Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
SG Karlsruhe (BWB)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
15
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 15 AS 2552/13
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Ein laufender Bedarf im Sinne von § 21 Abs. 6 SGB II besteht allenfalls dann, wenn er sich innerhalb des gleichen sechsmo-natigen Bewilligungszeitraums mindestens einmal wiederholt. Das erneute Entstehen eines Bedarfs außerhalb des laufenden Bewilligungszeitraums führt nicht zu einem laufenden Bedarf.
Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Übernahme der Kosten eines Kuraufenthalts im Rahmen der Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).
Die Krankenkasse des Klägers bewilligte diesem mit Bescheid vom 8. Mai 2013 eine ambulante Vorsorgeleistung für die Dauer von drei Wochen im Seebad Heringsdorf (Mecklenburg-Vorpommern). Die Bewilligung umfasste die ärztliche Behandlung durch einen Vertragskurarzt, die Arznei- und Verbandmittel, die Kurmittel (Heilmittel) sowie einen Zuschuss in Höhe von 8 EUR je Tag zu den übrigen Kosten bis zur Dauer von 21 Tagen.
Der Kläger beantragte mit Schreiben vom 15. Mai 2013 bei dem Beklagten die Über-nahme der Fahrt- und Unterkunftskosten, die von der Bewilligung der Krankenkasse nicht gedeckt seien. Diese Kosten der Kurmaßnahme betrügen 1.733,50 EUR. Unter Berücksichtigung des Zuschusses der Krankenkasse in Höhe von 168 EUR ergebe sich ein Betrag von 1.565,50 EUR. Es handle sich um die Kosten für Verpflegung, die Fahrt-kosten sowie die Kosten der von ihm angemieteten Ferienwohnung.
Der Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 27. Mai 2013 an. Da der Kurauf-enthalt eine medizinische Rehabilitationsmaßnahme sei, läge die Zuständigkeit für die Kostenübernahme nicht in seinem Bereich.
Den hiergegen am 11. Juni 2013 erhobenen Widerspruch wies der Beklagte mit Be-scheid vom 19. Juni 2013 zurück. Die für den Kuraufenthalt notwendigen Aufwendungen würden von der Krankenkasse übernommen. Die Regelungen des SGB II böten für eine weitergehende Kostenübernahme keinen Raum.
Mit seiner am 22. Juli 2013 erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Er habe die Kosten der Kurmaßnahme über ein privates Darlehen finanziert, die er nun von dem Beklagten erstattet verlange. Die Kosten der Reha-Maßnahme würden nicht in vollem Umfang von der Krankenkasse übernommen. Es verblieben nicht unerhebliche Kosten, die er selbst zu tragen habe. Aus dem Regelsatz könne er diese Kosten nicht finanzieren. Andererseits müsse es auch einem Bezieher von Arbeitslosengeld II möglich sein, die von der Krankenkasse aufgrund medizinischer Notwendigkeit bewilligten Maßnahmen wahrzunehmen. Die Kosten der ambulanten Kurmaßnahme seien als Mehrbedarf bzw. als unabweisbarer Bedarf anzuerkennen. Er habe bereits im August/September 2012 eine entsprechende Rehabilitationsbehandlung durchgeführt; ein weiterer Kuraufenthalt finde im August 2014 in Heringsdorf statt.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
den Beklagten unter Aufhebung seines Bescheides vom 27. Mai 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. Juni 2013 zu verurteilen, ihm 1.565,50 Euro zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte hält an seiner Entscheidung fest. Die Übernahme der begehrten Kosten scheitere bereits an einer fehlenden gesetzlichen Grundlage. § 21 Abs. 6 SGB II setze einen laufenden, nicht nur einmaligen besonderen Bedarf voraus. Bei der ambulanten Vorsorgemaßnahme handele es sich hingegen um eine einmalige Maßnahme und daher nicht um einen laufenden Bedarf. Ebenfalls nicht in Betracht komme eine Darlehensgewährung nach § 24 Abs. 1 SGB II. Die Kosten einer ambulanten Vorsor-gemaßnahme seien nicht vom Regelbedarf zur Sicherung des Lebensunterhaltes umfasst. Grundsätzlich stelle sich die Frage, ob es überhaupt erforderlich gewesen sei, die Maßnahme an der Ostsee durchzuführen, oder ob dies nicht auch in näherer Umgebung hätte erfolgen können.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Ver-handlung einverstanden erklärt.
Zu den weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Akte des Gericht sowie auf die beigezogene Akte des Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
1. Das Gericht kann gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da die Beteiligten hierzu ihr Einverständnis erklärt haben.
2. Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Bescheid des Beklagten vom 27. Mai 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. Juni 2013 ist rechtmäßig. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erstattung der Kosten seines Kuraufenthaltes gegenüber dem Beklagten. Eine einschlägige Anspruchsgrundlage bilden weder § 21 Abs. 6 SGB II noch § 24 Abs. 1 SGB II.
a) Nach § 21 Abs. 6 Satz 1 SGB II wird ein Mehrbedarf anerkannt, soweit im Einzelfall ein unabweisbarer, laufender, nicht nur einmaliger besonderer Bedarf besteht. Der Mehrbedarf ist unabweisbar, wenn er insbesondere nicht durch die Zuwendungen Dritter sowie unter Berücksichtigung von Einsparmöglichkeiten der Hilfebedürftigen gedeckt ist und seiner Höhe nach erheblich von einem durchschnittlichen Bedarf abweicht (§ 21 Abs. 6 Satz 2 SGB II). Es handelt sich bei § 21 Abs. 6 SGB II um eine Ausnahmevorschrift für atypische Bedarfslagen, dessen Tatbestandsvoraussetzungen nach der Beschlussempfehlung des Haushaltsausschusses des Bundestages eng und strikt sind (BT-Drucks. 17/1465, S. 8). Der Gesetzgeber hat damit ein Element aus dem sog. Hartz IV-Urteil des Bundesverfassungsgerichts (Urteil vom 9. Februar 2010 – 1 BvL 1/09 u. a., BVerfGE 125, 175 ff.; dazu etwa Aubel, in: Emmenegger/Wiedmann [Hrsg.], Linien der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, Band 2, 2011, S. 273 ff.) umgesetzt. Das Bundesverfassungsgericht hatte die Auffassung vertreten, dass es mit Art. 1 Abs. 1 i. V. m. Art. 20 Abs. 3 GG unvereinbar sei, dass im SGB II eine Regelung fehle, die einen Anspruch auf Leistungen zur Sicherstellung eines zur Deckung des menschenwürdigen Existenzminimums unabweisbaren, laufenden, nicht nur einmaligen, besonderen Bedarfs vorsehe (BVerfGE 125, 175 [252]). Auch das Bundesverfassungsgericht ging von engen und strikten Tatbestandsvoraussetzungen aus, so dass ein derartiger zusätzlicher Anspruch nur in seltenen Fällen entstehen dürfte (BVerfGE 125, 175 [255]).
Die Kammer lässt dahinstehen, ob angesichts dieser strengen Maßstäbe (für enge Auslegung etwa auch Tattermusch, in: Estelmann [Hrsg.], SGB II, § 21 Rn. 109 [Mai 2012]), die vom Kläger geltend gemachten Kosten überhaupt geeignet sind, einen Mehrbedarf im Sinne von § 21 Abs. 6 SGB II zu begründen. Zwar wird in der Literatur angenommen, dass auch gesundheitsspezifische Bedarfe einen solchen Mehrbedarf nach § 21 Abs. 6 SGB II auslösen können (Knickrehm/Hahn, in: Eicher [Hrsg.], SGB II, 3. Aufl. 2013, § 21 Rn. 74). Jedoch gilt primär, dass die Absicherung gegen die Risiken der Krankheit und Pflegebedürftigkeit durch die Einbeziehung von Arbeitslosengeld II-Empfängern in die ge¬setzliche Kranken- und Pflegeversicherung gewährleistet wird (BVerfGE 125, 175 [228]; BSG, Urteil vom 26. Mai 2011 – B 14 AS 146/10 R, juris, Rn. 23 f.). Erst, wenn Versicherte krankheitsbedingt Mittel benötigen, die verfassungskonform nicht dem Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung unterfallen, sichern die bei Hilfebedürftigkeit eingreifenden Teile des Sozialsystems – hier in Form von Leistungen nach dem SGB II – das verfassungsrechtlich garantierte Existenzminimum (so 3. Leitsatz bei BSG, Urteil vom 6. März 2012 – B 1 KR 24/10 R, juris; LSG Sachsen, Beschluss vom 25. September 2013 – L 7 AS 83/12 NZB, juris, Rn. 29). Es erscheint durchaus zweifelhaft, ob diese Voraussetzungen hier zu Gunsten des Klägers vorliegen (vgl. auch Urteil der erkennenden Kammer vom 11. Juni 2014 – S 15 AS 2553/13, juris, Rn. 22).
Aber jedenfalls ist das Tatbestandsmerkmal "laufender" Bedarf nicht erfüllt. Diese Voraussetzung ist nur erfüllt, wenn sich der Bedarf innerhalb eines Bewilligungszeit-raumes wiederholt (so auch Tattermusch, in: Estelmann [Hrsg.], SGB II, § 21 Rn. 106 [Mai 2012]; mindestens drei Mal pro Bewilligungszeitraum: Herold-Tews, in: Löns/Herold-Tews [Hrsg.], SGB II, 3. Aufl. 2011, § 21 Rn. 39), der nach § 41 Abs. 1 Satz 4 SGB regelmäßig sechs Monate umfasst. Ein laufender Bedarf besteht hingegen nicht, wenn er lediglich prognostisch zumindest im nächsten Bewilligungszeitraum wieder entsteht (so aber etwa LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 28. April 2014 – L 13 AS 5379/13 B, n. v.; Behrend, in: jurisPK-SGB II, 3. Aufl. 2012, § 21 Rn. 81; Knickrehm/Hahn, in: Eicher [Hrsg.], SGB II, 3. Aufl. 2013, § 21 Rn. 68 m.w.N.).
Dies ergibt sich aus dem Wortlaut, der Systematik und der Entstehungsgeschichte. Bereits nach dem allgemeinen Begriffsverständnis spricht die Verwendung des Wortes "laufender" für einen wiederholten, nahezu ständig, jedenfalls nicht in allzu großen Abständen auftretenden Bedarf als Anspruchsvoraussetzung. Dass es nicht ausreicht, wenn der Bedarf nur einmal in einem Bewilligungszeitraum auftritt und sich frühestens im nächsten Bewilligungszeitraum wiederholt, ergibt sich auch aus der Gesamtkonzeption des SGB II. Die Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende sollen keine Dauerleistungen sein, sondern nur vorübergehend erbracht werden. Diese Zielsetzung spiegelt sich etwa in § 2 Abs. 2 Satz 1 SGB II, wonach die Grundsicherung für Arbeitsuchende die Eigenverantwortung von erwerbsfähigen Leistungsberechtigten und Personen, die mit ihnen in einer Bedarfsgemeinschaft leben, stärken und dazu beitragen soll, dass sie ihren Lebensunterhalt unabhängig von der Grundsicherung aus eigenen Mitteln und Kräften bestreiten können. Konkretisiert wird der vorübergehende Charakter der Leistungen nach dem SGB II durch § 41 Abs. 1 Satz 4 SGB II, wonach die Leistungen jeweils für sechs Monate bewilligt werden. Es würde auch dem Zweck begrenzter Bewilligungszeiträume, eine regelmäßige Überprüfung der Hilfebedürftigkeit in überschaubaren zeitlichen Abständen zu gewährleisten (Begründung des Gesetzesentwurfes auf BT-Drucks. 15/1516, S. 63), widersprechen, wenn die Gewährung eines Mehrbedarfs von dessen potentiellen bzw. prognostischen Entstehen zu einem späteren Zeitraum abhängig gemacht würde, ohne dass bereits – im Zuge der Bewilligungsentscheidung über die Regelbedarfe – feststünde oder auch nur geprüft werden könnte, ob zum späteren Zeitpunkt die allgemeinen Anspruchsvoraussetzungen überhaupt vorliegen.
Diese angesichts von Wortlaut und Systematik naheliegende Auslegung ist im Hinblick auf den Willen des Gesetzgebers schließlich zwingend. Der Gesetzgeber ging davon, dass ein Anspruch nach § 21 Abs. 6 SGB II nur bestehe, wenn es sich unter anderem um einen "regelmäßig wiederkehrenden" Bedarf handele, wobei für die Beurteilung der Regelmäßigkeit auf den Bewilligungszeitraum abzustellen sei (so Beschlussempfehlung und Bericht des Haushaltsausschusses des Bundestages, BT-Drucks. 17/1465, S. 8 f.). Der – insofern dokumentierte – eindeutige Wille des Gesetzgebers bildet eine der Grenzen der Auslegung (BVerfGE 71, 81 [105]; 93, 37 [81]; 98, 17 [45]; 101, 312 [329]; 119, 247 [274, 279]; 121, 30 [68]; 122, 39 [61]; 128, 157 [179]). Da der eindeutige Wille des Gesetzgebers auch die Grenze für eine (vermeintlich) verfassungskonforme Auslegung markiert, da eine verfassungskonforme Auslegung den für die Gesetzesauslegung geltenden methodischen Grenzen unterliegt (BVerfGE 71, 81 [105]; 119, 247 [273 f.]; 122, 39 [60 f.]), kann einer entstehungsgeschichtlich orientierten Auslegung auch nicht der verfassungsrechtliche Hintergrund der Neuregelung entgegengehalten werden (so aber Behrend, in: jurisPK-SGB II, 3. Aufl. 2012, § 21 Rn. 80). Im Übrigen hat die Kammer aber jedenfalls für die vorliegende Konstellation auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken, da die Ermöglichung der Teilnahme an einer Kurmaßnahme nicht zum menschenwürdigen Existenzminimum gehört und sich ein Anspruch auf Übernahme der hierdurch entstehenden Kosten nicht verfassungsrechtlich begründen lässt, wenn man den Gehalt von Art. 1 Abs. 1 i. V. m. Art. 20 Abs. 3 GG nicht banalisieren will (vgl. zur Gefahr, dass Art. 1 Abs. 1 als "kleine Münze abgenutzt wird", bereits Dürig, in: Maunz/Dürig [Begr.], GG, Art. 1 Abs. 1 Rn. 43 [Erstbearbeitung]).
Angesichts dessen kann im Fall des Klägers ein laufender Bedarf nicht festgestellt werden. Vielmehr entstehen die Kosten für den Kuraufenthalt in Heringsdorf allenfalls einmal jährlich, jedenfalls nicht mehrmals pro Bewilligungszeitraum.
Daher kann dahinstehen, ob die anderen Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind, insbesondere, ob der Kuraufenthalt gerade in Heringsdorf und die vom Kläger geltend gemachten Kosten unabweisbar waren.
b) Der vom Kläger geltend gemachte Anspruch folgt auch nicht aus § 24 Abs. 1 SGB II. Danach erbringt, wenn im Einzelfall ein vom Regelbedarf zur Sicherung des Le-bensunterhalts umfasster und nach den Umständen unabweisbarer Bedarf nicht gedeckt werden kann, die Agentur für Arbeit bei entsprechendem Nachweis den Bedarf als Sachleistung oder als Geldleistung und gewährt dem Leistungsberechtigten ein entsprechendes Darlehen. Die Klage ist nicht auf ein solches Darlehen gerichtet, sondern auf die Kostenübernahme als Zuschuss. Ein privates Darlehen – so die Dar-stellung des Klägers – hat ihm die Finanzierung der Reise- und Unterkunftskosten bereits möglich gemacht. Hierdurch wird deutlich, dass ihm an einem Darlehen – als Minus gegenüber einem Zuschuss – nicht gelegen ist.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Satz 1 SGG.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Übernahme der Kosten eines Kuraufenthalts im Rahmen der Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).
Die Krankenkasse des Klägers bewilligte diesem mit Bescheid vom 8. Mai 2013 eine ambulante Vorsorgeleistung für die Dauer von drei Wochen im Seebad Heringsdorf (Mecklenburg-Vorpommern). Die Bewilligung umfasste die ärztliche Behandlung durch einen Vertragskurarzt, die Arznei- und Verbandmittel, die Kurmittel (Heilmittel) sowie einen Zuschuss in Höhe von 8 EUR je Tag zu den übrigen Kosten bis zur Dauer von 21 Tagen.
Der Kläger beantragte mit Schreiben vom 15. Mai 2013 bei dem Beklagten die Über-nahme der Fahrt- und Unterkunftskosten, die von der Bewilligung der Krankenkasse nicht gedeckt seien. Diese Kosten der Kurmaßnahme betrügen 1.733,50 EUR. Unter Berücksichtigung des Zuschusses der Krankenkasse in Höhe von 168 EUR ergebe sich ein Betrag von 1.565,50 EUR. Es handle sich um die Kosten für Verpflegung, die Fahrt-kosten sowie die Kosten der von ihm angemieteten Ferienwohnung.
Der Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 27. Mai 2013 an. Da der Kurauf-enthalt eine medizinische Rehabilitationsmaßnahme sei, läge die Zuständigkeit für die Kostenübernahme nicht in seinem Bereich.
Den hiergegen am 11. Juni 2013 erhobenen Widerspruch wies der Beklagte mit Be-scheid vom 19. Juni 2013 zurück. Die für den Kuraufenthalt notwendigen Aufwendungen würden von der Krankenkasse übernommen. Die Regelungen des SGB II böten für eine weitergehende Kostenübernahme keinen Raum.
Mit seiner am 22. Juli 2013 erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Er habe die Kosten der Kurmaßnahme über ein privates Darlehen finanziert, die er nun von dem Beklagten erstattet verlange. Die Kosten der Reha-Maßnahme würden nicht in vollem Umfang von der Krankenkasse übernommen. Es verblieben nicht unerhebliche Kosten, die er selbst zu tragen habe. Aus dem Regelsatz könne er diese Kosten nicht finanzieren. Andererseits müsse es auch einem Bezieher von Arbeitslosengeld II möglich sein, die von der Krankenkasse aufgrund medizinischer Notwendigkeit bewilligten Maßnahmen wahrzunehmen. Die Kosten der ambulanten Kurmaßnahme seien als Mehrbedarf bzw. als unabweisbarer Bedarf anzuerkennen. Er habe bereits im August/September 2012 eine entsprechende Rehabilitationsbehandlung durchgeführt; ein weiterer Kuraufenthalt finde im August 2014 in Heringsdorf statt.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
den Beklagten unter Aufhebung seines Bescheides vom 27. Mai 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. Juni 2013 zu verurteilen, ihm 1.565,50 Euro zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte hält an seiner Entscheidung fest. Die Übernahme der begehrten Kosten scheitere bereits an einer fehlenden gesetzlichen Grundlage. § 21 Abs. 6 SGB II setze einen laufenden, nicht nur einmaligen besonderen Bedarf voraus. Bei der ambulanten Vorsorgemaßnahme handele es sich hingegen um eine einmalige Maßnahme und daher nicht um einen laufenden Bedarf. Ebenfalls nicht in Betracht komme eine Darlehensgewährung nach § 24 Abs. 1 SGB II. Die Kosten einer ambulanten Vorsor-gemaßnahme seien nicht vom Regelbedarf zur Sicherung des Lebensunterhaltes umfasst. Grundsätzlich stelle sich die Frage, ob es überhaupt erforderlich gewesen sei, die Maßnahme an der Ostsee durchzuführen, oder ob dies nicht auch in näherer Umgebung hätte erfolgen können.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Ver-handlung einverstanden erklärt.
Zu den weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Akte des Gericht sowie auf die beigezogene Akte des Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
1. Das Gericht kann gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da die Beteiligten hierzu ihr Einverständnis erklärt haben.
2. Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Bescheid des Beklagten vom 27. Mai 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. Juni 2013 ist rechtmäßig. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erstattung der Kosten seines Kuraufenthaltes gegenüber dem Beklagten. Eine einschlägige Anspruchsgrundlage bilden weder § 21 Abs. 6 SGB II noch § 24 Abs. 1 SGB II.
a) Nach § 21 Abs. 6 Satz 1 SGB II wird ein Mehrbedarf anerkannt, soweit im Einzelfall ein unabweisbarer, laufender, nicht nur einmaliger besonderer Bedarf besteht. Der Mehrbedarf ist unabweisbar, wenn er insbesondere nicht durch die Zuwendungen Dritter sowie unter Berücksichtigung von Einsparmöglichkeiten der Hilfebedürftigen gedeckt ist und seiner Höhe nach erheblich von einem durchschnittlichen Bedarf abweicht (§ 21 Abs. 6 Satz 2 SGB II). Es handelt sich bei § 21 Abs. 6 SGB II um eine Ausnahmevorschrift für atypische Bedarfslagen, dessen Tatbestandsvoraussetzungen nach der Beschlussempfehlung des Haushaltsausschusses des Bundestages eng und strikt sind (BT-Drucks. 17/1465, S. 8). Der Gesetzgeber hat damit ein Element aus dem sog. Hartz IV-Urteil des Bundesverfassungsgerichts (Urteil vom 9. Februar 2010 – 1 BvL 1/09 u. a., BVerfGE 125, 175 ff.; dazu etwa Aubel, in: Emmenegger/Wiedmann [Hrsg.], Linien der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, Band 2, 2011, S. 273 ff.) umgesetzt. Das Bundesverfassungsgericht hatte die Auffassung vertreten, dass es mit Art. 1 Abs. 1 i. V. m. Art. 20 Abs. 3 GG unvereinbar sei, dass im SGB II eine Regelung fehle, die einen Anspruch auf Leistungen zur Sicherstellung eines zur Deckung des menschenwürdigen Existenzminimums unabweisbaren, laufenden, nicht nur einmaligen, besonderen Bedarfs vorsehe (BVerfGE 125, 175 [252]). Auch das Bundesverfassungsgericht ging von engen und strikten Tatbestandsvoraussetzungen aus, so dass ein derartiger zusätzlicher Anspruch nur in seltenen Fällen entstehen dürfte (BVerfGE 125, 175 [255]).
Die Kammer lässt dahinstehen, ob angesichts dieser strengen Maßstäbe (für enge Auslegung etwa auch Tattermusch, in: Estelmann [Hrsg.], SGB II, § 21 Rn. 109 [Mai 2012]), die vom Kläger geltend gemachten Kosten überhaupt geeignet sind, einen Mehrbedarf im Sinne von § 21 Abs. 6 SGB II zu begründen. Zwar wird in der Literatur angenommen, dass auch gesundheitsspezifische Bedarfe einen solchen Mehrbedarf nach § 21 Abs. 6 SGB II auslösen können (Knickrehm/Hahn, in: Eicher [Hrsg.], SGB II, 3. Aufl. 2013, § 21 Rn. 74). Jedoch gilt primär, dass die Absicherung gegen die Risiken der Krankheit und Pflegebedürftigkeit durch die Einbeziehung von Arbeitslosengeld II-Empfängern in die ge¬setzliche Kranken- und Pflegeversicherung gewährleistet wird (BVerfGE 125, 175 [228]; BSG, Urteil vom 26. Mai 2011 – B 14 AS 146/10 R, juris, Rn. 23 f.). Erst, wenn Versicherte krankheitsbedingt Mittel benötigen, die verfassungskonform nicht dem Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung unterfallen, sichern die bei Hilfebedürftigkeit eingreifenden Teile des Sozialsystems – hier in Form von Leistungen nach dem SGB II – das verfassungsrechtlich garantierte Existenzminimum (so 3. Leitsatz bei BSG, Urteil vom 6. März 2012 – B 1 KR 24/10 R, juris; LSG Sachsen, Beschluss vom 25. September 2013 – L 7 AS 83/12 NZB, juris, Rn. 29). Es erscheint durchaus zweifelhaft, ob diese Voraussetzungen hier zu Gunsten des Klägers vorliegen (vgl. auch Urteil der erkennenden Kammer vom 11. Juni 2014 – S 15 AS 2553/13, juris, Rn. 22).
Aber jedenfalls ist das Tatbestandsmerkmal "laufender" Bedarf nicht erfüllt. Diese Voraussetzung ist nur erfüllt, wenn sich der Bedarf innerhalb eines Bewilligungszeit-raumes wiederholt (so auch Tattermusch, in: Estelmann [Hrsg.], SGB II, § 21 Rn. 106 [Mai 2012]; mindestens drei Mal pro Bewilligungszeitraum: Herold-Tews, in: Löns/Herold-Tews [Hrsg.], SGB II, 3. Aufl. 2011, § 21 Rn. 39), der nach § 41 Abs. 1 Satz 4 SGB regelmäßig sechs Monate umfasst. Ein laufender Bedarf besteht hingegen nicht, wenn er lediglich prognostisch zumindest im nächsten Bewilligungszeitraum wieder entsteht (so aber etwa LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 28. April 2014 – L 13 AS 5379/13 B, n. v.; Behrend, in: jurisPK-SGB II, 3. Aufl. 2012, § 21 Rn. 81; Knickrehm/Hahn, in: Eicher [Hrsg.], SGB II, 3. Aufl. 2013, § 21 Rn. 68 m.w.N.).
Dies ergibt sich aus dem Wortlaut, der Systematik und der Entstehungsgeschichte. Bereits nach dem allgemeinen Begriffsverständnis spricht die Verwendung des Wortes "laufender" für einen wiederholten, nahezu ständig, jedenfalls nicht in allzu großen Abständen auftretenden Bedarf als Anspruchsvoraussetzung. Dass es nicht ausreicht, wenn der Bedarf nur einmal in einem Bewilligungszeitraum auftritt und sich frühestens im nächsten Bewilligungszeitraum wiederholt, ergibt sich auch aus der Gesamtkonzeption des SGB II. Die Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende sollen keine Dauerleistungen sein, sondern nur vorübergehend erbracht werden. Diese Zielsetzung spiegelt sich etwa in § 2 Abs. 2 Satz 1 SGB II, wonach die Grundsicherung für Arbeitsuchende die Eigenverantwortung von erwerbsfähigen Leistungsberechtigten und Personen, die mit ihnen in einer Bedarfsgemeinschaft leben, stärken und dazu beitragen soll, dass sie ihren Lebensunterhalt unabhängig von der Grundsicherung aus eigenen Mitteln und Kräften bestreiten können. Konkretisiert wird der vorübergehende Charakter der Leistungen nach dem SGB II durch § 41 Abs. 1 Satz 4 SGB II, wonach die Leistungen jeweils für sechs Monate bewilligt werden. Es würde auch dem Zweck begrenzter Bewilligungszeiträume, eine regelmäßige Überprüfung der Hilfebedürftigkeit in überschaubaren zeitlichen Abständen zu gewährleisten (Begründung des Gesetzesentwurfes auf BT-Drucks. 15/1516, S. 63), widersprechen, wenn die Gewährung eines Mehrbedarfs von dessen potentiellen bzw. prognostischen Entstehen zu einem späteren Zeitraum abhängig gemacht würde, ohne dass bereits – im Zuge der Bewilligungsentscheidung über die Regelbedarfe – feststünde oder auch nur geprüft werden könnte, ob zum späteren Zeitpunkt die allgemeinen Anspruchsvoraussetzungen überhaupt vorliegen.
Diese angesichts von Wortlaut und Systematik naheliegende Auslegung ist im Hinblick auf den Willen des Gesetzgebers schließlich zwingend. Der Gesetzgeber ging davon, dass ein Anspruch nach § 21 Abs. 6 SGB II nur bestehe, wenn es sich unter anderem um einen "regelmäßig wiederkehrenden" Bedarf handele, wobei für die Beurteilung der Regelmäßigkeit auf den Bewilligungszeitraum abzustellen sei (so Beschlussempfehlung und Bericht des Haushaltsausschusses des Bundestages, BT-Drucks. 17/1465, S. 8 f.). Der – insofern dokumentierte – eindeutige Wille des Gesetzgebers bildet eine der Grenzen der Auslegung (BVerfGE 71, 81 [105]; 93, 37 [81]; 98, 17 [45]; 101, 312 [329]; 119, 247 [274, 279]; 121, 30 [68]; 122, 39 [61]; 128, 157 [179]). Da der eindeutige Wille des Gesetzgebers auch die Grenze für eine (vermeintlich) verfassungskonforme Auslegung markiert, da eine verfassungskonforme Auslegung den für die Gesetzesauslegung geltenden methodischen Grenzen unterliegt (BVerfGE 71, 81 [105]; 119, 247 [273 f.]; 122, 39 [60 f.]), kann einer entstehungsgeschichtlich orientierten Auslegung auch nicht der verfassungsrechtliche Hintergrund der Neuregelung entgegengehalten werden (so aber Behrend, in: jurisPK-SGB II, 3. Aufl. 2012, § 21 Rn. 80). Im Übrigen hat die Kammer aber jedenfalls für die vorliegende Konstellation auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken, da die Ermöglichung der Teilnahme an einer Kurmaßnahme nicht zum menschenwürdigen Existenzminimum gehört und sich ein Anspruch auf Übernahme der hierdurch entstehenden Kosten nicht verfassungsrechtlich begründen lässt, wenn man den Gehalt von Art. 1 Abs. 1 i. V. m. Art. 20 Abs. 3 GG nicht banalisieren will (vgl. zur Gefahr, dass Art. 1 Abs. 1 als "kleine Münze abgenutzt wird", bereits Dürig, in: Maunz/Dürig [Begr.], GG, Art. 1 Abs. 1 Rn. 43 [Erstbearbeitung]).
Angesichts dessen kann im Fall des Klägers ein laufender Bedarf nicht festgestellt werden. Vielmehr entstehen die Kosten für den Kuraufenthalt in Heringsdorf allenfalls einmal jährlich, jedenfalls nicht mehrmals pro Bewilligungszeitraum.
Daher kann dahinstehen, ob die anderen Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind, insbesondere, ob der Kuraufenthalt gerade in Heringsdorf und die vom Kläger geltend gemachten Kosten unabweisbar waren.
b) Der vom Kläger geltend gemachte Anspruch folgt auch nicht aus § 24 Abs. 1 SGB II. Danach erbringt, wenn im Einzelfall ein vom Regelbedarf zur Sicherung des Le-bensunterhalts umfasster und nach den Umständen unabweisbarer Bedarf nicht gedeckt werden kann, die Agentur für Arbeit bei entsprechendem Nachweis den Bedarf als Sachleistung oder als Geldleistung und gewährt dem Leistungsberechtigten ein entsprechendes Darlehen. Die Klage ist nicht auf ein solches Darlehen gerichtet, sondern auf die Kostenübernahme als Zuschuss. Ein privates Darlehen – so die Dar-stellung des Klägers – hat ihm die Finanzierung der Reise- und Unterkunftskosten bereits möglich gemacht. Hierdurch wird deutlich, dass ihm an einem Darlehen – als Minus gegenüber einem Zuschuss – nicht gelegen ist.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Satz 1 SGG.
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