L 5 RJ 211/01

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 12 RJ 1177/97 A
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 5 RJ 211/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 25. Oktober 2000 abgeändert und die Klage gegen den Bescheid vom 17. Oktober 1996 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 4. August 1997 in vollem Umfang abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit.

Der am 1943 im vormaligen Jugoslawien geborene Kläger ist serbischer Staatsangehöriger mit Wohnsitz in Belgrad. Er hat keinen Beruf erlernt und war in seiner Heimat in verschiedenen ungelernten Tätigkeiten beschäftigt, u.a. als Heizer, Ladearbeiter sowie zuletzt als Straßenreinigungskraft. In seiner Heimat sind Versicherungszeiten im Jahr 1969 sowie von 1977 bis 1980, 1981 bis 28.12.1983, 20.01.1984 bis 24.02.1984 und 05.02.1985 bis 23.06.1992 festgestellt; seit 24.06.1992 bezieht er dort eine Invalidenpension von zuletzt ca. 15,00 DM.

In Deutschland war er von 1972 bis 23.07.1976 u.a. als Fabrikarbeiter in der Produktion von Neonröhren beschäftigt. Gemäß bestandskräftigem Bescheid vom 06.11.1990 sind insgesamt 47 Monate versicherungsrechtlicher Zeiten festgestellt. 1973 erlitt der Kläger bei einem Verkehrsunfall eine Schädelverletzung.

Ein erster am 28.06.1979 in Jugoslawien gestellter Rentenantrag wurde 1983 an die Beklagte weiter geleitet, die bis 1987 die versicherungsrechtlichen Zeiten des Klägers ermittelte. Vom 19.05. bis 21.05.1987 veranlaßte sie eine stationäre Untersuchung des Klägers einschließlich Röntgenuntersuchung, EKG, dopplersonografischer Untersuchung, Spirographie, Serum-Eiweiß-Elektrophorese und laborchemischer Untersuchung. Dr.S. diagnostizierte auf dieser Grundlage:

Chronische obstruktive Atemwegserkrankung bei Nikotinkonsum, labiler Bluthochdruck ohne Ausgleichsstörungen des Kreislaufs sowie Wirbelsäulenabhängige Beschwerden bei Aufbrauchserscheinungen.

Folgen des Schädeltraumas von 1973 konnten nicht festgestellt werden.

Dr.S. hielt den Kläger für fähig, leichte Arbeiten einfacher Art ohne Einwirkung reizender Gase und ohne vermehrte Staubeinwirkung vollschichtig auszuüben.

Dem folgend lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 10.07.1987 die Gewährung einer Rente wegen Berufs-/Erwerbsunfähigkeit (EU/BU) ab. Auf der Rückseite des Bescheides waren Hinweise abgedruckt, dass bei späterem Eintritt des Versicherungsfalls der EU/BU auch die weiteren versicherungsrechtlichen Voraussetzungen zu prüfen seien; insoweit werde auf das beigefügte Merkblatt 6 hingewiesen.

Auf einen weiteren Rentenantrag vom 20.05.1988 und Vorlage ei- nes ärztlichen Gutachtens aus Belgrad vom 25.08.1988 stellte der Prüfarzt Dr.D. als Diagnosen fest:

Zustand nach Gehirnquetschung und Schädelbruch, Verdacht auf Epilepsie, Verschleißerscheinungen der Wirbelsäule und Bronchitis. Bei dieser Beurteilung blieb Dr.D. auch nach Vorlage eines weiteren ärztlichen Gutachtens aus Belgrad vom 14.03.1988. Daraufhin lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 04.10.1988 die Gewährung der begehrten Rente ab, weil der Kläger trotz der festgestellten gesundheitlichen Einschränkungen noch in der Lage sei, vollschichtig leichte Arbeiten unter nur qualitativen Einschränkungen auszuüben. Der Bescheid enthielt einen Hinweis, dass bei späterem Eintritt des Versicherungsfalles die weiteren versicherungsrechtlichen Voraussetzungen zu prüfen seien und dass auf das beigegebene Merkblatt 6 insoweit verwiesen werde.

Auf den weiteren Rentenantrag vom 28.02.1992, der zur Bewilli- gung der Invalidenpension führte, diagnostizierte der Prüfarzt Dr.D.:

Bluthochdruck ohne Ausgleichsstörungen des Kreislaufs, behandlungsdürftige Brochitis ohne wesentliche Minderung der Lungenfunktion, Pseudoneurasthenie, Verschleißerscheinungen der Wirbelsäule ohne wesentliche Funktionsausfälle, Minderung des Hörvermögens um 50 %, ohne wesentliche Folgen erlittener Arbeitsunfall 1973 mit Schädel- und Gesichtsknochenbruch.

Dr.D. wertete dabei die vorgelegten Blutdruckwerte, das EKG, die Lungenfunktionsuntersuchung und insbesondere die Feststel- lungen zum psychischen Zustand des Klägers aus. Insoweit stell- te er fest, dass bei der Untersuchung in Belgrad nur eine Pseu- doneurasthenie angegeben wurde, was eine wesentliche unfallbe- dingte Minderung der Leistungsfähigkeit nicht nach sich gezogen habe. Auch ein weiteres Gutachten aus Belgrad vom 23.01.1992 enthielt nach den Feststellungen des Dr.D. keine wesentlichen anderen Befunde, sodass der Kläger als Fabrikarbeiter nicht mehr einsatzfähig, jedoch im Übrigen noch in der Lage sei, leichte Tätigkeiten einfachster Art zu ebener Erde, ohne besonderen Zeitdruck sowie ohne Anforderungen an das Hörvermögen und Gefährdung durch Lärm vollschichtig auszuüben. Dieser Einschätzung schloss sich die Beklagte an und lehnte mit Bescheid vom 13.10.1992 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.02.1993 das Rentenbegehren des Klägers ab. Dem Widerspruchsbescheid war das Merkblatt 6 mit Hinweisen zur Aufrechterhaltung des weiteren Versicherungsschutzes beigefügt.

Einen weiteren Antrag vom 05.10.1995 wies die Beklagte mit Bescheid vom 17.10.1996/Widerspruchsbescheid vom 04.08.1997 ab, weil der Kläger ausgehend vom Datum der Antragstellung die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen der begehrten Rente nicht erfülle.

Im anschließenden Klageverfahren vor dem Sozialgericht Landshut (SG) hat der Kläger beantragt, die Beklagte zur Gewährung von Rente wegen Erwerbsunfähigkeit bei einem am Tag der Antragstellung eingetretenen Versicherungsfall zu verurteilen. Das SG hat ein neurologisch-psychiatrisches Gutachten des P.J. R. (23.10.2000), ein orthopädisch/rheumatologisches des Dr.S. (24.10.2000) und ein internistisches des Dr.P. (24.10.2000) eingeholt. P.J. R. hat einen dringenden Verdacht auf ein Anfallsleiden wohl bei Zustand nach schwerem Schädelhirntrauma 1973, anamnestisch bekannt seit ca. fünf Jahren, diagnostiziert. Er hat den Kläger wegen eines mittel- bis schwerergradigen hirnorganischen Psycho-Syndroms, mit deutlicher Einschränkung der geistigen Leistungsfähigkeit bei wohl einfach strukturierter Primärpersönlichkeit nur noch in der Lage gesehen, eine unter zweistündige tägliche Arbeitsleistung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu erbringen. Unter Einbezug eines Attestes des Dr.M. vom 06.10.2000 hat der Sachverständige als maßgebliches Datum für den Eintritt der verminderten Erwerbsfähigkeit den Untersuchungstag bezeichnet. Diese Einschätzung hat das SG übernommen und mit Urteil vom 25.10.2000 die Beklagte zur Gewährung von Erwerbsunfähigkeitsrente auf Dauer ab 01.11.2000 verurteilt. Es hat zur Begründung ausgeführt, seit 23.10.2000 sei der Kläger auf Dauer wegen des nervenärztlich festgestellten unter zweistündigen Leistungsvermögens erwerbsunfähig. Zu den versicherungsrechtlichen Voraussetzungen hat das SG die Auffassung vertreten, dass der Kläger die Zeiträume ab 01.1984 mit Anwartschaftserhaltungszeiten belegen könne. Die erste Lücke von März 1984 bis Januar 1985 sei darauf zurückzuführen, dass die Beklagte den Kläger nicht ausreichend aufgeklärt habe, sondern nur ein allgemein gehaltenes Merkblatt übersandt habe. Ebenso wenig sei der Kläger durch das dem Widerspruchsbescheid vom 24.02.1993 beigefügte Merkblatt ausreichend und deutlich genug über die Möglichkeit der freiwilligen Beitragsnachent-richtung aufgeklärt worden. Dies führe dazu, dass die Beiträge als entrichtet gelten müssten. Hinsichtlich der Zeit bis Oktober 2000 hat das SG die Klage im Übrigen abgewiesen, weil bis zu diesem Zeitpunkt die gesundheitlichen Voraussetzungen der Rente nicht erfüllt seien.

Gegen dieses Urteil hat die Beklagte Berufung eingelegt und sich vor allem darauf berufen, dass die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen des Rentenanspruches nicht erfüllt seien. Ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch sei nicht gegeben, weil ein Beratungsfehler nicht vorgelegen habe. Im Übrigen wäre der Kläger jedenfalls ab Juli 1992 wirt- schaftlich nicht in der Lage gewesen, mit der in Jugoslawien bezogenen Rente in Höhe von rund DM 15,00 monatlich freiwillige Beiträge in Höhe von rund DM 100,00 zu entrichten. Seine Behauptung, er hätte sich die erforderlichen Beträge durch Auf- nahme eines Kredits beschaffen können, sei nicht glaubhaft, weil ein Kredit für aus damaliger Sicht unbestimmte Zeit und in unbestimmter Höhe dem Kläger in Anbetracht seines geringen Ren- teneinkommens voraussichtlich nicht eingeräumt worden wäre. Auf diese Ausführungen der Beklagten hat der Senat eine Stellungnahme des Klägers angefordert und Nachweise erbeten, welche Einkünfte er von März 1984 bis Januar 1985 hatte sowie auf welchem Wege und zu welchem Zinssatz er ein Darlehen von wem erhalten haben würde, um freiwillige Beiträge zu leisten. Hierauf hat der Kläger geantwortet, 1984/85 ohne Beschäftigung und ohne Einkünfte gewesen zu sein. Hinsichtlich der weiteren Fragen hat er keine Angaben machen können.

Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 25.10.2000 abzuändern und die Klage gegen den Bescheid vom 17.10.1996 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 04.08.1997 in vollem Umfang abzuweisen.

Der Kläger beantragt sinngemäß,
die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgericht Landshut vom 25.10.2000 zurückzuweisen.

Beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren die Verwaltungsakten der Beklagten. Auf diese Akten sowie auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge wird zur Ergänzung des Tatbe- standes Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist begründet. Der Kläger hat keinen An- spruch auf die vom Sozialgericht Landshut ab 01.11.2000 zuge- sprochene Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, weil er deren versicherungsrechtliche Voraussetzungen nicht erfüllt. Auf die Berufung der Beklagten hin wird deshalb das Urteil des Sozialgerichts Landshut aufgehoben und die Klage gegen den Bescheid vom 17.10.1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.08.1997 voll umfänglich abgewiesen.

Der geltend gemachte Rentenanspruch des Klägers richtet sich nach den §§ 43, 44 SGB VI in der bis 31.12.2000 geltenden Fas- sung, da er auch Zeiten vor diesem Datum erfasst. Die ab 01.01.2001 geltende Neuregelung durch das Gesetz zur Reform der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit (vom 20.12.2000 - BGBl. I S.1827) wäre nur heranzuziehen, falls ein Rentenan- spruch am 31.12.2000 nicht bestanden hätte, aber für die nachfolgende in Betracht käme (vgl. §§ 300 Abs.1 i.V.m. Abs.2 SGB VI).

Nach § 43 Abs.2 SGB VI alter Fassung sind berufsunfähig Versi- cherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung auf weniger als die Hälfte derjenigen von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten gesunken ist. Nach § 240 SGB VI neuer Fassung haben Versicherte, die wie der Klä- ger vor dem 02.01.1961 geboren sind, bei Vorliegen von Berufs-unfähigkeit einen Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbs-minderung. Erwerbsunfähigkeit setzt nach § 44 Abs.2 SGB VI a.F. ebenso wie eine volle Minderung der Erwerbsfähigkeit i.S. des neuen Rechts gemäß § 43 Abs.2 S.2 SGB VI eine gegenüber der Berufsunfähigkeit noch weiter herabgesetzte Erwerbsfähigkeit voraus.

Vollschichtiges Leistungsvermögen in einer zumutbaren Tätigkeit schließt nach alter und neuer Rechtslage einen Rentenanspruch wegen Erwerbs- oder Berufsunfähigkeit regelmäßig aus.

Ausgangspunkt bei der Prüfung der Berufsunfähigkeit ist der bisherige Beruf des Versicherten, d.h. die zuletzt in der Bun- desrepublik Deutschland regelmäßig ausgeübte Tätigkeit (vgl. BSG SozR 3-220 § 1246 Nr.61 m.w.N.). Im streitigen Fall ist nach den eigenen Angaben des Klägers sowie nach dem gesamten Akteninhalt erwiesen, dass er nur ungelernte Tätigkeiten ausgeübt hat. Er kann somit zumutbar auf alle Arbeiten verwiesen werden, die der allgemeine Arbeitsmarkt zur Verfügung stellt (vgl. BSG SozR 3-200 § 1246 Nrn.13, 27).

Auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt konnte der Kläger zumutbare Tätigkeiten jedenfalls bis Mitte 1995 noch vollschichtig aus- üben. Nach den überzeugenden Feststellungen des Dr.S. hatten beim Kläger 1987 Erkrankungen der Atemwege, der Wirbelsäule sowie des Herz-Kreislauf-Systems vorgelegen, die dazu führten, dass der Kläger leichte Tätigkeiten einfacher Art ohne Einwirkung reizender Gase und ohne vermehrte Staubeinwirkung vollschichtig ausüben konnte. Zu dieser Einschätzung war Dr.S. auf Grund mehrtägiger klinischer Beobachtung gekommen, bei der der Kläger eingehend mit bildgebenden Verfahren, Labor- und lungenärztlicher Diagnostik untersucht worden war. Hinweise auf Störungen auf neurologisch/psychiatrischem Fachgebiet, insbesondere auf Grund des 1973 erlittenen Schädelhirntraumas waren damals nicht vorhanden. Anlass, an diesen Diagnosen sowie an der Leistungseinschätzung zu zweifeln, besteht zur Überzeugung des Senats auch deshalb nicht, weil der Kläger von 1985 bis 1992 als Straßenreinigungsarbeiter in Belgrad tätig war.

Entgegen den Einschätzungen der Ärzte aus der Heimat des Klägers aus dem Jahre 1992 war damals bei ihm kein wesentlich an- deres Leistungsvermögen eingetreten. Nach der überzeugenden, eingehenden und nach den Regeln der ärztlichen Wissenschaft erstellten Stellungnahme des Dr.D. lagen objektivierbar zum damaligen Zeitpunkt bei dem Kläger folgende gesundheitliche Einschränkungen vor:

Bluthochdruck ohne Ausgleichsstörungen des Kreislaufes, behandlungsbedürftige Bronchitis und im Wesentlichen ohne Minderung der Lungenfunktion, Pseudoneurasthenie, Verschleißerscheinungen der Wirbelsäule ohne wesentliche Funktionsausfälle, Minderung des Hörvermögens um 50 %, ohne wesentliche Folgen erlittener Arbeitsunfall 1973 mit Schädel- und Gesichtsknochenbruch.

Dr.D. hat überzeugend die Untersuchungsergebnisse aus Jugos-lawien umfassend ausgewertet und hierauf seine Einschätzung der Leistungsfähigkeit des Klägers gestützt, an der der Senat zu Zweifeln keinen Anhaltspunkt sieht. Leichte Tätigkeiten einfacher Art zu ebener Erde ohne besonderen Zeitdruckes sowie ohne Anforderungen an das Gehörvermögen und Gefährdung durch Lärm konnte der Kläger 1992 noch vollschichtig durchführen. Wesent- liche Anhaltspunkte für eine relevant hohe Störung auf neurolo- gisch/psychiatrischem Gebiet hatten sich damals nicht ergeben, insbesondere waren affektive Störungen oder psychotische Symp-tome nicht diagnostiziert worden, als Störung war lediglich eine Pseudoneurasthenie angegeben.

An diesem Gesundheitszustand hat sich in der Folgezeit Wesent- liches insofern geändert, als sich bei dem Kläger auf psychia- trisch/neurologischem Sachgebiet eine wesentliche Störung erge- ben hat. Diese wurde bei der Untersuchung in Belgrad am 23.09.1996 mit Enzephalopathia posttraumatika sowie Neurosis conversivum angegeben. Diese hat der Sachverständige R. auch anläßlich der Untersuchung im Oktober 2000 festgestellt und hierzu ausgeführt, dass seit ca. fünf Jahren ein Anfallsleiden aufgetreten sei. In Zusammenschau dieser Tatsachen sieht es der Senat zusammen mit der Indizwirkung der Antragstellung am 30.10.1995 als erwiesen an, dass bei dem Kläger ab Oktober 1995 eine neurologisch/psychiatrische Erkrankung in Form der Folgen eines Schädelhirntraumas eingetreten ist, die ab diesem Zeitpunkt ein untervollschichtiges Leistungsvermögen begründet. Seit Oktober 1995 liegt bei dem Kläger somit Erwerbsunfähigkeit vor. Anhaltspunkte, diese relevante Leistungseinschränkung auf ein früheres Datum zu legen sind nicht vorhanden, insbesondere fehlt es an Behandlungsnachweisen für diese Krankheit oder anderen objektivierbaren Hinweisen.

Zu diesem Zeitpunkt erfüllt der Kläger allerdings nicht mehr die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die begehrte Rente, die sowohl für die alte als auch für die ab 01.01.2001 geltende Rechtslage erforderlich sind.

In dem von Oktober 1995 zurückzurechnenden Fünfjahreszeitraum bis Oktober 1990 bestehen Pflichtbeiträge nur bis Juni 1992. Es handelt sich insoweit um Beiträge aus einer Beschäftigung in Jugoslawien, die gemäß dem deutsch-jugoslawischen Sozialversicherungsabkommen als Pflichtbeitragszeiten gewertet werden. In der nachfolgenden Zeit fehlt es jedoch an Pflichtbeiträgen. Die erforderlichen 36 Monate Pflichtbeiträge im relevanten Fünfjahreszeitraum sind damit vom Kläger nicht zu erfüllen.

Anhaltspunkte für Aufschubtatstände sind nicht vorhanden. Ins- besondere zählt der Bezug einer jugoslawischen Rente nicht zu den im Gesetz genannten Aufschubtatbeständen, da das deutsch- jugoslawische Sozialversicherungsabkommen insoweit keine Gleichstellung mit dem Bezug einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit nach deutschem Recht vorsieht.

Anhaltspunkte für einen Tatbestand der vorzeitigen Wartezeiter- füllung sind nicht vorhanden.

Der Kläger kann sich auch nicht auf Anwartschaftserhaltungszei- ten (§ 240 Abs.2 SGB VI a.F., § 241 Abs.2 SGB VI n.F.) berufen. Insoweit müsste jeder Kalendermonat vom 01.01.1984 an bis Oktober 1995 mit versicherungsrechtlich relevanten Zeiten belegt sein. Insoweit bestehen Lücken von März 1984 bis Januar 1985 sowie ab Juli 1992. Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts können diese Zeiträume auch nicht infolge eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruches aufgefüllt werden.

Ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch, der im Sozialge- setzbuch nicht positiv rechtlich geregelt ist und der durch Richterrecht in ständiger Rechtsprechung entwickelt wurde, dient dazu, eine Rechtsbeeinträchtigung durch gesetzmäßiges Verwaltungshandeln zu korrigieren. Er setzt voraus, dass ein bestimmtes soziales Recht durch Verletzung einer Haupt- oder Nebenpflicht einer Behörde beeinträchtigt wurde und dass infolge hiervon kausal ein Rechtsverlust eingetreten ist. Im Wesentlichen kommen dabei in Betracht Verstöße gegen Nebenpflichten in Form von Hinweis- und Beratungspflichten, die aus Art.14 Abs.1 S.2 GG i.V.m. § 2 Abs.2 SGB I resultieren (vgl. BSG Urteil vom 06.03.2003 - B 6 RA 38/01 R).

Im Gegensatz zum SG vermag der Senat einen Herstellungsanspruch nicht erkennen. Zwar enthält der Bescheid vom 10.07.1987 über den Antrag aus dem Jahr 1979 keine ausreichenden und verständlichen Hinweise, dass durch die zum 01.01.1984 eingetretene Rechtsänderung die Aufrechterhaltung von Anwartschaften durch freiwillige Beitragsleistung möglich und in bestimmten Fällen erforderlich war (vgl. BSG vom 05.04.2000, B RJ 50/98). Allerdings bleibt dies ohne Folgen, denn bei Entstehung der Beitragslücke ab Bezug der Invalidenpension 1992 war der Kläger ausreichend aufgeklärt und auf mögliche Folgen hingewiesen wor- den. Hierzu hatte die Entscheidung der Beklagten vom 13.10.1992/ 24.02.1993 den Hinweis enthalten, dass bei einem in der Folgezeit möglicherweise eintretenden Zustand der Erwerbs- oder Berufsunfähigkeit auch die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllt sein müssten und auf das mitübermittelte Merkblatt verwiesen. In diesem Merkblatt wurde der Kläger darüber ausreichend informiert, dass er für unbelegte Zeiten zur Aufrechterhaltung der Rentenanwartschaft freiwillige Beiträge zahlen müsste. Damit war das Merkblatt ausreichend, um zu bewirken, dass der Kläger seinen Beratungsbedarf erkennen konnte und musste. Anders als vom SG angenommen ist eine vollständige Darstellung aller möglichen Fallgestaltungen nicht möglich, weil ein allzu großer Umfang des Merkblattes eher zur Desinformation der Versicherten führen würde. Eine konkrete schriftliche Beratung des Klägers war angesichts des damaligen festgestellten Leistungsvermögens nicht erforderlich (vgl. BayLSG vom 27.07. 2001, L 6 RJ 58/00; BayLSG vom 20.10.1992, L 6 RJ 64/96). Wenn der Kläger gleichwohl keine freiwilligen Beiträge entrichtet hat, verliert dadurch der Beratungs- und Aufklärungsfehler von 1987 die erforderliche Kausalität.

Im Übrigen ist ein Herstellungsanspruch auch deswegen zu ver- neinen, weil der Kläger nicht zur Zahlung der freiwilligen Bei- träge in der Lage gewesen wäre; insoweit verkennt das SG die Voraussetzungen der Kausalität im Rahmen des Herstellungsan- spruches. Soweit die Zeit 1983/84 betroffen ist, zweifelt der Senat bereits daran, dass der Kläger aus Einkünften einer Tä- tigkeit als Straßenreiniger in Belgrad in der Lage gewesen wä- re, die Beiträge zu entrichten oder dass er von Dritten die entsprechenden Beträge erhalten hätte. Soweit die Zeit ab 1992 betroffen ist, muss zunächst beachtet werden, dass der Kläger damals erst 49 Jahre alt war (zum Gesichtspunkt des Lebensal- ters vergleiche BSG vom 06.08.1992 - 8 RKn 9/91 am Ende). Es war für den Kläger damals keineswegs absehbar, ob er überhaupt sowie ggf. wann er einmal berufs- oder erwerbsunfähig werden würde. Es war insoweit das Risiko schlicht nicht abschätzbar, für welchen Zeitraum etwa monatlich DM 100,00 an Beiträgen zu zahlen gewesen wären. Es kommt hinzu, dass der Kläger nach seinen Angaben damals nur über die Pension in Höhe von rund DM 15,00 verfügte, so dass er von dritter Seite sich die freiwilligen Beiträge hätte vorstrecken lassen müssen. Schließlich ist auch abzuwägen, dass der Kläger aus den 44 in Deutschland zurückgelegten Monaten mit allenfalls durchschnittlicher Beiträgshöhe nur eine minimale Rente wegen Erwerbsminderung hätte erwarten können. Unter diesen Gegebenheiten wäre die freiwillige Beitragsleistung regelmäßig als wirtschaftlich unvernünftig anzusehen gewesen. Bei diesen Gegebenheiten kann nur dann eine drittfinanzierte Beitragsleistung angenommen werden, wenn diese entweder konkret nachgewiesen ist oder zumindest plausibel dargetan wird, von wem zu welchem Zinssatz und unter welchen Rückzahlungsmodalitäten die entsprechenden Darlehen gegeben worden wären. Solche Angaben hat der Kläger vor dem SG nicht gemacht und auch dem Senat trotz ausdrücklicher Anforderung nicht dargetan. Der Senat ist damit überzeugt, dass der Kläger in keinem Fall nach Erhalt des ablehnenden Bescheides/Widerspruchsbescheides im Februar 1993 die entsprechenden Beiträge hätte zahlen können. Ein Herstellungsanspruch scheidet damit auch schon mangels Kausalität aus.

Auf die Berufung der Beklagten war deshalb das Urteil des Sozialgerichts Landshut im zusprechenden Umfange aufzuheben und die Klage vollumfänglich abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe zur Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich (§ 160 Abs.2 Nrn.2 und 3 SSG).
Rechtskraft
Aus
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