Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Leipzig (FSS)
Aktenzeichen
S 8 KR 4/10
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 1 KR 192/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Krankenversicherung - zur Auslegung von § 11 Abs. 1 Nr. 1 AAG - § 4 AAG
§ 4 AAG ist lex specialis zu § 50 in Verbindung mit §§ 45, 48 SGB X (Anschluss an das zum gleichlautenden § 11 LFZG ergangene Urteil des BSG vom 25. September 2000 - B 1 KR 2/00 R - juris Rn. 28 f.).
Im Wege der juristischen Auslegungsmethoden ergibt sich, dass sich das Tatbestandsmerkmal der Tarifgebundenheit in § 11 Abs. 1 Nr. 1 AAG nur auf "Vereinigungen, Einrichtungen und Unternehmungen" bezieht.
§ 4 AAG ist lex specialis zu § 50 in Verbindung mit §§ 45, 48 SGB X (Anschluss an das zum gleichlautenden § 11 LFZG ergangene Urteil des BSG vom 25. September 2000 - B 1 KR 2/00 R - juris Rn. 28 f.).
Im Wege der juristischen Auslegungsmethoden ergibt sich, dass sich das Tatbestandsmerkmal der Tarifgebundenheit in § 11 Abs. 1 Nr. 1 AAG nur auf "Vereinigungen, Einrichtungen und Unternehmungen" bezieht.
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 30. Juni 2011 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind für beide Rechtszüge nicht zu erstatten.
III. Der Streitwertbeschluss des Sozialgerichts Leipzig vom 8. Juli 2011 wird aufgehoben.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Rückforderung von Erstattungsbeträgen nach dem Aufwendungsausgleichsgesetz (AAG).
Die Klägerin ist eine Anstalt des öffentlichen Rechts und hinsichtlich der für die Beschäftigten des Bundes, der Länder oder der Gemeinden geltenden Tarifverträge nicht tarifgebunden. Sie hat weniger als 30 Mitarbeiter und unterlag ab 1. Januar 2003 nicht der "Umlagepflicht U1 und U2". Ab 1. Januar 2006 wurde sie durch die Beklagte rückwirkend der Umlagepflicht U1 unterworfen, nachdem sie am 22. Dezember 2006 Anträge auf Erstattung nach dem AAG für Arbeitgeberaufwendungen bei Arbeitsunfähigkeit – U1 – gestellt hatte.
Durch Bescheid vom 13. März 2007 forderte die Deutsche Rentenversicherung Mitteldeutschland von der Klägerin anlässlich einer Betriebsprüfung die Nachzahlung von Sozialversicherungsbeiträgen für die Zeit vom 1. Januar 2003 bis 31. Dezember 2005. In diesem Bescheid führte sie unter anderem aus, für einen beschäftigten Arbeiter (Hausmeister) seien im Zeitraum von November 2003 bis Dezember 2005 keine Beiträge zum Umlageverfahren U1 nachgewiesen und abgeführt worden; die Nachberechnung erfolge einschließlich Säumniszuschlägen.
Durch Anträge vom 7. Januar 2008 (betreffend die Beschäftigten E M [Erstattungen wegen Arbeitsunfähigkeit vom 12. Februar 2007 bis 2. März 2007 sowie am 11. Juni 2007 und am 29. Mai 2007], U K [Erstattung wegen Arbeitsunfähigkeit vom 13. März 2007 bis 15. März 2007] und J S [Erstattung wegen Arbeitsunfähigkeit vom 23. Februar 2007 bis 5. April 2007]) und vom 23. April 2009 (betreffend die Beschäftigte E M [Erstattung wegen Arbeitsunfähigkeit am 1. Dezember 2008]) beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Erstattung der Arbeitgeberaufwendungen bei Krankheit. Im Unterschriftsfeld des Antragsformulars heißt es vor der Unterschriftszeile unter anderem:
"Die Erstattung erfolgt unter dem Vorbehalt der späteren Prüfung."
Die Beklagte zahlte aufgrund dieser Anträge einen Betrag von insgesamt 4.454,77 EUR an die Klägerin. Darüber hinaus hatte sie bereits für die Beschäftigte U K für die Zeiten der Arbeitsunfähigkeit vom 18. Dezember 2006 bis 22. Dezember 2006, 21. August 2006 bis 25. August 2006, 8. Juni 2006 bis 12. Juni 2006, 20. April 2006 bis 26. April 2006 sowie vom 13. März 2006 bis 17. März 2006 und für den Beschäftigten J S für die Zeit der Arbeitsunfähigkeit vom 15. Februar 2006 bis 29. März 2006 einen Betrag von insgesamt 4.694,41 EUR gezahlt; dem hatten fünf Anträge vom 22. Dezember 2006 und ein Antrag vom 17. Januar 2007 zu Grunde gelegen. Für die Zeit vom 15. Februar 2006 bis 1. Dezember 2008 nahm die Beklagte insgesamt Zahlungen von (4.454,77 EUR + 4.694,41 EUR =) 9.149,18 EUR vor. Die Erstattung wegen Arbeitsunfähigkeit der Beschäftigten E M am 1. Dezember 2008 belief sich auf 71,16 EUR. Wegen der Einzelheiten wird auf Blatt 30, 40 und 59 der Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen.
Mit Schreiben vom 3. Juli 2009 teilte die Beklagte der Klägerin mit, es werde beabsichtigt, die vorliegenden Erstattungsanträge abzulehnen sowie die für die Kalenderjahre 2006 bis 2008 bereits zu Unrecht geleisteten Erstattungsbeträge in Höhe von insgesamt 9.149,18 EUR zurückzufordern. Die Klägerin sei eine juristische Person des öffentlichen Rechts (Anstalt), so dass die Ausnahmeregelung des § 11 Abs. 1 AAG eingreife. Dies habe zur Folge, dass die Klägerin von der Teilnahme am Ausgleichsverfahren U1 ausgeschlossen sei. Gemäß § 24 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) werde die Möglichkeit gegeben, sich zu den entscheidungserheblichen Tatsachen zu äußern.
Mit Schreiben vom 28. Juli 2009 teilte die Klägerin der Beklagten mit, es treffe zwar zu, dass die Klägerin eine rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts sei. Dies genüge aber nicht, um das Vorliegen des Ausnahmetatbestands des § 11 Abs. 1 Nr. 1 AAG bejahen zu können. Denn kumulativ müsse hinzutreten, dass die Anstalt des öffentlichen Rechts hinsichtlich der für die Beschäftigten des Bundes, der Länder und der Gemeinden geltenden Tarifverträge tarifgebunden sei. Dies sei bei der Klägerin jedoch nicht der Fall.
Mit Bescheid vom 10. August 2009 lehnte die Beklagte die fünf Anträge vom 7. Januar 2008 sowie den Antrag vom 23. April 2009 ab. Außerdem lehnte sie die fünf Anträge vom 22. Dezember 2006 sowie den Antrag vom 17. Januar 2007 ab. – Aufgrund des automatisierten Bewilligungsverfahrens hatte die Klägerin allerdings tatsächlich bereits Erstattungsbeträge in Höhe von 9.149,18 EUR erhalten. – Die geleisteten Erstattungsbeträge würden in Höhe von insgesamt 9.149,18 EUR zurückgefordert. Arbeitsentgelt, das von Arbeitgebern gezahlt werde, die gemäß § 11 Abs. 1 AAG nicht am Ausgleichsverfahren teilnähmen, seien nicht erstattungsfähig. Die bereits geleisteten Erstattungsbeträge in Höhe von 9.149,18 EUR seien zu Unrecht erfolgt und gemäß § 4 Abs. 2 AAG zurückzufordern.
Hiergegen legte die Klägerin mit Schreiben vom 3. September 2009 Widerspruch ein. Zur Begründung wiederholte sie, § 11 Abs. 1 Nr. 1 AAG könne nur auf Anstalten des öffentlichen Rechts Anwendung finden, "die hinsichtlich der für die Beschäftigten des Bundes der Länder und der Gemeinden geltenden Tarifverträge tarifgebunden sind". Dies treffe auf die Klägerin nicht zu. Diese Lesart des § 11 Abs. 1 Nr. 1 AAG entspreche der herrschenden Meinung in Rechtsprechung und Literatur (Hinweis auf Sozialgericht [SG] Leipzig, Urteil vom 9. Juni 2005 – S 8 KR 87/03 – juris Rn. 18, und Marburger, DÖD 2008, 9).
Mit Widerspruchsbescheid vom 8. Dezember 2009 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück. Die Tarifgebundenheit sei keine kumulative Voraussetzung für den Ausschluss von Anstalten des öffentlichen Rechts vom Ausgleichsverfahren U1. Dies folge aus der Gesetzesentstehung. Der ursprüngliche Entwurf des Lohnfortzahlungsgesetzes (LFZG) vom 7. Dezember 1962 (BT-Drucksache IV/817) habe in § 19 (später § 18 LFZG) zunächst nur die Formulierung enthalten:
"Die Vorschriften dieses Abschnitts finden keine Anwendung 1. auf den Bund, die Länder, Gemeinden und Gemeindeverbände sowie sonstige Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts, 2. Nr. 2 ... ".
Ein Antrag der SPD-Fraktion aus dem Jahre 1969 (BT-Drucksache V/3983) habe erstmals die Ergänzung
"sowie die Vereinigungen, Einrichtungen und Unternehmungen, die hinsichtlich der für die Arbeiter des Bundes, der Länder oder der Gemeinden geltenden Tarifverträge tarifgebunden sind",
beinhaltet. Folglich sei nach der Gesetzesentstehung ein Ausschluss der öffentlich-rechtlichen Anstalten von einer Teilnahme am U1-Verfahren anzunehmen, und zwar unabhängig von der Frage der Tarifbindung.
Dagegen hat die Klägerin am 6. Januar 2010 Klage beim SG Leipzig erhoben.
Die Klägerin hat vorgetragen, der von der Beklagten geforderte Erstattungsbetrag sei der Höhe nach nicht streitig. Die Klägerin sei kein Arbeitgeber im Sinne des § 11 Abs. 1 AAG. Sowohl die grammatikalische als auch die teleologische Auslegung sprächen dafür, dass das Tatbestandsmerkmal der Tarifgebundenheit kumulativ gelten müsse. Dies entspreche auch der Rechtsauffassung aller anderen Krankenkassen und derjenigen der Deutschen Rentenversicherung. Die von der Beklagten vorgenommene historische Auslegung werde dem Umstand nicht gerecht, dass privater Rundfunk erst ab den 1980er Jahren in Deutschland erlaubt gewesen sei. Die Klägerin sei als Landesmedienanstalt staatsfern, da Rundfunk gemäß Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Grundgesetz (GG) staatsfern zu sein habe. Daher müsse auch die Aufsicht über den privaten Rundfunk staatsfern organisiert sein. Dementsprechend finanziere sich die Klägerin nicht aus Steuermitteln, sondern aus einem Anteil an der einheitlichen Rundfunkgebühr. Auch wenn sie hoheitliche Aufgaben wahrnehme, so würden diese aus den vorgenannten Gründen nicht aus dem staatlichen Wirkungsbereich des Bundes, der Länder oder der Gemeinden abgeleitet, weil diese unter keinen Umständen für die Erfüllung der Aufgaben der Klägerin zuständig wären. Vielmehr leite sich der Wirkbereich der Klägerin direkt aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG her. Von ihrem anstaltsprägenden Charakter sei die Klägerin – auch wenn sie eine Anstalt des öffentlichen Rechts mit hoheitlichen Aufgaben sei – von der Intention des historischen Gesetzgebers nicht erfasst. Der historische Gesetzgeber habe diesen Sonderfall überhaupt nicht gekannt. Die Behauptung, es existierten außer der Klägerin noch andere nicht tarifgebundene staatsferne Anstalten des öffentlichen Rechts, die nicht mehr als 30 Arbeitnehmer hätten, und entgegen dem Wortlaut und der teleologischen Auslegung des § 11 Abs. 1 Nr. 1 AAG in dessen Anwendungsbereich fallen müssten, werde bestritten; insbesondere Krankenkassen hätten mehr als 30 Arbeitnehmer. Weiterhin müssten Ausnahmetatbestände stets eng ausgelegt werden. Darüber hinaus lägen die für eine Rückforderung zwingenden Voraussetzungen des § 4 Abs. 2 AAG nicht vor. Der Klägerin sei Vertrauensschutz im Hinblick auf die von der Beklagten an sie gezahlten Erstattungen zu gewähren. Die §§ 45 ff. SGB X müssten Anwendung finden. Die vor dem 3. Juli 2008 von der Beklagten beschiedenen Ansprüche seien verfristet. Die Formulierung im Antragsformular der Beklagten "Die Erstattung erfolgt unter dem Vorbehalt der späteren Prüfung" sei nicht geeignet, den Vertrauensschutz der Klägerin entfallen zu lassen. Es müsse beachtet werden, dass alle weiteren Krankenkassen, bei denen Mitarbeiter der Klägerin versichert seien, die Klägerin zur Teilnahme am Umlageverfahren verpflichteten.
Die Beklagte hat vorgetragen, die gemäß § 11 Abs. 1 Nr. 1 AAG maßgeblichen vier Kategorien von Ausnahmefällen würden jeweils durch das Wort "sowie" abgegrenzt. Die in der dritten Kategorie genannte Tarifgebundenheit sei deshalb für die zweite Kategorie, in der die Anstalten des öffentlichen Rechts genannt würden, keine kumulative Voraussetzung für den Ausschluss vom U1-Verfahren. Die von der Beklagten vertretene Rechtsauffassung sei auch die in der Kommentarliteratur vorherrschende. Sie werde darüber hinaus durch die Gesetzesentstehung bestätigt. Noch im Antrag der Fraktion der CDU/CSU zum Entwurf eines Gesetzes über die Fortzahlung des Arbeitsentgelts im Krankheitsfalle und über Änderungen des Rechts der gesetzlichen Krankenversicherung vom 18. März 1969 seien in § 17 dieses Entwurfs die dritte und vierte Kategorie des jetzigen § 11 Abs. 1 Nr. 1 AAG (zuvor § 18 Nr. 1 LFZG) nicht enthalten gewesen. Das Tatbestandsmerkmal der Tarifbindung sei erst im Zuge der Ergänzung durch die (dritte) Kategorie "Vereinigungen, Einrichtungen und Unternehmungen" mit in die Vorschrift aufgenommen worden. Daraus folge, dass es auch nur für diese Gruppe von Arbeitgebern Anwendung finde solle. Die Voraussetzung der Tarifgebundenheit finde sich deshalb nur in dieser dritten Kategorie, weil dort - über den öffentlichen Dienst im engeren Sinne hinaus - auch privatrechtliche Vereinigungen, Einrichtungen und Unternehmungen von dem Ausnahmetatbestand hätten erfasst werden sollen, wenn sie die Geltung der öffentlich-rechtlichen Tarifverträge für ihren Bereich übernommen hätten. Der Ausschluss der öffentlich-rechtlichen Arbeitgeber vom Ausgleichsverfahren werde somit allein durch die Zugehörigkeit zum öffentlich-rechtlichen Bereich begründet (Hinweis auf Landessozialgericht [LSG] Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 31. Mai 1979, - L 16 KR 173/77 – amtlicher Umdruck S. 6 zu § 18 Nr. 1 LFZG: "Die gesetzliche Regelung beschränkt sich dabei nicht auf Bund, Länder, Gemeinden und Gemeindeverbände sowie auf die sonstigen Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts, sondern bezieht auch andere Vereinigungen, also auch solche nicht öffentlich-rechtlicher Natur, in diese Ausschlußregelung ein, sofern sie an die für Bund, Länder oder Gemeinden geltenden Tarifverträge gebunden sind. Es kommt also nur darauf an, daß es sich um einen öffentlich-rechtlichen Arbeitgeber handelt oder wenigstens um einen solchen, auf den für öffentlich-rechtliche Arbeitgeber geltende Tarifverträge Anwendung finden. Allein diese Zugehörigkeit zum öffentlich-rechtlichen Bereich begründet den Ausschluß vom Ausgleichsverfahren, ohne daß es im Einzelfalle darauf ankäme, wer die Mittel der jeweiligen Einrichtungen trägt."). Das Argument der Staatsferne trage nicht. Auch andere Körperschaften des öffentlichen Rechts seien nicht im unmittelbaren Wirkungskreis des Bundes, der Länder oder der Gemeinden tätig und finanzierten sich nicht aus Steuermitteln. Dies gelte zum Beispiel für die Krankenkassen, die ebenfalls Körperschaften des öffentlichen Rechts seien und sich aus den Beiträgen ihrer Versicherten finanzierten. Der Gesetzgeber habe öffentlich-rechtlich organisierte Institutionen bewusst aus dem Geltungsbereich des U1-Verfahrens ausgeschlossen, da er für diese Arbeitgeber keine Ausgleichsbedürftigkeit gesehen habe. Für diese Arbeitgeber stelle nämlich die Entgeltfortzahlung kein wirtschaftliches Risiko dar, weil sie in der Regel keine auf Gewinnerzielung gerichteten Unternehmen betrieben. Die Klägerin nehme typisch hoheitliche Aufgaben wahr. Die Voraussetzungen des § 4 Abs. 2 AAG für die Rückforderung der Erstattungen in Höhe von 9.149,18 EUR lägen vor. Ein Vertrauensschutz der Klägerin scheitere schon im Hinblick darauf, dass § 4 Abs. 2 AAG eine Spezialregelung zu den §§ 45 ff. SGB X darstelle. § 4 Abs. 2 AAG sehe keine Vertrauensschutztatbestände vor. Vielmehr ermögliche § 4 Abs. 2 Satz 2 AAG sogar eine Rückforderung in denjenigen Fällen, in denen sich der Arbeitgeber auf eine Entreicherung berufe. Eine Verjährung der Rückforderungsansprüche sei gemäß § 6 Abs. 1 AAG nicht eingetreten.
Mit Urteil vom 30. Juni 2011 hat das SG den Bescheid der Beklagten vom 10. August 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Dezember 2009 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, der Klägerin auf ihren Antrag vom 23. April 2009 für das Jahr 2008 71,16 EUR zu erstatten. Ein Anspruch der Beklagten auf Rückforderung der an die Klägerin geleisteten Erstattungen gemäß § 4 AAG bestehe nicht. Die Klägerin nehme am Umlageverfahren U1 teil, weil sie keine vom Anwendungsbereich des AAG nach § 11 Abs. 1 Nr. 1 AAG ausgeschlossene Einrichtung sei. Hierbei sei zu berücksichtigen, dass Ausnahmevorschriften insoweit generell eng auszulegen seien. Das Tatbestandsmerkmal der Tarifgebundenheit in § 11 Abs. 1 Nr. 1 AAG erstrecke sich auch auf Anstalten des öffentlichen Rechts. Dies ergebe sich im Wege grammatikalischer Auslegung. Denn hätte der Gesetzgeber das Tatbestandsmerkmal der Tarifgebundenheit nur auf Vereinigungen, Einrichtungen und Unternehmungen, die hinsichtlich der für die Beschäftigten des Bundes, der Länder oder der Gemeinden geltenden Tarifverträge tarifgebunden seien, beschränken wollen, hätte er dies durch eine hinreichend eindeutige sprachliche Trennung, beispielsweise durch aneinandergefügte Hauptsätze, kenntlich gemacht. Dieses Ergebnis werde auch vom Sinn und Zweck der Vorschrift getragen. Wenn die Tarifbindung schon für die von juristischen Personen des öffentlichen Rechts geschaffenen privatrechtlichen Vereinigungen, Einrichtungen und Unternehmungen gelten solle, müsse eine derartige Tarifbindung erst recht für die öffentlich-rechtlichen Körperschaften selbst gelten. Dafür spreche auch der Umstand, dass sich aus dem Gründungszweck der Klägerin eine "besondere Staatsferne" ergebe. Die von der Beklagten vorgenommene historische Auslegung überzeuge nicht, weil der private Rundfunk in Deutschland erst in den 1980er Jahren des vorigen Jahrhunderts entstanden sei. Das SG hat die Berufung zugelassen.
Mit Beschluss vom 8. Juli 2011 hat das SG den Streitwert auf 9.220,34 EUR festgesetzt.
Gegen das ihr am 7. September 2011 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 30. September 2011 Berufung eingelegt.
Die Beklagte bezieht sich auf ihren erstinstanzlichen Vortrag und trägt weiter vor, den Betrag von 71,16 EUR (Erstattung wegen Arbeitsunfähigkeit der Beschäftigten E M am 1. Dezember 2008) habe sie bereits an die Klägerin ausgezahlt. Das Tatbestandsmerkmal der Tarifgebundenheit in § 11 Abs. 1 Nr. 1 AAG beziehe sich nicht auf Anstalten des öffentlichen Rechts. Dies folge zum einen aus dem Umstand, dass der jeweiligen Ausnahmegruppe das Wort "sowie" vorangestellt sei und zum anderen aus der Entstehungsgeschichte der Norm. Maßgeblich sei nicht die vorgetragene "Staatsferne" der Klägerin, sondern ihre Wahrnehmung typisch hoheitlicher Aufgaben. Die Auffassung der Beklagten werde gestützt durch das Gemeinsame Rundschreiben der Spitzenverbände der Krankenkassen zum Gesetz über den Ausgleich der Arbeitgeberaufwendungen für Entgeltfortzahlung (Aufwendungsausgleichsgesetz - AAG) vom 21. Dezember 2005 in der Fassung der Ergänzung vom 13. Februar 2006 (Punkt 2.21). Für die Klägerin bestehe demnach keine "Umlageverpflichtung zur U1" und damit auch kein Anspruch auf Erstattung der Arbeitgeberaufwendungen bei Krankheit. Sowohl die Kostenentscheidung des SG als auch dessen Streitwertbeschluss seien fehlerhaft (Hinweis auf Bundessozialgericht [BSG], Beschluss vom 20. Dezember 2005 – B 1 KR 5/05 B – juris Rn. 9, und BSG, Urteil vom 27. Oktober 2010 – B 1 KR 12/09 R – juris Rn. 22).
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 30. Juni 2011 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen,
hilfsweise, die Revision zuzulassen.
Sie verweist ebenfalls auf ihren erstinstanzlichen Vortrag und hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.
Dem Senat haben die Verwaltungsakte der Beklagten sowie die Gerichtsakten beider Rechtszüge vorgelegen.
Entscheidungsgründe:
1. Die Berufung der Beklagten ist zulässig.
Da das SG die Berufung ausdrücklich zugelassen hat und der Senat hieran gemäß § 144 Abs. 3 SGG gebunden ist, ist sie zulässig. Der Berufungszulassung hätte es allerdings nicht bedurft, weil die Berufung ohnehin gemäß § 143 in Verbindung mit § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG zulässig war. Da die Klägerin in ihrer Funktion als Arbeitgeberin geklagt hat und sich als solche gegen die Rückforderung der Erstattung von Aufwendungen für die Entgeltfortzahlung gewandt hat, ist sie als Leistungsempfängerin im Sinne des § 183 SGG tätig geworden (siehe dazu noch unter 4).
2. Die Berufung der Beklagten ist auch begründet.
Das SG hat den Bescheid der Beklagten vom 10. August 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Dezember 2009 zu Unrecht aufgehoben (c). Auch die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung eines Betrages von 71,16 EUR ist zu Unrecht erfolgt (d). Der Bescheid vom 10. August 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Dezember 2009 ist rechtmäßig.
a) Die Entscheidung kann ergehen, ohne diejenigen Krankenkassen (AOK Plus, Bahn BKK, KKH-Allianz, Barmer GEK, DAK, TK, IKK classic; siehe insoweit Blatt 95 bis 103 der SG-Akte) beizuladen, bei denen weitere Beschäftigte der Klägerin krankenversichert sind. Die Voraussetzungen für eine notwendige Beiladung nach der einzig in Betracht kommenden Vorschrift des § 75 Abs. 2 Satz Alternative 1 SGG (Notwendigkeit einheitlicher Entscheidung) liegen nicht vor.
Danach sind Dritte zum Rechtsstreit beizuladen, wenn die Entscheidung auch ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen kann. Eine Beiladung ist notwendig und muss von Amts wegen ausgesprochen werden, wenn durch die Entscheidung über das streitige Rechtsverhältnis zugleich in die Rechtssphäre eines Dritten unmittelbar eingegriffen wird (BSG, Beschluss vom 21. Juli 2009 – B 7 AL 119/08 B – juris Rn. 7). Notwendig ist die Identität des Streitgegenstands im Verhältnis beider Hauptbeteiligter zu dem Dritten.
An dem Erfordernis der Unmittelbarkeit fehlt es, wenn im Hinblick auf die Dritten nur über eine Vorfrage zu entscheiden ist (BSG, Urteil vom 25. Februar 2010 – B 10 LW 2/09 R – juris Rn. 10, und BSG, Urteil vom 10. Februar 2000 – B 3 P 12/99 R – juris Rn. 12).
Ob die Klägerin gemäß § 11 Abs. 1 Nr. 1 AAG von der Teilnahme am U1-Verfahren ausgeschlossen ist, betrifft die oben genannten Krankenkassen als Dritte nur mittelbar. Denn es handelt sich dabei um eine Vorfrage, nach deren Klärung sie erst den Erlass von Bescheiden gemäß § 4 Abs. 2 AAG in Erwägung ziehen könnten.
Darüber hinaus kann als Folge der allenfalls mittelbaren Betroffenheit auch eine Identität des Streitgegenstands zum jetzigen Zeitpunkt schon deshalb nicht geprüft werden, weil seitens dieser Krankenkassen noch gar keine Entscheidungen über die Rückabwicklung der Teilnahme der Klägerin am U1-Verfahren getroffen wurden.
b) Auch eine Beiladung der Deutschen Rentenversicherung Mitteldeutschland war nicht geboten.
Der Betriebsprüfungsbescheid vom 13. März 2007 betrifft nur die Nachzahlung von Sozialversicherungsbeiträgen für die Zeit vom 1. Januar 2003 bis 31. Dezember 2005. Vorliegend sind aber Erstattungen für spätere Zeiten im Streit. Es fehlt folglich auch insoweit an der erforderlichen Identität des Streitgegenstands, zumal die Klägerin durch die Beklagte erst ab 1. Januar 2006 rückwirkend der Umlagepflicht U1 unterworfen wurde.
c) Die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind rechtmäßig.
Die Voraussetzungen für eine Rückforderung der von der Beklagten an die Klägerin gezahlten Erstattungen gemäß § 4 Abs. 2 AAG liegen vor. Die Klägerin ist gemäß § 11 Abs. 1 Nr. 1 AAG von der Teilnahme am Umlageverfahren U1 ausgeschlossen. Dadurch erfolgten die Erstattungen zu Unrecht (aa). Der Rückforderungsanspruch der Beklagten ist auch nicht verjährt (bb).
aa) Gemäß § 4 Abs. 2 Satz 1 AAG hat die Krankenkasse Erstattungsbeträge vom Arbeitgeber insbesondere zurückzufordern, soweit der Arbeitgeber
1. schuldhaft falsche oder unvollständige Angaben gemacht hat oder 2. Erstattungsbeträge gefordert hat, obwohl er wusste oder wissen musste, dass ein Anspruch nach § 3 Abs. 1 und 2 oder § 9 Abs. 1 des Entgeltfortzahlungsgesetzes oder nach § 11 oder § 14 Abs. 1 Mutterschutzgesetzes nicht besteht.
Der Arbeitgeber kann sich nicht darauf berufen, dass er durch die zu Unrecht gezahlten Beträge nicht mehr bereichert sei (§ 4 Abs. 2 Satz 2 AAG). Von der Rückforderung kann abgesehen werden, wenn der zu Unrecht gezahlte Betrag gering ist und der entstehende Verwaltungsaufwand unverhältnismäßig groß sein würde (§ 4 Abs. 2 Satz 3 AAG).
§ 4 AAG ist lex specialis zu § 50 in Verbindung mit §§ 45, 48 SGB X (ausführlich zur Vorläuferbestimmung des gleichlautenden § 11 LFZG BSG, Urteil vom 25. September 2000 – B 1 KR 2/00 R – juris Rn. 28 f.). Ein Vertrauensschutz desjenigen, von dem die Erstattungen zurückgefordert werden, besteht demnach nicht (BSG, Urteil vom 25. September 2000 – B 1 KR 2/00 R – juris Rn. 32).
§ 4 Abs. 2 AAG ist als Ausdruck eines vom Gesetzgeber offenbar für selbstverständlich gehaltenen und daher nicht eigens auszusprechenden Grundsatzes zu verstehen, dass eine zu Unrecht erhaltene Leistung zurückzuzahlen ist (siehe hierzu und zum Folgenden BSG, Urteil vom 25. September 2000 – B 1 KR 2/00 R – juris Rn. 30). Die Bezugnahme auf das Bereicherungsrecht in § 4 Abs. 2 Satz 2 AAG verdeutlicht, dass § 4 Abs. 2 nähere Ausformungen des öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs enthält.
§ 4 Abs. 2 Satz 1 AAG macht durch das Wort "insbesondere" deutlich, dass eine Rückforderung nicht nur unter den in Nr. 1 und Nr. 2 genannten Voraussetzungen in Betracht kommt. Aus Satz 3 folgt, dass ein Verzicht auf die Rückforderung nur dann zulässig ist, wenn der zu Unrecht gezahlte Betrag gering ist und der entstehende Verwaltungsaufwand unverhältnismäßig groß sein würde. Mit dieser Formulierung werden Rückforderungen von einem gutgläubigen Empfänger, wenn sie sich auf einen hohen Betrag beziehen oder nur geringen Aufwand verursachen, nicht erfasst. Da insoweit ein Absehen von der Rückforderung offenbar nicht zulässig sein soll, kann das Schweigen des Gesetzgebers zu dieser Fallgestaltung insgesamt nur als "beredt" im Sinne einer allgemeinen Rückforderungsverpflichtung verstanden werden, die sich aus der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung und aus dem Gebot ableitet, Einnahmen vollständig zu erheben (so ausdrücklich BSG, Urteil vom 25. September 2000 – B 1 KR 2/00 R – juris Rn. 32). Nur dieses Verständnis wird auch der beiderseitigen Interessenlage gerecht, die sich aus der verwaltungsrechtlichen Durchführung des Arbeitgeberausgleichs ergibt (BSG, Urteil vom 25. September 2000 – B 1 KR 2/00 R – juris Rn. 33 bis 35). Anders als in den §§ 45 ff. SGB X ist in § 4 Abs. 2 AAG nur die Rückforderung der Erstattungsbeträge, nicht aber die Rücknahme eventuell erteilter Bewilligungsbescheide erwähnt. Dies folgt aus dem Umstand, dass ausdrückliche Bewilligungen im Rahmen des Arbeitgeberausgleichs nur ausnahmsweise ausgesprochen werden oder die tatsächliche Gewährung nicht als (konkludente) Bewilligungsentscheidung angesehen wird. Die Gutschrift eines Erstattungsbetrags auf dem Beitragskonto des Arbeitgebers ist nicht als bindende Bewilligung zu verstehen, sondern mit einer Leistung unter Vorbehalt vergleichbar, bei der Gesichtspunkte des Vertrauensschutzes ebenfalls weitgehend entfallen. Auf die Bösgläubigkeit des Empfängers der Leistung kommt es nicht an.
Die von der Beklagten an die Klägerin gezahlten Erstattungen sind zu Unrecht erfolgt. Denn die Klägerin erfüllt nicht die Voraussetzungen für die Teilnahme am Umlageverfahren U1. Vielmehr ist sie gemäß § 3 Abs. 1 Satz 3 der von 2006 bis 2009 insoweit unverändert gebliebenen Satzung der Beklagten in Verbindung mit § 11 Abs. 1 Nr. 1 AAG vom Anwendungsbereich des § 1 Abs. 1 AAG, der den mit der Teilnahme am Umlageverfahren U1 verbundenen Erstattungsanspruch regelt, ausdrücklich ausgenommen.
Gemäß § 11 Abs. 1 Nr. 1 AAG ist § 1 Abs. 1 AAG nicht anzuwenden auf
den Bund, die Länder, die Gemeinden und Gemeindeverbände sowie sonstige Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts sowie die Vereinigungen, Einrichtungen und Unternehmungen, die hinsichtlich der für die Beschäftigten des Bundes, der Länder oder der Gemeinden geltenden Tarifverträge tarifgebunden sind, sowie die Verbände von Gemeinden, Gemeindeverbänden und kommunalen Unternehmen einschließlich deren Spitzenverbände.
Die Klägerin ist gemäß § 27 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes über den privaten Rundfunk und neue Medien in Sachsen (Sächsisches Privatrundfunkgesetz - SächsPRG) vom 9. Januar 2001 eine Anstalt des öffentlichen Rechts. Damit unterfällt sie der Ausnahmevorschrift des § 11 Abs. 1 Nr. 1 AAG.
Dieses Ergebnis ergibt sich zwingend im Wege der historischen Auslegung (1). Ebenso ist das von der Beklagten vorgetragene Wortlautverständnis dieser Bestimmung vor dem Hintergrund der Gesetzesentstehung zwingend (2). Die Systematik der einzelnen Gruppen in § 11 Abs. 1 Nr. 1 AAG lässt kein anderes Ergebnis zu (3). Der Senat vermag der teleologischen Auslegung der Klägerin im Hinblick auf den von ihr als "staatsfern" bezeichneten Tätigkeitsbereich nicht zu folgen (4).
(1) Die Regelung des § 11 Abs. 1 Nr. 1 AAG fand sich vorher im LFZG. Der "Entwurf eines Gesetzes über die Fortzahlung des Arbeitsentgelts im Krankheitsfalle (Lohnfortzahlungsgesetz)" vom 7. Dezember 1962 enthielt in Nr. 1 von § 19 (Ausnahmevorschriften) die Formulierung (BT-Drucksache IV/817 S.4):
"Die Vorschriften dieses Abschnittes finden keine Anwendung
1. Auf den Bund, die Länder, die Gemeinden und Gemeindeverbände sowie sonstige Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts ..."
Die Tarifbindung findet sich in dieser Vorschrift noch nicht als Kriterium.
Der Antrag der Fraktion der CDU/CSU zum "Entwurf eines Gesetzes über die Fortzahlung des Arbeitsentgelts im Krankheitsfalle und über Änderungen des Rechts der gesetzlichen Krankenversicherung" vom 18. März 1969 behielt in Nr. 1 von § 17 (Ausnahmevorschriften) die bisherige Formulierung bei (BT-Drucksache V/3985 S. 4).
Im Antrag der Fraktion der SPD zum "Entwurf eines Gesetzes über die Fortzahlung des Arbeitsentgelts im Krankheitsfalle und über Änderungen des Rechts der gesetzlichen Krankenversicherung" vom 18. März 1969 heißt es unter Nr. 1 von § 18 (Ausnahmevorschriften):
"Die Vorschriften dieses Abschnitts sind nicht anzuwenden auf 1. den Bund, die Länder, die Gemeinden und Gemeindeverbände sowie sonstige Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts sowie die Vereinigungen, Einrichtungen und Unternehmungen, die hinsichtlich der für die Arbeiter des Bundes, der Länder oder der Gemeinden geltenden Tarifverträge tarifgebunden sind, und die Verbände von Gemeinden, Gemeindeverbänden und kommunalen Unternehmen einschließlich deren Spitzenverbände ..."
Damit wurde erstmals das Kriterium der Tarifbindung durch Hinzufügung der Gruppe der "Vereinigungen, Einrichtungen und Unternehmungen, die hinsichtlich der für die Arbeiter des Bundes, der Länder oder der Gemeinden geltenden Tarifverträge tarifgebunden sind", in das Gesetzgebungsverfahren eingeführt. Dass die Tarifbindung sich auf alle vorangegangenen juristischen Personen nach dem ersten "sowie" beziehen sollte, lässt sich dem Antrag der Fraktion der SPD nicht entnehmen. Wäre es der SPD in ihrem Antrag darauf angekommen, hätte sie eine Formulierung gewählt, die den Begriff der Tarifbindung eindeutig sowohl auf "sonstige Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts" als auch auf "die Vereinigungen, Einrichtungen und Unternehmungen" erstreckt hätte. Dies wäre zum Beispiel durch eine klarstellende und einfache Wiederholung des Begriffs der Tarifbindung möglich gewesen. Aus dem Umstand, dass eine solche Klarstellung unterblieb, ist aber zu schließen, dass es sich bei dem Begriff der Tarifbindung um ein neues Tatbestandsmerkmal handelte, das sich auch nur auf die neu eingeführte Gruppe beziehen sollte.
Durch Art. 1 des Gesetzes über die Fortzahlung des Arbeitsentgelts im Krankheitsfalle und über Änderungen des Rechts der gesetzlichen Krankenversicherung vom 27. Juli 1969 (BGBl. I S. 946), welches am 28. Juli 1969 verkündet wurde und gemäß Art. 4 § 26 Abs. 1 am 1. August 1969 in Kraft trat, wurde das Gesetz über die Fortzahlung des Arbeitsentgelts im Krankheitsfalle (Lohnfortzahlungsgesetz) schließlich eingeführt. Dessen Nr. 1 von § 18 (Ausnahmevorschriften) lautet:
"Die Vorschriften dieses Abschnitts sind nicht anzuwenden auf 1. den Bund, die Länder, die Gemeinden und Gemeindeverbände sowie sonstige Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts sowie die Vereinigungen, Einrichtungen und Unternehmungen, die hinsichtlich der für die Arbeiter des Bundes, der Länder oder der Gemeinden geltenden Tarifverträge tarifgebunden sind, und die Verbände von Gemeinden, Gemeindeverbänden und kommunalen Unternehmen einschließlich deren Spitzenverbände ..."
Das bedeutet, dass der Gesetzgeber letztlich eine klarstellende Formulierung im Hinblick auf das Tatbestandsmerkmal der Tarifbindung bewusst unterlassen hat. Daraus kann aber nur die Schlussfolgerung gezogen werden, dass der Gesetzgeber das Merkmal der Tarifbindung ausschließlich auf die im Gesetzgebungsverfahren später eingefügten "Vereinigungen, Einrichtungen und Unternehmungen", einführen wollte.
(2) Vor diesem Hintergrund erscheint die von der Beklagten favorisierte Wortlautauslegung zwingend. § 11 Abs. 1 Nr. 1 AAG enthält danach vier Gruppen, wobei die letzten drei jeweils mit dem Wort "sowie" eingeleitet werden. Dabei dient das Wort "sowie" der Isolierung der jeweiligen Gruppe, so dass der Relativsatz ("die hinsichtlich der für die Beschäftigten des Bundes, der Länder oder der Gemeinden geltenden Tarifverträge tarifgebunden sind") sich nur auf die dritte Gruppe beziehen kann. Dies gilt umso mehr, als der Gesetzgeber das ursprüngliche Wort "und" vor der vierten Gruppe später durch das Wort "sowie" ersetzt hat.
(3) Bestätigt wird dieses Wortlautverständnis durch den bestimmten Artikel "die" vor dem Wort "Vereinigungen". Bei den in der zweiten Gruppe genannten "sonstigen Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts" hat der Gesetzgeber demgegenüber keinen bestimmten Artikel vorangestellt. Daraus lässt sich im Wege systematische Auslegung entnehmen, dass sich das Kriterium der Tarifbindung nur auf "die" Vereinigungen, Einrichtungen und Unternehmungen bezieht, die nach dem zweiten "sowie" in § 11 Abs. 1 Nr. 1 AAG genannt werden, also diejenigen, "die" hinsichtlich der für die Beschäftigten des Bundes, der Länder oder der Gemeinden geltenden Tarifverträge tarifgebunden sind.
(4) Für dieses Verständnis spricht auch die teleologische Auslegung des § 11 Abs. 1 Nr. 1 AAG. Denn die dritte Gruppe betrifft die von den ersten beiden Gruppen des öffentlichen Rechts geschaffenen privatrechtlichen Vereinigungen, Einrichtungen und Unternehmungen (so auch das Gemeinsame Rundschreiben der Spitzenverbände der Krankenkassen zum Gesetz über den Ausgleich der Arbeitgeberaufwendungen für Entgeltfortzahlung [Aufwendungsausgleichsgesetz – AAG] vom 21. Dezember 2005 in der Fassung der Ergänzung vom 13. Februar 2006 unter Punkt 2.21 Buchstabe b). Insoweit ist zwingende Voraussetzung für das Eingreifen der Ausnahmeregelung, dass diese Institutionen hinsichtlich der für die Beschäftigten des Bundes, der Länder oder der Gemeinden geltenden Tarifverträge tarifgebunden sind. Demgegenüber kann dem von der Klägerin ins Feld geführten Kriterium der "Staatsferne" keine maßgebliche Bedeutung zukommen. Denn die Klägerin sorgt für die Durchführung der Bestimmungen des SächsPRG und wacht über deren Einhaltung (§ 28 Abs. 1 Satz 1 SächsPRG). Ihr obliegen unter anderem die Aufsicht über die privaten Veranstalter (§ 28 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 SächsPRG) und der Erlass von Satzungen und Richtlinien (§ 28 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 SächsPRG). Die Klägerin nimmt somit hoheitliche Aufgaben wahr und ist auch von ihrem Tätigkeitsbereich her dem öffentlichen Bereich zuzuordnen (zur tragenden Bedeutung der Zugehörigkeit des Arbeitgebers zum öffentlichen Bereich siehe im Hinblick auf § 18 Nr. 1 LFZG schon LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 31. Mai 1979, - L 16 KR 173/77 – amtlicher Umdruck S. 6). Dies gilt unabhängig von der Frage, zu welchem Zeitpunkt der private Rundfunk eingeführt wurde. Dies gilt ferner unabhängig davon, über wie viele Beschäftigte die Klägerin tatsächlich verfügt.
bb) Die Rückforderungsansprüche der Beklagten sind nicht verjährt. Maßgeblich ist insoweit die im Sozialrecht allgemein geltende Verjährung gemäß § 45 Abs. 1 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I; anderer Auffassung Feichtinger in Feichtinger/Malkmus, Entgeltfortzahlungsrecht, 2. Auflage, § 6 AAG Rn. 3, der die Verjährungsfrist des § 6 Abs. 1 AAG auch auf den Rückforderungsanspruch nach § 4 Abs. 2 AAG anwenden will; da sowohl § 45 Abs. 1 SGB I als auch § 6 Abs. 1 AAG eine Verjährungsfrist von vier Jahren vorsehen, kann die Frage, welcher Auffassung zu folgen ist, letztlich dahinstehen). Danach verjähren Ansprüche auf Sozialleistungen in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie entstanden sind. Es entspricht ständiger Rechtsprechung des BSG, diese Verjährungsfrist auch auf den öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch anzuwenden (siehe nur BSG, Urteil vom 17. Dezember 2013 – B 1 KR 71/12 R – juris Rn. 12 m.w.N.). Da § 11 Abs. 2 AAG nähere Ausformungen des öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch enthält (siehe BSG, Urteil vom 25. September 2000 – B 1 KR 2/00 R – juris Rn. 30), kann insoweit nichts anderes gelten.
Die Rückforderungen der Beklagten betreffen Arbeitsunfähigkeitszeiten der Beschäftigten der Klägerin ab dem Jahr 2006. Die Ansprüche auf Rückforderungen gemäß § 4 Abs. 2 AAG konnten deshalb keinesfalls vor dem Jahr 2006 entstanden sein. Sie waren zum Zeitpunkt des Erlasses des Bescheides vom 10. August 2009 nicht verjährt.
cc) Der Umstand, dass andere Krankenkassen der Auffassung sein mögen, die Klägerin nehme am Umlageverfahren U1 teil, führt nicht zu einem für sie günstigeren Ergebnis. Denn einen Anspruch auf Gleichbehandlung im Unrecht kennt das geltende Recht nicht (siehe nur Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 17. Januar 1979 – 1 BvL 25/77 – BVerfGE 50, 142 [166], und BSG, Urteil vom 21. Mai 2003 – B 6 KA 32/02 R – SozR 4 – 2500 § 106 Nr. 1).
d) Die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung eines Betrages von 71,16 EUR ist zu Unrecht erfolgt. Denn auf den Antrag der Klägerin vom 23. April 2009 (betreffend die Erstattung wegen Arbeitsunfähigkeit der Beschäftigten E M am 1. Dezember 2008) zahlte die Beklagte bereits den insoweit geltend gemachten Betrag. Der Senat geht davon aus, dass es sich bezüglich dieses Betrages sowohl um ein Versehen der Klägerin als auch des SG handelt. Denn die Beklagte hat im erstinstanzlichen Verfahren ausdrücklich bestätigt, der von der Beklagten geforderte Erstattungsbetrag sei der Höhe nach nicht streitig. Auch insoweit war daher die erstinstanzliche Entscheidung aufzuheben.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Bei Streitigkeiten über die Erstattung von Aufwendungen wegen Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall ist die Klägerin in ihrer Eigenschaft als Arbeitgeberin als kostenprivilegierte "Leistungsempfängerin" im Sinne von § 183 SGG anzusehen (vgl. zu dieser Problematik ausführlich BSG, Urteil vom 27. Oktober 2009 – B 1 KR 12/09 R – juris Rn. 21 f., und BSG, Beschluss vom 20. Dezember 2005 – B 1 KR 5/05 B – juris Rn. 7 bis 10).
4. Wegen des Eingreifens von § 183 SGG ist eine Entscheidung über den Streitwert nicht zu treffen (BSG, Urteil vom 27. Oktober 2009 – B 1 KR 12/09 R – juris Rn. 23). Insoweit war der Streitwertbeschluss des SG gemäß § 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Gerichtskostengesetz aufzuheben.
5. Gründe, die Revision zuzulassen, bestehen nicht (§ 160 Abs. 2 SGG). Der Senat hält den Wortlaut von § 11 Abs. 1 Nr. 1 AAG unter Heranziehung der juristischen Auslegungsmethoden für eindeutig.
Klotzbücher Schanzenbach Dr. Wietek
II. Außergerichtliche Kosten sind für beide Rechtszüge nicht zu erstatten.
III. Der Streitwertbeschluss des Sozialgerichts Leipzig vom 8. Juli 2011 wird aufgehoben.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Rückforderung von Erstattungsbeträgen nach dem Aufwendungsausgleichsgesetz (AAG).
Die Klägerin ist eine Anstalt des öffentlichen Rechts und hinsichtlich der für die Beschäftigten des Bundes, der Länder oder der Gemeinden geltenden Tarifverträge nicht tarifgebunden. Sie hat weniger als 30 Mitarbeiter und unterlag ab 1. Januar 2003 nicht der "Umlagepflicht U1 und U2". Ab 1. Januar 2006 wurde sie durch die Beklagte rückwirkend der Umlagepflicht U1 unterworfen, nachdem sie am 22. Dezember 2006 Anträge auf Erstattung nach dem AAG für Arbeitgeberaufwendungen bei Arbeitsunfähigkeit – U1 – gestellt hatte.
Durch Bescheid vom 13. März 2007 forderte die Deutsche Rentenversicherung Mitteldeutschland von der Klägerin anlässlich einer Betriebsprüfung die Nachzahlung von Sozialversicherungsbeiträgen für die Zeit vom 1. Januar 2003 bis 31. Dezember 2005. In diesem Bescheid führte sie unter anderem aus, für einen beschäftigten Arbeiter (Hausmeister) seien im Zeitraum von November 2003 bis Dezember 2005 keine Beiträge zum Umlageverfahren U1 nachgewiesen und abgeführt worden; die Nachberechnung erfolge einschließlich Säumniszuschlägen.
Durch Anträge vom 7. Januar 2008 (betreffend die Beschäftigten E M [Erstattungen wegen Arbeitsunfähigkeit vom 12. Februar 2007 bis 2. März 2007 sowie am 11. Juni 2007 und am 29. Mai 2007], U K [Erstattung wegen Arbeitsunfähigkeit vom 13. März 2007 bis 15. März 2007] und J S [Erstattung wegen Arbeitsunfähigkeit vom 23. Februar 2007 bis 5. April 2007]) und vom 23. April 2009 (betreffend die Beschäftigte E M [Erstattung wegen Arbeitsunfähigkeit am 1. Dezember 2008]) beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Erstattung der Arbeitgeberaufwendungen bei Krankheit. Im Unterschriftsfeld des Antragsformulars heißt es vor der Unterschriftszeile unter anderem:
"Die Erstattung erfolgt unter dem Vorbehalt der späteren Prüfung."
Die Beklagte zahlte aufgrund dieser Anträge einen Betrag von insgesamt 4.454,77 EUR an die Klägerin. Darüber hinaus hatte sie bereits für die Beschäftigte U K für die Zeiten der Arbeitsunfähigkeit vom 18. Dezember 2006 bis 22. Dezember 2006, 21. August 2006 bis 25. August 2006, 8. Juni 2006 bis 12. Juni 2006, 20. April 2006 bis 26. April 2006 sowie vom 13. März 2006 bis 17. März 2006 und für den Beschäftigten J S für die Zeit der Arbeitsunfähigkeit vom 15. Februar 2006 bis 29. März 2006 einen Betrag von insgesamt 4.694,41 EUR gezahlt; dem hatten fünf Anträge vom 22. Dezember 2006 und ein Antrag vom 17. Januar 2007 zu Grunde gelegen. Für die Zeit vom 15. Februar 2006 bis 1. Dezember 2008 nahm die Beklagte insgesamt Zahlungen von (4.454,77 EUR + 4.694,41 EUR =) 9.149,18 EUR vor. Die Erstattung wegen Arbeitsunfähigkeit der Beschäftigten E M am 1. Dezember 2008 belief sich auf 71,16 EUR. Wegen der Einzelheiten wird auf Blatt 30, 40 und 59 der Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen.
Mit Schreiben vom 3. Juli 2009 teilte die Beklagte der Klägerin mit, es werde beabsichtigt, die vorliegenden Erstattungsanträge abzulehnen sowie die für die Kalenderjahre 2006 bis 2008 bereits zu Unrecht geleisteten Erstattungsbeträge in Höhe von insgesamt 9.149,18 EUR zurückzufordern. Die Klägerin sei eine juristische Person des öffentlichen Rechts (Anstalt), so dass die Ausnahmeregelung des § 11 Abs. 1 AAG eingreife. Dies habe zur Folge, dass die Klägerin von der Teilnahme am Ausgleichsverfahren U1 ausgeschlossen sei. Gemäß § 24 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) werde die Möglichkeit gegeben, sich zu den entscheidungserheblichen Tatsachen zu äußern.
Mit Schreiben vom 28. Juli 2009 teilte die Klägerin der Beklagten mit, es treffe zwar zu, dass die Klägerin eine rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts sei. Dies genüge aber nicht, um das Vorliegen des Ausnahmetatbestands des § 11 Abs. 1 Nr. 1 AAG bejahen zu können. Denn kumulativ müsse hinzutreten, dass die Anstalt des öffentlichen Rechts hinsichtlich der für die Beschäftigten des Bundes, der Länder und der Gemeinden geltenden Tarifverträge tarifgebunden sei. Dies sei bei der Klägerin jedoch nicht der Fall.
Mit Bescheid vom 10. August 2009 lehnte die Beklagte die fünf Anträge vom 7. Januar 2008 sowie den Antrag vom 23. April 2009 ab. Außerdem lehnte sie die fünf Anträge vom 22. Dezember 2006 sowie den Antrag vom 17. Januar 2007 ab. – Aufgrund des automatisierten Bewilligungsverfahrens hatte die Klägerin allerdings tatsächlich bereits Erstattungsbeträge in Höhe von 9.149,18 EUR erhalten. – Die geleisteten Erstattungsbeträge würden in Höhe von insgesamt 9.149,18 EUR zurückgefordert. Arbeitsentgelt, das von Arbeitgebern gezahlt werde, die gemäß § 11 Abs. 1 AAG nicht am Ausgleichsverfahren teilnähmen, seien nicht erstattungsfähig. Die bereits geleisteten Erstattungsbeträge in Höhe von 9.149,18 EUR seien zu Unrecht erfolgt und gemäß § 4 Abs. 2 AAG zurückzufordern.
Hiergegen legte die Klägerin mit Schreiben vom 3. September 2009 Widerspruch ein. Zur Begründung wiederholte sie, § 11 Abs. 1 Nr. 1 AAG könne nur auf Anstalten des öffentlichen Rechts Anwendung finden, "die hinsichtlich der für die Beschäftigten des Bundes der Länder und der Gemeinden geltenden Tarifverträge tarifgebunden sind". Dies treffe auf die Klägerin nicht zu. Diese Lesart des § 11 Abs. 1 Nr. 1 AAG entspreche der herrschenden Meinung in Rechtsprechung und Literatur (Hinweis auf Sozialgericht [SG] Leipzig, Urteil vom 9. Juni 2005 – S 8 KR 87/03 – juris Rn. 18, und Marburger, DÖD 2008, 9).
Mit Widerspruchsbescheid vom 8. Dezember 2009 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück. Die Tarifgebundenheit sei keine kumulative Voraussetzung für den Ausschluss von Anstalten des öffentlichen Rechts vom Ausgleichsverfahren U1. Dies folge aus der Gesetzesentstehung. Der ursprüngliche Entwurf des Lohnfortzahlungsgesetzes (LFZG) vom 7. Dezember 1962 (BT-Drucksache IV/817) habe in § 19 (später § 18 LFZG) zunächst nur die Formulierung enthalten:
"Die Vorschriften dieses Abschnitts finden keine Anwendung 1. auf den Bund, die Länder, Gemeinden und Gemeindeverbände sowie sonstige Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts, 2. Nr. 2 ... ".
Ein Antrag der SPD-Fraktion aus dem Jahre 1969 (BT-Drucksache V/3983) habe erstmals die Ergänzung
"sowie die Vereinigungen, Einrichtungen und Unternehmungen, die hinsichtlich der für die Arbeiter des Bundes, der Länder oder der Gemeinden geltenden Tarifverträge tarifgebunden sind",
beinhaltet. Folglich sei nach der Gesetzesentstehung ein Ausschluss der öffentlich-rechtlichen Anstalten von einer Teilnahme am U1-Verfahren anzunehmen, und zwar unabhängig von der Frage der Tarifbindung.
Dagegen hat die Klägerin am 6. Januar 2010 Klage beim SG Leipzig erhoben.
Die Klägerin hat vorgetragen, der von der Beklagten geforderte Erstattungsbetrag sei der Höhe nach nicht streitig. Die Klägerin sei kein Arbeitgeber im Sinne des § 11 Abs. 1 AAG. Sowohl die grammatikalische als auch die teleologische Auslegung sprächen dafür, dass das Tatbestandsmerkmal der Tarifgebundenheit kumulativ gelten müsse. Dies entspreche auch der Rechtsauffassung aller anderen Krankenkassen und derjenigen der Deutschen Rentenversicherung. Die von der Beklagten vorgenommene historische Auslegung werde dem Umstand nicht gerecht, dass privater Rundfunk erst ab den 1980er Jahren in Deutschland erlaubt gewesen sei. Die Klägerin sei als Landesmedienanstalt staatsfern, da Rundfunk gemäß Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Grundgesetz (GG) staatsfern zu sein habe. Daher müsse auch die Aufsicht über den privaten Rundfunk staatsfern organisiert sein. Dementsprechend finanziere sich die Klägerin nicht aus Steuermitteln, sondern aus einem Anteil an der einheitlichen Rundfunkgebühr. Auch wenn sie hoheitliche Aufgaben wahrnehme, so würden diese aus den vorgenannten Gründen nicht aus dem staatlichen Wirkungsbereich des Bundes, der Länder oder der Gemeinden abgeleitet, weil diese unter keinen Umständen für die Erfüllung der Aufgaben der Klägerin zuständig wären. Vielmehr leite sich der Wirkbereich der Klägerin direkt aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG her. Von ihrem anstaltsprägenden Charakter sei die Klägerin – auch wenn sie eine Anstalt des öffentlichen Rechts mit hoheitlichen Aufgaben sei – von der Intention des historischen Gesetzgebers nicht erfasst. Der historische Gesetzgeber habe diesen Sonderfall überhaupt nicht gekannt. Die Behauptung, es existierten außer der Klägerin noch andere nicht tarifgebundene staatsferne Anstalten des öffentlichen Rechts, die nicht mehr als 30 Arbeitnehmer hätten, und entgegen dem Wortlaut und der teleologischen Auslegung des § 11 Abs. 1 Nr. 1 AAG in dessen Anwendungsbereich fallen müssten, werde bestritten; insbesondere Krankenkassen hätten mehr als 30 Arbeitnehmer. Weiterhin müssten Ausnahmetatbestände stets eng ausgelegt werden. Darüber hinaus lägen die für eine Rückforderung zwingenden Voraussetzungen des § 4 Abs. 2 AAG nicht vor. Der Klägerin sei Vertrauensschutz im Hinblick auf die von der Beklagten an sie gezahlten Erstattungen zu gewähren. Die §§ 45 ff. SGB X müssten Anwendung finden. Die vor dem 3. Juli 2008 von der Beklagten beschiedenen Ansprüche seien verfristet. Die Formulierung im Antragsformular der Beklagten "Die Erstattung erfolgt unter dem Vorbehalt der späteren Prüfung" sei nicht geeignet, den Vertrauensschutz der Klägerin entfallen zu lassen. Es müsse beachtet werden, dass alle weiteren Krankenkassen, bei denen Mitarbeiter der Klägerin versichert seien, die Klägerin zur Teilnahme am Umlageverfahren verpflichteten.
Die Beklagte hat vorgetragen, die gemäß § 11 Abs. 1 Nr. 1 AAG maßgeblichen vier Kategorien von Ausnahmefällen würden jeweils durch das Wort "sowie" abgegrenzt. Die in der dritten Kategorie genannte Tarifgebundenheit sei deshalb für die zweite Kategorie, in der die Anstalten des öffentlichen Rechts genannt würden, keine kumulative Voraussetzung für den Ausschluss vom U1-Verfahren. Die von der Beklagten vertretene Rechtsauffassung sei auch die in der Kommentarliteratur vorherrschende. Sie werde darüber hinaus durch die Gesetzesentstehung bestätigt. Noch im Antrag der Fraktion der CDU/CSU zum Entwurf eines Gesetzes über die Fortzahlung des Arbeitsentgelts im Krankheitsfalle und über Änderungen des Rechts der gesetzlichen Krankenversicherung vom 18. März 1969 seien in § 17 dieses Entwurfs die dritte und vierte Kategorie des jetzigen § 11 Abs. 1 Nr. 1 AAG (zuvor § 18 Nr. 1 LFZG) nicht enthalten gewesen. Das Tatbestandsmerkmal der Tarifbindung sei erst im Zuge der Ergänzung durch die (dritte) Kategorie "Vereinigungen, Einrichtungen und Unternehmungen" mit in die Vorschrift aufgenommen worden. Daraus folge, dass es auch nur für diese Gruppe von Arbeitgebern Anwendung finde solle. Die Voraussetzung der Tarifgebundenheit finde sich deshalb nur in dieser dritten Kategorie, weil dort - über den öffentlichen Dienst im engeren Sinne hinaus - auch privatrechtliche Vereinigungen, Einrichtungen und Unternehmungen von dem Ausnahmetatbestand hätten erfasst werden sollen, wenn sie die Geltung der öffentlich-rechtlichen Tarifverträge für ihren Bereich übernommen hätten. Der Ausschluss der öffentlich-rechtlichen Arbeitgeber vom Ausgleichsverfahren werde somit allein durch die Zugehörigkeit zum öffentlich-rechtlichen Bereich begründet (Hinweis auf Landessozialgericht [LSG] Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 31. Mai 1979, - L 16 KR 173/77 – amtlicher Umdruck S. 6 zu § 18 Nr. 1 LFZG: "Die gesetzliche Regelung beschränkt sich dabei nicht auf Bund, Länder, Gemeinden und Gemeindeverbände sowie auf die sonstigen Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts, sondern bezieht auch andere Vereinigungen, also auch solche nicht öffentlich-rechtlicher Natur, in diese Ausschlußregelung ein, sofern sie an die für Bund, Länder oder Gemeinden geltenden Tarifverträge gebunden sind. Es kommt also nur darauf an, daß es sich um einen öffentlich-rechtlichen Arbeitgeber handelt oder wenigstens um einen solchen, auf den für öffentlich-rechtliche Arbeitgeber geltende Tarifverträge Anwendung finden. Allein diese Zugehörigkeit zum öffentlich-rechtlichen Bereich begründet den Ausschluß vom Ausgleichsverfahren, ohne daß es im Einzelfalle darauf ankäme, wer die Mittel der jeweiligen Einrichtungen trägt."). Das Argument der Staatsferne trage nicht. Auch andere Körperschaften des öffentlichen Rechts seien nicht im unmittelbaren Wirkungskreis des Bundes, der Länder oder der Gemeinden tätig und finanzierten sich nicht aus Steuermitteln. Dies gelte zum Beispiel für die Krankenkassen, die ebenfalls Körperschaften des öffentlichen Rechts seien und sich aus den Beiträgen ihrer Versicherten finanzierten. Der Gesetzgeber habe öffentlich-rechtlich organisierte Institutionen bewusst aus dem Geltungsbereich des U1-Verfahrens ausgeschlossen, da er für diese Arbeitgeber keine Ausgleichsbedürftigkeit gesehen habe. Für diese Arbeitgeber stelle nämlich die Entgeltfortzahlung kein wirtschaftliches Risiko dar, weil sie in der Regel keine auf Gewinnerzielung gerichteten Unternehmen betrieben. Die Klägerin nehme typisch hoheitliche Aufgaben wahr. Die Voraussetzungen des § 4 Abs. 2 AAG für die Rückforderung der Erstattungen in Höhe von 9.149,18 EUR lägen vor. Ein Vertrauensschutz der Klägerin scheitere schon im Hinblick darauf, dass § 4 Abs. 2 AAG eine Spezialregelung zu den §§ 45 ff. SGB X darstelle. § 4 Abs. 2 AAG sehe keine Vertrauensschutztatbestände vor. Vielmehr ermögliche § 4 Abs. 2 Satz 2 AAG sogar eine Rückforderung in denjenigen Fällen, in denen sich der Arbeitgeber auf eine Entreicherung berufe. Eine Verjährung der Rückforderungsansprüche sei gemäß § 6 Abs. 1 AAG nicht eingetreten.
Mit Urteil vom 30. Juni 2011 hat das SG den Bescheid der Beklagten vom 10. August 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Dezember 2009 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, der Klägerin auf ihren Antrag vom 23. April 2009 für das Jahr 2008 71,16 EUR zu erstatten. Ein Anspruch der Beklagten auf Rückforderung der an die Klägerin geleisteten Erstattungen gemäß § 4 AAG bestehe nicht. Die Klägerin nehme am Umlageverfahren U1 teil, weil sie keine vom Anwendungsbereich des AAG nach § 11 Abs. 1 Nr. 1 AAG ausgeschlossene Einrichtung sei. Hierbei sei zu berücksichtigen, dass Ausnahmevorschriften insoweit generell eng auszulegen seien. Das Tatbestandsmerkmal der Tarifgebundenheit in § 11 Abs. 1 Nr. 1 AAG erstrecke sich auch auf Anstalten des öffentlichen Rechts. Dies ergebe sich im Wege grammatikalischer Auslegung. Denn hätte der Gesetzgeber das Tatbestandsmerkmal der Tarifgebundenheit nur auf Vereinigungen, Einrichtungen und Unternehmungen, die hinsichtlich der für die Beschäftigten des Bundes, der Länder oder der Gemeinden geltenden Tarifverträge tarifgebunden seien, beschränken wollen, hätte er dies durch eine hinreichend eindeutige sprachliche Trennung, beispielsweise durch aneinandergefügte Hauptsätze, kenntlich gemacht. Dieses Ergebnis werde auch vom Sinn und Zweck der Vorschrift getragen. Wenn die Tarifbindung schon für die von juristischen Personen des öffentlichen Rechts geschaffenen privatrechtlichen Vereinigungen, Einrichtungen und Unternehmungen gelten solle, müsse eine derartige Tarifbindung erst recht für die öffentlich-rechtlichen Körperschaften selbst gelten. Dafür spreche auch der Umstand, dass sich aus dem Gründungszweck der Klägerin eine "besondere Staatsferne" ergebe. Die von der Beklagten vorgenommene historische Auslegung überzeuge nicht, weil der private Rundfunk in Deutschland erst in den 1980er Jahren des vorigen Jahrhunderts entstanden sei. Das SG hat die Berufung zugelassen.
Mit Beschluss vom 8. Juli 2011 hat das SG den Streitwert auf 9.220,34 EUR festgesetzt.
Gegen das ihr am 7. September 2011 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 30. September 2011 Berufung eingelegt.
Die Beklagte bezieht sich auf ihren erstinstanzlichen Vortrag und trägt weiter vor, den Betrag von 71,16 EUR (Erstattung wegen Arbeitsunfähigkeit der Beschäftigten E M am 1. Dezember 2008) habe sie bereits an die Klägerin ausgezahlt. Das Tatbestandsmerkmal der Tarifgebundenheit in § 11 Abs. 1 Nr. 1 AAG beziehe sich nicht auf Anstalten des öffentlichen Rechts. Dies folge zum einen aus dem Umstand, dass der jeweiligen Ausnahmegruppe das Wort "sowie" vorangestellt sei und zum anderen aus der Entstehungsgeschichte der Norm. Maßgeblich sei nicht die vorgetragene "Staatsferne" der Klägerin, sondern ihre Wahrnehmung typisch hoheitlicher Aufgaben. Die Auffassung der Beklagten werde gestützt durch das Gemeinsame Rundschreiben der Spitzenverbände der Krankenkassen zum Gesetz über den Ausgleich der Arbeitgeberaufwendungen für Entgeltfortzahlung (Aufwendungsausgleichsgesetz - AAG) vom 21. Dezember 2005 in der Fassung der Ergänzung vom 13. Februar 2006 (Punkt 2.21). Für die Klägerin bestehe demnach keine "Umlageverpflichtung zur U1" und damit auch kein Anspruch auf Erstattung der Arbeitgeberaufwendungen bei Krankheit. Sowohl die Kostenentscheidung des SG als auch dessen Streitwertbeschluss seien fehlerhaft (Hinweis auf Bundessozialgericht [BSG], Beschluss vom 20. Dezember 2005 – B 1 KR 5/05 B – juris Rn. 9, und BSG, Urteil vom 27. Oktober 2010 – B 1 KR 12/09 R – juris Rn. 22).
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 30. Juni 2011 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen,
hilfsweise, die Revision zuzulassen.
Sie verweist ebenfalls auf ihren erstinstanzlichen Vortrag und hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.
Dem Senat haben die Verwaltungsakte der Beklagten sowie die Gerichtsakten beider Rechtszüge vorgelegen.
Entscheidungsgründe:
1. Die Berufung der Beklagten ist zulässig.
Da das SG die Berufung ausdrücklich zugelassen hat und der Senat hieran gemäß § 144 Abs. 3 SGG gebunden ist, ist sie zulässig. Der Berufungszulassung hätte es allerdings nicht bedurft, weil die Berufung ohnehin gemäß § 143 in Verbindung mit § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG zulässig war. Da die Klägerin in ihrer Funktion als Arbeitgeberin geklagt hat und sich als solche gegen die Rückforderung der Erstattung von Aufwendungen für die Entgeltfortzahlung gewandt hat, ist sie als Leistungsempfängerin im Sinne des § 183 SGG tätig geworden (siehe dazu noch unter 4).
2. Die Berufung der Beklagten ist auch begründet.
Das SG hat den Bescheid der Beklagten vom 10. August 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Dezember 2009 zu Unrecht aufgehoben (c). Auch die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung eines Betrages von 71,16 EUR ist zu Unrecht erfolgt (d). Der Bescheid vom 10. August 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Dezember 2009 ist rechtmäßig.
a) Die Entscheidung kann ergehen, ohne diejenigen Krankenkassen (AOK Plus, Bahn BKK, KKH-Allianz, Barmer GEK, DAK, TK, IKK classic; siehe insoweit Blatt 95 bis 103 der SG-Akte) beizuladen, bei denen weitere Beschäftigte der Klägerin krankenversichert sind. Die Voraussetzungen für eine notwendige Beiladung nach der einzig in Betracht kommenden Vorschrift des § 75 Abs. 2 Satz Alternative 1 SGG (Notwendigkeit einheitlicher Entscheidung) liegen nicht vor.
Danach sind Dritte zum Rechtsstreit beizuladen, wenn die Entscheidung auch ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen kann. Eine Beiladung ist notwendig und muss von Amts wegen ausgesprochen werden, wenn durch die Entscheidung über das streitige Rechtsverhältnis zugleich in die Rechtssphäre eines Dritten unmittelbar eingegriffen wird (BSG, Beschluss vom 21. Juli 2009 – B 7 AL 119/08 B – juris Rn. 7). Notwendig ist die Identität des Streitgegenstands im Verhältnis beider Hauptbeteiligter zu dem Dritten.
An dem Erfordernis der Unmittelbarkeit fehlt es, wenn im Hinblick auf die Dritten nur über eine Vorfrage zu entscheiden ist (BSG, Urteil vom 25. Februar 2010 – B 10 LW 2/09 R – juris Rn. 10, und BSG, Urteil vom 10. Februar 2000 – B 3 P 12/99 R – juris Rn. 12).
Ob die Klägerin gemäß § 11 Abs. 1 Nr. 1 AAG von der Teilnahme am U1-Verfahren ausgeschlossen ist, betrifft die oben genannten Krankenkassen als Dritte nur mittelbar. Denn es handelt sich dabei um eine Vorfrage, nach deren Klärung sie erst den Erlass von Bescheiden gemäß § 4 Abs. 2 AAG in Erwägung ziehen könnten.
Darüber hinaus kann als Folge der allenfalls mittelbaren Betroffenheit auch eine Identität des Streitgegenstands zum jetzigen Zeitpunkt schon deshalb nicht geprüft werden, weil seitens dieser Krankenkassen noch gar keine Entscheidungen über die Rückabwicklung der Teilnahme der Klägerin am U1-Verfahren getroffen wurden.
b) Auch eine Beiladung der Deutschen Rentenversicherung Mitteldeutschland war nicht geboten.
Der Betriebsprüfungsbescheid vom 13. März 2007 betrifft nur die Nachzahlung von Sozialversicherungsbeiträgen für die Zeit vom 1. Januar 2003 bis 31. Dezember 2005. Vorliegend sind aber Erstattungen für spätere Zeiten im Streit. Es fehlt folglich auch insoweit an der erforderlichen Identität des Streitgegenstands, zumal die Klägerin durch die Beklagte erst ab 1. Januar 2006 rückwirkend der Umlagepflicht U1 unterworfen wurde.
c) Die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind rechtmäßig.
Die Voraussetzungen für eine Rückforderung der von der Beklagten an die Klägerin gezahlten Erstattungen gemäß § 4 Abs. 2 AAG liegen vor. Die Klägerin ist gemäß § 11 Abs. 1 Nr. 1 AAG von der Teilnahme am Umlageverfahren U1 ausgeschlossen. Dadurch erfolgten die Erstattungen zu Unrecht (aa). Der Rückforderungsanspruch der Beklagten ist auch nicht verjährt (bb).
aa) Gemäß § 4 Abs. 2 Satz 1 AAG hat die Krankenkasse Erstattungsbeträge vom Arbeitgeber insbesondere zurückzufordern, soweit der Arbeitgeber
1. schuldhaft falsche oder unvollständige Angaben gemacht hat oder 2. Erstattungsbeträge gefordert hat, obwohl er wusste oder wissen musste, dass ein Anspruch nach § 3 Abs. 1 und 2 oder § 9 Abs. 1 des Entgeltfortzahlungsgesetzes oder nach § 11 oder § 14 Abs. 1 Mutterschutzgesetzes nicht besteht.
Der Arbeitgeber kann sich nicht darauf berufen, dass er durch die zu Unrecht gezahlten Beträge nicht mehr bereichert sei (§ 4 Abs. 2 Satz 2 AAG). Von der Rückforderung kann abgesehen werden, wenn der zu Unrecht gezahlte Betrag gering ist und der entstehende Verwaltungsaufwand unverhältnismäßig groß sein würde (§ 4 Abs. 2 Satz 3 AAG).
§ 4 AAG ist lex specialis zu § 50 in Verbindung mit §§ 45, 48 SGB X (ausführlich zur Vorläuferbestimmung des gleichlautenden § 11 LFZG BSG, Urteil vom 25. September 2000 – B 1 KR 2/00 R – juris Rn. 28 f.). Ein Vertrauensschutz desjenigen, von dem die Erstattungen zurückgefordert werden, besteht demnach nicht (BSG, Urteil vom 25. September 2000 – B 1 KR 2/00 R – juris Rn. 32).
§ 4 Abs. 2 AAG ist als Ausdruck eines vom Gesetzgeber offenbar für selbstverständlich gehaltenen und daher nicht eigens auszusprechenden Grundsatzes zu verstehen, dass eine zu Unrecht erhaltene Leistung zurückzuzahlen ist (siehe hierzu und zum Folgenden BSG, Urteil vom 25. September 2000 – B 1 KR 2/00 R – juris Rn. 30). Die Bezugnahme auf das Bereicherungsrecht in § 4 Abs. 2 Satz 2 AAG verdeutlicht, dass § 4 Abs. 2 nähere Ausformungen des öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs enthält.
§ 4 Abs. 2 Satz 1 AAG macht durch das Wort "insbesondere" deutlich, dass eine Rückforderung nicht nur unter den in Nr. 1 und Nr. 2 genannten Voraussetzungen in Betracht kommt. Aus Satz 3 folgt, dass ein Verzicht auf die Rückforderung nur dann zulässig ist, wenn der zu Unrecht gezahlte Betrag gering ist und der entstehende Verwaltungsaufwand unverhältnismäßig groß sein würde. Mit dieser Formulierung werden Rückforderungen von einem gutgläubigen Empfänger, wenn sie sich auf einen hohen Betrag beziehen oder nur geringen Aufwand verursachen, nicht erfasst. Da insoweit ein Absehen von der Rückforderung offenbar nicht zulässig sein soll, kann das Schweigen des Gesetzgebers zu dieser Fallgestaltung insgesamt nur als "beredt" im Sinne einer allgemeinen Rückforderungsverpflichtung verstanden werden, die sich aus der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung und aus dem Gebot ableitet, Einnahmen vollständig zu erheben (so ausdrücklich BSG, Urteil vom 25. September 2000 – B 1 KR 2/00 R – juris Rn. 32). Nur dieses Verständnis wird auch der beiderseitigen Interessenlage gerecht, die sich aus der verwaltungsrechtlichen Durchführung des Arbeitgeberausgleichs ergibt (BSG, Urteil vom 25. September 2000 – B 1 KR 2/00 R – juris Rn. 33 bis 35). Anders als in den §§ 45 ff. SGB X ist in § 4 Abs. 2 AAG nur die Rückforderung der Erstattungsbeträge, nicht aber die Rücknahme eventuell erteilter Bewilligungsbescheide erwähnt. Dies folgt aus dem Umstand, dass ausdrückliche Bewilligungen im Rahmen des Arbeitgeberausgleichs nur ausnahmsweise ausgesprochen werden oder die tatsächliche Gewährung nicht als (konkludente) Bewilligungsentscheidung angesehen wird. Die Gutschrift eines Erstattungsbetrags auf dem Beitragskonto des Arbeitgebers ist nicht als bindende Bewilligung zu verstehen, sondern mit einer Leistung unter Vorbehalt vergleichbar, bei der Gesichtspunkte des Vertrauensschutzes ebenfalls weitgehend entfallen. Auf die Bösgläubigkeit des Empfängers der Leistung kommt es nicht an.
Die von der Beklagten an die Klägerin gezahlten Erstattungen sind zu Unrecht erfolgt. Denn die Klägerin erfüllt nicht die Voraussetzungen für die Teilnahme am Umlageverfahren U1. Vielmehr ist sie gemäß § 3 Abs. 1 Satz 3 der von 2006 bis 2009 insoweit unverändert gebliebenen Satzung der Beklagten in Verbindung mit § 11 Abs. 1 Nr. 1 AAG vom Anwendungsbereich des § 1 Abs. 1 AAG, der den mit der Teilnahme am Umlageverfahren U1 verbundenen Erstattungsanspruch regelt, ausdrücklich ausgenommen.
Gemäß § 11 Abs. 1 Nr. 1 AAG ist § 1 Abs. 1 AAG nicht anzuwenden auf
den Bund, die Länder, die Gemeinden und Gemeindeverbände sowie sonstige Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts sowie die Vereinigungen, Einrichtungen und Unternehmungen, die hinsichtlich der für die Beschäftigten des Bundes, der Länder oder der Gemeinden geltenden Tarifverträge tarifgebunden sind, sowie die Verbände von Gemeinden, Gemeindeverbänden und kommunalen Unternehmen einschließlich deren Spitzenverbände.
Die Klägerin ist gemäß § 27 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes über den privaten Rundfunk und neue Medien in Sachsen (Sächsisches Privatrundfunkgesetz - SächsPRG) vom 9. Januar 2001 eine Anstalt des öffentlichen Rechts. Damit unterfällt sie der Ausnahmevorschrift des § 11 Abs. 1 Nr. 1 AAG.
Dieses Ergebnis ergibt sich zwingend im Wege der historischen Auslegung (1). Ebenso ist das von der Beklagten vorgetragene Wortlautverständnis dieser Bestimmung vor dem Hintergrund der Gesetzesentstehung zwingend (2). Die Systematik der einzelnen Gruppen in § 11 Abs. 1 Nr. 1 AAG lässt kein anderes Ergebnis zu (3). Der Senat vermag der teleologischen Auslegung der Klägerin im Hinblick auf den von ihr als "staatsfern" bezeichneten Tätigkeitsbereich nicht zu folgen (4).
(1) Die Regelung des § 11 Abs. 1 Nr. 1 AAG fand sich vorher im LFZG. Der "Entwurf eines Gesetzes über die Fortzahlung des Arbeitsentgelts im Krankheitsfalle (Lohnfortzahlungsgesetz)" vom 7. Dezember 1962 enthielt in Nr. 1 von § 19 (Ausnahmevorschriften) die Formulierung (BT-Drucksache IV/817 S.4):
"Die Vorschriften dieses Abschnittes finden keine Anwendung
1. Auf den Bund, die Länder, die Gemeinden und Gemeindeverbände sowie sonstige Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts ..."
Die Tarifbindung findet sich in dieser Vorschrift noch nicht als Kriterium.
Der Antrag der Fraktion der CDU/CSU zum "Entwurf eines Gesetzes über die Fortzahlung des Arbeitsentgelts im Krankheitsfalle und über Änderungen des Rechts der gesetzlichen Krankenversicherung" vom 18. März 1969 behielt in Nr. 1 von § 17 (Ausnahmevorschriften) die bisherige Formulierung bei (BT-Drucksache V/3985 S. 4).
Im Antrag der Fraktion der SPD zum "Entwurf eines Gesetzes über die Fortzahlung des Arbeitsentgelts im Krankheitsfalle und über Änderungen des Rechts der gesetzlichen Krankenversicherung" vom 18. März 1969 heißt es unter Nr. 1 von § 18 (Ausnahmevorschriften):
"Die Vorschriften dieses Abschnitts sind nicht anzuwenden auf 1. den Bund, die Länder, die Gemeinden und Gemeindeverbände sowie sonstige Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts sowie die Vereinigungen, Einrichtungen und Unternehmungen, die hinsichtlich der für die Arbeiter des Bundes, der Länder oder der Gemeinden geltenden Tarifverträge tarifgebunden sind, und die Verbände von Gemeinden, Gemeindeverbänden und kommunalen Unternehmen einschließlich deren Spitzenverbände ..."
Damit wurde erstmals das Kriterium der Tarifbindung durch Hinzufügung der Gruppe der "Vereinigungen, Einrichtungen und Unternehmungen, die hinsichtlich der für die Arbeiter des Bundes, der Länder oder der Gemeinden geltenden Tarifverträge tarifgebunden sind", in das Gesetzgebungsverfahren eingeführt. Dass die Tarifbindung sich auf alle vorangegangenen juristischen Personen nach dem ersten "sowie" beziehen sollte, lässt sich dem Antrag der Fraktion der SPD nicht entnehmen. Wäre es der SPD in ihrem Antrag darauf angekommen, hätte sie eine Formulierung gewählt, die den Begriff der Tarifbindung eindeutig sowohl auf "sonstige Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts" als auch auf "die Vereinigungen, Einrichtungen und Unternehmungen" erstreckt hätte. Dies wäre zum Beispiel durch eine klarstellende und einfache Wiederholung des Begriffs der Tarifbindung möglich gewesen. Aus dem Umstand, dass eine solche Klarstellung unterblieb, ist aber zu schließen, dass es sich bei dem Begriff der Tarifbindung um ein neues Tatbestandsmerkmal handelte, das sich auch nur auf die neu eingeführte Gruppe beziehen sollte.
Durch Art. 1 des Gesetzes über die Fortzahlung des Arbeitsentgelts im Krankheitsfalle und über Änderungen des Rechts der gesetzlichen Krankenversicherung vom 27. Juli 1969 (BGBl. I S. 946), welches am 28. Juli 1969 verkündet wurde und gemäß Art. 4 § 26 Abs. 1 am 1. August 1969 in Kraft trat, wurde das Gesetz über die Fortzahlung des Arbeitsentgelts im Krankheitsfalle (Lohnfortzahlungsgesetz) schließlich eingeführt. Dessen Nr. 1 von § 18 (Ausnahmevorschriften) lautet:
"Die Vorschriften dieses Abschnitts sind nicht anzuwenden auf 1. den Bund, die Länder, die Gemeinden und Gemeindeverbände sowie sonstige Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts sowie die Vereinigungen, Einrichtungen und Unternehmungen, die hinsichtlich der für die Arbeiter des Bundes, der Länder oder der Gemeinden geltenden Tarifverträge tarifgebunden sind, und die Verbände von Gemeinden, Gemeindeverbänden und kommunalen Unternehmen einschließlich deren Spitzenverbände ..."
Das bedeutet, dass der Gesetzgeber letztlich eine klarstellende Formulierung im Hinblick auf das Tatbestandsmerkmal der Tarifbindung bewusst unterlassen hat. Daraus kann aber nur die Schlussfolgerung gezogen werden, dass der Gesetzgeber das Merkmal der Tarifbindung ausschließlich auf die im Gesetzgebungsverfahren später eingefügten "Vereinigungen, Einrichtungen und Unternehmungen", einführen wollte.
(2) Vor diesem Hintergrund erscheint die von der Beklagten favorisierte Wortlautauslegung zwingend. § 11 Abs. 1 Nr. 1 AAG enthält danach vier Gruppen, wobei die letzten drei jeweils mit dem Wort "sowie" eingeleitet werden. Dabei dient das Wort "sowie" der Isolierung der jeweiligen Gruppe, so dass der Relativsatz ("die hinsichtlich der für die Beschäftigten des Bundes, der Länder oder der Gemeinden geltenden Tarifverträge tarifgebunden sind") sich nur auf die dritte Gruppe beziehen kann. Dies gilt umso mehr, als der Gesetzgeber das ursprüngliche Wort "und" vor der vierten Gruppe später durch das Wort "sowie" ersetzt hat.
(3) Bestätigt wird dieses Wortlautverständnis durch den bestimmten Artikel "die" vor dem Wort "Vereinigungen". Bei den in der zweiten Gruppe genannten "sonstigen Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts" hat der Gesetzgeber demgegenüber keinen bestimmten Artikel vorangestellt. Daraus lässt sich im Wege systematische Auslegung entnehmen, dass sich das Kriterium der Tarifbindung nur auf "die" Vereinigungen, Einrichtungen und Unternehmungen bezieht, die nach dem zweiten "sowie" in § 11 Abs. 1 Nr. 1 AAG genannt werden, also diejenigen, "die" hinsichtlich der für die Beschäftigten des Bundes, der Länder oder der Gemeinden geltenden Tarifverträge tarifgebunden sind.
(4) Für dieses Verständnis spricht auch die teleologische Auslegung des § 11 Abs. 1 Nr. 1 AAG. Denn die dritte Gruppe betrifft die von den ersten beiden Gruppen des öffentlichen Rechts geschaffenen privatrechtlichen Vereinigungen, Einrichtungen und Unternehmungen (so auch das Gemeinsame Rundschreiben der Spitzenverbände der Krankenkassen zum Gesetz über den Ausgleich der Arbeitgeberaufwendungen für Entgeltfortzahlung [Aufwendungsausgleichsgesetz – AAG] vom 21. Dezember 2005 in der Fassung der Ergänzung vom 13. Februar 2006 unter Punkt 2.21 Buchstabe b). Insoweit ist zwingende Voraussetzung für das Eingreifen der Ausnahmeregelung, dass diese Institutionen hinsichtlich der für die Beschäftigten des Bundes, der Länder oder der Gemeinden geltenden Tarifverträge tarifgebunden sind. Demgegenüber kann dem von der Klägerin ins Feld geführten Kriterium der "Staatsferne" keine maßgebliche Bedeutung zukommen. Denn die Klägerin sorgt für die Durchführung der Bestimmungen des SächsPRG und wacht über deren Einhaltung (§ 28 Abs. 1 Satz 1 SächsPRG). Ihr obliegen unter anderem die Aufsicht über die privaten Veranstalter (§ 28 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 SächsPRG) und der Erlass von Satzungen und Richtlinien (§ 28 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 SächsPRG). Die Klägerin nimmt somit hoheitliche Aufgaben wahr und ist auch von ihrem Tätigkeitsbereich her dem öffentlichen Bereich zuzuordnen (zur tragenden Bedeutung der Zugehörigkeit des Arbeitgebers zum öffentlichen Bereich siehe im Hinblick auf § 18 Nr. 1 LFZG schon LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 31. Mai 1979, - L 16 KR 173/77 – amtlicher Umdruck S. 6). Dies gilt unabhängig von der Frage, zu welchem Zeitpunkt der private Rundfunk eingeführt wurde. Dies gilt ferner unabhängig davon, über wie viele Beschäftigte die Klägerin tatsächlich verfügt.
bb) Die Rückforderungsansprüche der Beklagten sind nicht verjährt. Maßgeblich ist insoweit die im Sozialrecht allgemein geltende Verjährung gemäß § 45 Abs. 1 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I; anderer Auffassung Feichtinger in Feichtinger/Malkmus, Entgeltfortzahlungsrecht, 2. Auflage, § 6 AAG Rn. 3, der die Verjährungsfrist des § 6 Abs. 1 AAG auch auf den Rückforderungsanspruch nach § 4 Abs. 2 AAG anwenden will; da sowohl § 45 Abs. 1 SGB I als auch § 6 Abs. 1 AAG eine Verjährungsfrist von vier Jahren vorsehen, kann die Frage, welcher Auffassung zu folgen ist, letztlich dahinstehen). Danach verjähren Ansprüche auf Sozialleistungen in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie entstanden sind. Es entspricht ständiger Rechtsprechung des BSG, diese Verjährungsfrist auch auf den öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch anzuwenden (siehe nur BSG, Urteil vom 17. Dezember 2013 – B 1 KR 71/12 R – juris Rn. 12 m.w.N.). Da § 11 Abs. 2 AAG nähere Ausformungen des öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch enthält (siehe BSG, Urteil vom 25. September 2000 – B 1 KR 2/00 R – juris Rn. 30), kann insoweit nichts anderes gelten.
Die Rückforderungen der Beklagten betreffen Arbeitsunfähigkeitszeiten der Beschäftigten der Klägerin ab dem Jahr 2006. Die Ansprüche auf Rückforderungen gemäß § 4 Abs. 2 AAG konnten deshalb keinesfalls vor dem Jahr 2006 entstanden sein. Sie waren zum Zeitpunkt des Erlasses des Bescheides vom 10. August 2009 nicht verjährt.
cc) Der Umstand, dass andere Krankenkassen der Auffassung sein mögen, die Klägerin nehme am Umlageverfahren U1 teil, führt nicht zu einem für sie günstigeren Ergebnis. Denn einen Anspruch auf Gleichbehandlung im Unrecht kennt das geltende Recht nicht (siehe nur Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 17. Januar 1979 – 1 BvL 25/77 – BVerfGE 50, 142 [166], und BSG, Urteil vom 21. Mai 2003 – B 6 KA 32/02 R – SozR 4 – 2500 § 106 Nr. 1).
d) Die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung eines Betrages von 71,16 EUR ist zu Unrecht erfolgt. Denn auf den Antrag der Klägerin vom 23. April 2009 (betreffend die Erstattung wegen Arbeitsunfähigkeit der Beschäftigten E M am 1. Dezember 2008) zahlte die Beklagte bereits den insoweit geltend gemachten Betrag. Der Senat geht davon aus, dass es sich bezüglich dieses Betrages sowohl um ein Versehen der Klägerin als auch des SG handelt. Denn die Beklagte hat im erstinstanzlichen Verfahren ausdrücklich bestätigt, der von der Beklagten geforderte Erstattungsbetrag sei der Höhe nach nicht streitig. Auch insoweit war daher die erstinstanzliche Entscheidung aufzuheben.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Bei Streitigkeiten über die Erstattung von Aufwendungen wegen Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall ist die Klägerin in ihrer Eigenschaft als Arbeitgeberin als kostenprivilegierte "Leistungsempfängerin" im Sinne von § 183 SGG anzusehen (vgl. zu dieser Problematik ausführlich BSG, Urteil vom 27. Oktober 2009 – B 1 KR 12/09 R – juris Rn. 21 f., und BSG, Beschluss vom 20. Dezember 2005 – B 1 KR 5/05 B – juris Rn. 7 bis 10).
4. Wegen des Eingreifens von § 183 SGG ist eine Entscheidung über den Streitwert nicht zu treffen (BSG, Urteil vom 27. Oktober 2009 – B 1 KR 12/09 R – juris Rn. 23). Insoweit war der Streitwertbeschluss des SG gemäß § 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Gerichtskostengesetz aufzuheben.
5. Gründe, die Revision zuzulassen, bestehen nicht (§ 160 Abs. 2 SGG). Der Senat hält den Wortlaut von § 11 Abs. 1 Nr. 1 AAG unter Heranziehung der juristischen Auslegungsmethoden für eindeutig.
Klotzbücher Schanzenbach Dr. Wietek
Rechtskraft
Aus
Login
FSS
Saved