L 20 AS 1478/14 B ER

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
20
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 55 AS 8911/14 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 20 AS 1478/14 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerden des Antragstellers wird der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 23. Mai 2014 aufgehoben. Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen den Bescheid vom 6. März 2014 wird angeordnet. Dem Antragsteller wird Prozesskostenhilfe für das Verfahren vor dem Sozialgericht Berlin unter Beiordnung von Rechtsanwalt S E bewilligt. Der Antragsgegner hat dem Antragsteller die außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge zu erstatten.

Gründe:

I.

Der Antragsteller begehrt die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs gegen den die Leistungsbewilligung für den Zeitraum vom 1. April 2014 bis 31. Mai 2014 aufhebenden Bescheid vom 6. März 2014.

Mit Bescheid vom 8. Januar 2014 bewilligte der Antragsgegner dem Antragsteller Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) für die Zeit bis zum 31. Mai 2014. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 6. März 2014 hob der Antragsgegner diese Bewilligung für den Zeitraum vom 1. April 2014 bis 31. Mai 2014 auf. Der Antragsteller durchlaufe eine Ausbildung, die nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) förderungsfähig sei. Somit bestehe gemäß § 7 SGB II kein Anspruch auf Leistungen.

Der Antragsteller hat mit Schreiben vom 21. März 2014 Widerspruch eingelegt, der sich nur gegen den Bescheid vom 6. März 2014 richten kann, da er vor Erlass des weiteren Bescheides vom 27. März 2014 eingelegt wurde, und am 7. April 2014 bei dem Sozialgericht Berlin die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs begehrt. Das Sozialgericht hat mit Beschluss vom 23. Mai 2014 den Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes abgelehnt und zudem den gestellten Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ebenfalls abgelehnt. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Besuch des Vorkurses am Charlotte-Wolff-Kolleg sei im Rahmen des Bafög förderungsfähig. Die Voraussetzungen des § 2 Abs. 5 Bafög lägen ebenfalls vor. Hiernach werde Ausbildungsförderung nur geleistet, wenn die Ausbildung die Arbeitskraft des Auszubildenden im Allgemeinen voll in Anspruch nehme. Der Besuch des Vorkurses nehme mit 20 Wochenstunden die Arbeitskraft des Antragstellers voll in Anspruch. Das Sozialgericht hat dabei auf Nr. 2.5.2 der Allgemeinen Vorschrift zum Bundesausbildungsförderungsgesetz Bezug genommen.

Gegen den am 2. Juni 2014 zugestellten Beschluss richtet sich die am selben Tage eingelegte Beschwerde des Antragstellers, mit der er zugleich die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren beantragt hat. Zur Begründung hat er ausgeführt, dass es sich bei der Ausbildung um eine nicht förderungsfähige Teilzeitausbildung handele.

II.

Die zulässige Beschwerde ist begründet. Das Aussetzungsinteresse des Antragstellers überwiegt gegenüber dem Vollziehungsinteresse des Antragsgegners, da der angefochtene Bescheid rechtswidrig ist (§ 86b Abs. 1 Nr. 2 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -).

Der angefochtene Bescheid kann nicht auf § 40 Abs. 1 Satz 1 SGB II i. V. m. § 48 Abs. 1 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - SGB X - gestützt werden. Der Anspruch des Antragstellers auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes ist nicht nach § 7 Abs. 5 SGB II ausgeschlossen. Bei der vom Antragsteller vorgenommenen Ausbildung am Charlotte-Wolff-Kolleg handelt es sich während des im hier streitigen Zeitraum durchlaufenen Vorkurses nicht um eine dem Grunde nach förderungsfähige Ausbildung im Sinne des § 7 Abs. 5 SGB II, so dass der Antragsteller von den Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nicht ausgeschlossen ist. Es handelt sich vielmehr um eine nicht förderungsfähige Teilzeitausbildung, die die Voraussetzung des § 2 Abs. 5 Satz 1 BAföG nicht erfüllt. Danach wird Ausbildungsförderung nur geleistet, wenn die Arbeitskraft des Auszubildenden im Allgemeinen voll in Anspruch genommen wird.

Der Vorkurs nimmt die Arbeitskraft des Antragstellers nicht voll in Anspruch. Voll in Anspruch genommen wird die Arbeitskraft des Auszubildenden in der Ausbildung bereits dann, wenn sie nach den Ausbildungsbestimmungen und der allgemeinen Erfahrung insgesamt 40 Wochenstunden (Unterrichtspraktika sowie Vor- und Nachbereitung zusammengenommen) erfordert (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 23. April 2007 – L 19 AS 40/06). Dies ist nach der Kommentarliteratur regelmäßig zwar bereits dann anzunehmen, wenn die Unterrichtsdauer mindestens 20 Wochenstunden umfasst (Ramsauer/Stallbaum/Sternal, BAföG, 4. Auflage 2005, § 2 Rn. 106). Nach der Schulbescheinigung des Charlotte-Wolff-Kollegs vom 14. Januar 2014 findet der Unterricht im Vorkurs Montag bis Freitag im Umfang von 20 Wochenstunden statt. Eine volle Inanspruchnahme der Arbeitskraft ist dem dennoch nicht zu entnehmen, da nach der Schulbescheinigung daneben lediglich für Hausaufgaben täglich ca. eine Stunde benötigt wird, was eine wöchentliche Belastung von 25 Stunden ergibt. Die regelmäßige Annahme, dass bei einer Schulwochenstundenzahl von 20 von einer vollen Inanspruchnahme auszugehen ist, ist hier jedenfalls widerlegt.

Nur ergänzend weist der Senat darauf hin, dass für die Zeit ab dem 1. August 2014 von einem Leistungsausschluss auszugehen sein dürfte, da das zweite Semester des Kollegs mit der Einführungsphase eine dem Grunde nach förderungsfähige Ausbildung im Sinne des § 7 Abs. 5 SGB II darstellen dürfte. Im Hinblick auf die dann vorgesehene Regelstundenzahl von 32 Stunden an fünf Tagen und dem zusätzlichen Erfordernis von täglich zwei bis vier Stunden Hausaufgabenzeit (Bescheinigung des Charlotte-Wolff-Kollegs) nimmt die Teilnahme den Antragsteller dann voll in Anspruch. Wenn der wöchentlich von dem Antragsteller für seine Ausbildung zu erbringende Aufwand bei über 40 Stunden liegt kann davon ausgegangen werden, dass die Ausbildung die Arbeitskraft des Antragstellers voll in Anspruch nimmt (vgl. OVG Bautzen, Beschluss vom 28. Januar 2010 - 1 D 235/09, BeckRs 2010, 47017).

Dem Kläger war im Hinblick auf das Obsiegen auch Prozesskostenhilfe für das erstinstanzliche Verfahren zu bewilligen.

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Dieser Beschluss kann gemäß § 177 SGG nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden.
Rechtskraft
Aus
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