L 5 KR 120/02

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Dortmund (NRW)
Aktenzeichen
S 44 KR 208/01
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 5 KR 120/02
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 1 KR 93/03 B
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 25.04.2002 wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Umstritten ist, ob die Beklagte verpflichtet ist, der unverheirateten Klägerin die Kosten von Behandlungsmaßnahmen zur Durchführung einer künstlichen Befruchtung zu erstatten.

Die am 00.00.1962 geborene Klägerin ist bei der Beklagten krankenversichert. Seit 1987 lebt sie mit einem Partner in einer nicht ehelichen Lebensgemeinschaft.

Durch Bescheid vom 15.07.1999 und Widerspruchsbescheid vom 12.01.2000 lehnte die Beklagte die Erstattung von Kosten ab, die der Klägerin durch die Durchführung ärztlicher Behandlungsmaßnahmen ab dem 07.01.1999 zur Herbeiführung einer künstlichen Befruchtung entstanden waren. Die dagegen am 15.02.2000 erhobene Klage nahm sie am 27.11.2000 zurück (SG Dortmund, Az.: S 44 KR 39/00).

Am 26.03.2001 beantragte die Klägerin erneut Kostenerstattung für seit dem 01.06.1999 durchgeführte Behandlungsmaßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft. Dies lehnte die Beklagte durch den Bescheid vom 10.04.2001 (wiederum) mit dem Hinweis auf § 27a Abs. 1 Nr. 3 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) ab, weil danach Leistungen der künstlichen Befruchtung zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung nur bei Personen durchgeführt werden dürften, die miteinander verheiratet seien.

Den dagegen am 30.04.2001 eingelegten Widerspruch wies die Beklagte durch den Widerspruchsbescheid vom 11.07.2001 zurück.

Die Klägerin hat am 10.08.2001 Klage vor dem Sozialgericht Dortmund erhoben.

Sie hat die Auffassung vertreten, § 27a Abs. 1 Nr. 3 SGB V sei im Hinblick auf Art. 3 des Grundgesetzes (GG) verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass Leistungen zur künstlichen Befruchtung auch unverheirateten Paaren gewährt werden müssten.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 10.04.2001 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.07.2001 zu verurteilen, ihr die Kosten für die in der Zeit ab dem 16.07.1999 selbstbeschaffte Behandlung bei den Dres. E und Neuer in Form der In-vitro-Fertilisation einschließlich Nebenleistungen sowie anästhesistische Leistungen und Arzneimittel zu erstatten.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat auf die Gesetzeslage verwiesen, die ihres Erachtens nicht verfassungswidrig sei.

Das Sozialgericht hat die Klage durch Urteil vom 25.04.2002 abgewiesen. Wegen der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe Bezug genommen.

Gegen das ihr am 28.05.2002 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 20.06.2002 Berufung eingelegt.

Zur Begründung wiederholt sie ihre Auffassung, dass bei der Gewährung von Leistungen zur künstlichen Befruchtung von Verfassungs wegen nicht danach differenziert werden dürfe, ob es sich um ein Ehepaar oder eine nicht eheliche Lebensgemeinschaft handele.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 25.04.2002 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 10.04.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.07.2001 zu verurteilen, ihr Kosten in Höhe von 14.822,87 Euro zu erstatten.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird verwiesen auf den übrigen Inhalt der Streitakten sowie der Verwaltungsakten der Beklagten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Klägerin ist nicht begründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Klägerin steht ein Anspruch auf Erstattung der ihr aufgrund der Durchführung von Behandlungsmaßnahmen zur künstlichen Befruchtung entstandenen Kosten in Höhe von 14.822,87 Euro nicht zu.

Als Anspruchsgrundlage kommt ersichtlich allein § 13 Abs. 3 2. Alternative SGB V in Betracht. Danach hat die Krankenkasse, wenn sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat, den Versicherten die für die Beschaffung der Leistung aufgewendeten Kosten zu erstatten. Dies bedeutet, dass grundsätzlich die Selbstbeschaffung der Leistung kausal auf der Ablehnung der Krankenkasse beruhen muss (vergl. dazu z.B. Bundessozialgericht, Beschluss vom 15.04.1997, SozR 3-2500 § 13 Nr.15 mit weiteren Nachweisen). Ob das hier der Fall ist, erscheint zweifelhaft. Die von der Klägerin seit Anfang 1999 durchgeführten Behandlungsmaßnahmen zur Durchführung einer künstlichen Befruchtung könnten als Einheit zu beurteilen sein, so dass die Selbstbeschaffung dieser Leistung nicht kausal auf dem ablehnenden Bescheid vom 10.04.2001 beruhen kann. Geht man von einer nicht einheitlichen Behandlung aus, so sind zumindest die bis zur Erteilung des Bescheides vom 10.04.2001 entstandenen Kosten nicht durch diese Entscheidung der Beklagten kausal hervorgerufen worden. Dies kann jedoch dahingestellt bleiben.

Da der Kostenerstattungsanspruch an die Stelle eines an sich gegebenen Sachleistungsanspruchs tritt, kann er nur bestehen, soweit die selbstbeschaffte Leistung ihrer Art nach zu den Leistungen gehört, welche die gesetzlichen Krankenkassen als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen haben (vgl. Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 09.12.1997, Az.: 1 RK 23/95, SozR 3-2500 § 27 Nr. 9; BSG Urteil vom 28.03.2000, B 1 KR 11/98 R, SozR 3-2500 § 135 Nr. 14). Daran fehlt es im vorliegenden Fall. Der Klägerin stand ein Anspruch auf Leistungen zur Durchführung einer künstlichen Befruchtung nach § 27a SGB V nicht zu. Gemäß § 27a Abs. 1 Nr. 3 ist es u.a. Voraussetzung für die Durchführung derartiger Maßnahmen, dass die Personen, die diese Maßnahme in Anspruch nehmen wollen, miteinander verheiratet sind. Diese Voraussetzung erfüllt die unverheiratete Klägerin nicht.

Entgegen der Ansicht der Klägerin ist § 27a Abs. 1 Nr. 3 SGB V weder verfassungskonform in dem Sinne auszulegen, dass auch unverheirateten Versicherten der Anspruch nach § 27a SGB V einzuräumen ist, noch verstößt diese Vorschrift gegen Art. 3 Absatz 1 GG.

Art. 3 Absatz 1 GG gebietet es, alle Menschen vor dem Gesetz gleichzubehandeln. Damit ist dem Gesetzgeber allerdings nicht jede Differenzierung verwehrt. Das Grundrecht ist nur dann verletzt, wenn der Gesetzgeber eine Gruppe von Normadressaten anders als eine andere behandelt, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (vgl. Bundesverfassungsgericht, Amtliche Entscheidungssammlung, Bd. 104, S. 126, ständige Rechtsprechung). Der demnach erforderliche sachliche Rechtfertigungsgrund für eine unterschiedliche Behandlung ergibt sich hier unmittelbar aus dem Grundgesetz, nämlich Art. 6 GG. Nach dieser Vorschrift stehen Ehe und Familie unter dem besonderen Schutz des Staates. Es ist dem Gesetzgeber deshalb nicht verwehrt, die Ehe gegenüber anderen Lebensformen zu begünstigen ( Bundesverfassungsgericht, Amtliche Entscheidungssammlung Band 6, Seite 55 (76)). Er muss deshalb einer Nichtehelichen-Lebensgemeinschaft im Bereich des sozialrechtlichen Leistungsrechts nicht die gleichen Ansprüche einräumen, um eine Familie gründen zu können. Der Gesetzgeber bewegt sich somit im Rahmen des ihm bei Leistungsansprüchen im Sozialrecht grundsätzlich eingeräumten weiten Ermessens, wenn verheirateten Paaren einen weitergehenden Leistungsanspruch auf Behandlungsmaßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung einräumt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

Anlass, die Revision zuzulassen, hat nicht bestanden.
Rechtskraft
Aus
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