L 16 B 40/03 KR NZB

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
16
1. Instanz
SG Gelsenkirchen (NRW)
Aktenzeichen
S 28 KR 67/02
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 16 B 40/03 KR NZB
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin vom 10. Juli 2003 wird zurückgewiesen. Mit der Zurückweisung der Beschwerde wird das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 07. Mai 2003 rechtskräftig (§ 145 Abs. 4 Satz 5 des Sozialgerichtsgesetzes -SGG-). Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I. Die Klägerin wendet sich gegen die Nichtzulassung der Berufung durch das Sozialgericht (SG) Gelsenkirchen.

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet war, der Klägerin im ersten Halbjahr 2002 (entsprechend der Verordnung ihres behandelnden Arztes) Leistungen in Form einer Kostenbeteiligung zu Maßnahmen des Rehabilitationssports bzw. eines Funktionstrainings zu gewähren.

Die 1944 geborene Klägerin leidet im Wesentlichen an den Folgen von schweren Hals- und Lendenwirbelsäulensyndromen, an einem tendomyofascialen Schmerz-Syndrom ("Fibromyalgie-Syndrom"), an Osteoporose und einer Polyarthrose. Sie nahm seit Sommer 2000 auf Verordnungen ihres behandelnden Arztes regelmäßig an wöchentlichen gruppentherapeutischen Maßnahmen der Warmwassergymnastik (unter Leistung einer Sportlehrerin bei zeitweiliger ärztlicher Überwachung) teil. Die Beklagte beteiligte sich aufgrund der Verordnung des Vertragsarztes an den Kosten in Höhe von ca. 7,00 DM (heute ca. 3,50 Euro) je Anwendung, so dass die Klägerin nur einen Eigenanteil zu leisten brauchte; dieser belief sich im ersten Halbjahr 2002 auf 42,00 Euro. Ob die Klägerin für 2002 einem ergänzenden Kostenanspruch des Maßnahmeträgers (offenbar der Verein "Fibromyalgie e.V.") ausgesetzt ist, blieb im vorangehenden Verfahren offen.

Im Januar 2002 verordnete der behandelnde Orthopäde der Klägerin erneut für sechs Monate (1 x wtl.) Rehabilitationssport und empfahl "Schwimmen". Die Beklagte lehnte eine Kostenübernahme für die Maßnahme nach Anhörung des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) ab, weil die Übungen "in Eigenregie durchgeführt" werden könnten (Bescheid vom 25.01.2002, Widerspruchsbescheid vom 17.05.2002).

Das SG hat die dagegen erhobene Klage durch Urteil vom 07.05.2003 abgewiesen und die Berufung nicht zugelassen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, der Anspruch der Klägerin richte sich nach § 43 des Fünften Buchs des Sozialgesetzbuchs - Gesetzliche Krankenversicherung - (SGB V) in Verbindung mit § 44 Abs. 1 Nrn. 3 und 4 des Neunten Buchs des Sozialgesetzbuchs - Rehabilitation und Teilhabe - (SGB IX). Bei den beantragten Maßnahmen handele es sich um Maßnahmen des Funktionstrainings. Das Gesetz enthalte keine Bestimmung hinsichtlich der Dauer der Leistungsgewährung. Dazu hat es auf die ab dem 01.01.1994 geltende "Gesamtvereinbarung der Träger der gesetzlichen Krankenversicherung, Unfallversicherung und anderer" hingewiesen (veröffentlicht u.a. in "Die Betriebskrankenkasse" 1993, 681 ff.). Die Leistung ende dann, wenn der Patient wieder seine verlorene Selbständigkeit zurück gewonnen habe. Nach § 3 der Vereinbarung bestehe für das Funktionstraining keine Notwendigkeit mehr, wenn der Behinderte über die Fertigkeiten in den Bewegungsabläufen verfüge, die ihn in die Lage versetzten, die Übungen selbständig durchzuführen. Es könne angenommen werden, dass die Klägerin aufgrund der mindestens eineinhalbjährigen Dauer des bisherigen Trainings ihre Bewegungsabläufe gelernt habe und sie nunmehr durchführen könne. Dass dieser Zeitraum ausreichend erscheine, werde auch dadurch belegt, dass ein noch nicht in Kraft getretener Entwurf der Gesamtvereinbarung (Stand März 2003) für Versicherte mit Fibromyalgie-Syndromen und Osteoporose eine Leistung für 24 Monate vorsehe. Insofern seien die von der Beklagten herangezogenen Gutachten des MDK überzeugend.

II. Die Berufung bedarf, soweit sie nicht schon durch das Sozialgericht zugelassen worden ist, der Zulassung durch das Landessozialgericht (LSG), wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes bei einer Klage, die eine Geld- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 500 Euro nicht übersteigt (§ 144 Abs. 1 Nr. 1 SGG). Die Berufung ist u.a. zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG) oder ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann (§ 144 Abs. 2 Nr. 3 SGG).

Angesichts des Umstandes, dass die Klägerin lediglich Leistungen für das erste Halbjahr 2002 begehrt und der wirtschaftliche Wert der von ihr begehrten Maßnahmen allenfalls etwa 50,00 Euro beträgt (Kostenaufwand: ca. 3,50 Euro je Anwendung x (höchstens) 26 Wochen = 91,00 Euro abzüglich des von ihr zu tragenden, unstreitigen Eigenanteils in Höhe von 42,00 Euro (vgl. ihre Angaben im Verhandlungstermin vor dem SG), verbleiben ca. 49,00 Euro), wird der Grenzwert von 500,00 Euro für eine zulassungsfreie Berufung bei weitem nicht erreicht.

Die weiteren Voraussetzungen zur Zulassung der Berufung liegen nicht vor. Dabei kann dahingestellt bleiben, inwieweit die Klägerin durch die von der Beklagten ausgesprochene Ablehnung überhaupt noch betroffen ist. Zum einen hat sich der Leistungsanspruch der Klägerin durch Zeitablauf erledigt (Verordnung nur für das erste Halbjahr 2002). Zum anderen ist zu bemerken, dass die Klägerin die begehrten Maßnahmen tatsächlich erhalten hat. Schließlich ist nicht ersichtlich, ob die Klägerin überhaupt noch einem irgendwie gearteten Kostenrisiko für die Inanspruchnahme der Leistungen ausgesetzt ist (etwa durch eine Nachforderung des veranstaltenden Vereins). Der Klageanspruch ist auch nicht umgestellt worden (Übergang zur Fortsetzungsfeststellungsklage bei Darlegung eines Feststellungsinteresses).

Jedenfalls hat die Sache keine grundsätzliche Bedeutung i.S. v. § 144 Abs. 2 SGG. Wie den zutreffenden Ausführungen des SG zu entnehmen ist, hängt die Entscheidung über den Anspruch der Klägerin davon ab, ob sie als Behinderte schon seit Anfang 2002 in der Lage ist, ohne weitere Betreuung in einer Maßnahme nunmehr die seit Sommer 2000 trainierten Übungen der Wassergymnastik allein und ordnungsgemäß (d.h. ohne die Gefahr der Gesundheitsschädigung) durchzuführen. Dies zu beurteilen, richtet sich - jedenfalls unter Geltung der Gesamtvereinbarung von 1993 - nicht nach allgemeinen Festlegungen, sondern nach den Gegebenheiten im Einzelfall. Ob und wann der einzelnen Patient/Versicherte den Zeitpunkt erreicht hat, dass er das Ziel der ergänzenden Rehabilitationsmaßnahme - nämlich eigenständige Durchführung der unterstützenden Übungen - erfüllt, richtet sich einerseits nach dem Ausmaß der vorliegenden Behinderung, andererseits nach den individuellen Fähigkeiten des Patienten, bestimmte Übungen und Bewegungsabläufe zu erlernen und gefährdungsfrei (alleine) zu wiederholen. Dies zu bestimmen, ist Sache des Einzelfalls. Daran hat sich das SG gehalten. Soweit das SG darauf hingewiesen hat, dass der Entwurf der neuen Gesamtvereinbarung einen bestimmten Zeitrahmen für die Leistungen beinhalte, diente dieser Hinweis nur der Bestätigung, dass die Einschätzung des MDK zutreffend sei, eine bisherige Trainingszeit von eineinhalb Jahren müsse zum Erlernen der Übungen ausreichend sein.

Einen der Beurteilung des Senats unterliegenden Verfahrensmangel hat die rechtskundig vertretene Klägerin nicht geltend gemacht (§ 144 Abs. 2 Nr. 3 SGG).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar, § 177 SGG.
Rechtskraft
Aus
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