L 11 KR 2435/14 ER-B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 8 KR 748/14 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 KR 2435/14 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Konstanz vom 25.04.2014 wird zurückgewiesen.

Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird abgelehnt.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Der Antragsteller begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Übernahme von Kosten für eine extrakorporale Photopheresebehandlung.

Der 1953 geborene Antragsteller ist bei der Antragsgegnerin freiwillig krankenversichert. Seit 2003 leidet er an einer Muskelerkrankung mit Muskelzellzerfall, wobei die Ursache für die Muskeldystrophie mit langsam voranschreitender Tetraparese nicht bekannt ist.

Vom 05.05. bis 02.06.2009 nahm der Antragsteller an einer medizinischen Rehabilitation in den Kliniken Sch. teil. Dort wurde eine degenerative myofibrilläre Myopathie diagnostiziert. Die Gehstrecke konnte während der Rehabilitation von anfangs 100 Meter auf 500 Meter verbessert werden. Vom 25.01. bis 03.02.2010 und vom 23.08. bis 28.08.2011 wurde der Antragsteller stationär in der Universitätsklinik M. behandelt und eine nicht näher zuordenbare myofibrilläre Mypopathie sowie eine axonale Polyneuropathie diagnostiziert. Vom 27.09. bis 07.10.2011 befand sich der Antragsteller erneut zur stationären Behandlung in den Kliniken Sch. wegen Verschlechterung der Schmerzen. Vom 15.11. bis 30.11.2012 wurde der Antragsteller stationär in der neurologischen Universitätsklinik Ulm behandelt, wo eine amyotrophe Lateralsklerose diagnostiziert wurde. Die Gehstrecke betrug noch 50 Meter. Eine nachfolgende molekulargenetische Untersuchung an der dortigen Klinik ergab jedoch keinen Hinweis auf eine familiäre amyotrophe Lateralsklerose (Bericht vom 10.12.2012). Eine ambulante Vorstellung in den Kliniken Sch. am 11.01.2013 zeigte eine weitere Symptomverschlechterung.

Seit Anfang 2012 lässt sich der Antragsteller durch die private Labor-Praxisklinik GbR Dr. K. und Partner in M. mittels extrakorporaler Photopherese ambulant behandeln. Dr. K. ist nicht zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Bei der extrakorporalen Photopherese handelt es sich um eine Form der Photochemotherapie. Leukozyten werden über eine Zentrifuge vom Vollblut getrennt und in Kombination mit einer photosensibilisierenden Substanz mit UVA bestrahlt. Anschließend werden diese Zellen dem Patienten rückinfundiert (sog Blutwäsche).

Unter Vorlage eines Attestes seines behandelnden Internisten Dr. W. vom 07.03.2012 beantragte der Antragsteller bei der Antragsgegnerin die Kostenübernahme für die extrakorporale Photopheresebehandlung. Es wurde ausgeführt, dass diese Behandlung bei der Schwester des Antragstellers, die an einer ähnlichen Erkrankung leide, sehr erfolgreich gewesen sei.

Die Antragsgegnerin holte ein Gutachten beim Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) ein. Dr. We. führte in dem Gutachten vom 16.05.2012 aus, dass es sich nicht um eine etablierte Behandlung handele. Über ausreichende Studien zur Behandlung der Myopathie mit Photopherese lägen ihm keine Informationen vor. Eine Kostenübernahme könne nicht empfohlen werden. Mit Schreiben vom 25.05.2012 lehnte die Antragsgegnerin die Kostenübernahme für die Behandlung ab.

Nachdem der Kläger sich mit Schreiben vom 22.01.2013 erneut an die Antragsgegnerin gewandt hatte, holte diese ein weiteres Gutachten des MDK ein. Im Gutachten vom 14.03.2013 führte Dr. N. aus, die Photopherese sei als ambulant erbringbare Leistung nicht im Einheitlichen Bewertungsmaßstab für ärztliche Leistungen (EBM) vorgesehen. Diese Behandlung sei indiziert bei verschiedenen Hauterkrankungen. Beim Antragsteller lägen Hinweise auf eine Autoimmunerkrankung vor, die letzte Diagnosesicherheit stehe aus. Eine lebensbedrohliche Erkrankung liege nicht vor, jedoch sei die Lebensqualität eingeschränkt (Lähmung, Schmerzen). Mit Bescheid vom 26.07.2013 lehnte die Antragsgegnerin die Kostenübernahme erneut ab.

Am 28.10.2013 begehrte der Antragsteller weiterhin die Kostenübernahme und legte ein Schreiben von Dr. W. vom 25.10.2013 vor. Darin wird ausgeführt, dass sich das Krankheitsbild des Antragstellers nicht sicher einordnen lassen. Die Photopherese habe einen stabilisierenden Effekt und solle daher übernommen werden. In einem Bericht vom 17.10.2013 führt der Lungenfacharzt Dr. Ka. aus, dass nach intensivierter Photopherese eine bessere Belastbarkeit bestehe, die Atmung sei leichter und noch vorhandene Muskulatur könne erhalten werden.

In einem weiteren MDK-Gutachten vom 20.12.2013 führte Dr. N. aus, die beim Antragsteller bestehenden Verdachtsdiagnosen seien auf der Internetseite von Dr. K. nicht als Indikationen für eine extrakorporale Photopherese aufgeführt. Eine akut lebensbedrohliche oder vergleichbare Situation liege beim Antragsteller nicht vor. Die schulmedizinische Diagnostik sei ausgeschöpft, es solle übende Therapie (Krankengymnastik, Ergotherapie, physikalische Therapie) hochfrequent angewandt werden. Zwar berichte der Antragsteller über eine subjektive Besserung, die Wirksamkeit sei jedoch nicht in kontrollierten Studien nachgewiesen. Mit Bescheid vom 10.01.2014 lehnte die Antragsgegnerin die Kostenübernahme für die Behandlung erneut ab. Den dagegen eingelegten Widerspruch wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 26.02.2014 zurück.

Am 05.03.2014 hat der Antragsteller dagegen Klage zur Sozialgericht Konstanz (SG) erhoben (S 8 KR 747/14) und zugleich Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz gestellt. Er fahre seit 2012 etwa alle zwei Wochen nach M. zu Dr. K. und erhalte dort eine Doppel-Photopherese. Bisher seien die monatlichen Behandlungskosten von ca. 2.500 EUR durch Spendengelder finanziert worden. Da dies nicht immer so weiterlaufe, sehe er die Gefahr, dass er die Behandlung nicht mehr erhalten könne.

Das SG hat die behandelnden Ärzte schriftlich als sachverständige Zeugen befragt. Dr. K. hat ausgeführt, die extrakorporale Photopherese sei ursprünglich zur Behandlung der T-Zell Leukämie erfunden worden. Sie werde inzwischen vermehrt und nicht ohne Erfolg zur Behandlung autoimmuner Erkrankungen eingesetzt. Nach seiner Beobachtung verschlechtere sich die muskuläre Situation beim Antragsteller weiter, so dass er diesem eine Unterbrechung der Behandlung bereits anheimgestellt habe (Schreiben vom 24.03.2014). Dr. W. hat unter dem 03.04.2014 ausgeführt, die Photopherese habe zu einer Beschwerdelinderung geführt, auch wenn die weitere Muskelatrophie damit nicht habe aufgehalten werden können. Der Lungenfacharzt Dr. Ka. hat mitgeteilt, dass es zu einer konstanten Verschlechterung des Allgemeinbefindens, der Lungenfunktion und der Atemmuskelpumpfunktion gekommen sei. Die intensivierte Photopherese habe die Lungenfunktion aber verbessert.

Mit Beschluss vom 25.04.2014 hat das SG nach Durchführung eines Erörterungstermins am 23.04.2014 den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt. Der für den Erlass einer einstweiligen Anordnung erforderliche Anordnungsanspruch sei nicht glaubhaft gemacht. Die extrakorporale Photopheresebehandlung bei Muskelatrophie bzw Myopathie sei für die ambulante Behandlung in Deutschland nicht zugelassen. Eine nach § 135 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) erforderliche positive Empfehlung des Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA) für diese neue Behandlungsmethode liege nicht vor. Nach § 2 Abs 1a SGB V könnten Versicherte mit einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung oder mit einer zumindest wertungsmäßig vergleichbaren Erkrankung, für die eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Stand entsprechende Leistung nicht zur Verfügung stehe, auch dann eine Leistung beanspruchen, wenn eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbar positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf bestehe. Der Gesetzgeber habe in der Gesetzesbegründung eine notstandsähnliche Situation gefordert, die nur dann vorliege, wenn nach den konkreten Umständen des Einzelfalls drohe, dass sich der tödliche Krankheitsverlauf bzw der nicht kompensierbare Verlust eines wichtigen Sinnesorgans oder einer herausgehobenen Körperfunktion innerhalb eines kürzeren, überschaubaren Zeitraums wahrscheinlich verwirklichen werden (unter Hinweis auf BT-Drucks 17/6906 S 53). Eine solche notstandsähnliche Situation liege hier nicht vor. Der Antragsteller leide seit 2003 an voranschreitender Muskelerkrankung, seine Gehstrecke sei seit längerem deutlich eingeschränkt. Aufgrund der langsamen Progredienz der Erkrankung lasse sich eine aktuell lebensbedrohliche Lage nicht ableiten; Dr. W. verneine ausdrücklich einen in überschaubarem Zeitraum drohenden tödlichen Krankheitsverlauf. Hinzu komme, dass der erforderlichen Aussicht auf Heilung oder spürbare Besserung zumindest zum jetzigen Zeitpunkt entgegenstehe, dass sogar der behandelnde Arzt Dr. K. wegen weiterer Verschlechterung der muskulären Situation die Photopheresebehandlung nicht mehr empfehle bzw deren Erfolg in Frage stelle. Es stünden zudem allgemein anerkannte Behandlungsmethoden zur Verfügung, soweit dies bei dem Krankheitsbild überhaupt möglich sei. Nach übereinstimmenden Angaben der Ärzte sei eine kausale Therapie nicht möglich, es lasse sich allenfalls die Progredienz abmildern. Eine solche Abmilderung könne auch eine stationäre Rehabilitation erreiche, wie auch der Reha-Entlassungsbericht aus dem Jahr 2009 zeige.

Gegen den ihm am 30.04.2014 zugestellten Beschluss richtet sich die am 28.05.2014 beim SG zu Protokoll eingelegte Beschwerde des Antragstellers. Da er keine Photopheresebehandlung mehr bekomme, habe sich sein Gesundheitszustand verschlechtert. Er habe Muskelschmerzen und die Muskulatur bilde sich zurück. Sein Hausarzt Dr. Ka. unterstütze den Antrag.

Die Antragsgegnerin ist dem Antrag entgegengetreten und hat ausgeführt, es handele sich um einen nicht zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Arzt, um eine nicht zugelassene Methode und um keine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödliche oder damit wertungsmäßig vergleichbare Erkrankung.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und die Verwaltungsakten der Antragsgegnerin Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

Die gemäß § 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist statthaft (§ 172 Abs 1, Abs 3 Nr 1 SGG) und damit zulässig, in der Sache aber nicht begründet. Das SG hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zu Recht abgelehnt.

Nach § 86b Abs 2 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache, soweit nicht ein Fall des Abs 1 vorliegt, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Satz 2). Vorliegend kommt nur eine Regelungsanordnung nach § 86b Abs 2 Satz 2 SGG in Betracht. Der Antragsteller verlangt die Übernahme der Kosten für die Photopheresebehandlung bei Dr. K.

Der Erlass einer einstweiligen Anordnung verlangt grundsätzlich eine wenigstens summarische Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache sowie die Erforderlichkeit einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung. Die Erfolgsaussicht des Hauptsacherechtsbehelfs (Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit der angestrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs 2 Satz 4 SGG iVm § 920 Abs 2 der Zivilprozessordnung (ZPO)); dabei sind die insoweit zu stellenden Anforderungen umso niedriger, je schwerer die mit der Versagung vorläufigen Rechtsschutzes verbundenen Belastungen - insbesondere mit Blick auf ihre Grundrechtsrelevanz - wiegen (vgl Bundesverfassungsgericht (BVerfG) 25.07.1996, 1 BvR 638/96, NVwZ 1997, 479; BVerfG 12.05.2005, 1 BvR 569/05, NVwZ 2005, 927 = Breithaupt 2005, 803). Maßgebend für die Beurteilung der Anordnungsvoraussetzungen sind regelmäßig die Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Eilentscheidung.

Im einstweiligen Rechtschutzverfahren sollen überdies nur diejenigen Mittel zur Verfügung gestellt werden, die zur Behebung einer aktuellen, dh noch gegenwärtigen Notlage erforderlich sind. Nur ausnahmsweise, wenn die Nichtgewährung der Leistung in der Vergangenheit in die Gegenwart fortwirkt und infolgedessen eine aktuelle Notlage besteht, kann von diesem Grundsatz eine Ausnahme gemacht werden. Bei Geldleistungen, die ausschließlich für die Vergangenheit begehrt werden, fehlt deshalb idR der Anordnungsgrund (Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen 02.10.2013, L 19 AS 1521/13 B ER, L 19 AS 1522/13 B, juris; SächsLSG 31.01.2008, L 3 B 465/07 AS-ER, juris; st Rspr des Senats speziell für Krankengeld, vgl zuletzt Beschluss vom 10.02.2014, L 11 KR 122/14 ER-B, mwN).

Vor diesem Hintergrund bestünde schon kein Anordnungsgrund für die in der Vergangenheit seit 2012 angefallenen Kosten. Ob der Antragsteller diese (nicht konkret bezifferten) Kosten im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes überhaupt geltend macht, ist nicht ganz klar, zumal die bisher entstandenen Kosten wohl über Spendengelder finanziert worden sind. Insoweit wäre es dem Antragsteller ohne Weiteres zumutbar, das Ergebnis des Klageverfahrens abzuwarten.

Im Vordergrund des hiesigen Verfahrens steht jedoch der geltend gemachte Anspruch auf Gewährung der Photopheresebehandlung für die Zukunft. Diesbezüglich besteht indes kein Anordnungsanspruch.

Nach § 27 Abs 1 Satz 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfasst ua die ärztliche Behandlung sowie die Versorgung mit Arzneimitteln (§ 27 Abs 1 Satz 2 Nrn 1 und 3 SGB V) durch zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung berechtigte Behandler (§ 76 Abs 1 Satz 1 SGB V). Der Anspruch auf Krankenbehandlung umfasst jedoch nur solche Leistungen, die ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sind und deren Qualität und Wirksamkeit dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechen (§§ 2 Abs 1 und 12 Abs 1 SGB V). Dies ist bei neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden in der vertragsärztlichen Versorgung gemäß § 135 Abs 1 Satz 1 SGB V nur dann der Fall, wenn der GBA in Richtlinien nach § 92 Abs 1 Satz 2 Nr 5 SGB V eine positive Empfehlung über den diagnostischen und therapeutischen Nutzen der Methode abgegeben hat. Durch Richtlinien nach § 92 Abs 1 Satz 2 Nr 5 iVm § 135 Abs 1 SGB V wird nämlich nicht nur geregelt, unter welchen Voraussetzungen die zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Leistungserbringer (Ärzte, Zahnärzte usw) neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden zu Lasten der Krankenkassen erbringen und abrechnen dürfen. Vielmehr wird durch diese Richtlinien auch der Umfang der den Versicherten von den Krankenkassen geschuldeten ambulanten Leistungen verbindlich festgelegt. Die Krankenkassen sind deshalb nicht bereits dann leistungspflichtig, wenn die streitige Therapie nach eigener Einschätzung der Versicherten oder der behandelnden Ärzte positiv verlaufen ist oder einzelne Ärzte die Therapie befürwortet haben (Bundessozialgericht (BSG) 03.07.2012, B 1 KR 6/11 R, BSGE 111, 137).

"Neu" ist eine Methode, wenn sie nicht als abrechnungsfähige ärztliche Leistung im EBM enthalten ist (BSG 05.05.2009, B 1 KR 15/08 R, SozR 4-2500 § 27 Nr 16 mwN). Gemessen daran ist die extrakorporale Photopherese neu. Es fehlt auch an der nach § 135 Abs 1 Satz 1 SGB V erforderlichen befürwortenden Entscheidung des GBA, ohne die neue Behandlungsmethoden von den gesetzlichen Krankenkassen nicht gewährt werden können.

Ein Ausnahmefall des Systemversagens liegt nicht vor. Ungeachtet des in § 135 Abs 1 SGB V aufgestellten Verbots mit Erlaubnisvorbehalt kann nach der Rechtsprechung des BSG eine Leistungspflicht der Krankenkasse ausnahmsweise dann bestehen, wenn die fehlende Anerkennung einer neuen Untersuchungs- oder Behandlungsmethode darauf zurückzuführen ist, dass das Verfahren vor dem GBA trotz Erfüllung der für eine Überprüfung notwendigen formalen und inhaltlichen Voraussetzungen nicht oder nicht zeitgerecht durchgeführt wurde. Diese Durchbrechung beruht darauf, dass in solchen Fällen die in § 135 Abs 1 SGB V vorausgesetzte Aktualisierung der Richtlinien rechtswidrig unterblieben ist und deshalb die Möglichkeit bestehen muss, das Anwendungsverbot erforderlichenfalls auf andere Weise zu überwinden (BSG 07.11.2006, B 1 KR 24/06 R, SozR 4-2500 § 27 Nr 12 mwN). Ein solcher Fall des Systemversagens liegt hier nicht vor. Der GBA hat sich bereits mit therapeutischen Hämapheresen (selektive Verfahren mit Plasmadifferentialtrennung) befasst, allerdings nur für LDL-Apheresen bei bestimmten Indikationen und für Immunapheresen bei aktiver rheumatoider Arthritis unter bestimmten weiteren Voraussetzungen eine Anerkennung für den vertragsärztlichen Bereich ausgesprochen (Beschluss des GBA vom 24.03.2003).

Der Antragsteller kann seinen Anspruch auch nicht auf den in Umsetzung der Rechtsprechung des BVerfG zur Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung für neue Behandlungsmethoden in Fällen einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung (BVerfG 06.12.2005, 1 BvR 347/98, BVerfGE 115, 25 = SozR 4-2500 § 27 Nr 5; BSG 07.11.2006, B 1 KR 24/06 R, SozR 4-2500 § 25 Nr 12) eingeführten § 2 Abs 1a SGB V stützen. Der Gesetzgeber hat den vom BVerfG formulierten Anforderungen an eine grundrechtsorientierte Auslegung der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung in Bezug auf neue Behandlungsmethoden im Fall einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen oder zumindest wertungsmäßig vergleichbaren Erkrankung, für die eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Behandlung nicht zur Verfügung steht, mit dem am 01.01.2012 in Kraft getretenen § 2 Abs 1a SGB V (Gesetz vom 22.11.2011, BGBl I 22983) Rechnung getragen. Eine Leistungsverweigerung der Krankenkasse unter Berufung darauf, eine neue ärztliche Behandlungsmethode sei ausgeschlossen, weil der GBA diese nicht anerkannt habe, verstößt dann gegen das Grundgesetz, wenn folgende drei Voraussetzungen kumulativ erfüllt sind:

1. Es liegt eine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödlich verlaufende oder zumindest wertungsmäßig vergleichbare Erkrankung vor; 2. bezüglich dieser Krankheit steht eine allgemein anerkannte, medizinischem Standard entsprechende Behandlung nicht zur Verfügung und 3. bezüglich der beim Versicherten ärztlich angewandten (neuen, nicht allgemein anerkannten) Behandlungsmethode besteht eine "auf Indizien gestützte" nicht ganz fern liegende Aussicht auf Heilung oder wenigstens auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf.

Der Antragsteller leidet seit 2003 an einer Muskeldystrophie mit langsam progredienter Tetraparese, ohne dass die genaue Krankheitsursache bekannt wäre. Ob eine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödlich verlaufende Erkrankung oder wertungsmäßig damit vergleichbare Erkrankung im Sinne dieser Vorschrift vorliegt, lässt der Senat im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes offen. Zwar trifft es zu, dass alle degenerativen Muskelerkrankungen einen schicksalhaften Verlauf nehmen. Vorausgesetzt wird in § 2 Abs 1a SGB V jedoch eine notstandsähnliche Situation, die nur dann vorliegt, wenn nach den konkreten Umständen des Einzelfalls droht, dass sich der tödliche Krankheitsverlauf bzw der nicht kompensierbare Verlust eines wichtigen Sinnesorgans oder einer herausgehobenen Körperfunktion innerhalb eines kürzeren, überschaubaren Zeitraums wahrscheinlich verwirklichen wird (BVerfG 26.03.2014, 1 BvR 2415/13, juris; BSG 14.12.2006, B 1 KR 12/06 R, SozR 4-2500 § 31 Nr 8; BT-Drucks 17/6906 S 53). Ein derartiger Fall liegt hier angesichts der langsamen Progredienz seit 2003 nicht vor, wie das SG zutreffend festgestellt hat. Auch derzeit besteht nicht die Gefahr, dass innerhalb eines kürzeren, überschaubaren Zeitraums eine derartige Verschlechterung einzutreten droht. Dies bestätigen insbesondere auch die vom SG befragen behandelnden Ärzte Dr. W. und Dr. Ka. Andererseits ist beim derzeitigen Stand der Diagnostik aber nicht ausgeschlossen, dass es sich um eine Erkrankung handelt, die generell mit einer erheblich verkürzten Lebenserwartung einhergeht (vgl zu diesem Gesichtspunkt BVerfG 06.12.2005, aaO).

Unabhängig davon, dass zumindest fraglich ist, ob eine lebensbedrohliche, regelmäßig tödlich verlaufende oder wertungsmäßig gleichzustellende Erkrankung iSv § 2 Abs 1a SGB V vorliegt, sind hier - soweit eine Behandlung bei dem unklaren Krankheitsbild überhaupt möglich ist - Standardtherapien vorhanden. Die Frage, ob eine alternative Behandlungsmethode von der gesetzlichen Krankenversicherung zu finanzieren ist, darf nicht losgelöst davon betrachtet werden, was die anerkannte medizinischem Standard entsprechende Behandlung zu leisten vermag und was die alternative Behandlung zu leisten vorgibt (BVerfG 26.02.2013, 1 BvR 2045/12, juris). Zur Frage, ob eine Behandlung mit Mitteln der Schulmedizin in Betracht kommt und inwieweit Behandlungsalternativen zur Verfügung stehen, ist zunächst das konkrete Behandlungsziel zu klären. Bietet die Schulmedizin nur palliative Behandlungsmöglichkeiten an, weil sie jede Möglichkeit einer kurativen Behandlung als aussichtslos betrachtet, kommt ein Anspruch auf eine alternative Behandlungsmethode allerdings nur dann in Betracht, wenn eine auf Indizien gestützte Aussicht auf einen über die palliative Standardtherapie hinausreichenden Erfolg besteht. Versicherte dürfen nicht auf eine nur die Linderung von Krankheitsbeschwerden zielende Standardtherapie verwiesen werden, wenn durch eine Alternativbehandlung eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung besteht. Rein experimentelle Behandlungsmethoden, die nicht durch hinreichende Indizien gestützt werden können, reichen allerdings nicht aus.

Eine Heilung der Erkrankung des Antragstellers ist nach übereinstimmender Aussage seiner behandelnden Ärzte derzeit nicht möglich. Zur allein in Betracht kommenden Verlangsamung der Progredienz der Erkrankung können nach den Gutachten des MDK auch übende Verfahren in hoher Frequenz eingesetzt werden (Dr. N. vom 20.12.2013) oder stationäre Heilverfahren (so die Empfehlung der Kliniken Sch. im Arztbrief vom 15.01.2013).

Schließlich fehlt es auch an der dritten Voraussetzung, dass eine auf Indizien gestützte nicht ganz fern liegende Aussicht wenigstens auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf bezüglich der hier angewandten Photopherese besteht. Dr. K. hat die Behandlung im Wege eines individuellen Heilversuchs durchgeführt. Inzwischen zweifelt er wohl selbst nach weiterer Verschlechterung der muskulären Situation an der Sinnhaftigkeit der Fortführung der Behandlung, wie seinem Schreiben an das SG vom 24.03.2014 entnommen werden kann. Studien zur Anwendung der Photopherese bei Muskeldystrophie sind nicht ersichtlich. Neben der Behandlung des kutanen T-Zell-Lymphoms wird das Therapieverfahren auch zur Behandlung bei Transplantat gegen Wirt-Reaktion (Graft-versus-host-Disease), der Sklerodermie, bei Bullösen Autoimmundermatosen, beim atopischen Ekzem und beim Lichen ruber erosivus eingesetzt (vgl MDK-Gutachten Dr. We. vom 16.05.2012; S1 Leitlinie - extrakorporale Photopherese der Arbeitsgemeinschaft Dermatologische Onkologie (http://ado-homepage.de/leitlinien/)). Auch auf der Homepage von Dr. K. sind die beim Antragsteller vorliegenden (Verdachts)diagnosen nicht als Indikationen für die extrakorporale Photopherese genannt. Dr. Ka. hat die Behandlung in seiner Aussage vom 03.04.2014 als experimentelle Therapie bezeichnet. Zwar haben sich der Hausarzt Dr. W. und der Lungenfacharzt Dr. Ka. im Hinblick auf eine gebesserte Lungenfunktion in zeitlichem Zusammenhang mit einer intensivierten Photopheresebehandlung für die Fortführung der Therapie ausgesprochen, wissenschaftliche Anknüpfungspunkte für eine Wirksamkeit der Behandlung liegen indes nicht vor.

Der angefochtene Beschluss des SG ist nach alledem nicht zu beanstanden. Anspruch auf Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren besteht nicht, da die Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 73a SGG iVm § 114 Abs 1 Satz 1 Zivilprozessordnung).

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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