L 3 U 5087/12

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 7 U 6551/08
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 U 5087/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 06. November 2012 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob als weitere Unfallfolge eines von der Beklagten anerkannten Arbeitsunfalls der Klägerin vom 19.12.2007 ein komplexes regionales Schmerzsyndrom (synonyme Bezeichnungen: Morbus Sudeck-Syndrom oder sympathische Reflexdystrophie, Chronical Regional Pain-Syndrom - im Folgenden: CRPS) festzustellen ist.

Die Klägerin geriet am 19.12.2007 um 17:30 Uhr auf einem versicherten Weg mit dem Pkw im Hochschwarzwald auf eine vereiste Fahrbahnstelle, kam ins Rutschen und dadurch auf die Gegenfahrbahn, prallte gegen einen Baum und rollte sodann ca. 20. bis 50 Meter einen Hang hinab, wo das Fahrzeug an Bäumen hängen blieb. Die Klägerin war angeschnallt, der Airbag hatte sich nicht ausgelöst, das Fahrzeug kam auf der Seite zum Liegen. Nachdem das Fahrzeug der Klägerin von der Feuerwehr gesichert worden war, konnte sie sich selbst aus dem Pkw befreien und wurde um 19:35 Uhr in die H.-Klinik eingeliefert. Der dortige Durchgangsarzt Dr. H. führte im Durchgangsarztbericht vom 19.12.2007 aus, die Klägerin klage über Schwindel, Kopfschmerz und Übelkeit, es bestünden keine Amnesie und keine Bewusstlosigkeit sowie keine neurologischen Ausfälle. Die Klägerin gebe einen Druckschmerz über der thorakalen BWS und der HWS an. Es finde sich eine Prellmarke an der linken Clavicula, der übrige Bodycheck sei unauffällig. Aufnahmen des Schädels und der Wirbelsäule hätten keinen sicheren Anhalt für frische knöcherne Verletzungen ergeben. Als Erstdiagnosen wurden eine HWS-Distorsion, eine Commotio cerebri sowie eine stumpfes Bauchtrauma genannt.

Bis zum 22.12.2007 befand sich die Klägerin zur Überwachung der Verlaufskontrolle für Schädel-Hirn-Verletzte in stationärer Behandlung der H.-Klinik. Im Zwischenbericht vom 22. 12.2007 wurde die HWS-Distorsion als schwer eingestuft und als weitere Diagnose eine BWS-Kontusion genannt. Am ersten posttraumatischen Tag habe die Klägerin über zunehmende Kopfschmerzen, Übelkeit und Schwindel geklagt, ein deshalb erfolgtes CCT habe keine knöcherne Verletzung nachgewiesen. Die Schmerzen im Bereich der HWS-paravertebral seien unter Medikation nur langsam rückläufig gewesen. Fokalneurologische Defizite hätten zu keinem Zeitpunkt bestanden. Im Verlauf des Sicherheitsgurtes habe sich eine deutliche Prellmarke mit Hämatomverfärbung und Druckdolenz gezeigt. Die weitere stationäre Überwachung habe keine neurologischen Auffälligkeiten ergeben, sodass die Klägerin am 22.12.2007 habe entlassen werden können, es sei eine Wiedervorstellung in ca. einer Woche vereinbart worden.

Im Zwischenbericht vom 04.01.2008 führte Dr. H. aus, bei einer ambulanten Vorstellung am 27.12.2007 habe die Klägerin noch Schmerzen im Bereich der HWS und im Bereich des rechten Unterarms und Handgelenks angegeben. Es bestehe eine Druckdolenz am Unterarm ulnarseitig (ellenwärts gelegen), Durchblutung, Motorik und Sensibilität seien peripher intakt, es bestehe keine Schwellung und keine Hautläsion. Die Klägerin habe vor Ort mit der Physiotherapie noch nicht begonnen, was sie aber in den nächsten Tagen tun werde.

In der Unfallanzeige vom 15.1.2008 teilte der Arbeitgeber mit, nach Angaben der Klägerin habe sich diese bei dem Unfall eine Gehirnerschütterung und Prellungen zugezogen. Als verletzte Körperteile wurden Kopf, Halswirbel und Rippen angegeben.

Am 31.01.2008 teilte Dr. H. der Beklagten mit, die Klägerin habe am 02.01.2008 telefonisch mitgeteilt, die Weiterbehandlung erfolge wegen des langen Anfahrtsweges nach T.-N. zur H.-Klinik nunmehr bei Dr. S. in W.-T ...

Mit Schreiben vom 14.02.2008 teilte Dr. S. der Beklagten mit, die Klägerin habe sich zuletzt am 11.01.2008 vorgestellt. Er nannte die Diagnosen HWS-Distorsion, Commotio cerebri, stumpfes Bauchtrauma sowie BWS-Kontusion. Wegen der noch bestehenden schmerzhaften Myogelosen im Nacken seien eine physikalische Therapie rezeptiert und Arbeitsfähigkeit ab 14.01.2008 bescheinigt worden. Es sei vereinbart worden, dass sich die Klägerin bei Schmerzpersistenz wieder vorstelle; dies sei nicht erfolgt. Die Behandlung sei mit dem 11.01.2008 abgeschlossen worden.

Unter dem 28.05.2008 teilte Dr. S. der Beklagten mit, die Klägerin habe sich heute vorgestellt und angegeben, seit dem Unfall zunehmend Schmerzen im linken oberen Sprunggelenk (OSG)/Fuß zu verspüren. Seit heute Morgen sei der Fuß geschwollen, sie könne ihn nicht belasten. Klinisch habe eine Weichteilschwellung am Fußrücken, geringer am OSG bestanden. Der Fußrücken selbst sei nahezu ohne Sensibilität, die Großzehe stark schmerzhaft, die Fußheber ausgefallen, Knie und LWS kaum schmerzhaft. Radiologisch hätten sich keine Auffälligkeiten gezeigt. Dr. S. nannte die Diagnose einer Peronäus-Läsion links.

Am 29.05.2008 wurde die Klägerin durch den Neurologen Dr. S. untersucht. Im Arztbrief vom 04.06.2008 führte dieser aus, die Klägerin habe angegeben, nach dem Unfall immer wieder Beschwerden gehabt zu haben. Da sie aber den Fuß überhaupt nicht belastet habe, sei dies auszuhalten gewesen. Jetzt, nachdem sie den Fuß wieder vermehrt belaste, bestünden verstärkte Beschwerden. Dr. S. teilte mit, aufgrund dieses Aspektes seien die Beschwerden in erster Linie als Sudeck-Syndrom einzuordnen.

Am 02.06.2008 stellte sich die Klägerin bei Dr. Z., Chefarzt der Klinik für Chirurgie im Kreiskrankenhaus S. vor. Im Schreiben an die Beklagte vom 16.06.2008 stellte dieser die Diagnose "Sudeck-Dystrophie nach Distorsions- und Quetschtrauma linker Fuß". Die Klägerin habe sich bei dem Verkehrsunfall u.a. eine schwere Quetschverletzung des linken Fußes zugezogen, sie sei nach dem Unfall nie ganz beschwerdefrei gewesen. Vor etwa acht bis zehn Tagen sei es zu einer massiven Schwellung und Schmerzhaftigkeit des linken Fußes gekommen.

Hierzu teilte die Klägerin mit, sie habe nach dem Unfall wegen der Verletzungen und Prellungen am ganzen Körper zunächst nicht auf den Fuß geachtet. Mit Hilfe der Medikamente und nach 2 - 3 Wochen Bettruhe seien alle Schwellungen am Körper bald verschwunden gewesen. Als ihr Gesundheitszustand wieder längere Wanderungen und Sport erlaubt habe, habe der Fuß nach einer gewissen Zeit in der Bewegung angefangen zu schmerzen und heiß zu werden. Sie habe dies auch ihrer Therapeutin gegenüber erwähnt, aufgrund der damals noch guten Beweglichkeit des Fußes habe diese verneint, dass etwas gerissen oder gebrochen sei. Der Schmerz sei nach ein paar Tagen auch immer wieder weg gewesen, so dass sie es nicht für nötig befunden habe, einen Arzt zu konsultieren. Im Mai habe sie beim Aufstehen plötzlich einen dicken, geschwollenen Fuß gehabt, auf den sie nicht habe auftreten können, geschweige denn diesen bewegen.

Nachdem der ärztliche Berater der Beklagten in der Stellungnahme vom 16.7.2008 die Auffassung vertreten hatte, die Schmerzen und Befunde am linken Fuß könnten nach dieser Zeitspanne nicht mehr Unfallfolgen sein, teilte die Beklagte der Klägerin mit Schreiben vom 16.07.2008 mit, die Durchblutungs- und Stoffwechselstörungen im linken Fuß seien keine Folgen des Unfalls vom 19.12.2007.

Dem widersprach die Klägerin am 8.8.2008 und teilte weiter mit, dass sie am 16.07.2008 nach einer Schmerzbehandlung einen Herzstillstand erlitten habe.

Auf Anfrage der Beklagten teilte Dr. H. unter dem 19.8.2008 mit, während der stationären Behandlung vom 19. bis 22.12.2007 seien ein pathologischer Befund des Fußes oder Schmerzen in diesem Bereich nicht dokumentiert worden. Auch bei der nochmaligen ambulanten Vorstellung am 27.12.2007 seien keine Beschwerden im Bereich des Fußes dokumentiert. Dr. S. teilte mit Schreiben vom 19.9.2008 mit, nach Durchsicht der Unterlagen habe die Klägerin erst am 28.05.2008 über Beschwerden am linken Fuß/OSG geklagt, davor hätten die Beschwerden im Bereich der HWS und BWS im Vordergrund gestanden.

Mit Bescheid vom 29.10.2008 anerkannte die Beklagte als Folgen des Unfalls vom 19.12.2007 eine Prellung/Zerrung der Brust- und Halswirbelsäule sowie eine Prellung des linken Schlüsselbeins, eine Gehirnerschütterung sowie ein stumpfes Bauchtrauma, welche zwischenzeitlich ohne wesentliche Folgen zu hinterlassen ausgeheilt seien. Als Unfallfolge nicht anerkannt, und zwar weder im Sinne der Entstehung noch der Verschlimmerung, wurde ein komplexes regionales Schmerzsyndrom (CRPS) im Bereich des linken Fußes.

Hiergegen erhob die Klägerin am 06.11.2008 Widerspruch unter Vorlage eines Arztbriefs von Dr. B., Oberarzt der H.-E.-Klinik, vom 10.10.2008, in dem ausgeführt wird, die Klägerin habe anamnestisch seit dem Frühjahr Schmerzen beim Laufen im linken Fuß mit Schwellneigung angegeben. Bei einer Spritzentherapie im Bereich der Leiste im Schmerzzentrum B. S. sei es nach einem anaphylaktischen Schock zu Herzstillstand und Reanimation gekommen. Als Diagnose wurde der Verdacht auf (V.a.) Sudeck-Syndrom linker Fuß bei Zustand nach Trauma am 19.12.2007 genannt. Weiter vorgelegt wurde ein Arztbrief des Dr. B., Facharzt für Anästhesiologie am Schmerzzentrum H., vom 26.11.2008, in welchem mitgeteilt wird, da sich das sekundäre Lymphödem mit der Kompression im US-Bereich verschlechtert habe, sei eine Kompressionsstrumpfhose verordnet worden, um den Abfluss im geschädigten Areal und im gesamten Bein zu sichern.

Mit Widerspruchsbescheid vom 19.12.2008 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.

Hiergegen hat die Klägerin am 29.12.2008 Klage zum Sozialgericht Freiburg (SG) erhoben.

Das SG hat Dr. Z. und die im Schmerztherapiezentrum B. S. behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen gehört. Dr. Z. hat unter dem 29.01.2009 mitgeteilt, er habe die Klägerin lediglich einmalig am 02.06.2008 untersucht und hierbei eine deutliche Schwellung des linken Fußes sowie Spontanschmerz mit Glanzhaut und fleckiger Hautzeichnung diagnostiziert. Die Dres. W., B. und B. haben unter dem 28.1.2009 mitgeteilt, seit dem 19.06.2008 befinde sich die Klägerin in ihrer regelmäßigen schmerztherapeutischen Sprechstunde. Bei der Erstuntersuchung habe ein posttraumatischer brennender Schmerz sowohl in Ruhe wie auch in Bewegung des gesamten Fußes mit Schwellung, Rötung, Hitze und erheblicher Berührungsempfindlichkeit bestanden. Zur Sicherung der Diagnose sei eine therapeutische Lokalanästhesie durchgeführt worden, die 28 Stunden über die Wirkungszeit des Lokalanästhetikums hinaus eine Rückbildung aller Beschwerden und Schmerzzustände des Fußes erbracht habe, was nach schmerztherapeutischen Kriterien durch die Kopierung der sympathikotonen Gewebssituation für das Vorliegen einer Algoneurodystrophie oder eines CRPS spreche.

Das SG hat daraufhin Dr. G., Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie, mit der Erstellung eines fachorthopädischen Gutachtens beauftragt. Im Gutachten vom 09.06.2009 hat dieser ausgeführt, eine Verletzung im Bereich des Sprunggelenkes oder des linken Fußes sei nicht dokumentiert. Die Schilderung des Unfallereignisses und der Körperposition bis hin zur Bergung der Unfallverletzten lasse möglicherweise eine Distorsion bzw. Überdehnung im Bereich des linken oberen Sprunggelenkes als Unfallfolge nicht ausschließen, allerdings wäre z. B. eine Verletzung im Bereich der Sprunggelenkskapsel oder gar der Außenbänder direkt nach dem Unfall bei Erstbelastung des Fußes deutlich schmerzhaft in Erscheinung getreten, außerdem wäre man im Rahmen der Erstuntersuchung durch gezielte Schmerzangabe der Klägerin auf ein direktes Trauma im Bereich des linken oberen Sprunggelenks aufmerksam geworden. Dies sei jedoch nicht dokumentiert. Bei der heutigen Untersuchung seien keinerlei Zeichen auf einen Morbus Sudeck gefunden worden, es hätten sich normale Gelenkkonturen mit seitengleich abgebildeten Muskel- und Knochenkonturen gezeigt. Die Hautthrophik sei seitengleich unauffällig, ebenso das Hautkolorit, die Hautbehaarung und die Hauttemperatur. Auch die Prüfung der Sprunggelenksbeweglichkeit habe einen seitengleichen Befund ergeben. Auf orthopädischem Fachgebiet habe sich lediglich ein unfallunabhängiger deutlicher Senk-/Spreizfuß beidseits ergeben. Auch die radiologische Kontrolle des linken distalen Unterschenkels mit Sprunggelenk und Vorfuß habe keine auffällige knöcherne Veränderung erbracht, die typischen Sudeck`schen Veränderungen der Knochenbinnenstruktur seien in keiner Weise zu sehen. Der radiologische Befund sei völlig unauffällig. Damit lägen insgesamt keine Hinweise auf einen Morbus-Sudeck vor. Empfohlen werde eine neurologische Zusatzbegutachtung.

Das SG hat daraufhin Prof. Dr. H., Leitender Oberarzt der Abteilung Neurologie am Universitätsklinikum F., mit der Erstellung eines fachneurologischen Gutachtens beauftragt. Im Gutachten vom 15.10.2009 hat dieser ausgeführt, bei der Klägerin liege ein CRPS des linken Fußes vor, das wahrscheinlich unmittelbar auf den Unfall vom 19.12.2007 ursächlich zurückzuführen sei. Beim Verlassen des Krankenhauses am 22.12.2007 sei der Fuß der Klägerin zumindest so weit angeschwollen gewesen, dass sie nicht in ihren Schuh hineingepasst habe. Die Klägerin habe glaubhaft berichtet, dass sie in den ersten Wochen nach dem Unfall zum einen zahlreiche Schmerzmedikamente eingenommen und sich zum anderen wegen der HWS-Beschwerden und zahlreicher Prellungen nur wenig bewegt habe, sodass sie zunächst nicht weiter auf ihren linken Fuß geachtet habe. Im Rahmen einer zunehmenden Mobilisierung seien dann vermehrt Beschwerden aufgetreten, die typisch für eine sympathische Reflexdystrophie seien. So habe die Klägerin eine Zunahme der Beschwerden unter Belastung und eine Besserung durch Hochlagerung und Kühlung sowie durch feste Wickelung beschrieben. Auch ein verändertes Temperaturempfinden und eine Schwellung und Verfärbung des Fußes seien früh im Krankheitsverlauf beobachtet worden. Auch bei der gutachterlichen Untersuchung am 01.10.2009 habe eine livide Verfärbung des linken Vorfußes festgestellt werden können. Bei der gutachterlichen Untersuchung habe sich zwar kein signifikanter Hauttemperaturunterschied der Füße ergeben. Anamnestisch sei kein anderes Trauma zu eruieren, das ursächlich das CRPS hervorgerufen haben könnte. Auch würde von der behandelnden Physiotherapeutin bestätigt, dass die Beschwerden sich im Rahmen der Mobilisierung nach dem Unfall zunehmend bemerkbar gemacht hätten.

Vorgelegt wurde weiter der Durchgangsarztbericht des Dr. R. vom 14.12.2009, bei dem sich die Klägerin am 14.12.2009 vorgestellt hatte. Danach bestand ein äußerlich unauffälliges Bild der Haut- und Weichteile im Bereich beider Füße und Sprunggelenke, seitengleiche Hautfarbe-, wärme- und -feuchte bei endgradig leicht eingeschränkter Beweglichkeit im linken OSG gegenüber rechts. Ödematöse Stauungen bestanden nicht (diese träten nach Angaben der Klägerin eher abendlich auf). Bei Überprüfung der Sensibilität habe die Klägerin im gesamten Bereich des linken Fußes ein "verzögertes Berührungsempfinden" unterhalb der Knöchelebene zirkulär am linken Fuß angegeben.

Die Beklagte ist der Beurteilung durch Prof. Dr. H. unter Bezugnahme auf die beratungsärztliche Stellungnahme von Prof. Dr. S., Neurologie, Psychiatrie, vom 21.12.2009 entgegengetreten.

In der ergänzenden gutachterlichen Äußerung vom 12.02.2010 hat Prof. Dr. H. ausgeführt, die von ihm festgestellte Diagnose eines CRPS des linken Fußes stütze sich auf die Anamnese (typische Schmerzsymptomatik, Abhängigkeit von der Mobilisierung) sowie die vegetativen Zeichen (Hautfärbung, Schwellung und Besserung unter Kühlung). Aktuell habe eine messbare neurovegetative Dysregulation nicht mehr vorgelegen, wie sie typischerweise bei einer floriden Form der sympathischen Reflexdystrophie in den ersten Monaten beobachtet werde. Das Fehlen der aktuellen Befunde diesbezüglich schließt jedoch die Diagnose einer posttraumatischen CRPS nicht aus, die sich im Verlauf unter optimaler Therapie in vielen Belangen deutlich gebessert habe. Multiple klinische Auffälligkeiten hätten im Verlauf vorgelegen und seien auch dokumentiert worden, wenn auch in der Akutversorgung nicht explizit darauf eingegangen worden sei. Der Mangel an konsequenter Diagnostik in der Anfangsphase und die geringen Residuen zum Zeitpunkt der gutachterlichen Untersuchung widersprächen nicht der Diagnose.

Die Beklagte hat daraufhin eine weitere beratungsärztliche Stellungnahme von Prof. Dr. S. vom 22.6.2010 vorgelegt, auf die Bezug genommen wird.

Das SG hat sodann ein weiteres fachneurologisches Gutachten bei Prof. Dr. M., Neurologische Klinik am Universitätsklinikum H., eingeholt. Im Gutachten vom 22.11.2010 hat Prof. Dr. M. nach ambulanter Untersuchung der Klägerin und nach elektrophysiologischer Zusatzdiagnostik ausgeführt, die klinisch-neurophysiologische Untersuchung habe Normalbefunde ergeben. Eine Nervenläsion als Ursache der Beschwerden am linken Fuß könne mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen werden. Ein CRPS könne allerdings durch klinisch-neurologische Untersuchungsverfahren nicht erfasst werden, zumal nicht im kompensierten Stadium. Insofern könne hierdurch die Diagnose eines CRPS weder verifiziert noch falsifiziert werden. Klinisch bestehe bei der Klägerin ein CRPS im Bereich des linken Fußes. Dieses sei unmittelbar auf den Arbeitsunfall vom 19.12.2007 ursächlich zurückzuführen, da außer einem Senk-Spreizfuß, der keinesfalls als Ursache in Frage komme, keine Vorerkrankungen am linken Fuß bestanden hätten. Die Klägerin habe typische belastungsabhängige Beschwerden und eine Ödembildung, wie sie bei einer sympathischen Reflexdystrophie zu erwarten seien, geschildert, ferner werde in der klinischen Untersuchung eine Verfärbung des Fußes sowie ein Temperaturunterschied bei relativ geringer Belastung beobachtet. Sämtliche in den AWMF-Leitlinien genannten Diagnosekriterien seien bei der Klägerin erfüllt: Es bestehe ein anhaltender Schmerz, der durch das Anfangstrauma nicht mehr adäquat erklärt werde und inadäquat zu der Schwere der Verletzung sei. Darüber hinaus komme es belastungsabhängig zu einer Asymmetrie der Hauttemperatur und einer Veränderung der Hautfarbe sowie anamnestisch zu einem sich entwickelnden belastungsabhängigen Ödem. Damit seien ausnahmslos alle diagnostischen Kriterien für ein CRPS erfüllt. Auch sei der zeitliche Zusammenhang zwischen Unfall und klinischen Beschwerden offensichtlich, da die erstmalige Behandlung der Symptome am linken Fuß bereits Ende Februar 2008 stattgefunden habe. In den Berichten vom 19.12. und 22.12.2007 seien Beschwerden am linken Fuß zwar nicht erwähnt. Schwere und Art der Verletzung seien jedoch nicht ausschlaggebend für die Entwicklung eines CRPS. Beigefügt war eine Stellungnahme der Physiotherapeutin R. vom 05.10.2009, in welcher diese angab, die Klägerin habe ab dem 27.12.2007 regelmäßig ambulante Krankengymnastik erhalten. Anfangs habe sie nur Beschwerden im Schulter-Nacken-Bereich angegeben und über häufiges Kopfweh geklagt. Seit Ende Februar/Anfang März 2008 habe sie auch zunehmende Beschwerden im linken Fuß angegeben, die auch in der Krankengymnastik mit behandelt worden seien.

Weiter vorgelegt wurde der Behandlungsplan mit den Behandlungsterminen vom 05.02.2008 bis 03.07.2008. Danach erfolgte Einzelkrankengymnastik wegen "HWS LWS Cox Knie" am 05.02., 07.02., 11.02., 14.02., 25.02., 28.02., 03.03., 10.03., 17.03., 03.04., 06.06., 10.06., 12.06., 17.06., 24.06., 04.07. und 08.07.2008.

Die Beklagte ist dieser Beurteilung unter Bezugnahme auf eine beratungsärztliche Stellungnahme von Prof. Dr. S. vom 18.3.2011 entgegengetreten.

Prof. Dr. M. hat in der ergänzenden gutachtlichen Stellungnahme vom 04.08.2011 ausgeführt, er halte die Diagnose eines CRPS für gesichert. Die modifizierten diagnostischen Kriterien für die Erforschung des CRPS (so genannte Budapest-Kriterien) lauteten: 1. Anhaltender Schmerz, der in keinem angemessenen Verhältnis zu der auslösenden Schädigung steht. 2. Mindestens eine subjektive Beschwerde aus jeder der folgenden vier Kategorien: - sensorisch (Hyperalgesie und/oder Allodynie) - vasomotorisch (Temperaturasymmetrie und/oder Hautfarbenveränderung und/oder Hautfarbenasymmetrie) - sudomotorisch/Ödem (Schwellneigung oder Veränderung der Schweißsekretion und/oder Schweißasymmetrie) - motorisch/trophisch (eingeschränkte Bewegungsfähigkeit und/oder Schwäche, Zit- tern, Dystonie und/oder Neglect und/oder Veränderungen der Haut- oder Nageltrophik). 3. Mindestens ein objektives Symptom aus zwei oder mehr dieser vier Kategorien.

Im ärztlichen Bericht des Dr. S. vom 28.05.2008, im Bericht des Dr. S. vom 04.06.2008, im Bericht des Kreiskrankenhauses S. vom 16.06.2008 und des Schmerzzentrums H. vom 29.01.2009 seien bereits Ende Mai/Anfang Juni 2008 ein brennender Schmerz in Ruhe und bei Bewegung, Schwellung, Rötung, Blauverfärbung, Überwärmung, Kälte, Sensibilitätsverlust des Fußrückens, Berührungsempfindlichkeit und schmerzhafte Bewegungseinschränkung beschrieben worden. Es seien damit Symptome aus sämtlichen vier diagnostisch relevanten Kategorien in einem engen Zeitfenster dokumentiert worden. An der Diagnose eines komplexen regionalen Schmerzsyndroms zum Zeitpunkt Ende Mai/Anfang Juni 2009 (gemeint: 2008) könne deshalb kein vernünftiger Zweifel bestehen. Die dann sehr rasch eingeleitete Therapie habe schließlich eine weitgehende Ausheilung erbracht. Deshalb lägen die subjektiven Beschwerden und objektiven Symptome nunmehr nur in kopierter Form vor. Zutreffend sei zwar, dass Wanderungen über dreißig Kilometer oder längeres Joggen, wie sie die Klägerin vornehme, bei einem tatsächlich vorliegenden CRPS undenkbar wären. Es sei auch zu berücksichtigen, dass jetzt nicht mehr das Vollbild eines floriden CRPS, sondern vielmehr nur noch ein Residuum vorliege, das sich noch durch eine Temperaturdifferenz der Füße - auch in der hiesigen Untersuchung - und durch die berichtete Schwellneigung des linken Fußes manifestiere.

Probleme bestünden allerdings hinsichtlich der zeitlichen Abfolge der Ereignisse und der daraus abzuleitenden Beurteilungen. Denn bis zu dem Arztbrief des Dr. S. vom 28.05.2008 gebe es keinerlei dokumentierte Hinweise auf eine Verletzung oder verletzungsassoziierte Funktionsstörung des linken Fußes. Die Arbeitsunfähigkeit habe am 14.01.2008 geendet, die Klägerin habe nach eigenen Angaben nach dem Unfall schon wieder Sport getrieben und Wanderungen unternommen. Auch die Ende Mai/Anfang Juni involvierten Ärzte hätten mehr oder weniger stereotyp über seit dem Unfall zunehmende Beschwerden berichtet, seien aber offensichtlich wegen dieser zunehmenden Beschwerden nicht konsultiert worden. Allerdings sei auch in der vom 06.06. bis 08.07.2008 reichenden (also der floriden Manifestation des CRPS nachfolgenden) Physiotherapie-Dokumentation vom linken Fuß nirgends die Rede (insbesondere seien zwischen dem 04.04. und 05.06.2008 keine Behandlungen dokumentiert).

Prof. Dr. M. hat weiter ausgeführt, man möge im Übrigen durchaus rätseln, wie ein Unfall am 19.12.2007 ohne dokumentierte Fußverletzung gut zwei (Version Klägerin/R.) oder - wie ärztlich dokumentiert - fünf Monate später zu einer subakuten schweren Funktionsstörung des Fußes führen möge. Es sei dabei sicher auch zu bedenken, dass ein CRPS ja bereits nach alltäglichen Bagatellverletzungen wie einer simplen Distorsion (Verstauchung, Zerrung) des Sprunggelenks auftreten könne - in seltenen Fällen sogar ohne jeglichen äußeren Anlass.

Das SG hat daraufhin ein weiteres neurologisches Gutachten bei PD Dr. B., Oberarzt der Neurologischen Klinik am Universitätsklinikum T., eingeholt. Im Gutachten vom 5.3.2012 hat dieser ausgeführt, der körperliche Untersuchungsbefund bei der gutachterlichen Untersuchung habe keine fassbaren Auffälligkeiten ergeben. Die Klägerin habe Schmerzen um das linke Sprunggelenk, insbesondere bei Fersengang, angegeben. Der objektivierbare klinisch-neurologische Untersuchungsbefund sei vollständig regelrecht. Die angegebenen Gefühlsstörungen am linken Fuß seien keinem Dermatom oder Nervenverlauf zuzuordnen. Auf neurologischem Fachgebiet bestünden keine Unfallfolgen mehr. Es bestünden bei fehlenden vegetativen Fehlregulationen und fehlenden trophischen Störungen aktuell keine Hinweise auf ein komplex-regionales Schmerzsyndrom. Bei der gutachterlichen Untersuchung hätten sich auch keine Zeichen eines stattgehabten komplex-regionalen Schmerzsyndroms, insbesondere dystrophe Veränderungen, gefunden. Inwiefern rückblickend vorübergehend ein CRPS bei einzeln mitgeteilten vegetativen Fehlregulationen vorgelegen habe - trophische Störungen seien zu keiner Zeit mitgeteilt - könne nicht sicher beurteilt werden. Die in den Akten enthaltenen Befunde ließen den Schluss auf ein im Vollbeweis gesichertes CRPS in der Vergangenheit nicht zu. Auch ein Kausalzusammenhang der geltend gemachten Beschwerden und Auffälligkeiten des linken Fußes mit dem Unfall lasse sich nicht mit erforderlicher Sicherheit herstellen, da ein Primärschaden der Aktenlage nach nicht gesichert vorgelegen habe und auch kein zeitlicher Zusammenhang zu dem Unfallereignis vom 19.12.2007 bestanden habe.

Mit Urteil vom 06.11.2012 hat das SG den Bescheid vom 29.10.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19.12.2008 abgeändert und festgestellt, dass ein "komplexes regionales Schmerzsyndrom am linken Fuß" Folge des Arbeitsunfalls vom 19.12.2007 ist. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Diagnose eines "komplexen regionalen Schmerzsyndroms am linken Fuß" sei gesichert. Dies stelle auch eine Unfallfolge des Unfalls vom 19.12.2007 dar. Es sei nachvollziehbar, dass bei der Klägerin zunächst die anderen Unfallfolgen, die sich für sie offenbar weit gravierender ausgewirkt hätten als diejenigen an ihrem linken Fuß, im Vordergrund gestanden hätten. Die Tatsache, dass die Klägerin zunächst keine Beschwerden im Bereich ihres linken Fußes vorgebracht habe, sei ihr daher nicht nachteilig anzulasten, nicht zuletzt im Hinblick darauf, dass sie sich zunächst längere Zeit in Rehabilitationsbehandlung befunden habe und somit ihr linker Fuß größerer Belastung nicht ausgesetzt gewesen sei. Das SG schließe sich der Beurteilung durch Prof. Dr. M. an. Dieser komme - zugegebenermaßen aufgrund der höheren Gewichtung auch subjektiver Empfindungen der Klägerin und "weicher" Hinweise hinsichtlich deren Verifizierung mit einer gewissen Unsicherheit behaftet - zu dem Ergebnis, ein CRPS sei bei der Klägerin gesichert und wahrscheinlich Unfallfolge. Für diese Beurteilung spreche, dass die in Rede stehende Erkrankung regelmäßig nicht allein aufgrund "harter" Fakten gesichert werden könne und gerade deshalb bei der Frage, wann eine solche Erkrankung anzunehmen sei, eine Vielzahl von Umständen (Befunde, Symptome, zeitlicher Ablauf, subjektive Empfindungen des Patienten etc.) wertend berücksichtigt werden müssten.

Gegen das ihr am 14.11.2012 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 07.12.2012 Berufung zum Landessozialgericht Baden-Württemberg eingelegt.

Sie trägt vor, der Vollbeweis für das Vorliegen eines CRPS sei nicht geführt. Selbst wenn man jedoch unterstelle, ein CRPS hätte vorgelegen, stehe dem ursächlichen Zusammenhang mit dem Unfall vom 19.12.2007 die zeitliche Latenz entgegen. Auch die AWMF-Leitlinie Begutachtung Schmerz erfordere für die Klärung von Kausalitätsfragen u.a. den Nachweis eines zeitlichen Zusammenhangs. Objektive Befunde am linken Fuß seien erstmals am 28.05.2008 erhoben worden.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 06.November 2012 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen, hilfsweise die Dres. L. und B. Universitätsklinikum T., ... T., Herrn Prof. Dr. H. M. M., Universitätsklinikum H., ... H., Herrn Prof. Dr. H. und Frau Dr. J. Universitätsklinik F., ... und Herrn Dr. S. G., R.klinik, ... B. K. zu laden zur Klärung der folgenden Fragen:

1. Liegt ein CRPS vor?

2. Sind die Diagnosekriterien eines CRPS, insbesondere die Budapester Kriterien, erfüllt?

3. Aus welchem Grund sind die auf Seite 36 des Gutachtens von Herrn Dr. B. vom 05.03.2012 erwähnten elektrophysiologlschen Zusatzuntersuchungen, die Frau W. (angeblich) nicht wollte, gem. zusätzlicher Stellungnahme vom 19.09.2012 plötzlich nicht mehr erforderlich, wenn sie denn (Seite 36 des Gutachtens vom 05.03.2012) damals hätten gemacht werden sollen aber auf Wunsch von Frau W. nicht gemacht wurden?

4. Was bedeutet es, dass die Diagnose eines CRPS klinisch gestellt wird?

5. Welche Symptome, die vorliegen müssten, liegen nicht vor?

6. Liegen tatsächlich (wie aus der ergänzenden Stellungnahme vom 19.09.2012 hervorgeht) keinerlei Symptome vor, die entsprechend der Diagnosekriterien Symptome eines CRPS sind?

7. Ist eine Schwellung des Fußes, die das Tragen eines Schuhes unmöglich macht, ein Umstand, der auf ein CRPS hindeutet?

8. Welche anderen Ursachen als der Verkehrsunfall können als Ursache für die Schwellung des Fußes in Betracht kommen, wenn im Zeitpunkt des Unfalls ein Schuh getragen wurde, während des Aufenthalts im Krankenhaus der Fuß nicht verwendet wurde und im Entlasszeitpunkt eine Schwellung vorhanden und das Tragen eines Schuhes unmöglich waren?

höchsthilfsweise gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz als Gutachterin Frau Dr. med. H. K., S. zu beauftragen, zur Beantwortung der vom Gericht formulierten Fragen gemäß Verfügung vom 26.02.2014.

Die Klägerin hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Dr. S. hat bezüglich Vorbefunden mit Schreiben vom 04.04.2013 mitgeteilt, die Klägerin habe sie am 05.03.1998 den linken Fuß verdreht und über Schmerzen im linken OSG geklagt. Es sei eine Therapie mit Verband und Hepa-Salbe erfolgt. Eine weitere Vorstellung habe nicht mehr stattgefunden.

Der Senat hat in der mündlichen Verhandlung vom 30.04.2014 Den Unfallersthelfer W., den Notarzt Dr. G., die Physiotherapeutin R. sowie den Ehemann der Klägerin als Zeugen vernommen. Auf deren Aussagen wird insoweit auf die Niederschrift der mündlichen Verhandlung vom 30.04.2014 Bezug genommen.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Beklagtenakten sowie der Gerichtsakten beider Rechtszüge, welche Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) liegen nicht vor.

Statthafte Klageart ist die kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage nach § 55 Abs. 1 Nr. 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Danach kann mit der Klage u.a. die Feststellung begehrt werden, ob eine Gesundheitsstörung die Folge eines Arbeitsunfalls ist.

Die Berufung der Beklagten ist jedoch nicht begründet. Zu Recht hat das SG ein CRPS als weiteren Gesundheitsstörung des von der Beklagten anerkannten Arbeitsunfalls der Klägerin vom 19.12.2007 festgestellt.

Nach § 8 Abs. 1 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 (oder 8 Abs. 2) SGB VII begründenden Tätigkeit.

Eine Gesundheitsstörung ist Unfallfolge eines Versicherungsfalles im Sinne des § 8 SGB VII, wenn sie spezifisch durch den Gesundheitserstschaden des Arbeitsunfalls wesentlich verursacht worden ist. Der Anspruch setzt grundsätzlich das "objektive", d.h. aus der nachträglichen Sicht eines optimalen Beobachters gegebene Vorliegen einer Gesundheitsstörung voraus, die spezifisch durch den Gesundheitserstschaden des Arbeitsunfalls wesentlich verursacht worden ist (BSG, Urteil vom 05.07.2011 - B 2 U 17/10 R - juris Rn. 27).

Erforderlich ist, dass während einer (versicherten) Verrichtung ein zeitlich begrenztes, von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis (Unfallereignis) eine Einwirkung objektiv und rechtlich wesentlich verursacht hat (Unfallkausalität). Diese (versicherte) Einwirkung muss einen Gesundheitserstschaden objektiv und rechtlich wesentlich verursacht haben (haftungsbegründende Kausalität). Die den Versicherungsschutz begründende "Verrichtung", die (möglicherweise dadurch verursachte) "Einwirkung" und der (möglicherweise dadurch verursachte) "Erstschaden" müssen im Vollbeweis festgestellt sein (BSG, Urteil vom 24.07.2012 - B 2 U 23/11 R - juris Rn. 22 f.).

Die Klägerin hat zum Unfallzeitpunkt eine versicherte Tätigkeit verrichtet, indem sie im Auftrag ihres Arbeitgebers Kunden aufgesucht und bei diesen Prospekte bzw. betriebliche Unterlagen ausgeliefert hat. Die Klägerin befand sich auf dem Heimweg vom letzten Kunden. Dahingestellt bleiben kann, ob sie auf diesem Weg direkt aufgrund der Ausübung einer versicherten Tätigkeit nach § 8 Abs. 1 SGB VII unter Versicherungsschutz stand oder ob beim Zurücklegen des Heimweges nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII unter Versicherungsschutz stand, wonach versicherte Tätigkeiten auch das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit sind. Denn beidesmal ereignete sich der Unfall in Ausübung einer versicherten Tätigkeit.

Die Klägerin hat auch einen Arbeitsunfall erlitten, indem sie auf eisglatter Fahrbahn von der Straße abkam und mit ihrem Fahrzeug einen Hang hinab rutschte und erst nach ca. einer Stunde aus dem Fahrzeug befreit werden konnte.

Als Folgen dieses Arbeitsunfalls hat die Beklagte denn auch eine Prellung/Zerrung der Brust und Halswirbelsäule sowie Prellung des linken Schlüsselbeins, eine Gehirnerschütterung und ein stumpfes Bauchtrauma anerkannt, die alle folgenlos ausgeheilt sind.

Die Klägerin hat sich bei dem Arbeitsunfall auch einen Gesundheitserstschaden am linken Fuß bzw. Sprunggelenk zugezogen. Erforderlich ist eine von der versicherten Tätigkeit objektiv und rechtlich wesentlich verursachte Einwirkung. Unter "Einwirkung" als Kurzbezeichnung für das von außen kommende, zeitlich begrenzt einwirkende Unfallereignis ist die durch einen solchen Vorgang ausgelöste Änderung des physiologischen Körperzustandes zu verstehen, die von dem (möglicherweise zeitnah danach eintretenden) Gesundheitserstschaden zu unterscheiden ist (BSG, a.a.O. - juris Rn. 37).

Bei dem Unfall kam das Auto der Klägerin mit der Frontseite nach oben zur Beifahrerseite geneigt zum Stehen. Die Klägerin befand sich danach bis zur Bergung durch die Rettungskräfte ca. eine Stunde später im Fahrgastraum auf der Beifahrerseite kniend bzw. in der Hocke im Fußraum. Der Senat stützt sich hierbei auf die Angaben der Klägerin sowie des Zeugen W., der unmittelbar nach dem Unfall am Unfallort anwesend war.

Die Klägerin hat sich hierbei - entweder durch den Aufprall aufgrund des Unfalls bzw. durch das nachfolgende einstündige Liegen mit dem Körpergewicht auf den Fuß - eine Prellung zugezogen.

Unbeachtlich ist, dass der Notarzt am Unfallort keine entsprechende Verletzung festgestellt hat. Denn dessen Untersuchung der Klägerin zielte primär auf die Feststellung von lebensbedrohlichen Verletzungen ab, wie dessen Zeugenaussage vor dem Senat entnommen werden kann. Danach waren führend die Bauchschmerzen der Klägerin mit Verdacht auf stumpfes Bauchtrauma, die Wirbelsäule, die Halswirbelsäule sowie die Feststellung einer Schädelverletzung. Nach dessen Aussage fand keine Untersuchung bezüglich Prellungen bzw. einer Weichteilverletzung statt, da solche sich in der Regel erst nach Tagen manifestieren. Eine Untersuchung der unteren Extremitäten ist lediglich bezüglich des Vorliegens von Frakturen im Bereich der Unter- und Oberschenkel erfolgt.

Die Prellung, welche sich die Klägerin bei dem Unfall im Bereich des linken Fußes/Sprunggelenks zugezogen hat, hat in der Folgezeit zu einer Schwellung des Fußes geführt. Der Senat stützt sich hierbei auf die glaubhafte Zeugenaussage des Ehemannes der Klägerin, wonach diese am 22.12.2007 und damit drei Tage nach dem Unfall wegen des geschwollenen Fußes das Krankenhaus nicht in Schuhen verlassen konnte. Der Zeuge hat auch glaubhaft angegeben, dass die Klägerin in der Folgezeit, und zwar bereits zeitnah zum Unfall, nachts aufgewacht ist und darüber geklagt hat, die Bettdecke laste schwer auf ihrem Fuß. Die Klägerin hat damit Schmerzen bei leichtester Berührung empfunden. Zeitnahe Beschwerden der Klägerin sind zudem dokumentiert durch die Aussage der Zeugin R., bei welcher die Klägerin nach dem Unfall in physiotherapeutischer Behandlung gestanden hat.

Gegen das Vorliegen einer durch den Unfall zugezogenen Prellung spricht nicht, dass die Klägerin nicht zeitnah ärztliche Hilfe in Anspruch genommen hat. Denn zum einen ist es für den Senat gut nachvollziehbar, dass für die Klägerin zunächst andere Unfallfolgen - wie die Verletzung des Schädels und des Abdomens - im Vordergrund standen. Zum anderen kann der Zeugenaussage des Ehemanns entnommen werden, dass sie zunächst auf eine spontane Heilung hoffte und darin von ihrem Ehemann bestärkt wurde, wonach man Geduld haben müsse.

Unbeachtlich ist auch, dass bezüglich des linken Fußes/Sprunggelenks keine Verordnung von Physiotherapie erfolgt ist. Maßgeblich ist zur Überzeugung des Senats vielmehr, dass tatsächlich eine entsprechende Behandlung erfolgt ist, wie der Aussage der Zeugin R. entnommen werden kann.

In der Folgezeit entwickelte sich hieraus ein CRPS. Dieses hat zumindest bis zum Juni 2008 vorgelegen. Ausweislich der sachverständigen Zeugenaussage der Ärzte Dr. W., B. und Dr. B. bestanden bei der erstmaligen Vorsprache der Klägerin im Schmerzzentrum H. am 19.06.2008 im Bereich des gesamten linken Fußes ein brennender Schmerz sowohl in Ruhe wie auch Bewegung mit Schwellung, Rötung, Hitze und erheblicher Berührungsempfindlichkeit. Sowohl bei Berührung als auch bei Hochlagerung des Beines kam es innerhalb von 30 Sekunden zu einer lividen Verfärbung des Vorfußes. Es bestand außerdem eine Hyperästhesie des Fußes und Parästhesien sowie eine schmerzhafte Bewegungseinschränkung des Fußes in allen Ebenen. Auch Dr. Z. hat bei der Untersuchung der Klägerin am 02.06.2008 eine deutliche Schwellung des linken Fußes sowie Spontanschmerz mit Glanzhaut und fleckiger Hautzeichnung festgestellt.

Allerdings konnten bei den gutachterlichen Untersuchungen der Klägerin seit Juni 2009 keine für die Diagnose einer CRPS erforderlichen Befunde mehr erhoben werden, so dass davon auszugehen ist, dass diese Erkrankung zwischenzeitlich ausgeheilt ist bzw. die aktuellen Beschwerden der Klägerin nicht auf diese Erkrankung zurückzuführen sind.

Die Diagnose eines CRPS stützt sich im Wesentlichen auf die typische Anamnese, vor allem jedoch auf die klinische Symptomatik wie ödematöse Verquellung, Hautverfärbungen, Schweißsekretions-, Temperatur- und trophische Störungen sowie arthrogene Beeinträchtigungen insbesondere im Bereich der kleinen Finger- bzw. Fußgelenke. Maßgeblich diagnostische Grundlage sind die sogenannten "Budapester-Konsensus-Kriterien" (Widder/Tegenthoff, Begutachtung komplexer regionaler Schmerzsyndrome (CRPS), MedSach 2014 S. 26). Danach setzt die die Diagnose eines CRPS folgende vier Punkte voraus: 1. Anhaltender Schmerz, der durch das Anfangstrauma nicht mehr erklärt wird. 2. In der Anamnese mindestens ein Symptom aus drei der vier folgenden Kategorien: - Sensorik: Hyperästhesie und/oder Allodynie - Vasomotorik: Asymmetrie der Hauttemperatur und/oder Änderung bzw. Asymmetrie der Hautfarbe. - Sudomotorik/Ödem: Ödem und/oder Änderung bzw. Asymmetrie der Schweißproduktion - Motorik/Trophik: Reduzierte Beweglichkeit und/oder motorische Dysfunktion (Schwäche, Tremor, Dystonie) und/oder Veränderungen der Trophik (Haare, Nägel, Haut).

3. Zum Zeitpunkt der Untersuchung mindestens ein Symptom aus zwei der vier folgenden Kategorien: - Sensorik: Nachweis einer Hyperalgesie auf spitze Reize (z.B. Nadelstiche) und/oder Allodynie auf leichte Berührung, Temperaturänderung, Fingerdruck und/oder Gelenkbewegungen - Vasomotorik: Nachweis einer Asymmetrie der Hauttemperatur ( 1 Grad und/oder einer Änderung bzw. Asymmetrie der Hautfarbe - Sudomotorik/Ödem: Nachweis eines Ödems und/oder einer Änderung bzw. Asymmetrie der Schweißproduktion - Motorik/Trophik: Nachweis einer reduzierten Beweglichkeit und/oder motorischen Dysfunktion (Schwäche, Tremor, Dystonie) und/oder veränderter Trophik (Haare, Finger-/Zehennägel, Haut).

4. Es gibt keine andere Diagnose, die diese Schmerzen erklärt.

Nach den diagnostischen Kriterien der Deutschen Gesellschaft für Neurologie sind die Kriterien 2 und 3 insoweit modifiziert worden, als mindestens drei von vier subjektiven Beschwerde-Kategorien und mindestens zwei von vier objektiven Symptomkategorien erfüllt sein müssen.

Der Sachverständige Prof. Dr. H. hat bei der gutachterlichen Untersuchung der Klägerin am 01.10.2009 lediglich eine im Verlauf der Untersuchung aufgetretene rötlich-livide Verfärbung des linken Fußes festgestellt. Die Differenz der Hauttemperatur an beiden Fußrücken war geringer als 1° Celsius und die Trophik unauffällig. Eine Störung der Schweißsekretion, eine Dystrophie oder eine relevante Umfangsminderung als Hinweis auf einen schmerzbedingten Mindergebrauch der Extremität hat er ebenso wenig festgestellt wie eine Störung der Durchblutung. Auch konnte er keine für das CRPS typische Hyperästhesie feststellen, es lag vielmehr eine verminderte Schmerzwahrnehmung (Hypästhesie) vor.

In der ergänzenden Stellungnahme hat Prof. Dr. H. denn auch ausgeführt, dass Fehlen aktueller Befunde schließe die Diagnose einer posttraumatischen CRPS nicht aus, die sich im Verlauf unter optimaler Therapie in vielen Belangen deutlich gebessert habe. Prof. Dr. H. hat auch weiter ausgeführt, das Trauma sei adäquat und die initiale Symptomatik typisch für ein akutes komplexes regionales Schmerzsyndrom gewesen. Die bei der gutachterlichen Untersuchung festgestellte Befunde hätten lediglich Residuen dargestellt.

Bei der gutachterlichen Untersuchung durch Prof. Dr. M. am 26.10.2010 bestanden keine peripheren Ödeme, insbesondere kein Ödem im Bereich des linken Unterschenkels und Fußes, zu Untersuchungsbeginn bestand am rechten und linken Unterschenkel und Fuß ein seitengleiches Hautkolorit. Allerdings kam es bei der klinischen Untersuchung bei relativ geringer Belastung zu einer Verfärbung des Fußes, ohne dass Prof. Dr. M. diese näher beschrieben hätte. Bezüglich der Motorik konnten die oberen und unteren Extremitäten unauffällig bewegt werden, es gab weder einen Hinweis auf latente noch auf manifeste Paresen. Es bestanden allseits Normotonus sowie keine trophischen Störungen. Der Knöchel-, Fuß- und Wadenumfang war beidseits gleich. Nach wiederholter Bewegung des Fußes war der linke Fuß eindeutig kälter als rechts, ohne dass jedoch der Temperaturunterschied gemessen wurde. Die neurophysiologische Untersuchung ergab Normalbefunde. Das Vorliegen von Ödemen wurde von der Klägerin lediglich anamnestisch geschildert, ohne dass solche in der aktuellen Untersuchungssituation bestanden hätten. Prof. Dr. M. konnte dann auch lediglich einen anhaltenden Schmerz, der durch das Anfangstrauma nicht mehr erklärt wird, feststellen sowie belastungsabhängig eine Asymmetrie der Hauttemperatur und eine Veränderung der Hautfarbe. Auch er hat angegeben, unter einer multimodalen Therapie sei das CRPS zurückgegangen, es lägen noch Residuen des stattgehabten Vollbildes vor.

Schließlich hat auch der Sachverständige PD Dr. B.f bei der gutachterlichen Untersuchung der Klägerin am 24.01.2012 keine fassbaren Auffälligkeiten feststellen können. Die von der Klägerin angegebenen Gefühlsstörungen am linken Fuß waren keinem Dermatom oder Nervenverlauf zuordenbar. Es bestanden keine vegetativen Fehlregulationen und keine trophischen Störungen. Auch lagen keine dystrophen Veränderungen vor.

Nachdem dem Hauptantrag der Klägerin stattgegeben worden ist war über die von ihre gestellten Hilfsanträge nicht zu entscheiden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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