L 4 KR 955/14

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 14 KR 2754/12
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 KR 955/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 7. Februar 2014 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Erstattung der Kosten in Höhe von EUR 6.000,00 für einen von der Klägerin in der Türkei selbst beschafften Zahnersatz.

Die 1950 geborene und in der Bundesrepublik Deutschland wohnhafte Klägerin ist Mitglied der beklagten Krankenkasse oder deren Rechtsvorgängerin (im Folgenden einheitlich: Beklagte). Sie wurde in der Bundesrepublik Deutschland zuletzt von der Zahnärztin Dr. Br. zahnmedizinisch betreut. Diese behandelte bei der Klägerin am 25. Juni 2007 eine Zahnfleischtasche am Zahn 27 und am 13. November 2009 eine bei der Vorsorgeuntersuchung am 30. Oktober 2009 festgestellte Karies am Zahn 25 mit einer Füllung. Im Anschluss an die Behandlungen war die Klägerin jeweils beschwerdefrei (Auskunft von Dr. Br. vom 18. Februar 2013). Weitere Vorsorgeuntersuchungen der Klägerin bei Dr. Br. fanden am 17. Dezember 2010 und 11. Oktober 2011 statt (Bonusheft der Klägerin).

Während einer von Ende Juli bis Anfang Oktober 2011 geplanten Türkeireise bekam die Klägerin nach ihren Angaben ca. Anfang/Mitte August 2011 starke Zahnschmerzen, weshalb sie ca. Mitte/Ende August 2011 die Praxis der Zahnärztin Dr. Tü. in I. aufsuchte. Dr. Tü. nahm nach Angaben der Klägerin - eine Reinigung von 15 Zähnen im Oberkiefer vor und begann eine medikamentöse Behandlung. Dennoch habe sie wegen einer kariösen Zahnwurzelerkrankung von 15 Zähnen weiter unter starken Schmerzen gelitten. Zur Beseitigung der Schmerzen habe eine Zahnwurzelbehandlung stattgefunden, die - so wieder die Klägerin - in der zweiten Augustwoche abgeschlossen gewesen sei. Im Anschluss daran erfolgte eine prothetische Versorgung von 15 Zähnen mit Kronen und Brücken, für die Dr. Tü. mit Rechnung vom 28. September 2011 EUR 6.000,00 (15 Zahnkronen à EUR 400,00) in Rechnung stellte.

Am 12. Oktober 2011 beantragte die Klägerin bei der Beklagten unter Einreichung der Rechnung von Dr. Tü. vom 28. September 2011 die Erstattung der Kosten für den durchgeführten Zahnersatz. Die Beklagte lehnte telefonisch sowie schriftlich mit nicht mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehenen Bescheid vom 2. November 2011 die Kostenerstattung ab. Mit der Türkei bestehe ein bilaterales Sozialversicherungsabkommen, das bei einem vorübergehenden Aufenthalt die Versorgung im Notfall regele. Eine Versorgung mit definitivem Zahnersatz gehöre nicht zur Notfallversorgung, lediglich dringende Reparaturen an vorhandenem Zahnersatz (z.B. nach Prothesenbruch) bzw. provisorische Übergangsversorgungen (z.B. nach dringender Zahnextraktion oder bei irreparablen Defekten an festsitzenden Brückenversorgungen) rechtfertigten eine Notfallbehandlung. Die gezielte Versorgung mit Zahnersatz könne derzeit auch in den Ländern der Europäischen Union (EU) in Anspruch genommen werden. Allerdings gelte auch in diesem Fall das deutsche Antragsverfahren mit einem Heil- und Kostenplan (HKP) und die vorherige Prüfung und Genehmigung durch sie, die Beklagte. Da die Türkei nicht zu den EU-Ländern gehöre und von der Klägerin auch vor Anfertigung des Zahnersatzes keine Beantragung durch einen HKP erfolgt sei, könnten die Kosten nicht übernommen werden.

Die Klägerin widersprach der Ablehnung in einer E-Mail vom 2. November 2011. Sie trug vor, in den zurückliegenden Jahren habe es keine Rolle gespielt, dass die Türkei nicht in der EU sei. Sie habe den Zahnersatz extra kostengünstig in der Türkei machen lassen, in Deutschland wäre es doppelt so teuer. Ein Kostenvoranschlag sei ihr vom Zahnarzt verweigert worden. Am 29. Dezember 2011 erhob sie schriftlich Widerspruch. Sie trug vor, es habe sich um eine Notfallversorgung gehandelt. Sie habe unter behandlungsbedürftigen Schmerzen gelitten. Im Übrigen habe sie durch die Inanspruchnahme von Leistungen in der Türkei gegenüber den bei einer in Deutschland durchgeführten Behandlung Kosten in Höhe von ca. 50 v.H. eingespart.

Die Beklagte wandte sich hierauf an Dr. Br., die ausweislich eines Aktenvermerks vom 24. Januar 2012 telefonisch mitteilte, dass bei der Klägerin weder kariöse noch zerstörte Zähne vorgelegen hätten; die medizinische Notwendigkeit habe gefehlt.

Nach Anhörung der Klägerin wies der bei der Beklagten gebildete Widerspruchsausschuss den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 21. Mai 2012 zurück. Bei einer Versorgung von gleichzeitig 15 Zähnen mit Kronen sei nicht von einer Notfallbehandlung auszugehen. Dies sei auch aus dem E-Mailverkehr mit der Klägerin herauszulesen, wonach sie es extra, damit es kostengünstig komme, in der Türkei gemacht habe. Bei der Klägerin habe auch keine medizinische Notwendigkeit, festsitzenden Zahnersatz vornehmen zu lassen, bestanden. Es habe sich um eine gewünschte kosmetische Korrektur gehandelt.

Hiergegen erhob die Klägerin am 4. Juni 2012 Klage zum Sozialgericht Freiburg (SG). Es habe sich um eine unaufschiebbare Notfallbehandlung gehandelt. Ohne die Kronen hätte sie aufgrund der Tatsache, dass fünf weitere Zähne bei ihr fehlten, nicht mehr ordentlich kauen können. Darüber hinaus gehöre der Aufsatz einer Krone zum ordnungsgemäßen Abschluss der vorgenommenen Zahnwurzelbehandlung. Obwohl sie im Januar 2011 bei Dr. Br. weiter über Schmerzen geklagt habe, habe diese gesagt, dass die Zähne in Ordnung seien. Deshalb sei es zu keinem HKP gekommen. Auch die Zahnärzte Dr. G. und Dr. W. hätten die Erstellung eines HKP abgelehnt. Aufgrund beginnender kariöser Beschwerden sei bereits vor Beginn des Türkeiaufenthalts absehbar gewesen, dass eine Behandlung der Zähne mit Zahnersatz eines Tages erforderlich sein werde. In der Türkei habe sie dann so starke Zahnschmerzen gehabt, dass sie es nicht mehr habe aushalten können. Deshalb habe sie Dr. Tü. aufgesucht, die die Zahnbehandlung vorgenommen habe. Für die Erhaltung der Kaufunktion sei es nach Abschluss der Zahnwurzelbehandlung zwingend erforderlich gewesen, dass sie Zahnersatz implantiert erhalte. Eine provisorische Brücke sei aufgrund der Dauer ihres Aufenthalts in der Türkei nicht zumutbar gewesen. Im Übrigen wäre auch eine provisorische Brücke mit Kosten verbunden, die nur maximal 20 v.H. unter den Kosten der endgültigen Versorgung gelegen hätten. Die Beklagte müsse sich auch vorhalten lassen, dass sie im Jahr 2007 eine vergleichbare zahnärztliche Behandlung mit Zahnersatz in der Türkei für die unteren Zähne erstattet habe. Damals habe lediglich Dr. W. für die Behandlung einen Kostenvoranschlag erstellt. Auch bei anderen Arztbesuchen in der Türkei seien ihr die Kosten von der Beklagten erstattet worden. Ca. im April 2011 habe sie der Beklagten auch das Problem mit dem fehlenden HKP geschildert, in diesem Telefongespräch sei ihr gesagt worden, sie möge die Rechnung des türkischen Zahnarztes schicken. Davon, dass ein HKP wie 2007 unabdingbare Voraussetzung für die Erstattung der Kosten sei, sei nicht gesprochen worden. Die Klägerin legte eine Bescheinigung von Dr. Tü. vor, wonach nach der Untersuchung der Klägerin eine Karies- und Farbdeformation diagnostiziert und diesbezüglich eine Keramikkronenimplantation für angemessen erachtet worden sei und sich die Gesamtkosten inklusive Mehrwertsteuer für 15 zirkonixid-gestützte Keramik- und Brückenkronen zu einem Stückpreis von EUR 400,00 auf insgesamt EUR 6.000,00 belaufen hätten.

Die Beklagte trat der Klage entgegen. Es habe sich hier nicht um eine unaufschiebbare Notfallversorgung gehandelt. Dr. Br. habe die Erstellung eines HKP mit der Diagnose kariöser Zähne vor dem Türkeiaufenthalt der Klägerin verweigert mit der Folge, dass die gewünschte Behandlung medizinisch nicht notwendig gewesen sei. In diesem Zusammenhang sei es auch nicht verwunderlich, dass - wie von der Klägerin vorgetragen - Dres. G. und W. ebenfalls die Erstellung eines HKP für die Implantation von Zahnersatz abgelehnt hätten. Selbst wenn man eine Notfallbehandlung annehmen wolle, löse die Versorgung mit festsitzendem Zahnersatz diesbezüglich keine Leistungspflicht ihrerseits aus. Nach einer dringenden Zahnextraktion rechtfertige eine Notfallbehandlung lediglich eine provisorische Übergangsversorgung. Die Versorgung mit Zahnersatz durch die türkische Zahnärztin stelle auch keine sofort notwendige Maßnahme im Sinne des Art. 4, 4a und 12 Abs. 1b des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Türkei über Soziale Sicherheit vom 30. April 1964 (im Folgenden: Abkommen) dar. Bei sofort notwendigen Maßnahmen handele es sich um Maßnahmen, die auf Grund der Natur der Sache keinen Aufschub mehr zuließen. Abzugrenzen seien sie von Leistungen, die zwar in der Folge erbracht werden müssten, aber noch nicht zu einer akuten Behandlungsbedürftigkeit wegen unmittelbarer Gefährdung der Gesundheit des Versicherten führten. Eindeutiger Sinn des Abkommens sei es, die Leistungspflicht jeweils nur auf eine akute Behandlung zu beschränken, damit der jeweilige an sich zuständige Versicherungsträger letztlich in seinem eigenen Verantwortungsbereich über weitere Leistungen und Behandlungsschritte entscheiden könne. Gerade bei einem nur vorübergehenden Aufenthalt im Gebiet des anderen Vertragsstaates sei es dem Versicherten zumutbar, letztlich medizinisch indizierte Leistungen, die aber nicht sofort notwendig seien, erst nach Rückkehr an seinem ständigen Aufenthaltsort durchzuführen (Urteil des Landessozialgerichts Berlin vom 22. November 2000 - L 9 KR 28/99 -; in juris). Die Klägerin habe sich nur einen kurzen Zeitraum in der Türkei aufgehalten, sodass es ihr zumutbar gewesen wäre, den definitiven Zahnersatz erst nach der Rückkehr nach Deutschland bei einem Vertragszahnarzt nach Erstellung eines HKP durchführen zu lassen; insbesondere wenn - wie vorliegend - die zahnärztliche Behandlung in der Türkei am 28. September 2011 stattgefunden habe und die Klägerin Anfang Oktober wieder nach Deutschland zurückgekehrt sei. Selbst wenn man zu Gunsten der Klägerin annehme, dass der angebliche Notfall bereits Anfang August vorgelegen habe, so wäre die Versorgung mit provisorischem Zahnersatz zumutbar gewesen. Auch bei einer inländischen Versorgung mit Zahnersatz müssten Patienten vor Eingliederung des definitiven Zahnersatzes in der Zwischenzeit mit Provisorien auskommen.

Das SG hörte Dr. Br. als sachverständige Zeugin. Diese berichtete unter dem 18. Februar 2013 über die Betreuung der Klägerin vom 25. Juni 2007 bis 23. Dezember 2011, insbesondere über die oben genannten Behandlungen. Am 23. Dezember 2011 habe die Klägerin von ihr einen HKP für den Oberkiefer verlangt. Zu diesem Zeitpunkt seien alle Oberkieferzähne schon prothetisch versorgt gewesen. Auch schon bei ihrer letzten klinischen Untersuchung am 11. Oktober 2011 seien die Kronen schon fest zementiert gewesen. Einen HKP habe sie nicht erstellen können, da für eine prothetische Versorgung die erforderlichen Indikationen nicht vorgelegen hätten.

Mit Gerichtsbescheid vom 7. Februar 2014 wies das SG die Klage ab. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Erstattung der in der Türkei angefallenen Zahnbehandlungskosten, denn die Voraussetzungen der §§ 13 Abs. 3, 27 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) lägen nicht vor. Nach dem Abkommen bestehe kein Anspruch auf Kostenerstattung. Es habe weder die nach Art. 12 Abs. 1a) des Abkommens erforderliche Zustimmung der Beklagten vorgelegen, noch habe die Klägerin die in der Türkei erbrachten Leistungen wegen ihres Zustandes sofort benötigt (Art. 12 Abs. 1b) des Abkommens). Selbst wenn die Klägerin Schmerzen gehabt haben sollte, hätte sie zur Durchführung der Behandlung nach Deutschland zurückkehren können. Dies werde auch dadurch bestätigt, dass die Klägerin in ihrer E-Mail vom 2. November 2011 angegeben habe, sie habe die Behandlung extra in der Türkei durchgeführt, da diese dort kostengünstiger sei. Nach ihren Angaben habe sie Anfang/Mitte August starke Zahnschmerzen bekommen und dann ungefähr Mitte/Ende August die Praxis von Dr. Tü. aufgesucht. Dies bedeute, dass sie die Praxis von Dr. Tü. jedenfalls nicht unverzüglich aufgesucht habe. Zudem habe die Klägerin angegeben, bereits im Januar 2011 Schmerzen gehabt zu haben. Zwar sei sie deswegen bei Dr. Br. gewesen, diese habe jedoch keine weiteren Maßnahmen eingeleitet. Wenn die Klägerin mit der Behandlung durch Dr. Br. nicht zufrieden gewesen sei, hätte sie ohne Weiteres einen anderen Vertragszahnarzt aufsuchen können. Sowohl Dr. Br. als auch zwei weitere von der Klägerin konsultierte Ärzte hätten die Erstellung eines HKP abgelehnt. Dr. Br. habe hierzu in ihrer sachverständigen Zeugenauskunft angegeben, dass die erforderlichen Indikationen für eine prothetische Versorgung bei der Klägerin nicht vorgelegen hätten. Überdies scheide eine Kostenerstattung auch deshalb aus, da vom Umfang des Abkommens nur Notfallbehandlungen und keinesfalls endgültige Behandlungsmaßnahmen erfasst seien. Darüber hinaus bestimme Art. 15 Abs. 1 und 3 des Abkommens, dass bei Anwendung des Art. 4a Sachleistungen von erheblicher finanzieller Bedeutung außer in Fällen unbedingter Dringlichkeit nur gewährt würden, wenn der zuständige Träger zustimme. Bei einer Kostenerstattungsforderung in Höhe von EUR 6.000,00 handele es sich um eine Leistung von erheblicher finanzieller Bedeutung. Eine Zustimmung der Beklagten vor der Durchführung der Behandlung habe nicht vorgelegen. Des Weiteren sei auch nicht ersichtlich, dass sich die Klägerin trotz der von ihr geltend gemachten Dringlichkeit nicht vorab mit der Beklagten in Verbindung habe setzen können. Soweit die Beklagte in der Vergangenheit die Kosten für eine in der Türkei durchgeführte Zahnbehandlung erstattet haben sollte, vermöge dies keinen Anspruch für die streitgegenständliche Behandlung zu begründen. Der Klägerin wäre es ohne Weiteres zuzumuten gewesen, sich vor der Durchführung der Behandlung mit der Beklagten in Verbindung zu setzen. Dann hätte die Beklagte sie über die Möglichkeit einer Kostenerstattung informieren können. Die Übernahme von Kosten für in der Türkei durchgeführte Zahnbehandlungen in der Vergangenheit binde die Beklagte für die Zukunft nicht. Schließlich wäre die Kostenerstattung nach § 13 Abs. 3 SGB V auch bei einer Behandlung im Inland nicht möglich gewesen, da weder eine unaufschiebbare Leistungserbringung noch eine Kostenentstehung durch eine von der Beklagten zu Unrecht abgelehnte Leistung vorgelegen habe.

Hiergegen hat die Klägerin am 24. Februar 2014 Berufung eingelegt. Bei ihr habe im August 2011 ein Notfall vorgelegen. Sie habe an unerträglichen Schmerzen gelitten, die an allen 15 Zähnen eine sofortige Zahnwurzelbehandlung und Versorgung mit Kronen erforderlich gemacht hätten. Die Notfallbehandlung sei innerhalb von ca. zehn Tagen abgeschlossen gewesen. Es seien alle oberen Zähne betroffen gewesen. Mit der Kunststoffprothese, die sie erhalten habe, habe sie nicht kauen können. Die Prothese habe sich auf eine ästhetische Versorgung beschränkt. Daher sei der sofortige Einsatz der Kronen in der Türkei als Notfallversorgung erforderlich gewesen. Dr. Br. habe sie zuletzt im Januar 2011 gesehen, über ihren medizinischen Zustand im August 2011 könne sie deshalb keine Angaben machen. Dass sie sich von Juli bis Oktober 2011 in der Türkei aufhalte, sei von Anfang an geplant gewesen.

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 7. Februar 2014 aufzuheben und den Rechtsstreit an das Sozialgericht Freiburg zurückzuverweisen, hilfsweise den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 7. Februar 2014 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 2. November 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21. Mai 2012 zu verurteilen, der Klägerin die für die prothetische Versorgung durch Dr. Tü. entstandenen Kosten in Höhe von EUR 6.000,00 zu erstatten.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verweist auf ihr bisheriges Vorbringen und den Gerichtsbescheid vom 7. Februar 2014.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten sowie der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten sowie die Gerichtsakten in beiden Instanzen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist zulässig. Sie ist auch statthaft. Denn der Beschwerdewert des § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG von EUR 750,00 ist überschritten. Die Klägerin begehrt eine Kostenerstattung in Höhe von EUR 6.000,00.

1. Ob dem SG im Zusammenhang mit der Ankündigung eines Gerichtsbescheids Fehler unterlaufen sind, kann dahingestellt bleiben. Dies hätte nicht zwingend die Zurückverweisung der Sache an das SG zur Folge. Nach § 159 Abs. 1 Nr. 2 SGG steht die Entscheidung, ob die Sache bei wesentlichen Mängeln des sozialgerichtlichen Verfahrens an das Sozialgericht zurückverwiesen wird, im Ermessen des Senats. Es ist abzuwägen zwischen den Interessen der Beteiligten und einer raschen Sachentscheidung und dem Grundsatz der Prozessökonomie einerseits sowie dem Verlust einer Instanz andererseits. Im Zweifel ist die Entscheidung des Berufungsgerichts, den Rechtsstreit selbst zu entscheiden, im Interesse einer zügigen Erledigung des Verfahrens vorzugswürdig (BSG, Urteil vom 11. Dezember 2002 - B 6 KA 1/02 R -, in juris). Unter Beachtung der Tatsache, dass die Sache entscheidungsreif ist und keine Ermittlung durchzuführen sind, überwiegt hier das Interesse an einer Entscheidung durch den Senat.

2. In der Sache ist die Berufung der Klägerin nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 2. November 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21. Mai 2012 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Erstattung der von ihr geltend gemachten Kosten für 15 Keramik- und Brückenkronen in Höhe von insgesamt EUR 6.000,00.

a) Gemäß §§ 30 Abs. 1, 37 Satz 1 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) finden für die in Deutschland wohnhafte und hier krankenversicherte Klägerin in Bezug auf die Frage, welche Sozialleistungen ihr wegen Krankheit zustehen, die Vorschriften des SGB V Anwendung. Der vorübergehende Aufenthalt der Klägerin in der Türkei ändert nichts an ihrer Mitgliedschaft bei der beklagten Krankenkasse. Das SGB V sieht eine Leistungspflicht der Krankenkassen bei einer im Ausland stattfindenden Krankenbehandlung aber nur ausnahmsweise vor. Der Anspruch auf Leistungen generell und speziell auf Krankenbehandlung (§ 27 SGB V) ruht gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 1 SGB V, solange Versicherte sich im Ausland aufhalten, und zwar auch dann, wenn sie dort während eines vorübergehenden Aufenthalts erkranken, soweit im SGB V nichts Abweichendes bestimmt ist.

b) Die Klägerin kann ihren Anspruch auf Erstattung der Kosten der zahnärztlichen Behandlung bei Dr. Tü. von August bis Oktober 2011 weder auf § 13 Abs. 4 bis 6 SGB V (aa) noch auf § 18 SGB V (bb) noch auf § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V (cc) noch auf zwischenstaatliches Recht (dd) stützen.

aa) § 13 Abs. 4 bis 6 SGB V finden im vorliegenden Fall keine Anwendung, da die Klägerin die Versorgung mit Zahnersatz in der Türkei und damit nicht in einem anderen Mitgliedstaat der EU, einem anderen Mitgliedstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz hat durchführen lassen.

bb) Nach § 18 Abs. 1 Satz 1 SGB V kann die Krankenkasse die Kosten der erforderlichen Behandlung ganz oder teilweise übernehmen, wenn eine dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Behandlung einer Krankheit nur außerhalb des Geltungsbereichs des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft und des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum möglich ist. Das nationale Recht räumt Versicherten einen Anspruch auf Auslandskrankenbehandlung im Nicht-EG-Ausland, wozu die Türkei gehört, nur ein, wenn eine dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Behandlung nur außerhalb Deutschlands und außerhalb des europäischen Wirtschaftsraums möglich ist. Fehlt es an einem solchen Primäranspruch im Nicht-EU-Ausland, scheidet nach nationalem Recht im Grundsatz auch ein Anspruch auf Kostenerstattung für eine selbst beschaffte Krankenbehandlung aus.

Die Versorgung mit Zahnersatz ist innerhalb Deutschlands möglich. Ein Anspruch auf Kostenerstattung für die in der Türkei durchgeführte Behandlung scheidet damit grundsätzlich aus.

cc) Als Rechtsgrundlage für die begehrte Kostenerstattung des für den Zahnersatz aufgewandten Betrags von EUR 6.000,00 kommt nach dem SGB V, da die Klägerin nicht nach § 13 Abs. 2 SGB V anstelle der Sach- oder Dienstleistungen Kostenerstattung gewählt hatte, im Leistungsbereich der gesetzlichen Krankenversicherung nur die Regelung des § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V in Betracht. Danach gilt: Konnte die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen (Alternative 1) oder hat sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch dem Versicherten für die selbst beschaffte Leistung Kosten entstanden (Alternative 2), sind nach § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war. Voraussetzung für eine Kostenerstattung nach § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V ist, dass die Beklagte der Klägerin die Versorgung mit dem Zahnersatz schuldete und sie nicht, nicht rechtzeitig oder nicht vollständig erfüllt bzw. rechtzeitig zu erfüllen abgelehnt hat. Nach ständiger Rechtsprechung reicht der Anspruch auf Kostenerstattung jedoch nicht weiter als ein entsprechender Sachleistungsanspruch des Versicherten gegen seine Krankenkasse. Er setzt daher im Regelfall voraus, dass die selbstbeschaffte Leistung zu den Leistungen gehört, welche die Krankenkasse allgemein in Natur als Sach- oder Dienstleistungen (§ 2 Abs. 2 Satz 1 SGB V) zu erbringen haben (ständige Rechtsprechung des BSG; vgl. z.B. BSG, Urteil vom 24. September 1996 - 1 RK 33/95 -; Urteil vom 14. Dezember 2006 - B 1 KR 8/06 R -; Urteil vom 26. September 2006 - B 1 KR 3/06 R -, alle in juris). Der Anspruch nach § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V kann daher die Grenzen des Leistungssystems nicht erweitern, sondern setzt einen Leistungsanspruch voraus. Maßgeblich ist dabei, ob der Leistungsanspruch zum Zeitpunkt der Behandlung bestanden hat; spätere Rechtsänderungen zugunsten oder zu Ungunsten des Versicherten vermögen den Leistungsanspruch nicht über einen erst später geltend gemachten Erstattungsanspruch nachträglich zu verändern (vgl. dazu BSG, Beschluss vom 8. Februar 2000 B 1 KR 18/99 B -, in juris).

Die Leistungsansprüche der gesetzlich Krankenversicherten sind in § 27 Abs. 1 SGB V grundlegend umschrieben. Nach § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V in der hier maßgeblichen, seither unverändert geltenden Fassung des Gesetzes zur Strukturreform im Gesundheitswesen (GRG) vom 20. Dezember 1988 (BGBl. I, S. 2477) haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn diese notwendig ist, um eine Krankheit zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfasst gemäß § 27 Abs. 1 Nr. 2 SGB V die zahnärztliche Behandlung und gemäß § 27 Abs. 1 Nr. 2a SGB V auch die Versorgung mit Zahnersatz einschließlich Zahnkronen und Suprakonstruktionen. Der Anspruch auf Zahnersatz einschließlich Zahnkronen und Suprakonstruktionen ist in den §§ 55 ff. SGB V näher geregelt. Nach § 55 Abs. 2 Satz 1 SGB V haben Versicherte nach den Vorgaben in Satz 2 bis 7 Anspruch auf diese Leistungen in den Fällen, in denen eine zahnprothetische Versorgung notwendig ist und die geplante Versorgung einer Methode entspricht, die gemäß § 135 Abs. 1 SGB V anerkannt ist. Der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) bestimmt in Richtlinien, erstmalig bis zum 30. Juni 2004, die Befunde, für die Festzuschüsse nach § 55 SGB V gewährt werden und ordnet diesen prothetische Regelversorgungen zu (§ 56 Abs. 1 SGB V), Maßgaben hierfür ergeben sich aus § 56 Abs. 2 SGB V. Der GBA kann von den Vorgaben der dortigen Sätze 2 bis 8 abweichen und die Leistungsbeschreibung fortentwickeln (§ 56 Abs. 2 Satz 12 SGB V). Der GBA hat hierzu die Richtlinien für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche vertragszahnärztliche Versorgung mit Zahnersatz und Zahnkronen (Zahnersatz-Richtlinie) vom 8. Dezember 2004 (BAnz 2005 Nr. 54 S. 4094, mWv 1. Januar 2005, zuletzt geändert am 7. November 2007, BAnz 2007 Nr. 2541 S. 8383, mWv 1. Januar 2008) erlassen. Zudem wird der Anspruch Versicherter auf Zahnersatzleistungen auch durch § 87 Abs. 1a SGB V näher geregelt. § 87 Abs. 1a Sätze 2 ff SGB V bestimmt, dass im Bundesmantelvertrag-Zahnärzte (BMV-Z) folgende Regelungen zu treffen sind: Der Vertragszahnarzt hat vor Beginn der Behandlung einen kostenfreien HKP zu erstellen, der den Befund, die Regelversorgung und die tatsächlich geplante Versorgung auch in den Fällen des § 55 Abs. 4 und 5 SGB V nach Art, Umfang und Kosten beinhaltet (Satz 2). Im HKP sind Angaben zum Herstellungsort des Zahnersatzes zu machen (Satz 3). Der HKP ist von der Krankenkasse vor Beginn der Behandlung zu prüfen (Satz 4). Die Krankenkasse kann den Befund, die Versorgungsnotwendigkeit und die geplante Versorgung begutachten lassen (Satz 5). Bei bestehender Versorgungsnotwendigkeit bewilligt die Krankenkasse die Festzuschüsse gemäß § 55 Abs. 1 oder 2 SGB V entsprechend dem im HKP ausgewiesenen Befund (Satz 6). Nach Abschluss der Behandlung rechnet der Vertragszahnarzt die von der Krankenkasse bewilligten Festzuschüsse mit Ausnahme der Fälle des § 55 Abs. 5 SGB V mit der Kassenzahnärztlichen Vereinigung ab (Satz 7). Die Prüfung des HKP und die Bewilligung des Festzuschusses muss demzufolge vor der Behandlung erfolgen. Dies allein sichert den mit der Genehmigung des HKP verfolgten Zweck - die Einhaltung der Grundsätze der Notwendigkeit, Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit. Der Krankenkasse soll - anders als bei der ärztlichen Behandlung im Übrigen - Gelegenheit gegeben werden, die vorgesehene Versorgung mit Zahnersatz vorab zu überprüfen und gegebenenfalls begutachten zu lassen, um auf diesem Wege die Inanspruchnahme der in aller Regel mit hohen Kosten verbundenen Zahnersatzleistungen - auch im Interesse des Versicherten - steuern zu können (BSG, Urteil vom 7. Mai 2013 - B 1 KR 5/12 R -, in juris).

Dieses Genehmigungserfordernis hat die Klägerin vor der in der Türkei durchgeführten Versorgung mit Zahnersatz nicht eingehalten. Sie hat das Genehmigungsverfahren nicht durchgeführt. Ein Anspruch der Klägerin auf Versorgung mit Zahnersatz bestand daher nicht.

Etwas anderes ergibt sich mit Blick auf das Erfordernis eines HKP auch nicht deshalb, weil sich die Regelungen des § 87 Abs. 1a SGB V und des BMV-Z an die (inländischen) Vertragszahnärzte wenden. Die im Vierten Kapitel des SGB V (Beziehungen der Krankenkassen zu den Leistungserbringern) angesiedelten Vorschriften zum Genehmigungserfordernis regeln nicht nur die Beziehungen zwischen den Krankenkassen und Leistungserbringern, sondern gestalten auch das Leistungsrecht (BSG, Urteil vom 30. Juni 2009 - B 1 KR 19/08 R -, in juris). Vom genannten Zweck des (vorher zu genehmigenden) HKP ergibt sich auch für die Inanspruchnahme von grenzüberschreitenden zahnprothetischen Behandlungen im Ausland, dass der Krankenkasse vor Durchführung dieser Auslandsbehandlung die Möglichkeit gegeben werden muss, die vorgesehene Versorgung mit Zahnersatz vorab auf ihre Notwendigkeit, Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit hin zu überprüfen und gegebenenfalls begutachten zu lassen, um auf diesem Wege die Inanspruchnahme der in aller Regel mit hohen Kosten verbundenen Zahnersatzleistungen steuern zu können. Dieses Erfordernis, zumal eine nachträgliche Überprüfung nach Eingliederung des fertigen Zahnersatzes auf besondere Schwierigkeiten stoßen würde, rechtfertigt sich vor allem auch im Hinblick auf den ab 1. Januar 2005 bestehenden Anspruch auf befundbezogene Festzuschüsse nach § 55 Abs. 1 Satz 1 SGB V. Es muss nicht notwendig der inländische Vordruck des HKP verwendet werden, es genügt ein "Kostenvoranschlag" aus dem die Befunde und die beabsichtigte zahnprothetische Versorgung ersichtlich sind (vgl. hierzu zur Behandlung im EU-Ausland: Urteil des Senats vom 17. September 2008 - L 4 KR 5472/07 -, nachfolgend BSG, Urteil vom 30. Juni 2009 - B 1 KR 19/08 R -, jeweils in juris). Auch einen solchen Kostenvoranschlag hat die Klägerin, obwohl ihr das Genehmigungsverfahren nach in der Vergangenheit durchgeführten Behandlungen bekannt war, nicht vorgelegt. Dass sie vom Erfordernis der Genehmigung Kenntnis hatte, zeigt sich auch darin, dass sie ihrer Behauptung nach sich vor dem Türkeiaufenthalt sowohl bei Dr. Br. als auch Dr. G. und Dr. W. um einen HKP bemühte und mit der Beklagten im April 2011 diesbezüglich telefonierte.

Auch die Voraussetzungen einer Notfallbehandlung lagen nicht vor. Auch wenn man zugunsten der Klägerin davon ausgeht, dass sie im August 2011 unter Schmerzen litt und wegen dieser Schmerzen eine Behandlung erforderlich war, was als sofort benötigte Leistung gewertet werden kann, gilt dies nicht für die nachfolgende Behandlung der Klägerin mit Kronen und Brücken. Insoweit lag kein Notfall vor. Bei der sich an die Schmerzbehandlung anschließende Versorgung mit Zahnersatz handelte es sich um keine Leistung, die sofort benötigt wurde. Nach Abschluss der eigentlichen Schmerzbehandlung wäre es der Klägerin möglich gewesen, in die Bundesrepublik Deutschland zurückzureisen und hier die Zahnersatzbehandlung vornehmen zu lassen. Auch aus der Stellungnahme der Dr. Tü. ohne Datum ergeben sich keine Hinweise darauf, dass die Zahnersatzbehandlung sofort in der Türkei durchgeführt werden musste. Dr. Tü. führt in dieser Bescheinigung nur aus, dass eine Keramikkronenimplantation für angemessen erachtet worden sei. Dass es sich um keine Notfallbehandlung gehandelt hat, zeigt sich auch darin, dass sich die Zahnersatzbehandlung in der Türkei über mehrere Wochen erstreckte. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der beschränkten Kaufähigkeit der Klägerin mit dem Provisorium, denn diese Einschränkung der Kaufähigkeit war bedingt durch die Zahnersatzbehandlung, nicht jedoch durch die Schmerzbehandlung. Gegen einen Notfall spricht auch, dass sich die Klägerin bereits Anfang des Jahres 2011 bei den genannten drei Zahnärzten um einen HKP bemühte, ein solcher jedoch zumindest von Dr. Br. mangels Indikation hierfür abgelehnt wurde. Auch der behauptete Anruf der Klägerin bei der Beklagten im April 2011 macht deutlich, dass die Klägerin beabsichtigte, in der Türkei die Zahnersatzbehandlung durchführen zu lassen und es sich insoweit nicht um einen Notfall handelte.

Darauf, ob der von der Klägerin für den Zahnersatz aufgewendete Betrag niedriger war, als der von der Beklagten für eine genehmigte Behandlung zu gewährende Festzuschuss, kommt es nicht an.

Auch eine Zusicherung hat die Beklagte nicht erteilt. Der Inhalt des von der Klägerin nach ihren Angaben mit der Beklagten vor der Türkeireise geführten Telefongesprächs ist insoweit ohne Belang. Eine Zusicherung bedarf nach § 34 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) zu ihrer Wirksamkeit der schriftlichen Form. Hieran fehlt es.

Eine Bindung der Beklagten ergibt sich auch nicht auf der Grundlage der in der Vergangenheit erfolgten Erstattungen. Bei den Erstattungen handelt es sich jeweils um eine Einzelfallentscheidung. Darüber hinaus unterscheidet sich die in der Vergangenheit vorgenommene Erstattung durch die Beklagte von der nunmehr begehrten Erstattung dadurch, dass im Jahr 2007 nach den Angaben der Klägerin ein "Kostenvoranschlag" vorlag.

dd) Im Übrigen stehen einem Anspruch der Klägerin auch die Vorschriften des Abkommens entgegen.

Die nationale Rechtsordnung kann - wie auch der "soweit"-Halbsatz in § 16 Abs. 1 Nr. 1 SGB V ausspricht - durch vorrangige Regelungen des supranationalen Rechts sowie durch Regelungen internationalen Rechts überlagert oder ergänzt werden (vgl. § 30 Abs. 2 SGB I, § 6 Viertes Buch Sozialgesetzbuch [SGB IV]), dies mit der Folge, dass Versicherte unter bestimmten Voraussetzungen auch Ansprüche haben können, die unter Berücksichtigung allein der nationalen Rechtsordnung nicht bestünden (BSG, Urteil vom 24. Mai 2007 - B 1 KR 18/06 R -, in juris).

Die Vorschriften des SGB V werden hier durch die Vorschriften des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Türkei über soziale Sicherheit vom 30 April 1964 (BGBl. 1965 II, S. 1170) in der Fassung des Änderungsabkommens vom 28. Mai 1969 (BGBl. 1972 II, S. 2), des Zwischenabkommens vom 25. Oktober 1974 (BGBl. 1975 II, S, 374) und des Zusatzabkommens vom 2. November 1984 (BGBl. II 1986, S, 1040) überlagert und ergänzt. Das Abkommen bezieht sich u.a. auf die deutschen und die türkischen Rechtsvorschriften über die Krankenversicherung. Voraussetzung eines Anspruchs nach dem Abkommen ist deshalb, dass die Klägerin einen Primärleistungsanspruch auf die Leistung in Deutschland hat.

Nach Art. 4a Satz 1 des Abkommens gelten, soweit dieses Abkommen nichts anderes bestimmt, die Rechtsvorschriften einer Vertragspartei, nach denen die Entstehung von Ansprüchen auf Leistungen oder die Gewährung von Leistungen oder die Zahlung von Geldleistungen vom Aufenthalt im Gebiet dieser Vertragspartei abhängig ist, nicht für die in Art. 4 genannten Personen (unter anderem Staatsangehörige der anderen Vertragspartei), die sich im Gebiet der anderen Vertragspartei aufhalten. Nach Art. 12 Abs. 1 des Abkommens gilt (bei Versicherungen für den Fall der Krankheit und Mutterschaft) Art. 4a des Abkommens auch für eine Person, a) die, nachdem der Versicherungsfall eingetreten ist, ihren Aufenthalt in das Gebiet der anderen Vertragspartei verlegt hat, nur, wenn der zuständige Träger der Verlegung des Aufenthalts vorher zugestimmt hat, b) bei der der Versicherungsfall während des vorübergehenden Aufenthalts im Gebiet der anderen Vertragspartei eingetreten ist, nur, wenn sie wegen ihres Zustands sofort Leistungen benötigt, c) bei der der Versicherungsfall nach dem Ausscheiden aus der Versicherung eingetreten ist, nur, wenn sie sich in das Gebiet der anderen Vertragspartei begeben hat, um eine ihr angebotene Beschäftigung anzunehmen.

Diese Vorgaben des Abkommens liegen hier nicht vor. Bezüglich des Art. 12 Abs. 1a des Abkommens fehlt es an der von der Beklagten vorab erteilten Zustimmung. Nach ihren Angaben hat die Klägerin zwar im Frühjahr 2011 mit der Beklagten wegen der Behandlung telefoniert, eine Zustimmung der Beklagten zur Versorgung mit Zahnersatz wurde hierbei jedoch nicht erteilt. Ob Art. 12 Abs. 1a des Abkommens auch daran scheitert, dass die Klägerin ihren Aufenthalt nicht auf Dauer in das Gebiet der anderen Vertragspartei verlegt hat (vgl. Landessozialgericht Berlin, Urteil vom 29. Mai 2002 - L 9 KR 63/00 -, in juris), kann angesichts dessen offenbleiben. Hinsichtlich des Art. 12 Abs. 1b des Abkommens fehlt es an der Notwendigkeit von "Sofortleistungen". Der Begriff "Sofortleistungen" ist ähnlich wie das in § 13 Abs. 3 erste Alternative SGB V verwendete Merkmal einer "unaufschiebbaren" Leistung auszulegen (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 24. Mai 2007 - B 1 KR 18/06 R -, a.a.O.). Eine Leistung ist unaufschiebbar, wenn eine Leistungserbringung im Zeitpunkt ihrer tatsächlichen Durchführung so dringlich ist, dass aus medizinischer Sicht keine Möglichkeit eines nennenswerten zeitlichen Aufschubs bis zu einer Entscheidung der Krankenkasse mehr besteht. Eine solche medizinische Unaufschiebbarkeit oder Dringlichkeit hat hier - wie bereits ausgeführt - nicht vorgelegen. Die Klägerin hat die Versorgung mit Zahnersatz nicht sofort benötigt. Auch die Voraussetzungen des Art. 12 Abs. 1c des Abkommens liegen nicht vor, da der Versicherungsfall nicht nach dem Ausscheiden der Klägerin aus der Versicherung eingetreten ist, die Klägerin war zumindest während der durchgeführten Behandlung bei der Beklagten versichert.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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