Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
17
1. Instanz
SG Würzburg (FSB)
Aktenzeichen
S 5 U 67/98
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 17 U 90/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 2 U 360/03 B
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 31.01.2001 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Anerkennung und Entschädigung einer Berufskrankheit (BK) nach Nr.2108 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung (BKV) streitig.
Der am 1950 geborene Kläger hatte nach Abschluss einer Lehre als Fliesenleger fortwährend in diesem Beruf - mit Unterbrechungen durch Arbeitslosigkeit - gearbeitet. Zuletzt war er seit Juli 1990 bei der Firma H. GmbH beschäftigt. Die Arbeiten wurden in gebückter Haltung und knieend ausgeführt. Sie waren mit Heben und Tragen von Lasten, insbesonders von Fliesenpaketen, Heraklithplatten, Zement-, Mörtel- und Estrichsäcken verbunden. 1987 machte der Kläger erstmals Rücken- und Hüftgelenksbeschwerden geltend. Seit 25.04.1994 war er arbeitsunfähig krank, seit September 1995 arbeitslos.
Die Beklagte zog Befundberichte des Orthopäden Dr.B. vom 14.12.1994/10.02.1995/25.04.1995, ein Gutachten des Orthopäden Dr.R. (für die LVA Unterfranken) vom 14.06.1995, die ärztlichen Unterlagen der LVA Unterfranken und eine Krankheitenauskunft der AOK Aschaffenburg vom 26.05.1995 zum Verfahren bei und ließ von Dr.R. ein orthopädisches Gutachten vom 11.06.1996 erstellen. Dieser diagnostizierte eine leichte Wirbelsäulenfehlstatik, deutlich degenerative Veränderungen der Hals-, Brust- und Lendenwirbelsäule (HWS, BWS, LWS) sowie einen konstitutionell engen Spinalkanal lumbal mit Bandscheibenprotrusionen L3/L4 und L4/L5 und hob besonders die degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule in allen Abschnitten hervor. Eine lumbale Wurzelreizsymptomatik hielt er nicht für nachgewiesen. Dieses Beschwerdebild sei nicht berufsabhängig, da es sich um degenerative altersphysiologische Verschleißerscheinungen handele.
Die Beklagte vertrat in der Stellungnahme vom 13.06.1997 die Auffassung, dass unter Berücksichtigung der Dokumentation des Belastungsumfanges eines Fliesenlegers durch die Arbeitsgemeinschaft der Bau-Berufsgenossenschaften sich kein Abweichen der beruflichen Tätigkeit des Klägers von den in dieser Dokumentation aufgeführten Belastungsumfängen und Belastungsarten ergebe. Eine gefährdende Tätigkeit im Sinne der BK Nr.2108 habe deshalb bei dem als Fliesenleger tätigen Kläger nicht vorgelegen.
Mit Bescheid vom 28.10.1996 lehnte die Beklagte die Anerkennung und Entschädigung einer Wirbelsäulenerkrankung als BK nach Nr.2108 mit der Begründung ab, die bestehenden degenerativen Veränderungen an allen drei Wirbelsäulenabschnitten seien nicht auf berufliche Tätigkeiten zurückzuführen (bestätigt durch Widerspruchsbescheid vom 21.01.1998).
Gegen diese Bescheide hat der Kläger Klage zum SG Würzburg erhoben und beantragt, die Wirbelsäulenerkrankung ab Berufsaufgabe als BK nach Nr.2108 zu entschädigen und Verletztenrente nach einer MdE von mindestens 20 v.H. zu gewähren. Das SG hat ein Gutachten der Orthopädin C. vom 06.05.1999 veranlasst, in dem diese auf ein rezidivierendes Lumbago ohne Funktionseinschränkung und ohne anhaltende Wurzelirritation bei computertomographisch nachgewiesenem anlagebedingt engem Spinalkanal und Bandscheibenvorwölbung L3/4 und L4/5 hingewiesen hat. In allen Wirbelsäulenabschnitten ließen sich degenerative Veränderungen nachweisen. Bedeutsamer für das Beschwerdebild sei aber der zweifellos anlagebedingte enge Spinalkanal, der zu den geklagten Beschwerden geführt habe. Eine berufliche Verursachung könne nicht angenommen werden. Auf Veranlassung des Klägers hat PD Dr.S. am 27.06.2000 ein orthopädisches Gutachten nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) erstellt. Er hat die nachgewiesenen Bandscheibenschäden zwischen LWK 3/4 und LWK 4/5 sowie in geringerem Umfang auch zwischen LWK 5/S1 angesprochen. Dabei hat er im Arbeitsleben des Klägers eine genügende Exposition wirbelsäulenbelastender Tätigkeiten unterstellt. Degenerative Veränderungen der HWS hat er nicht gefunden. Die vorliegenden degenerativen Veränderungen der BWS könnten im Rahmen wirbelsäulenbelastender Tätigkeiten entstanden sein. Auch sei nicht der enge Spinalkanal Ursache für die Beschwerden, sondern die später hinzugekommenen degenerativen Veränderungen. Damit liege beim Kläger eine Funktionsbeeinträchtigung der LWS vor mit häufigen radikulären Ausstrahlungen, jedoch ohne Nervenausfälle. Sie sei bis zur Aufgabe der Berufstätigkeit (September 1995) mit einer MdE von 20 v.H., anschließend aufgrund Befundbesserung mit 10 v.H. zu bewerten. Die Beklagte hat dem mit Stellungnahme des Chirurgen Dr.E. vom 08.08.2000 widersprochen.
Mit Urteil vom 31.01.2001 hat das SG die Klage abgewiesen und sich im Wesentlichen auf die Ausführungen der Sachverständigen C. gestützt.
Hiergegen hat der Kläger Berufung eingelegt und einen Arztbericht des Dr.E. vom 12.11.2002 vorgelegt.
Der Senat hat einen Befundbericht des Allgemeinarztes K. von 08.08.2001, die einschlägigen Röntgen- und CT-Aufnahmen zum Verfahren beigezogen und ein Gutachten des Orthopäden Prof.Dr.B. vom 25.07.2002/14.2.2003 eingeholt. Dieser hat als Diagnosen ein LWS-Syndrom ohne Funktionseinschränkung und ohne radikuläre Symptomatik neben computertomographisch nachgewiesenem, anlagebedingtem engen Spinalkanal, Bandscheibenprotrusionen L3/L4 und L4/L5 sowie eine Spondylosis hyperostotica der BWS ohne wesentliche Funktionseinschränkung angegeben. Einen Zusammenhang der degenerativen Wirbelsäulenveränderungen mit der Berufsausübung hat er mit der Begründung verneint, im Bereich der gesamten Wirbelsäule lägen degenerative Verschleißerscheinungen vor. Es imponiere ein chronisch-degeneratives Schadensmuster ohne objektivierbare ausgeprägte Funktionseinschränkungen.
Der Kläger beantragt, die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des SG Würzburg vom 31.01.2001 sowie des Bescheides vom 28.10.1996 i.d.F. des Widerspruchsbescheides vom 21.01.1998 zu verurteilen, die Wirbelsäulenerkrankung ab Berufsaufgabe als BK nach Nr.2108 der Anlage 1 zur BKV anzuerkennen und zu entschädigen, hilfsweise ein weiteres Gutachten nach § 106 SGG einzuholen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG Würzburg vom 31.01.2001 zurückzuweisen.
Sie verweist auf die Stellungnahme ihres TAD vom 08.01.2002, wonach bei der vom Kläger ausgeübten Tätigkeit keine gesundheitliche Gefährdung der Wirbelsäule i.S. der BK Nr. 2108 anzunehmen sei.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten, die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie die ärztlichen Unterlagen der LVA Unterfranken und die Schwerbehindertenakte des Amtes für Versorgung und Familienförderung Würzburg Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig, jedoch unbegründet.
Das SG hat zutreffend entschieden, dass der Kläger keinen Anspruch auf Anerkennung und Entschädigung einer BK nach § 551 Abs.1 Reichsversicherungsordnung (RVO) i.V.m. Nr.2108 der Anlage 1 zur BKV hat, da die Voraussetzungen nicht erfüllt sind. Der Anspruch richtet sich noch nach den Vorschriften der RVO, da die geltend gemachte BK vor dem In-Kraft-Treten des Sozialgesetzbuchs (SGB) VII am 01.01.1997 eingetreten wäre (Art.36 Unfallversicherungs-Einordnungsgesetz, § 212 SGB VII). Nach § 551 Abs.1 Satz 2 RVO sind BKen die Krankheiten, welche die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates bezeichnet und die ein Versicherter bei einer der in den §§ 539, 540 und 543 bis 545 RVO benannten Tätigkeiten erleidet. Zu den vom Verordnungsgeber bezeichneten BKen gehören nach der Nr.2108 der Anlage 1 zur BKV "bandscheibenbedingte Erkrankungen der LWS durch langjähriges Heben oder Tragen schwerer Lasten oder durch langjährige Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren und sein können". Die Feststellung der BKen setzt also voraus, dass zum einen die arbeitstechnischen Voraussetzungen der BK erfüllt sein müssen, zum anderen das typische Krankheitsbild der BK vorliegen muss und dieses i.S. der unfallrechtlichen Kausalitätslehre mit Wahrscheinlichkeit auf die wirbelsäulenbelastende berufliche Tätigkeit zurückzuführen ist (vgl. Kasseler Kommentar - Ricke - § 9 SGB VII RdNr.11; Brackmann/Krasney, Handbuch der Sozialversicherung Band 3 - Stand 1997 -, § 9 SGB VII RdNr.21 ff). Schließlich muss die schädigende Tätigkeit aufgegeben sein. Die Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs liegt vor, wenn nach vernünftiger Abwägung aller Umstände den für den Zusammenhang sprechenden Umständen ein deutliches Übergewicht zukommt, so dass darauf die richterliche Überzeugung gegründet werden kann (vgl. u.a. BSG vom 18.11.1997, SGb 1999, 39). Eine Möglichkeit verdichtet sich zur Wahrscheinlichkeit, wenn nach geltender ärztlich-wissenschaftlicher Lehrmeinung mehr für als gegen einen ursächlichen Zusammenhang spricht und ernste Zweifel hinsichtlich einer anderen Verursachung ausscheiden (Bereiter-Hahn/Mehrtens, Unfallversicherung, § 9 SGB VII Anm.10.1 m.w.N.). Die Beweislast dafür, dass die Erkrankung der Wirbelsäule durch arbeitsplatzbezogene Einwirkungen verursacht worden ist, trägt der Versicherte.
Der Senat lässt die Frage, ob die arbeitstechnischen Voraussetzungen zur Feststellung einer BK nach Nr.2108 der Anlage 1 zur BKV erfüllt sind, dahingestellt. Denn selbst wenn diese Voraussetzung erfüllt wäre, ist der Anspruch des Klägers zu verneinen. Es fehlt an dem Tatbestandsmerkmal der bandscheibenbedingten Erkrankung der LWS und an der Wahrscheinlichkeit des Zusammenhangs zwischen Erkrankung und beruflicher Belastung.
Zwar konnten beim Kläger sämtliche Gutachter eine Bandscheibenvorwölbung im Segment L 3/L4 und L4/L5 neben einer Ostechondrose (Knochen- bzw Knorpeldegeneration) im Bereich L5/S1 feststellen. Dieses klinische Krankheitsbild umfasst auch ein Lumbalsyndrom, beruhend auf Wirbelsäulenverschleiß und Bandscheibenabnutzung der untersten Etagen. Für das Vorliegen einer bandscheibenbedingten Erkrankung i.S. der BK Nr.2108 müssen aber nach dem Merkblatt für ärztliche Untersuchung bei der BK Nr.2108 auch tatsächlich chronisch-rezidivierende Beschwerden und Funktionseinschränkungen vorliegen, da die o.g. Krankheitsbilder auch bei beschwerdefreien Personen auftreten können (Mehrtens/Perlebach, Die Berufskrankheitenverordnung, M 2108, Seite 6, 21; Schönberger/ Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 6. Auflage, Seite 530). An einer deutlichen Funktionsstörung fehlt es beim Kläger. Bei den klinischen Untersuchungen durch die Ärztin C. und Prof.B. konnten keine wesentlichen Funktionsdefizite im Bereich des Achsen-Skelettes festgestellt werden. Es imponierte ein chronisch-degeneratives Schadensmuster ohne objektivierbare ausgeprägte Funktionseinschränkung. Auch hatte der Kläger, insbesondere bei der Untersuchung durch Prof.B. , subjektiv keine Schmerzen hinsichtlich der Wirbelsäulenfunktion geäußert, weder bei Seit- noch bei Rotationsbewegungen. Eine Verspannung oder Druckschmerzhaftigkeit der vertebralen Rückenmuskulatur konnte ebenfalls nicht ermittelt werden. Anhaltspunkte für eine Wurzelirritation der LWS bestehen also nicht. Dies wird durch das Gutachten der Orthopädin Dr.B. (für die LVA Unterfranken) vom 28.11.1996 bestätigt, die ebenfalls keine Wurzelreizsymptomatik oder neurologische Ausfälle an der Wirbelsäule erkennen konnte. Damit ist der Begriff der bandscheibenbedingten Erkrankung i.S. der Nr.2108 nicht erfüllt, obwohl an zwei Segmenten Bandscheibenprotrusionen nachgewiesen sind.
Gegen den beruflichen Kausalzuammenhang spricht auch die gleichzeitige Erkrankung aller Wirbelsäulenabschnitte des Klägers, insbesondere HWS und BWS. Bei einer gleichmäßigen Degeneration der gesamten Wirbelsäule oder stärkeren Verschleißerscheinungen an HWS und BWS ist der Kausalzusammenhang grundsätzlich wegen einer konstitutionellen Veranlagung zu verneinen (Becker in: SGb 2000, 116 (119); Becker in: Brennpunkte des Sozialrechts 2001 - Thesen und Ergebnisse der 13. sozialrechtlichen Jahrestagung vom Februar 2001 in Bad Homburg -, Bl.52; Urteil des SG Gießen vom 15.12.1998 - S 1 U 1473/95 -). Im Röntgenbefund der HWS lassen sich beim Kläger degenerative Veränderungen in Form einer beginnenden Spondylose HWK 4 sowie einer bestehenden Uncarthrose der unteren HWS-Anteile feststellen. Bei den degenerativen Veränderungen im Bereich der BWS, die ausgeprägter sind als die Veränderungen an der LWS, handelt es sich um Abnützungsreaktionen i.S. einer Spondylosis hyperostotica Forestier, also um ausgeprägte degenerative Wirbelsäulenaffektionen mit breiten zuckergußartigen Knochenanlagerungen an den Vorderflächen der Wirbelkörper und groben intervertebralen Knochenspannungen mit Wirbelankylose. Insbesondere bei der BWS handelt es sich um einen nicht belasteten Wirbelsäulenabschnitt. Liegen auch dort krankhafte Veränderungen vor, spricht dies eindeutig für ein anlagebedingtes Leiden. Dass die degenerativen Veränderungen lediglich rechts und ventral der BWS vorkommen, ist als zufälliges Verteilungsmuster anzusehen. Einseitige degenerative Wirbelsäulenveränderungen durch eine einseitige Mehrbelastung der Wirbelsäule als Rechtshänder sind nämlich nicht bekannt. Entgegen der Auffassung des PD Dr.S. gibt es keine wissenschaftliche Nachweise, dass Veränderungen der BWS durch berufliche Belastung entstehen können. Dies kommt auch dadurch zum Ausdruck, dass der Verordnungsgeber Erkrankungen der BWS ausdrücklich nicht in die Berufskrankheitenverordnung als BKen aufgenommen hat.
Da der Sachverhalt hinreichend aufgeklärt ist, war die Einholung weiterer Gutachten nicht erforderlich.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG liegen nicht vor.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Anerkennung und Entschädigung einer Berufskrankheit (BK) nach Nr.2108 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung (BKV) streitig.
Der am 1950 geborene Kläger hatte nach Abschluss einer Lehre als Fliesenleger fortwährend in diesem Beruf - mit Unterbrechungen durch Arbeitslosigkeit - gearbeitet. Zuletzt war er seit Juli 1990 bei der Firma H. GmbH beschäftigt. Die Arbeiten wurden in gebückter Haltung und knieend ausgeführt. Sie waren mit Heben und Tragen von Lasten, insbesonders von Fliesenpaketen, Heraklithplatten, Zement-, Mörtel- und Estrichsäcken verbunden. 1987 machte der Kläger erstmals Rücken- und Hüftgelenksbeschwerden geltend. Seit 25.04.1994 war er arbeitsunfähig krank, seit September 1995 arbeitslos.
Die Beklagte zog Befundberichte des Orthopäden Dr.B. vom 14.12.1994/10.02.1995/25.04.1995, ein Gutachten des Orthopäden Dr.R. (für die LVA Unterfranken) vom 14.06.1995, die ärztlichen Unterlagen der LVA Unterfranken und eine Krankheitenauskunft der AOK Aschaffenburg vom 26.05.1995 zum Verfahren bei und ließ von Dr.R. ein orthopädisches Gutachten vom 11.06.1996 erstellen. Dieser diagnostizierte eine leichte Wirbelsäulenfehlstatik, deutlich degenerative Veränderungen der Hals-, Brust- und Lendenwirbelsäule (HWS, BWS, LWS) sowie einen konstitutionell engen Spinalkanal lumbal mit Bandscheibenprotrusionen L3/L4 und L4/L5 und hob besonders die degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule in allen Abschnitten hervor. Eine lumbale Wurzelreizsymptomatik hielt er nicht für nachgewiesen. Dieses Beschwerdebild sei nicht berufsabhängig, da es sich um degenerative altersphysiologische Verschleißerscheinungen handele.
Die Beklagte vertrat in der Stellungnahme vom 13.06.1997 die Auffassung, dass unter Berücksichtigung der Dokumentation des Belastungsumfanges eines Fliesenlegers durch die Arbeitsgemeinschaft der Bau-Berufsgenossenschaften sich kein Abweichen der beruflichen Tätigkeit des Klägers von den in dieser Dokumentation aufgeführten Belastungsumfängen und Belastungsarten ergebe. Eine gefährdende Tätigkeit im Sinne der BK Nr.2108 habe deshalb bei dem als Fliesenleger tätigen Kläger nicht vorgelegen.
Mit Bescheid vom 28.10.1996 lehnte die Beklagte die Anerkennung und Entschädigung einer Wirbelsäulenerkrankung als BK nach Nr.2108 mit der Begründung ab, die bestehenden degenerativen Veränderungen an allen drei Wirbelsäulenabschnitten seien nicht auf berufliche Tätigkeiten zurückzuführen (bestätigt durch Widerspruchsbescheid vom 21.01.1998).
Gegen diese Bescheide hat der Kläger Klage zum SG Würzburg erhoben und beantragt, die Wirbelsäulenerkrankung ab Berufsaufgabe als BK nach Nr.2108 zu entschädigen und Verletztenrente nach einer MdE von mindestens 20 v.H. zu gewähren. Das SG hat ein Gutachten der Orthopädin C. vom 06.05.1999 veranlasst, in dem diese auf ein rezidivierendes Lumbago ohne Funktionseinschränkung und ohne anhaltende Wurzelirritation bei computertomographisch nachgewiesenem anlagebedingt engem Spinalkanal und Bandscheibenvorwölbung L3/4 und L4/5 hingewiesen hat. In allen Wirbelsäulenabschnitten ließen sich degenerative Veränderungen nachweisen. Bedeutsamer für das Beschwerdebild sei aber der zweifellos anlagebedingte enge Spinalkanal, der zu den geklagten Beschwerden geführt habe. Eine berufliche Verursachung könne nicht angenommen werden. Auf Veranlassung des Klägers hat PD Dr.S. am 27.06.2000 ein orthopädisches Gutachten nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) erstellt. Er hat die nachgewiesenen Bandscheibenschäden zwischen LWK 3/4 und LWK 4/5 sowie in geringerem Umfang auch zwischen LWK 5/S1 angesprochen. Dabei hat er im Arbeitsleben des Klägers eine genügende Exposition wirbelsäulenbelastender Tätigkeiten unterstellt. Degenerative Veränderungen der HWS hat er nicht gefunden. Die vorliegenden degenerativen Veränderungen der BWS könnten im Rahmen wirbelsäulenbelastender Tätigkeiten entstanden sein. Auch sei nicht der enge Spinalkanal Ursache für die Beschwerden, sondern die später hinzugekommenen degenerativen Veränderungen. Damit liege beim Kläger eine Funktionsbeeinträchtigung der LWS vor mit häufigen radikulären Ausstrahlungen, jedoch ohne Nervenausfälle. Sie sei bis zur Aufgabe der Berufstätigkeit (September 1995) mit einer MdE von 20 v.H., anschließend aufgrund Befundbesserung mit 10 v.H. zu bewerten. Die Beklagte hat dem mit Stellungnahme des Chirurgen Dr.E. vom 08.08.2000 widersprochen.
Mit Urteil vom 31.01.2001 hat das SG die Klage abgewiesen und sich im Wesentlichen auf die Ausführungen der Sachverständigen C. gestützt.
Hiergegen hat der Kläger Berufung eingelegt und einen Arztbericht des Dr.E. vom 12.11.2002 vorgelegt.
Der Senat hat einen Befundbericht des Allgemeinarztes K. von 08.08.2001, die einschlägigen Röntgen- und CT-Aufnahmen zum Verfahren beigezogen und ein Gutachten des Orthopäden Prof.Dr.B. vom 25.07.2002/14.2.2003 eingeholt. Dieser hat als Diagnosen ein LWS-Syndrom ohne Funktionseinschränkung und ohne radikuläre Symptomatik neben computertomographisch nachgewiesenem, anlagebedingtem engen Spinalkanal, Bandscheibenprotrusionen L3/L4 und L4/L5 sowie eine Spondylosis hyperostotica der BWS ohne wesentliche Funktionseinschränkung angegeben. Einen Zusammenhang der degenerativen Wirbelsäulenveränderungen mit der Berufsausübung hat er mit der Begründung verneint, im Bereich der gesamten Wirbelsäule lägen degenerative Verschleißerscheinungen vor. Es imponiere ein chronisch-degeneratives Schadensmuster ohne objektivierbare ausgeprägte Funktionseinschränkungen.
Der Kläger beantragt, die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des SG Würzburg vom 31.01.2001 sowie des Bescheides vom 28.10.1996 i.d.F. des Widerspruchsbescheides vom 21.01.1998 zu verurteilen, die Wirbelsäulenerkrankung ab Berufsaufgabe als BK nach Nr.2108 der Anlage 1 zur BKV anzuerkennen und zu entschädigen, hilfsweise ein weiteres Gutachten nach § 106 SGG einzuholen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG Würzburg vom 31.01.2001 zurückzuweisen.
Sie verweist auf die Stellungnahme ihres TAD vom 08.01.2002, wonach bei der vom Kläger ausgeübten Tätigkeit keine gesundheitliche Gefährdung der Wirbelsäule i.S. der BK Nr. 2108 anzunehmen sei.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten, die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie die ärztlichen Unterlagen der LVA Unterfranken und die Schwerbehindertenakte des Amtes für Versorgung und Familienförderung Würzburg Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig, jedoch unbegründet.
Das SG hat zutreffend entschieden, dass der Kläger keinen Anspruch auf Anerkennung und Entschädigung einer BK nach § 551 Abs.1 Reichsversicherungsordnung (RVO) i.V.m. Nr.2108 der Anlage 1 zur BKV hat, da die Voraussetzungen nicht erfüllt sind. Der Anspruch richtet sich noch nach den Vorschriften der RVO, da die geltend gemachte BK vor dem In-Kraft-Treten des Sozialgesetzbuchs (SGB) VII am 01.01.1997 eingetreten wäre (Art.36 Unfallversicherungs-Einordnungsgesetz, § 212 SGB VII). Nach § 551 Abs.1 Satz 2 RVO sind BKen die Krankheiten, welche die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates bezeichnet und die ein Versicherter bei einer der in den §§ 539, 540 und 543 bis 545 RVO benannten Tätigkeiten erleidet. Zu den vom Verordnungsgeber bezeichneten BKen gehören nach der Nr.2108 der Anlage 1 zur BKV "bandscheibenbedingte Erkrankungen der LWS durch langjähriges Heben oder Tragen schwerer Lasten oder durch langjährige Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren und sein können". Die Feststellung der BKen setzt also voraus, dass zum einen die arbeitstechnischen Voraussetzungen der BK erfüllt sein müssen, zum anderen das typische Krankheitsbild der BK vorliegen muss und dieses i.S. der unfallrechtlichen Kausalitätslehre mit Wahrscheinlichkeit auf die wirbelsäulenbelastende berufliche Tätigkeit zurückzuführen ist (vgl. Kasseler Kommentar - Ricke - § 9 SGB VII RdNr.11; Brackmann/Krasney, Handbuch der Sozialversicherung Band 3 - Stand 1997 -, § 9 SGB VII RdNr.21 ff). Schließlich muss die schädigende Tätigkeit aufgegeben sein. Die Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs liegt vor, wenn nach vernünftiger Abwägung aller Umstände den für den Zusammenhang sprechenden Umständen ein deutliches Übergewicht zukommt, so dass darauf die richterliche Überzeugung gegründet werden kann (vgl. u.a. BSG vom 18.11.1997, SGb 1999, 39). Eine Möglichkeit verdichtet sich zur Wahrscheinlichkeit, wenn nach geltender ärztlich-wissenschaftlicher Lehrmeinung mehr für als gegen einen ursächlichen Zusammenhang spricht und ernste Zweifel hinsichtlich einer anderen Verursachung ausscheiden (Bereiter-Hahn/Mehrtens, Unfallversicherung, § 9 SGB VII Anm.10.1 m.w.N.). Die Beweislast dafür, dass die Erkrankung der Wirbelsäule durch arbeitsplatzbezogene Einwirkungen verursacht worden ist, trägt der Versicherte.
Der Senat lässt die Frage, ob die arbeitstechnischen Voraussetzungen zur Feststellung einer BK nach Nr.2108 der Anlage 1 zur BKV erfüllt sind, dahingestellt. Denn selbst wenn diese Voraussetzung erfüllt wäre, ist der Anspruch des Klägers zu verneinen. Es fehlt an dem Tatbestandsmerkmal der bandscheibenbedingten Erkrankung der LWS und an der Wahrscheinlichkeit des Zusammenhangs zwischen Erkrankung und beruflicher Belastung.
Zwar konnten beim Kläger sämtliche Gutachter eine Bandscheibenvorwölbung im Segment L 3/L4 und L4/L5 neben einer Ostechondrose (Knochen- bzw Knorpeldegeneration) im Bereich L5/S1 feststellen. Dieses klinische Krankheitsbild umfasst auch ein Lumbalsyndrom, beruhend auf Wirbelsäulenverschleiß und Bandscheibenabnutzung der untersten Etagen. Für das Vorliegen einer bandscheibenbedingten Erkrankung i.S. der BK Nr.2108 müssen aber nach dem Merkblatt für ärztliche Untersuchung bei der BK Nr.2108 auch tatsächlich chronisch-rezidivierende Beschwerden und Funktionseinschränkungen vorliegen, da die o.g. Krankheitsbilder auch bei beschwerdefreien Personen auftreten können (Mehrtens/Perlebach, Die Berufskrankheitenverordnung, M 2108, Seite 6, 21; Schönberger/ Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 6. Auflage, Seite 530). An einer deutlichen Funktionsstörung fehlt es beim Kläger. Bei den klinischen Untersuchungen durch die Ärztin C. und Prof.B. konnten keine wesentlichen Funktionsdefizite im Bereich des Achsen-Skelettes festgestellt werden. Es imponierte ein chronisch-degeneratives Schadensmuster ohne objektivierbare ausgeprägte Funktionseinschränkung. Auch hatte der Kläger, insbesondere bei der Untersuchung durch Prof.B. , subjektiv keine Schmerzen hinsichtlich der Wirbelsäulenfunktion geäußert, weder bei Seit- noch bei Rotationsbewegungen. Eine Verspannung oder Druckschmerzhaftigkeit der vertebralen Rückenmuskulatur konnte ebenfalls nicht ermittelt werden. Anhaltspunkte für eine Wurzelirritation der LWS bestehen also nicht. Dies wird durch das Gutachten der Orthopädin Dr.B. (für die LVA Unterfranken) vom 28.11.1996 bestätigt, die ebenfalls keine Wurzelreizsymptomatik oder neurologische Ausfälle an der Wirbelsäule erkennen konnte. Damit ist der Begriff der bandscheibenbedingten Erkrankung i.S. der Nr.2108 nicht erfüllt, obwohl an zwei Segmenten Bandscheibenprotrusionen nachgewiesen sind.
Gegen den beruflichen Kausalzuammenhang spricht auch die gleichzeitige Erkrankung aller Wirbelsäulenabschnitte des Klägers, insbesondere HWS und BWS. Bei einer gleichmäßigen Degeneration der gesamten Wirbelsäule oder stärkeren Verschleißerscheinungen an HWS und BWS ist der Kausalzusammenhang grundsätzlich wegen einer konstitutionellen Veranlagung zu verneinen (Becker in: SGb 2000, 116 (119); Becker in: Brennpunkte des Sozialrechts 2001 - Thesen und Ergebnisse der 13. sozialrechtlichen Jahrestagung vom Februar 2001 in Bad Homburg -, Bl.52; Urteil des SG Gießen vom 15.12.1998 - S 1 U 1473/95 -). Im Röntgenbefund der HWS lassen sich beim Kläger degenerative Veränderungen in Form einer beginnenden Spondylose HWK 4 sowie einer bestehenden Uncarthrose der unteren HWS-Anteile feststellen. Bei den degenerativen Veränderungen im Bereich der BWS, die ausgeprägter sind als die Veränderungen an der LWS, handelt es sich um Abnützungsreaktionen i.S. einer Spondylosis hyperostotica Forestier, also um ausgeprägte degenerative Wirbelsäulenaffektionen mit breiten zuckergußartigen Knochenanlagerungen an den Vorderflächen der Wirbelkörper und groben intervertebralen Knochenspannungen mit Wirbelankylose. Insbesondere bei der BWS handelt es sich um einen nicht belasteten Wirbelsäulenabschnitt. Liegen auch dort krankhafte Veränderungen vor, spricht dies eindeutig für ein anlagebedingtes Leiden. Dass die degenerativen Veränderungen lediglich rechts und ventral der BWS vorkommen, ist als zufälliges Verteilungsmuster anzusehen. Einseitige degenerative Wirbelsäulenveränderungen durch eine einseitige Mehrbelastung der Wirbelsäule als Rechtshänder sind nämlich nicht bekannt. Entgegen der Auffassung des PD Dr.S. gibt es keine wissenschaftliche Nachweise, dass Veränderungen der BWS durch berufliche Belastung entstehen können. Dies kommt auch dadurch zum Ausdruck, dass der Verordnungsgeber Erkrankungen der BWS ausdrücklich nicht in die Berufskrankheitenverordnung als BKen aufgenommen hat.
Da der Sachverhalt hinreichend aufgeklärt ist, war die Einholung weiterer Gutachten nicht erforderlich.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
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