Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
12
1. Instanz
SG Dortmund (NRW)
Aktenzeichen
S 27 AL 125/02
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 12 B 61/03 AL NZB
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Berufung im Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 03.07.2003 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Beteiligten haben im Klageverfahren vor dem Sozialgericht (SG) Dortmund über die Höhe des der Klägerin zustehenden Arbeitslosengeldes gestritten.
Die Klägerin bezog vom 26.03.2002 bis 06.10.2002 und nach einer Zwischenbeschäftigung (07.10.2002 bis 03.11.2002) wieder ab 04.11.2002 bis 26.01.2003 Arbeitslosengeld von der Beklagten. Die Berechnung erfolgte auf der Grundlage eines wöchentlichen Bemessungsentgelts von 640 Euro nach der Leistungsgruppe A ohne Kindermerkmal. Es ergab sich ein wöchentlicher Zahlbetrag in Höhe 221,13 Euro. Die Klägerin hat die Gewährung von Arbeitslosengeld "ohne Berücksichtigung der Kirchensteuer" begehrt mit der Begründung, dass sie keiner Kirche angehöre.
Das SG hat durch Urteil vom 03.07.2003 die Klage abgewiesen und die Berufung gegen das Urteil nicht zugelassen. Zur Begründung hat es folgendes ausgeführt: Die Entscheidung der Beklagten sei hinsichtlich der Berücksichtigung der Kirchensteuer nach § 136 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 des Dritten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB III) richtig. Die herangezogenen gesetzlichen Vorschriften seien nicht verfassungswidrig. Zwar habe das Bundesverfassungsgericht im Jahre 1994 ausgesprochen, die im Interesse der Praktikabilität mit den genannten Vorschriften erfolgte verfassungsrechtlich zulässige Typisierung und Pauschalisierung finde ihre Grenzen am rechtsstaatlichen Gebot der Rechtsklarheit, wenn nicht mehr davon auszugehen sei, dass die "überwiegende Mehrheit der Arbeitnehmer" Kirchensteuer zu zahlen habe und "deren Abzug nicht sehr stark ins Gewicht falle" (BVerfGE 90 S. 226, 236 ff.). Die Kammer habe sich auf Grund des verfügbaren Zahlenmaterials des Statistischen Bundesamtes nicht davon überzeugen können, dass es sich bei der Kirchensteuer inzwischen nicht mehr um einen "gewöhnlich anfallenden Abzug" von Arbeitsentgelt handele. Aus den hierbei festgestellten Zahlen der nicht kirchensteuerpflichtigen Arbeitnehmer könne auch für den Zeitraum der Leistungsgewährung an die Klägerin nicht mit Überzeugung festgestellt werden, dass nicht mehr eine deutliche Mehrheit der Arbeitnehmer einer zur Erhebung von Kirchensteuern ermächtigten Kirche angehöre und es sich bei der Kirchensteuer inzwischen nicht mehr um einen "gewöhnlich anfallenden" Abzug von Arbeitsentgelt handele (LSG NRW, Urteil vom 12.12.2002 - L 1 AL 41/01 -). Die Erreichung dieses kritischen Grenzwertes habe die Kammer - in Übereinstimmung mit der genannten Entscheidung des Landessozialgerichts - nicht festzustellen vermocht. Hierbei dürfe nicht übersehen werden, dass von einer deutlichen Mehrheit von Arbeitnehmern, die einer steuererhebenden Kirche angehören, erst dann nicht mehr gesprochen werden könne, wenn ihr Anteil zu den Arbeitnehmern, die keiner kirchensteuererhebenden Kirchen angehören, unter 55 % gesunken sei (BSG Urteil 25.06.2002, - B 11 AL 75/01 R -). Die Berufung gegen das Urteil sei nicht zulässig, denn es werde weder der Wert des Beschwerdegegenstandes von 500 Euro erreicht, noch betreffe die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als 1 Jahr. Das Urteil ist der Klägerin am 11. Juli 2003 zugestellt worden.
Am 11. August 2003 hat die Klägerin dagegen Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt. Sie ist der Auffassung, dass es sich bei der Kirchensteuer inzwischen nicht mehr um einen "gewöhnlich anfallenden Abzug" handele. Die Berufung sei zuzulassen, da die Entscheidung grundsätzliche Bedeutung habe.
Die Beklagte vertritt die Auffassung, dass Zulassungsgründe nicht vorliegen.
II.
Die zulässige Nichtzulassungsbeschwerde ist unbegründet. Das SG hat zu Recht die Berufung nicht zugelassen.
Gemäß § 144 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) bedarf die Berufung der Zulassung, wenn der Streitwert nicht mehr als 500 Euro beträgt. Hier beträgt der Streitwert jedenfalls weniger als 500 Euro. Dies folgt daraus, dass sich die Berücksichtigung des Kirchensteuerhebesatzes im Falle der Klägerin in Höhe von 9,91 Euro wöchentlich bezogen auf das Leistungsentgelt auswirkt. Der Leistungssatz der Klägerin betrug 60 %. Im Streit ist der Leistungsbezug für etwa 9 Monate.
Die Berufung ist gemäß § 144 Abs. 2 SGG nur zuzulassen, wenn
1. die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2. das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der Obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht, oder
3. einer der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
Keiner dieser Zulassungsgründe ist vorliegend gegeben. Insbesondere hat die Rechtsache keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG. Die Berücksichtigungsfähigkeit der Kirchensteuer war bereits - wie vom SG zutreffend zitiert - Gegenstand der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts und des Bundesverfassungsgerichts. Nach dieser Rechtsprechung besteht Handlungsbedarf für den Gesetzgeber erst dann, wenn Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Anteil der kirchensteuerzahlenden Arbeitnehmer auf unter 55 % gesunken ist. Solche Anhaltspunkte bestehen frühestens seit dem Juni 2003, nachdem neue Erhebungen des Statistischen Bundesamtes aus Mai 2003 bekannt geworden sind. Nach Auffassung des Senats muss dem Gesetzgeber eine gewisse Frist eingeräumt werden, um auf diese neuen Zahlen zu reagieren. Eine Frist bis zum 31.12.2003 erscheint dem Senat angemessen. Damit kann der weiteren Berücksichtigung der Kirchensteuer bei der Leistungsberechnung in Rechtsstreitigkeiten der vorliegenden Art frühestens ab dem Jahre 2004 wieder grundsätzliche Bedeutung zukommen, wenn der Gesetzgeber auf die neuen Erkenntnisse nicht reagieren sollte. Im vorliegenden Rechtsstreit kommt eine Zulassung der Berufung nicht in Betracht, weil lediglich die Leistungsbewilligung bis zum 26.01.2003 im Streit gestanden hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG). Das Urteil des SG wird mit diesem Beschluss rechtskräftig (§ 145 Abs. 4 Satz 5 SGG).
Gründe:
I.
Die Beteiligten haben im Klageverfahren vor dem Sozialgericht (SG) Dortmund über die Höhe des der Klägerin zustehenden Arbeitslosengeldes gestritten.
Die Klägerin bezog vom 26.03.2002 bis 06.10.2002 und nach einer Zwischenbeschäftigung (07.10.2002 bis 03.11.2002) wieder ab 04.11.2002 bis 26.01.2003 Arbeitslosengeld von der Beklagten. Die Berechnung erfolgte auf der Grundlage eines wöchentlichen Bemessungsentgelts von 640 Euro nach der Leistungsgruppe A ohne Kindermerkmal. Es ergab sich ein wöchentlicher Zahlbetrag in Höhe 221,13 Euro. Die Klägerin hat die Gewährung von Arbeitslosengeld "ohne Berücksichtigung der Kirchensteuer" begehrt mit der Begründung, dass sie keiner Kirche angehöre.
Das SG hat durch Urteil vom 03.07.2003 die Klage abgewiesen und die Berufung gegen das Urteil nicht zugelassen. Zur Begründung hat es folgendes ausgeführt: Die Entscheidung der Beklagten sei hinsichtlich der Berücksichtigung der Kirchensteuer nach § 136 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 des Dritten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB III) richtig. Die herangezogenen gesetzlichen Vorschriften seien nicht verfassungswidrig. Zwar habe das Bundesverfassungsgericht im Jahre 1994 ausgesprochen, die im Interesse der Praktikabilität mit den genannten Vorschriften erfolgte verfassungsrechtlich zulässige Typisierung und Pauschalisierung finde ihre Grenzen am rechtsstaatlichen Gebot der Rechtsklarheit, wenn nicht mehr davon auszugehen sei, dass die "überwiegende Mehrheit der Arbeitnehmer" Kirchensteuer zu zahlen habe und "deren Abzug nicht sehr stark ins Gewicht falle" (BVerfGE 90 S. 226, 236 ff.). Die Kammer habe sich auf Grund des verfügbaren Zahlenmaterials des Statistischen Bundesamtes nicht davon überzeugen können, dass es sich bei der Kirchensteuer inzwischen nicht mehr um einen "gewöhnlich anfallenden Abzug" von Arbeitsentgelt handele. Aus den hierbei festgestellten Zahlen der nicht kirchensteuerpflichtigen Arbeitnehmer könne auch für den Zeitraum der Leistungsgewährung an die Klägerin nicht mit Überzeugung festgestellt werden, dass nicht mehr eine deutliche Mehrheit der Arbeitnehmer einer zur Erhebung von Kirchensteuern ermächtigten Kirche angehöre und es sich bei der Kirchensteuer inzwischen nicht mehr um einen "gewöhnlich anfallenden" Abzug von Arbeitsentgelt handele (LSG NRW, Urteil vom 12.12.2002 - L 1 AL 41/01 -). Die Erreichung dieses kritischen Grenzwertes habe die Kammer - in Übereinstimmung mit der genannten Entscheidung des Landessozialgerichts - nicht festzustellen vermocht. Hierbei dürfe nicht übersehen werden, dass von einer deutlichen Mehrheit von Arbeitnehmern, die einer steuererhebenden Kirche angehören, erst dann nicht mehr gesprochen werden könne, wenn ihr Anteil zu den Arbeitnehmern, die keiner kirchensteuererhebenden Kirchen angehören, unter 55 % gesunken sei (BSG Urteil 25.06.2002, - B 11 AL 75/01 R -). Die Berufung gegen das Urteil sei nicht zulässig, denn es werde weder der Wert des Beschwerdegegenstandes von 500 Euro erreicht, noch betreffe die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als 1 Jahr. Das Urteil ist der Klägerin am 11. Juli 2003 zugestellt worden.
Am 11. August 2003 hat die Klägerin dagegen Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt. Sie ist der Auffassung, dass es sich bei der Kirchensteuer inzwischen nicht mehr um einen "gewöhnlich anfallenden Abzug" handele. Die Berufung sei zuzulassen, da die Entscheidung grundsätzliche Bedeutung habe.
Die Beklagte vertritt die Auffassung, dass Zulassungsgründe nicht vorliegen.
II.
Die zulässige Nichtzulassungsbeschwerde ist unbegründet. Das SG hat zu Recht die Berufung nicht zugelassen.
Gemäß § 144 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) bedarf die Berufung der Zulassung, wenn der Streitwert nicht mehr als 500 Euro beträgt. Hier beträgt der Streitwert jedenfalls weniger als 500 Euro. Dies folgt daraus, dass sich die Berücksichtigung des Kirchensteuerhebesatzes im Falle der Klägerin in Höhe von 9,91 Euro wöchentlich bezogen auf das Leistungsentgelt auswirkt. Der Leistungssatz der Klägerin betrug 60 %. Im Streit ist der Leistungsbezug für etwa 9 Monate.
Die Berufung ist gemäß § 144 Abs. 2 SGG nur zuzulassen, wenn
1. die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2. das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der Obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht, oder
3. einer der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
Keiner dieser Zulassungsgründe ist vorliegend gegeben. Insbesondere hat die Rechtsache keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG. Die Berücksichtigungsfähigkeit der Kirchensteuer war bereits - wie vom SG zutreffend zitiert - Gegenstand der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts und des Bundesverfassungsgerichts. Nach dieser Rechtsprechung besteht Handlungsbedarf für den Gesetzgeber erst dann, wenn Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Anteil der kirchensteuerzahlenden Arbeitnehmer auf unter 55 % gesunken ist. Solche Anhaltspunkte bestehen frühestens seit dem Juni 2003, nachdem neue Erhebungen des Statistischen Bundesamtes aus Mai 2003 bekannt geworden sind. Nach Auffassung des Senats muss dem Gesetzgeber eine gewisse Frist eingeräumt werden, um auf diese neuen Zahlen zu reagieren. Eine Frist bis zum 31.12.2003 erscheint dem Senat angemessen. Damit kann der weiteren Berücksichtigung der Kirchensteuer bei der Leistungsberechnung in Rechtsstreitigkeiten der vorliegenden Art frühestens ab dem Jahre 2004 wieder grundsätzliche Bedeutung zukommen, wenn der Gesetzgeber auf die neuen Erkenntnisse nicht reagieren sollte. Im vorliegenden Rechtsstreit kommt eine Zulassung der Berufung nicht in Betracht, weil lediglich die Leistungsbewilligung bis zum 26.01.2003 im Streit gestanden hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG). Das Urteil des SG wird mit diesem Beschluss rechtskräftig (§ 145 Abs. 4 Satz 5 SGG).
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