Eingedenk dieser Vorgaben sei insbesondere die Einholung sachverständiger Zeugenaussagen bei den behandelnden Ärzten, wie vom Kläger beantragt, entbehrlich gewesen. Diese Ärzte hätten aufgrund der Behandlungssituation - im Gegensatz zur Begutachtungssituation - keinen Grund die Beschwerdeangaben des Klägers zu hinterfragen. Wie sich schon aus dem Sachverständigengutachten des Dr. Sch. ergebe, sei die Einschätzung der beim Kläger vorliegenden Beschwerden durch die behandelnden Ärzte - insbesondere der Fachärztin für Psychiatrie St. - nicht mit den tatsächlichen Gegebenheiten in Einklang zu bringen. Den Beweisanträgen des Klägers sei daher nicht nachzukommen gewesen, da der Sachverhalt hierdurch nicht zu fördern gewesen wäre. Im Übrigen seien vorliegend die Voraussetzungen des § 411a ZPO gegeben. Die vom Sachverständigen gemachten Ausführungen zu Beweisfrage 1 deckten sich mit den im vorliegenden Verfahren zu beantwortenden Fragen nach den beim Kläger bestehenden Gesundheitsstörungen. Im Übrigen habe im Rahmen der Begutachtung durch den Sachverständigen eine ausführliche psychiatrische Exploration stattgefunden, deren Ergebnisse gleichwohl in dem hier zu entscheidenden Fall verwertet werden könnten. Insbesondere eigne sich ein Rückgriff auf das Sachverständigengutachten, um die von der Verwaltungsgutachterin festgestellten Diagnosen und deren Einschätzung der Leistungsfähigkeit auf ihre Richtigkeit hin zu überprüfen. Die feststellbaren Gesundheitsstörungen würden keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass der Kläger nicht in der Lage sein sollte, seine letzte versicherungspflichtige Beschäftigung als Lagerarbeiter oder gar leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts vollschichtig, also mindestens sechs Stunden werktäglich, zu verrichten. Dieser Feststellung lege die Kammer die Einschätzung der Verwaltungsgutachterin Dr. K. zugrunde, an der - auch vor dem Hintergrund der Ausführungen des Sachverständigen Dr. Sch. - keine Zweifel bestehen würden.
Gegen das seiner Bevollmächtigten am 20.02.2014 zugestellte Urteil hat der Kläger am 13.03.2014 Berufung eingelegt. Er beanstandet die mangelnde Sachverhaltsaufklärung durch das Sozialgericht und hält dessen Urteil aufgrund vorweggenommener Beweiswürdigung für verfahrensfehlerhaft zustande gekommen. Die Diagnosen einer leichten depressiven Störung, Somatisierungsstörung und degenerativer Halswirbelsäulenveränderungen durch Dr. Sch. aus dessen Gutachten vom 23.02.2011 seien überholt. Sie blieben noch hinter denjenigen zurück, die von der Beklagten selbst erhoben worden seien. Darüber hinaus seien im Rentenverfahren sämtliche Erkrankungen und Behinderungsleiden zu berücksichtigen und nicht nur die psychische Störung, die hier nur einen Teilaspekt darstelle. Beim Kläger bestünden folgende Diagnosen:
- schwere depressive Episode - Somatisierungsstörung, anhaltende Schmerzstörung - Schwerhörigkeit - BWS/HWS Kontusion, zervikale Spondylose, Nackenschmerzen in WS ausstrahlend; Schmerzausstrahlungen ins linke Bein - Bandscheibenprotrusion HWK 6/7 mit Einengung beider Neuroforamina und leichte Einengung HWK 5/6 - Osteochondrose C 5/6, Spondylose LWS, Spondylarthrose (LWS thoracolumbal) - Z.n. Ruptur der Supraspinatussehne der linken Schulter, massive Bursitis subacromialis bei Tendinosis calcarea (OP im Nov. 2013 A.) - Z.n. Mycardinfarkt - Z.n. Divertikulose; Z.n. Darmperforierung nach Wege(Verkehrs-)unfall, Z.n. Sigmaresektion (s. auch Dres. N. und E. U. Klinikum M. im Entlassbrief v. 12.03.2013: "Z.n. Sigmaresektion als Traumafolge", vorgelegt mit Schriftsatz vom 21.06.13 an SG MA) - Z.n. nach Leistenoperation im Frühjahr 2013 (s. U. M. Entlassbrief v. 12.03.13, s.o.) - Karpaltunnelsyndrom, Sulcus ulnaris Syndrom - schmerzhafte Zustände bei rezidivierenden Nebenhodenentzündungen.
In der Gesamtbetrachtung sämtlicher Gesundheitsstörungen - insbesondere der schweren Depression, der andauernden Schmerzzustände, der orthopädischen und neurologischen Erkrankungen - sei davon auszugehen, dass der Kläger nicht mehr in der Lage sei, einer vollschichtigen Erwerbstätigkeit nachzugehen. Sein Leistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sei auf unter drei Stunden, in jedem Falle auf unter sechs Stunden täglich herabgesetzt. Da der Kläger keinen Teilzeitarbeitsplatz innehabe, wäre auch bei teilweiser Erwerbsminderung ein Rentenanspruch in voller Höhe gegeben.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 05.02.2014 und den Bescheid der Beklagten vom 18.04.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 06.09.2012 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm eine Rente wegen voller, hilfsweise teilweiser Erwerbsminderung ab Antragstellung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verweist auf ihren Vortrag im erstinstanzlichen Verfahren und auf die Ausführungen im angefochtenen Urteil und stellt die weitere medizinische Sachaufklärung in das Ermessen des Gerichts.
Die Berichterstatterin hat mit Schreiben vom 05.05.2014 darauf hingewiesen, dass die Zurückverweisung der Sache an das Sozialgericht nach § 159 Abs. 1 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG - wegen Verletzung des Untersuchungsgrundsatzes beabsichtigt sei.
Die Beteiligten haben sich mit Schriftsätzen vom 12.05.2014 und vom 21.05.2014 mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten, die Akten des Sozialgerichts zu den Verfahren S 14 U 1982/10 und S 14 R 3128/12 sowie auf die Akten des Senats Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist im Sinne der Zurückverweisung begründet.
Das Urteil leidet an einem wesentlichen Verfahrensmangel, so dass der Senat von der nach § 159 Abs. 1 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) eingeräumten Möglichkeit der Zurückverweisung Gebrauch macht.
Das Sozialgericht hat gegen seine Pflicht zur umfassenden Aufklärung des entscheidungserheblichen Sachverhalts aus § 103 SGG verstoßen.
Die Amtsermittlungspflicht aus § 103 SGG ist verletzt, wenn der dem Sozialgericht bekannte Sachverhalt von seinem materiell-rechtlichen Standpunkt aus nicht für das gefällte Urteil ausreicht, sondern sich das Gericht zu weiteren Ermittlungen hätte gedrängt fühlen müssen (vgl. BSG Urteil vom 24.11.1987, 9/9a RV 42/87 -; Urteil vom 24.06.1993, 11 RAr 75/92 - m.w.N.).
Anders als das Sozialgericht ist der Senat der Auffassung, dass bereits im erstinstanzlichen Verfahren die weitere Aufklärung des Sachverhalts zwingend geboten war. Der Kläger hatte in seiner Klageschrift die weitere Sachaufklärung durch Befragung seiner behandelnden Ärzte beantragt. Er hat sich dabei nicht nur auf psychische Erkrankungen, sondern vor allem auch auf orthopädische Leiden und eine dadurch bedingte Schmerzproblematik berufen. Ferner hat er geltend gemacht, sich seit Januar 2008 durchgehend in fachpsychiatrischer Behandlung befunden zu haben und eine Vielzahl an Medikamenten einzunehmen. Es sei daher nicht nachvollziehbar, dass die Beklagte zu der Auffassung gekommen sei, die Erkrankungen des Klägers würden weder medikamentös noch psychotherapeutisch behandelt. Er hat ferner auf die Durchführung von Physiotherapie und einer Schmerztherapie verwiesen.
Das Sozialgericht hat die Befragung der behandelnden Ärzte mit dem Verweis auf die Beiziehung des psychiatrischen Sachverständigengutachtens des Dr. Sch. vom 23.02.2011 abgelehnt, da dessen Diagnosen sich mit den von der Verwaltungsgutachterin Dr. K. gestellten Diagnosen deckten. Dies reicht indes zur Aufklärung des Sachverhalts nicht aus. Zwar war es dem Sozialgericht nicht verwehrt, das im Unfallversichertenverfahren eingeholte Sachverständigengutachten nach § 118 SGG i.V.m. § 411a ZPO beizuziehen. Für die nach § 103 SGG gebotene umfassende Ermittlung des Sachverhalts zur Klärung der entscheidungserheblichen Frage, ob der Kläger voll oder teilweise erwerbsgemindert i.S.d. § 43 SGB VI ist, konnten dem Gutachten jedoch keine ausreichenden Feststellungen entnommen werden. Für die Entscheidung über den geltend gemachten Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung kommt es entscheidend darauf an, wie das Leistungsvermögen des Klägers insbesondere in zeitlicher Hinsicht auf Grundlage aller bestehenden Gesundheitsstörungen zu bewerten ist. Zur Beantwortung dieser Frage muss das Gericht von allen Ermittlungsmöglichkeiten, die vernünftigerweise zur Verfügung stehen, Gebrauch machen (st.Rspr. des BSG, Beschluss vom 24.04.2014 - B 13 R 325/13 B Juris RdNr. 13 - mit Hinweis auf Beschluss vom 12.02.2009 - B 5 R 48/08 B - Juris RdNr 8). Von einer Beweisaufnahme darf es deshalb nur dann absehen bzw. einen Beweisantrag nur dann ablehnen, wenn es auf die ungeklärte Tatsache nicht ankommt, wenn sie also als wahr unterstellt werden kann, wenn das Beweismittel völlig ungeeignet oder unerreichbar ist, wenn die behauptete Tatsache bzw. ihr Fehlen bereits erwiesen oder wenn die Beweiserhebung wegen Offenkundigkeit überflüssig ist (BSG Beschluss vom 27.11.2007 - B 5a/5 R 406/06 B - Juris RdNr 8; Senatsbeschluss vom 20.10.2010 - B 13 R 511/09 B - Juris RdNr 14 mwN). All dies war hinsichtlich der vom Kläger beantragten Befragung der behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen nicht der Fall. Diese waren vielmehr zu den von ihnen erhobenen Befunden, den gestellten Diagnosen sowie zu den durchgeführten Behandlungsmaßnahmen und deren Erfolg zu befragen, um ein Gesamtbild der beim Kläger bestehenden gesundheitlichen Beschwerden zu erheben und zu prüfen, ob insoweit Anhaltspunkte für eine zeitliche Einschränkung seines zeitlichen Leistungsvermögen bestehen, die von der Beklagten im Verwaltungsverfahren nicht und nicht ausreichend gewürdigt worden waren. Insbesondere war die Behauptung des Klägers, sich einer kontinuierlichen fachpsychiatrischen Behandlung und einer Schmerztherapie unterzogen zu haben, zu überprüfen.
Ungeachtet dessen, dass das Gutachten des Dr. Sch. nach der sich aus dem Unfallversicherungsverfahren ergebenden Fragestellung keine gutachterliche Einschätzung des Restleistungsvermögens des Klägers enthielt, konnte es weder über die Behandlungsintensität noch zu den ebenfalls geltend gemachten Beschwerden des Klägers auf anderen medizinischen Fachgebieten als dem psychiatrischen Fachgebiet, insbesondere dem orthopädischen Fachgebiet, Erkenntnisse erbringen, zumal es bereits zehn Monate vor Rentenantragstellung erstellt worden war. Die Beiziehung und Verwertung dieses Gutachtens konnte daher die Befragung der behandelnden Ärzte nicht ersetzen.
Soweit das Sozialgericht in den Entscheidungsgründen des Urteils ausführt, die Einholung sachverständiger Zeugenaussagen sei deshalb entbehrlich, weil diese aufgrund der Behandlungssituation keinen Grund hätten, die Beschwerdeangaben des Klägers zu hinterfragen, unterstellt das Sozialgericht zum einen, dass der Kläger seinen Ärzten gegenüber aggravierende Angaben macht und zum anderen, dass die Behandler derartige Angaben stets ungeprüft übernehmen. Derartige Überlegungen können aber erst angestellt werden, wenn die Aussagen der sachverständigen Zeugen vorliegen. Mit der pauschalen Annahme, die Auskünfte der behandelnden Ärzte könnten aus den vom Sozialgericht genannten Gründen den Sachverhalt nicht fördern, bewegt sich das Sozialgericht im Bereich einer - unzulässigen - vorweggenommenen Beweiswürdigung.
Gleiches gilt auch für die Ablehnung weiterer Sachaufklärung durch Einholung von Gutachten. Diese darf jedenfalls nicht von vorneherein mit dem Hinweis darauf abgelehnt werden, dass der Kläger in früheren Begutachtungen Verdeutlichungs- und Aggravationstendenzen gezeigt hat. Auch wenn Dr. Sch. ein massives Verdeutlichungsverhalten des Klägers beschreibt und dessen Angaben im Beschwerdevalidierungsverfahren als gezielte negative Antwortverzerrung im Sinne gezielter Falschangabe deutet, kann daraus nicht der Schluss gezogen werden, der Kläger werde sich auch in weiteren Begutachtungssituationen stets in entsprechender Weise verhalten. Diese Annahme trägt auch nicht vor dem vom Sozialgericht angeführten Hintergrund, dass der Kläger in der mündlichen Verhandlung im Unfallversicherungsrechtsstreit auf die Unmöglichkeit der Feststellung seiner Gesundheitsstörungen aufgrund seines Verhaltens hingewiesen worden ist und dennoch in der erneuten Begutachtung im Rentenverfahren gegenüber Dr. K. wiederum aggravierendes Verhalten gezeigt habe. Selbst der fehlende Nachweis eines Medikamentenspiegels rechtfertigt nicht die weitreichende, vom Sozialgericht seiner Entscheidung zugrunde gelegte Annahme, jede weitere Begutachtung werde die tatsächlich beim Kläger vorhandenen Gesundheitsstörungen nicht zu Tage fördern können. Es bleibt vielmehr zum einen dem jeweiligen Gutachter vorbehalten, die anamnestisch erhobenen Angaben eines Probanden zu objektivieren und zu validieren, zum anderen sind etwaige im Begutachtungsverfahren aufgetretene Auffälligkeiten im Rahmen der gerichtlichen Beweiswürdigung zu bewerten. Auch ein auf der Grundlage verdeutlichender Angaben erstelltes Gutachten muss sich nicht als völlig unbrauchbar erweisen. Dies kann vor allem nicht von vorneherein unterstellt werden und zur Ablehnung jeglicher weiteren Ermittlungen führen.
Die angefochtene Entscheidung kann auch auf dem Verfahrensmangel fehlender Sachaufklärung beruhen, da nicht auszuschließen ist, dass das Sozialgericht bei ordnungsgemäßer Aufklärung zu einem anderen Ergebnis gelangt wäre. Es ist nicht von vorneherein ausgeschlossen, dass die Befragung der behandelnden Ärzte Tatsachen ergeben hätten, die die Einschätzung des Leistungsvermögens des Klägers durch die Verwaltungsgutachterin K. in Frage stellen könnten. Aufgrund der Verletzung der Amtsermittlungspflicht ist eine umfassende und aufwändige Beweisaufnahme, beginnend mit der Anhörung der vom Kläger benannten Ärzte als sachverständige Zeugen notwendig (§ 159 Abs. 1 Nr. 2 SGG).
Die nach § 159 Abs. 1 SGG im Ermessen des Senats stehende Zurückverweisung erscheint angesichts der Kürze des Berufungsverfahrens und der Schwere des Verfahrensfehlers sowie zur Erhaltung einer zweiten Tatsacheninstanz geboten. Hierbei hat der Senat berücksichtigt, dass der Rechtsstreit noch weit von einer Entscheidungsreife entfernt ist und weitere tatsächliche Ermittlungen erfordert, weshalb der Verlust einer Tatsacheninstanz besonders ins Gewicht fiel. Die Zurückverweisung stellt die dem gesetzlichen Modell entsprechenden zwei Tatsacheninstanzen wieder her. Der Grundsatz der Prozessökonomie gebietet es auch in Anbetracht der Dauer des erstinstanzlichen Verfahrens nicht, den Rechtsstreit abschließend in der Berufungsinstanz zu behandeln. Vielmehr ist dem Sozialgericht zunächst Gelegenheit zur Aufklärung des Sachverhalts zu geben. Dabei hat sich der Senat im Rahmen der Ermessensausübung insbesondere auch dadurch leiten lassen, dass der Rechtsstreit in der Berufungsinstanz erst drei Monate anhängig ist, weshalb die durch die Fehlerhaftigkeit der Sachaufklärung eintretende Verfahrensverzögerung als gering einzuschätzen ist. Die Wahrung zweier Tatsacheninstanzen dient hingegen dem Interesse des Klägers.
Das Sozialgericht wird die behandelnden Ärzte des Klägers nach den von ihnen erhobenen Befunden und den gestellten Diagnosen sowie nach den von ihnen durchgeführten Behandlungen und deren Erfolg zu befragen haben. Aufgrund der mitgeteilten Behandlungs- und Befunddaten wird sodann zu entscheiden sein, ob weitere Aufklärungsmaßnahmen durch die Erhebung von Gutachten von Amts wegen oder auf Antrag des Klägers nach § 109 SGG durchzuführen sein werden.
Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens bleibt dem Sozialgericht vorbehalten.
Anlass, die Revision zuzulassen, besteht nicht (§ 160 Abs. 2 SGG).
Das Sozialgericht hat auch über die Kosten des Berufungsverfahrens zu entscheiden.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung
Der 1957 geborene Kläger hat den Beruf eines Kraftfahrzeugmechanikers erlernt. Er war zuletzt als Lagerarbeiter bei der Firma M. versicherungspflichtig beschäftigt. Seit Februar 2009 ist er arbeitslos. Am 20.12.2011 beantragte er bei der Beklagten die Bewilligung einer Rente wegen Erwerbsminderung.
Nach Beiziehung diverser Befundunterlagen ließ die Beklagte den Kläger am 19.03.2012 durch die Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. K. begutachten. Diese diagnostizierte in ihrem Gutachten eine rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig mittelschwer, die nicht psychotherapeutisch oder medikamentös behandelt werde, eine somatoforme Schmerzverarbeitungsstörung nach Arbeitsverkehrsunfall 2007 und Dickdarmoperation 2007 sowie degenerative Veränderungen im Bereich der Halswirbelsäule, Z. n. Karpaltunnelsyndrom und anamnestisch rezidivierenden Nebenhodenentzündungen. Im Rahmen der körperlichen Untersuchung hätten sich Aggravationstendenzen im Sinne von starkem Danebengreifen im Finger-Nase-Versuch beidseits und deutlich verlangsamten Bewegungen gezeigt. Medikamentenspiegel der angegebenen Antidepressiva Mirtazapin und Citalopram seien nicht nachweisbar gewesen. Der Kläger sei in der Lage, leichte bis mittelschwere körperliche Tätigkeiten mit qualitativen Einschränkungen sechs Stunden und mehr täglich in Tag-, Früh- und Spätschicht durchzuführen. Seine letzte Tätigkeit als Lagerarbeiter könne der Kläger in einem zeitlichen Umfang von sechs Stunden und mehr arbeitstäglich ausüben.
Mit Bescheid vom 18.04.2012 lehnte die Beklagte daraufhin den Rentenantrag des Klägers ab.
Dagegen legte der Kläger mit Schreiben vom 21.04.2012 Widerspruch ein. Er könne aus gesundheitlichen Gründen keiner Tätigkeit mehr nachgehen. Er könne nicht mehr schlafen und sich wegen der Depressionen nicht mehr konzentrieren. Dazu würden seine orthopädischen Erkrankungen kommen. Er habe ständig Schmerzen im Bereich der Halswirbelsäule und im Rücken sowie Bandscheibenprobleme. Die Schmerzen würden ins linke Bein bis ins Fußgelenk ziehen. Ihm sei auch schwindlig. Seine Hände würden ständig einschlafen. Auch nachts habe er starke Schmerzen. Er dürfe auch nicht schwer heben oder tragen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 06.09.2012 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück.
Am 26.09.2012 erhob der Kläger Klage zum Sozialgericht Mannheim. Seine Erkrankungen würden ihn derart beeinträchtigen, dass kein sechsstündiges Leistungsvermögen mehr gegeben sei. Seit einem Verkehrsunfall im Jahr 2007 leide er anhaltend an physischen und psychischen Erkrankungen sowie ständigen Schmerzen. Er leide nach wie vor anhaltend unter Nackenschmerzen, unter Bewegungseinschränkungen im Nackenbereich und Schmerzen in der gesamten Wirbelsäule, unter Pelzigkeitsgefühlen in den Händen und unter Schwindel. Er benötige Schmerzpflaster. Zudem bestehe eine Blasenschwäche mit teilweiser Inkontinenz und Nebenhodenentzündungen. Durch die Einnahme von Schmerzmitteln sei er ständig müde. Als es im April 2010 zu einem weiteren leichten Auffahrunfall gekommen sei, seien bei ihm die traumatischen Symptome des ersten Unfalls 2007 verstärkt in Form von Zittern, Schweißausbrüchen, Nervosität, Schlaflosigkeit und Angstzuständen aufgekommen. Er befinde sich seit Januar 2008 regelmäßig und durchgehend in fachpsychiatrischer Behandlung bei der Fachärztin für Psychiatrie St. und nehme zahlreiche Medikamente ein. Es sei nicht nachvollziehbar, wie die Beklagte zu der Auffassung gelange, seine Erkrankungen seien weder medikamentös noch psychotherapeutisch behandelt. Er habe Physiotherapie durchgeführt sowie eine Schmerztherapie bei Dr. R. in W ... Er beantragte die Anhörung seiner behandelnden Ärzte (Hausarzt P. W., Fachärztin Psychiatrie und Neurologie St ..., Facharzt für Orthopädie Dr. B., Neurochirurg Dr. D., Facharzt für Urologie Dr. U.) als sachverständige Zeugen.
Das Sozialgericht teilte dem Kläger mit Schreiben vom 15.01.2013 mit, dass die Verwertung des im Verfahren S 14 U 1982/10 eingeholten psychiatrischen Sachverständigengutachtens von Dr. Sch. vom 23.02.2011 beabsichtigt sei. Dessen Diagnosen deckten sich mit denen der Verwaltungsgutachterin K., so dass der Sachverhalt geklärt sei und keine Veranlassung zur Einholung der sachverständigen Zeugenaussagen bestehe.
Der Kläger ließ daraufhin mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten darauf verweisen, dass das Gutachten von Dr. Sch. die Beweisaufnahme nicht ersetzen könne, da es bereits vor zwei Jahren und in einem rechtlich anders gelagerten Unfallversicherungsstreit eingeholt worden sei. Das Gutachten von Dr. Sch. sei schon deshalb nicht aktuell, weil er eine leichte depressive Störung beschrieben habe, während die Beklagte selbst von einer rezidivierenden depressiven Störung in mittelschwerer Form ausgehe. Er befinde sich seit Jahren in fachneurologisch-psychiatrischer Behandlung und nehme seine Medikamente ein. Hinzu kämen noch die weiteren Gesundheitsstörungen. Die angegebenen Ärzte seien daher anzuhören. Der Kläger legte noch einen Entlassbrief der Chirurgischen Klinik des Universitätsklinikums M. vom 12.03.2013 vor, in dem über eine ambulante Behandlung des Klägers wegen einer Leistenhernie rechts mit OP-Indikation berichtet wird. Der Kläger erteilte unter Aufrechterhaltung der von ihm erhobenen Verfahrensrüge mangelnder Sachaufklärung am 22.07.2013 sein Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung.
Das Sozialgericht zog das Gutachten von Dr. Sch. vom 23.02.2011 bei. Der Gutachter hatte massive Verdeutlichungstendenzen in Bezug auf psychotische, neurologische, anamnetische, affektive und intelligenzbezogene Symptome beschrieben. Deutliche Auffälligkeiten hätten sich in Bezug auf die Validität der vom Probanden gemachten Angaben zu Beschwerden und Funktionsbeeinträchtigungen etwa bei der Rotationseinschränkung der HWS ergeben. Die Ergebnisse der Beschwerdevalidierungsverfahren würden auf eine gezielte negative Antwortverzerrung hin im Sinne einer gezielten Falschangabe zu deuten sein. Die vom Kläger gemachten Aussagen würden bei vordergründiger Betrachtung das Bild einer neurologisch wie psychisch schwerst und komplex gestörten Person ergeben, was so definitiv nichts mit der Realität zu tun habe. Aus den aktenkundigen Vorbefunden und dem aktuellen Befund lasse sich die Diagnose einer leichtgradigen depressiven Störung stellen. Diese Diagnose schließe nicht aus, dass es zwischenzeitlich stärkergradige depressive Störungen gegeben habe, wie sie im Rahmen der stationären psychosomatischen Behandlung in Bad D. im Sommer 2008 festgestellt worden seien. Eine posttraumatische Belastungsstörung sei im Falle des Klägers weder aktuell noch für die Vergangenheit seit dem in Rede stehenden Schädigungsereignis zu diagnostizieren. Vor dem Hintergrund der beschriebenen massiven Verdeutlichungstendenz sei es nicht möglich gewesen, ein möglicherweise bestehendes, tatsächliches Funktionsdefizit im Bereich der Halswirbelsäule zu objektivieren. Er gehe aber von einer Somatisierungsstörung aus.
Mit Urteil vom 05.02.2014 wies das Sozialgericht Mannheim die Klage ohne mündliche Verhandlung ab. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Bewilligung einer Rente wegen Erwerbsminderung gegen die Beklagte. Nach § 43 SGB VI hätten Versicherte Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung, wenn sie teilweise oder voll erwerbsgemindert seien, die allgemeine Wartezeit und die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllt hätten. Erwerbsgemindert sei nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein könne. Hierbei sei die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs. 3 SGB VI). Es sei nicht feststellbar, dass der Kläger teilweise oder voll erwerbsgemindert sei. Auf der Grundlage der Ergebnisse der Sachverständigengutachten von Dr. Sch. und der Verwaltungsgutachterin Dr. K. gelangte das Sozialgericht zu der Feststellung, dass der Kläger an den rentenrechtlich relevanten dauerhaften Krankheiten einer leichten depressive Störung, einer Somatisierungsstörung und an degenerativen Halswirbelsäulenveränderungen leide. Ob der Kläger an weiteren oder schwergradigeren Gesundheitsstörungen leide, sei aufgrund des Verhaltens des Klägers in Begutachtungssituationen nicht aufzuklären. Die Begutachtung durch Dr. Sch. habe den von der Rechtsprechung aufgestellten Qua-litätsanforderungen an psychiatrische Sachverständigengutachten entsprochen. Insbesondere habe sich der Sachverständige testpsychologischer Testverfahren zur Validierung der vom Kläger angegebenen Beschweren bedient. Unter Berücksichtigung des simulativen Verhaltens habe der Sachverständige keine schwerwiegende psychiatrische Erkrankung beim Kläger feststellen können. Der Kläger habe also durch sein Verhalten eine valide Einschätzung der bei ihm vorliegenden Gesundheitsstörungen unmöglich gemacht. Die Beibehaltung dieses Verhaltens auch im Rahmen der Begutachtung durch die Verwaltungsgutachterin Dr. K. verwundere umso mehr, als dass der Kläger im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 19.10.2011 vom Vorsitzenden darauf hingewiesen worden sei, dass aufgrund seines Verhaltens während der Begutachtung durch Dr. Sch. eine Feststellung der bei ihm vorliegenden Gesundheitsbeschwerden unmöglich geworden sei. Trotzdem habe der Kläger bei der Begutachtung durch die Verwaltungsgutachterin Dr. K. am 19.03.2012 wieder durch sein aggravierendes Verhalten versucht Beschwerden anzugeben, die objektiv so nicht vorhanden gewesen seien. Darüber hinaus habe eine Blutuntersuchung belegen können, dass der Kläger bei der Angabe der von ihm eingenommenen Arzneimittel nicht die Wahrheit gesagt habe. Die Kammer sehe vor diesem Hintergrund keine Möglichkeit durch weitere Ermittlungsmaßnahmen, wie z.B. die Einholung eines neuen Sachverständigengutachtens, die tatsächlich beim Kläger vorhandenen Gesundheitsstörungen zu Tage zu fördern. Die Kammer habe keine Zweifel daran, dass der Kläger auch im Rahmen einer erneuten Begutachtung wieder den Versuch unternehmen werde, den Sachverständigen über die bei ihm vorliegenden Gesundheitsstörungen zu täuschen. Vor diesem Hintergrund sei darauf hinzuweisen, dass der Sachverständige Dr. Sch. explizit ausgeschlossen habe, dass das Verhalten des Klägers auf einer psychischen Erkrankung beruhe, sondern willensgesteuert sei. Soweit der Kläger die Auffassung vertrete, dass die Kammer wegen des Gebots der Waffengleichheit bzw. wegen des Grundsatzes eines fairen Verfahrens weitere Ermittlungen von Amts wegen hätte durchführen müssen, verkenne er, dass das Gericht im Rahmen seines Ermessens die Ermittlungen und Maßnahmen bestimme, die nach seiner materiell-rechtlichen Auffassung zur Aufklärung des Sachverhalts notwendig seien. Das gerichtliche Ermessen sei dabei durch die Pflicht zur Aufklärung des Sachverhalts in dem für die Entscheidung erforderlichen Umfang begrenzt. Ein Verstoß gegen § 103 SGG liege nur dann vor, wenn sich die Kammer zu einer weiteren Sachaufklärung hätte gedrängt fühlen müssen (BSG, 06.02.2003, B 7 AL 104/01 R). Eingedenk dieser Vorgaben sei insbesondere die Einholung sachverständiger Zeugenaussagen bei den behandelnden Ärzten, wie vom Kläger beantragt, entbehrlich gewesen. Diese Ärzte hätten aufgrund der Behandlungssituation - im Gegensatz zur Begutachtungssituation - keinen Grund die Beschwerdeangaben des Klägers zu hinterfragen. Wie sich schon aus dem Sachverständigengutachten des Dr. Sch. ergebe, sei die Einschätzung der beim Kläger vorliegenden Beschwerden durch die behandelnden Ärzte - insbesondere der Fachärztin für Psychiatrie St. - nicht mit den tatsächlichen Gegebenheiten in Einklang zu bringen. Den Beweisanträgen des Klägers sei daher nicht nachzukommen gewesen, da der Sachverhalt hierdurch nicht zu fördern gewesen wäre. Im Übrigen seien vorliegend die Voraussetzungen des § 411a ZPO gegeben. Die vom Sachverständigen gemachten Ausführungen zu Beweisfrage 1 deckten sich mit den im vorliegenden Verfahren zu beantwortenden Fragen nach den beim Kläger bestehenden Gesundheitsstörungen. Im Übrigen habe im Rahmen der Begutachtung durch den Sachverständigen eine ausführliche psychiatrische Exploration stattgefunden, deren Ergebnisse gleichwohl in dem hier zu entscheidenden Fall verwertet werden könnten. Insbesondere eigne sich ein Rückgriff auf das Sachverständigengutachten, um die von der Verwaltungsgutachterin festgestellten Diagnosen und deren Einschätzung der Leistungsfähigkeit auf ihre Richtigkeit hin zu überprüfen. Die feststellbaren Gesundheitsstörungen würden keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass der Kläger nicht in der Lage sein sollte, seine letzte versicherungspflichtige Beschäftigung als Lagerarbeiter oder gar leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts vollschichtig, also mindestens sechs Stunden werktäglich, zu verrichten. Dieser Feststellung lege die Kammer die Einschätzung der Verwaltungsgutachterin Dr. K. zugrunde, an der - auch vor dem Hintergrund der Ausführungen des Sachverständigen Dr. Sch. - keine Zweifel bestehen würden.
Gegen das seiner Bevollmächtigten am 20.02.2014 zugestellte Urteil hat der Kläger am 13.03.2014 Berufung eingelegt. Er beanstandet die mangelnde Sachverhaltsaufklärung durch das Sozialgericht und hält dessen Urteil aufgrund vorweggenommener Beweiswürdigung für verfahrensfehlerhaft zustande gekommen. Die Diagnosen einer leichten depressiven Störung, Somatisierungsstörung und degenerativer Halswirbelsäulenveränderungen durch Dr. Sch. aus dessen Gutachten vom 23.02.2011 seien überholt. Sie blieben noch hinter denjenigen zurück, die von der Beklagten selbst erhoben worden seien. Darüber hinaus seien im Rentenverfahren sämtliche Erkrankungen und Behinderungsleiden zu berücksichtigen und nicht nur die psychische Störung, die hier nur einen Teilaspekt darstelle. Beim Kläger bestünden folgende Diagnosen:
- schwere depressive Episode - Somatisierungsstörung, anhaltende Schmerzstörung - Schwerhörigkeit - BWS/HWS Kontusion, zervikale Spondylose, Nackenschmerzen in WS ausstrahlend; Schmerzausstrahlungen ins linke Bein - Bandscheibenprotrusion HWK 6/7 mit Einengung beider Neuroforamina und leichte Einengung HWK 5/6 - Osteochondrose C 5/6, Spondylose LWS, Spondylarthrose (LWS thoracolumbal) - Z.n. Ruptur der Supraspinatussehne der linken Schulter, massive Bursitis subacromialis bei Tendinosis calcarea (OP im Nov. 2013 A.) - Z.n. Mycardinfarkt - Z.n. Divertikulose; Z.n. Darmperforierung nach Wege(Verkehrs-)unfall, Z.n. Sigmaresektion (s. auch Dres. N. und E. U. Klinikum M. im Entlassbrief v. 12.03.2013: "Z.n. Sigmaresektion als Traumafolge", vorgelegt mit Schriftsatz vom 21.06.13 an SG MA) - Z.n. nach Leistenoperation im Frühjahr 2013 (s. U. M. Entlassbrief v. 12.03.13, s.o.) - Karpaltunnelsyndrom, Sulcus ulnaris Syndrom - schmerzhafte Zustände bei rezidivierenden Nebenhodenentzündungen.
In der Gesamtbetrachtung sämtlicher Gesundheitsstörungen - insbesondere der schweren Depression, der andauernden Schmerzzustände, der orthopädischen und neurologischen Erkrankungen - sei davon auszugehen, dass der Kläger nicht mehr in der Lage sei, einer vollschichtigen Erwerbstätigkeit nachzugehen. Sein Leistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sei auf unter drei Stunden, in jedem Falle auf unter sechs Stunden täglich herabgesetzt. Da der Kläger keinen Teilzeitarbeitsplatz innehabe, wäre auch bei teilweiser Erwerbsminderung ein Rentenanspruch in voller Höhe gegeben.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 05.02.2014 und den Bescheid der Beklagten vom 18.04.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 06.09.2012 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm eine Rente wegen voller, hilfsweise teilweiser Erwerbsminderung ab Antragstellung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verweist auf ihren Vortrag im erstinstanzlichen Verfahren und auf die Ausführungen im angefochtenen Urteil und stellt die weitere medizinische Sachaufklärung in das Ermessen des Gerichts.
Die Berichterstatterin hat mit Schreiben vom 05.05.2014 darauf hingewiesen, dass die Zurückverweisung der Sache an das Sozialgericht nach § 159 Abs. 1 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG - wegen Verletzung des Untersuchungsgrundsatzes beabsichtigt sei.
Die Beteiligten haben sich mit Schriftsätzen vom 12.05.2014 und vom 21.05.2014 mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten, die Akten des Sozialgerichts zu den Verfahren S 14 U 1982/10 und S 14 R 3128/12 sowie auf die Akten des Senats Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist im Sinne der Zurückverweisung begründet.
Das Urteil leidet an einem wesentlichen Verfahrensmangel, so dass der Senat von der nach § 159 Abs. 1 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) eingeräumten Möglichkeit der Zurückverweisung Gebrauch macht.
Das Sozialgericht hat gegen seine Pflicht zur umfassenden Aufklärung des entscheidungserheblichen Sachverhalts aus § 103 SGG verstoßen.
Die Amtsermittlungspflicht aus § 103 SGG ist verletzt, wenn der dem Sozialgericht bekannte Sachverhalt von seinem materiell-rechtlichen Standpunkt aus nicht für das gefällte Urteil ausreicht, sondern sich das Gericht zu weiteren Ermittlungen hätte gedrängt fühlen müssen (vgl. BSG Urteil vom 24.11.1987, 9/9a RV 42/87 -; Urteil vom 24.06.1993, 11 RAr 75/92 - m.w.N.).
Anders als das Sozialgericht ist der Senat der Auffassung, dass bereits im erstinstanzlichen Verfahren die weitere Aufklärung des Sachverhalts zwingend geboten war. Der Kläger hatte in seiner Klageschrift die weitere Sachaufklärung durch Befragung seiner behandelnden Ärzte beantragt. Er hat sich dabei nicht nur auf psychische Erkrankungen, sondern vor allem auch auf orthopädische Leiden und eine dadurch bedingte Schmerzproblematik berufen. Ferner hat er geltend gemacht, sich seit Januar 2008 durchgehend in fachpsychiatrischer Behandlung befunden zu haben und eine Vielzahl an Medikamenten einzunehmen. Es sei daher nicht nachvollziehbar, dass die Beklagte zu der Auffassung gekommen sei, die Erkrankungen des Klägers würden weder medikamentös noch psychotherapeutisch behandelt. Er hat ferner auf die Durchführung von Physiotherapie und einer Schmerztherapie verwiesen.
Das Sozialgericht hat die Befragung der behandelnden Ärzte mit dem Verweis auf die Beiziehung des psychiatrischen Sachverständigengutachtens des Dr. Sch. vom 23.02.2011 abgelehnt, da dessen Diagnosen sich mit den von der Verwaltungsgutachterin Dr. K. gestellten Diagnosen deckten. Dies reicht indes zur Aufklärung des Sachverhalts nicht aus. Zwar war es dem Sozialgericht nicht verwehrt, das im Unfallversichertenverfahren eingeholte Sachverständigengutachten nach § 118 SGG i.V.m. § 411a ZPO beizuziehen. Für die nach § 103 SGG gebotene umfassende Ermittlung des Sachverhalts zur Klärung der entscheidungserheblichen Frage, ob der Kläger voll oder teilweise erwerbsgemindert i.S.d. § 43 SGB VI ist, konnten dem Gutachten jedoch keine ausreichenden Feststellungen entnommen werden. Für die Entscheidung über den geltend gemachten Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung kommt es entscheidend darauf an, wie das Leistungsvermögen des Klägers insbesondere in zeitlicher Hinsicht auf Grundlage aller bestehenden Gesundheitsstörungen zu bewerten ist. Zur Beantwortung dieser Frage muss das Gericht von allen Ermittlungsmöglichkeiten, die vernünftigerweise zur Verfügung stehen, Gebrauch machen (st.Rspr. des BSG, Beschluss vom 24.04.2014 - B 13 R 325/13 B Juris RdNr. 13 - mit Hinweis auf Beschluss vom 12.02.2009 - B 5 R 48/08 B - Juris RdNr 8). Von einer Beweisaufnahme darf es deshalb nur dann absehen bzw. einen Beweisantrag nur dann ablehnen, wenn es auf die ungeklärte Tatsache nicht ankommt, wenn sie also als wahr unterstellt werden kann, wenn das Beweismittel völlig ungeeignet oder unerreichbar ist, wenn die behauptete Tatsache bzw. ihr Fehlen bereits erwiesen oder wenn die Beweiserhebung wegen Offenkundigkeit überflüssig ist (BSG Beschluss vom 27.11.2007 - B 5a/5 R 406/06 B - Juris RdNr 8; Senatsbeschluss vom 20.10.2010 - B 13 R 511/09 B - Juris RdNr 14 mwN). All dies war hinsichtlich der vom Kläger beantragten Befragung der behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen nicht der Fall. Diese waren vielmehr zu den von ihnen erhobenen Befunden, den gestellten Diagnosen sowie zu den durchgeführten Behandlungsmaßnahmen und deren Erfolg zu befragen, um ein Gesamtbild der beim Kläger bestehenden gesundheitlichen Beschwerden zu erheben und zu prüfen, ob insoweit Anhaltspunkte für eine zeitliche Einschränkung seines zeitlichen Leistungsvermögen bestehen, die von der Beklagten im Verwaltungsverfahren nicht und nicht ausreichend gewürdigt worden waren. Insbesondere war die Behauptung des Klägers, sich einer kontinuierlichen fachpsychiatrischen Behandlung und einer Schmerztherapie unterzogen zu haben, zu überprüfen.
Ungeachtet dessen, dass das Gutachten des Dr. Sch. nach der sich aus dem Unfallversicherungsverfahren ergebenden Fragestellung keine gutachterliche Einschätzung des Restleistungsvermögens des Klägers enthielt, konnte es weder über die Behandlungsintensität noch zu den ebenfalls geltend gemachten Beschwerden des Klägers auf anderen medizinischen Fachgebieten als dem psychiatrischen Fachgebiet, insbesondere dem orthopädischen Fachgebiet, Erkenntnisse erbringen, zumal es bereits zehn Monate vor Rentenantragstellung erstellt worden war. Die Beiziehung und Verwertung dieses Gutachtens konnte daher die Befragung der behandelnden Ärzte nicht ersetzen.
Soweit das Sozialgericht in den Entscheidungsgründen des Urteils ausführt, die Einholung sachverständiger Zeugenaussagen sei deshalb entbehrlich, weil diese aufgrund der Behandlungssituation keinen Grund hätten, die Beschwerdeangaben des Klägers zu hinterfragen, unterstellt das Sozialgericht zum einen, dass der Kläger seinen Ärzten gegenüber aggravierende Angaben macht und zum anderen, dass die Behandler derartige Angaben stets ungeprüft übernehmen. Derartige Überlegungen können aber erst angestellt werden, wenn die Aussagen der sachverständigen Zeugen vorliegen. Mit der pauschalen Annahme, die Auskünfte der behandelnden Ärzte könnten aus den vom Sozialgericht genannten Gründen den Sachverhalt nicht fördern, bewegt sich das Sozialgericht im Bereich einer - unzulässigen - vorweggenommenen Beweiswürdigung.
Gleiches gilt auch für die Ablehnung weiterer Sachaufklärung durch Einholung von Gutachten. Diese darf jedenfalls nicht von vorneherein mit dem Hinweis darauf abgelehnt werden, dass der Kläger in früheren Begutachtungen Verdeutlichungs- und Aggravationstendenzen gezeigt hat. Auch wenn Dr. Sch. ein massives Verdeutlichungsverhalten des Klägers beschreibt und dessen Angaben im Beschwerdevalidierungsverfahren als gezielte negative Antwortverzerrung im Sinne gezielter Falschangabe deutet, kann daraus nicht der Schluss gezogen werden, der Kläger werde sich auch in weiteren Begutachtungssituationen stets in entsprechender Weise verhalten. Diese Annahme trägt auch nicht vor dem vom Sozialgericht angeführten Hintergrund, dass der Kläger in der mündlichen Verhandlung im Unfallversicherungsrechtsstreit auf die Unmöglichkeit der Feststellung seiner Gesundheitsstörungen aufgrund seines Verhaltens hingewiesen worden ist und dennoch in der erneuten Begutachtung im Rentenverfahren gegenüber Dr. K. wiederum aggravierendes Verhalten gezeigt habe. Selbst der fehlende Nachweis eines Medikamentenspiegels rechtfertigt nicht die weitreichende, vom Sozialgericht seiner Entscheidung zugrunde gelegte Annahme, jede weitere Begutachtung werde die tatsächlich beim Kläger vorhandenen Gesundheitsstörungen nicht zu Tage fördern können. Es bleibt vielmehr zum einen dem jeweiligen Gutachter vorbehalten, die anamnestisch erhobenen Angaben eines Probanden zu objektivieren und zu validieren, zum anderen sind etwaige im Begutachtungsverfahren aufgetretene Auffälligkeiten im Rahmen der gerichtlichen Beweiswürdigung zu bewerten. Auch ein auf der Grundlage verdeutlichender Angaben erstelltes Gutachten muss sich nicht als völlig unbrauchbar erweisen. Dies kann vor allem nicht von vorneherein unterstellt werden und zur Ablehnung jeglicher weiteren Ermittlungen führen.
Die angefochtene Entscheidung kann auch auf dem Verfahrensmangel fehlender Sachaufklärung beruhen, da nicht auszuschließen ist, dass das Sozialgericht bei ordnungsgemäßer Aufklärung zu einem anderen Ergebnis gelangt wäre. Es ist nicht von vorneherein ausgeschlossen, dass die Befragung der behandelnden Ärzte Tatsachen ergeben hätten, die die Einschätzung des Leistungsvermögens des Klägers durch die Verwaltungsgutachterin K. in Frage stellen könnten. Aufgrund der Verletzung der Amtsermittlungspflicht ist eine umfassende und aufwändige Beweisaufnahme, beginnend mit der Anhörung der vom Kläger benannten Ärzte als sachverständige Zeugen notwendig (§ 159 Abs. 1 Nr. 2 SGG).
Die nach § 159 Abs. 1 SGG im Ermessen des Senats stehende Zurückverweisung erscheint angesichts der Kürze des Berufungsverfahrens und der Schwere des Verfahrensfehlers sowie zur Erhaltung einer zweiten Tatsacheninstanz geboten. Hierbei hat der Senat berücksichtigt, dass der Rechtsstreit noch weit von einer Entscheidungsreife entfernt ist und weitere tatsächliche Ermittlungen erfordert, weshalb der Verlust einer Tatsacheninstanz besonders ins Gewicht fiel. Die Zurückverweisung stellt die dem gesetzlichen Modell entsprechenden zwei Tatsacheninstanzen wieder her. Der Grundsatz der Prozessökonomie gebietet es auch in Anbetracht der Dauer des erstinstanzlichen Verfahrens nicht, den Rechtsstreit abschließend in der Berufungsinstanz zu behandeln. Vielmehr ist dem Sozialgericht zunächst Gelegenheit zur Aufklärung des Sachverhalts zu geben. Dabei hat sich der Senat im Rahmen der Ermessensausübung insbesondere auch dadurch leiten lassen, dass der Rechtsstreit in der Berufungsinstanz erst drei Monate anhängig ist, weshalb die durch die Fehlerhaftigkeit der Sachaufklärung eintretende Verfahrensverzögerung als gering einzuschätzen ist. Die Wahrung zweier Tatsacheninstanzen dient hingegen dem Interesse des Klägers.
Das Sozialgericht wird die behandelnden Ärzte des Klägers nach den von ihnen erhobenen Befunden und den gestellten Diagnosen sowie nach den von ihnen durchgeführten Behandlungen und deren Erfolg zu befragen haben. Aufgrund der mitgeteilten Behandlungs- und Befunddaten wird sodann zu entscheiden sein, ob weitere Aufklärungsmaßnahmen durch die Erhebung von Gutachten von Amts wegen oder auf Antrag des Klägers nach § 109 SGG durchzuführen sein werden.
Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens bleibt dem Sozialgericht vorbehalten.
Anlass, die Revision zuzulassen, besteht nicht (§ 160 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
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