Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 5 U 2228/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 1 U 3374/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 03.07.2012 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Klägerin wendet sich gegen die Entziehung einer als vorläufige Entschädigung geleisteten Verletztenrente wegen der gesundheitlichen Folgen des Arbeitsunfalls vom 27.04.2007 mit Ablauf des Monats März 2010 und begehrt deren Weitergewährung als Dauerrente.
Die 1952 geborene aus Kroatien stammende Klägerin war seit November 2000 im Hotel B. in K. als Servicekraft (Frühstücksdame) beschäftigt. Dort erlitt sie am 27.04.2007 einen Arbeitsunfall, indem sie ausweislich der Schilderung im Durchgangsarztbericht des Dr. S. vom 27.04.2007 beim Hinabgehen einer Treppe eine Stufe übersah und mit dem rechten Fuß umknickte. Dr. S. stellte eine Schwellung und schmerzhafte Bewegungseinschränkung im rechten oberen Sprunggelenk und der Fußwurzel fest. Das Betasten des rechten Fußes sei schmerzhaft. Röntgenologisch ergab sich kein Anhalt für eine frische knöcherne Verletzung des rechten Mittelfußes. Dr. S. stellte die Diagnose einer Mittelfußdistorsion rechts.
Nachdem die Klägerin zunächst keine Schmerzen im Rücken verspürt hatte, begab sie sich am 10.05.2007 mit starken Beschwerden in Behandlung und wurde an den Neurologen Dr. H. überwiesen. Diesem teilte die Klägerin mit, sie leide seit einem Jahr an rezidivierenden Lumbalgien, seit dem Vortag akut. Nach Durchführung einer Computertomographie (CT) berichtete sie von dem Sturz vor einer Woche. Bei seitengleich auslösbarem Patellarsehnenreflex (PSR) und Achillessehnenreflex (ASR) fand Dr. H. eine Großzehenheberschwäche links bei allseits intakter Sensibilität. Die Peronaeusleitgeschwindigkeiten lagen beidseits im Normbereich (Bericht vom 14.05.2007, Bl. 8 der Verwaltungsakte der Beklagten - VA).
Der Beschäftigungsbetrieb der Klägerin, die Hotel B. GmbH in K., gab in der Unfallanzeige vom 12.06.2007 an, dass die Klägerin auf der Treppe von der Küche zur Garage ausgerutscht sei und dabei ihren Fuß umgeknickt habe, weshalb sie Dr. S. aufgesucht habe. Rückenschmerzen seien nicht behandelt worden. Erst am 11.05.2007 habe die Klägerin Rückenschmerzen verspürt und sich deswegen in Behandlung begeben. Am 20.06.2007 teilte sie auf Rückfrage der Beklagten weiter mit, die Klägerin sei beim Ausrutschen mit dem Rücken auf eine Stufenkante gefallen. Da sie direkt danach keine Schmerzen im Rücken verspürt habe, habe sie sich darum aber nicht weiter gekümmert. Erst am 11.05.2007 seien sehr starke Rückenschmerzen aufgetreten (Bl. 14 VA).
Das CT der Lendenwirbelsäule (LWS) der Klägerin vom 11.05.2007 ergab das Bild einer frischeren Deckplatten-Impressionsfraktur von LWK 4 mit Höhenminderung deckplattennah, vorwiegend in den vorderen zwei Dritteln des Wirbelkörpers ohne sichere Hinterkanten-Beteiligung und ohne Einstrahlen der Frakturlinien in die Bogenwurzeln. Darüber hinaus wurden Bandscheibenprotrusionen bei L 4/L 5 und L 5/S 1 beschrieben. Die Eigenanamnese habe einen Zustand nach Sturz vor zwei Wochen ergeben. Eine radikuläre Schmerzsymptomatik habe nicht bestanden (Bl. 7 VA).
Vom 11.05.2007 bis zum 25.05.2007 wurde die Klägerin unter den Diagnosen "stabile LWK 4-Fraktur; Lumbago mit Ausstrahlung linkes Bein bei Bandscheiben-Sequester medial und links; Rezessus L 3/4; vorbestehende Großzehenheberschwäche" stationär im Klinikum K. behandelt. Laut Entlassungsbericht vom 22.05.2007 ist am 12.05.2007 bei der Klägerin eine Kyphoplastie LWK 4 mit gutem postoperativen Ergebnis vorgenommen worden. Ein Neurokonsil habe eine Großzehenheberschwäche ergeben, die laut der Klägerin schon vorher bestanden habe, außerdem eine geringe Hypästhesie L 4 links.
Das daraufhin veranlasste MRT vom 23.05.2007 ergab im Segment LWK 3/4 den Nachweis eines teilsequestrierten Bandscheibenvorfalls dorsal links nach caudal, wobei die L 4-Wurzel tangiert und möglicherweise komprimiert sein könne. In den Bandscheibensegmenten LWK 4 bis SWK 1 wurden Zeichen der Osteochondrosis intervertebralis mit Signalminderung des Nukleus pulposus mit jeweils diskreter breitbasiger Protrusion nach dorsal beschrieben, jedoch ohne signifikante Einengung des Spinalkanales und der Neuroforamina (Bericht vom 23.05.2007, Bl. 6 VA). Ansonsten bestünden keine weiteren signifikanten Einengungen des Spinalkanales.
Mit Klagen über diskrete LWS-Beschwerden mit Ausstrahlung in das linke Bein wurde die Klägerin vom 05.06.2007 bis 08.06.2007 erneut stationär behandelt, dieses Mal in der Abteilung für Neurochirurgie der O. Klinik in R. (Bericht vom 08.06.2007). Sie klagte über linksseitige Lumboischialgien, welche gluteal und am dorsalen Oberschenkel und gelegentlich am dorsalen Unterschenkel ausstrahlten, ebenfalls über Kribbelparästhesien am ventralen Ober- und Unterschenkel linksseitig. In der Funktionsmyelographie mit post-myelo-CT vom 06.06.2007 habe sich ein Bandscheibenvorfall auf Höhe L 3/4 medio-lateral linksseitig bis intraforaminal reichend mit relativer Spinalkanalstenose auf dieser Höhe gezeigt. Der Klägerin sei zu einer Operation des Bandscheibenvorfalls geraten worden, was sie abgelehnt habe. Ausweislich des Berichts des Arztes für Neuroradiologie Dr. P. über die Myelographie vom 06.06.2007 befand sich in Höhe L 3/4 ein paramedianer Bandscheibenvorfall mit ventralseitiger Eindellung des Duralsackes und Minderkontrastierung der linken L 4-Wurzeltasche.
Bei fortbestehender Arbeitsunfähigkeit der Klägerin erstattete am 10.01.2008 der Chirurg, Unfallchirurg und Orthopäde Dr. S., T., einen ambulanten Untersuchungsbericht mit fachärztlicher Stellungnahme aufgrund einer Untersuchung vom 09.01.2008. Ihm gegenüber berichtete die Klägerin von unerträglichen Rückenbeschwerden seit dem Unfall. Nach der Operation habe sie links ein pelziges Bein. Jetzt könne sie längere Strecken nur noch mit einer Krücke zurücklegen und habe, sobald sie sich anstrenge, stärkere Schmerzen. Im Bereich des linken Fußes habe sie Fersenschmerzen, außerdem bestünden Schwierigkeiten, den großen Zeh hochzuheben. Entgegen dem Bericht aus dem Klinikum K. habe die Klägerin ihm gegenüber angegeben, dass vor der Operation und auch vor dem Unfall keine Großzehenheberschwäche vorhanden gewesen sei. Einer Operation zur Entfernung des Bandscheibensequesters stehe die Klägerin ablehnend gegenüber. Ohne diese sei eine Arbeitsfähigkeit nicht zu erreichen.
Mit Bescheid vom 17.03.2008 stellte die Beklagte der Klägerin Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben in Form zweckgebundener Maßnahmen in Aussicht (Bl. 48 VA). Mit Bescheid vom 08.08.2008 (Bl. 63 VA) hob die Beklagte die Bewilligung von Verletztengeld mit Ablauf des 23.10.2008 auf, nachdem mit dem Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit der Klägerin nicht zu rechnen sei. Die Bescheide wurden von der Klägerin nicht angefochten.
In einem Ersten Rentengutachten vom 30.10.2008 bezeichnete der Chefarzt der Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie der O. Klinik R., Prof. Dr. M., als wesentliche Unfallfolgen die Notwendigkeit der Kyphoplastie des LWK 4 nach erlittenem Kompressionsbruch, eine eingeschränkte Beweglichkeit im Bereich der Lendenwirbelsäule, einen teilsequestrierten Bandscheibenvorfall L 3/L 4 mit Sensibilitätsstörung im Bereich des linken lateralen Unterschenkels und Fußes, eine Großzehenheberschwäche links, eine eingeschränkte Dorsalextension des linken oberen Sprunggelenks und eine Störung des Gangbilds. Die MdE schätzte er nach Ablauf der 78. Woche nach dem Unfall auf 20 v. H. ein. Wegen Zweifeln am Zusammenhang des Bandscheibenvorfalls in Höhe L 3/ 4 mit dem Unfallereignis regte er die Einholung eines Zusammenhangsgutachtens an. Dieses erstattete er dann selbst am 02.02.2009, in welchem er die im Gutachten vom 30.10.2008 bezeichneten Unfallfolgen sämtlich bestätigte und ausführte, es sei wahrscheinlich, dass die Bandscheibe im Rahmen des Unfallgeschehens mitverletzt worden sei. Ein Ereignis, welches zum Bruch eines Lendenwirbelkörpers mit Einbruch der Deckplatte führe, sei so stark, dass auch eine gesunde Bandscheibe mitgeschädigt werden könne. Das Unfallereignis vom 27.04.2007 sei daher wesentliche Ursache für den Kompressionsbruch des 4. Lendenwirbelkörpers und den teilsequestrierten Bandscheibenvorfall L3/4 mit Sensibilitätsstörungen im Bereich des linken lateralen Unterschenkels und Fußes. Die MdE schätzte er wieder mit 20 v. H. nach Ablauf der 78. Woche nach dem Unfall ein.
Mit Bescheid vom 04.03.2009 gewährte die Beklagte der Klägerin wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 27.04.2007 Verletztenrente nach einem Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 20 v. H. ab dem 24.10.2008 als vorläufige Entschädigung. Als Unfallfolgen erkannte sie die von Prof. Dr. M. im Ersten Rentengutachten vom 30.10.2008 aufgeführten Gesundheitsstörungen an. Ein älterer Deckplatteneinbruch L (Lendenwirbelkörper) 1, eine Marschfraktur rechts vor zwei Jahren und degenerative Bandscheibenschädigungen L 4/L 5 und L 5/S 1 seien demgegenüber unfallunabhängig.
Im Juli 2009 trat die Beklagte von Amts wegen in ein Verfahren zur Prüfung eines Anspruchs auf Verletztenrente auf unbestimmte Zeit ein. Die Klägerin legte einen Reha-Entlassungsbericht der Reha-Klinik S., D., vom 02.07.2009 vor. Hiernach habe sie über Schmerzen im LWS-Bereich mit Ausstrahlung in das linke Bein bis zu den Zehen, aber auch in die untere BWS nach oben ausstrahlend, geklagt. Eine Beschwerdeverstärkung bestehe vor allem bei längerem Sitzen und Stehen. Häufig werde das linke Bein kraftlos, komme es auch zu Krämpfen im linken Fuß. Ständig bestehe ein Pelzigkeitsgefühl im linken Gesäß, im ganzen linken Bein und ein Taubheitsgefühl in der linken Großzehe. Beim Sitzen bestünden Schmerzen im Steißbeinbereich. Die Beschwerden würden jeweils tageweise wechseln. Neben anderen Diagnosen wurden als Einweisungsdiagnose unter anderem "chronische Schmerzen" gestellt.
Auf Veranlassung der Beklagten erstattete Prof. Dr. S. am 08.10.2009 ein neurologisch-psychiatrisches Gutachten. Ihm gegenüber klagte die Klägerin über ein Pelzigkeitsgefühl am linken Bein und dauernde Rückenschmerzen. Mit der linken Ferse könne sie nicht auf dem Boden laufen, der Fuß gehe nicht hoch. Um den Rücken zu entlasten, müsse sie an zwei Gehstützen laufen. Wegen Schmerzen im Gesäß könne sie nicht länger als eine halbe Stunde sitzen, fahre allerdings noch selbst Auto (Automatik) und komme mit dem Treppensteigen zurecht. Ferner klagte sie über Kopfschmerzen. Hinsichtlich der psychologischen Untersuchung verwies Prof. Dr. S. auf das psychologische Zusatzgutachten der Dipl.-Psych. T. vom 09.10.2009 (Bl. 60 ff. der Senatsakte). Die Klägerin habe dort in sämtlichen Bereichen stark geminderte Leistungen demonstriert, was mit ihrem übrigen Verhalten nicht in Übereinstimmung zu bringen gewesen sei. Die Kontrollverfahren hätten beträchtliche negative Antwortverzerrungen gezeigt. Der psychiatrische Befund sei unauffällig gewesen. Der klinisch-neurologische Befund sei, soweit objektivierbar, regelrecht gewesen. Eine Großzehenheberschwäche habe nicht vorgelegen, auch keine segmental zuzuordnende Gefühlsstörung; die Wurzeldehnungszeichen seien negativ gewesen. Der körperliche Befund habe eine Bewegungseinschränkung der LWS ergeben, wobei deren Ausmaß bei wechselnder Darbietung nicht klar zu bestimmen gewesen sei. Muskelverhärtungen an der LWS hätten nicht vorgelegen, seitens der geltend gemachten LWS-Beschwerden hätten Verdeutlichungszeichen bestanden. Nachdem unfallabhängige Gesundheitsstörungen auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet nicht vorlägen, bestehe eine messbare MdE seitens dieses Fachgebietes nicht.
Im Zweiten Rentengutachten vom 13.01.2010 bezeichnete Prof. Dr. M. als Unfallfolgen die Notwendigkeit der Kyphoplastie des LWK 4 nach erlittenem Kompressionsbruch des Lendenwirbelkörpers, eine eingeschränkte Beweglichkeit im Bereich der Lendenwirbelsäule und einen teilsequestrierten Bandscheibenvorfall L 3/L 4 und nahm die Höhe der MdE jetzt nur noch mit 10 v. H. an. Die im Vorgutachten beschriebene eingeschränkte Dorsalextension des linken oberen Sprunggelenks sowie die linksseitige Großzehenheberschwäche seien bei der Untersuchung nicht mehr nachweisbar gewesen.
Nach Anhörung mit Schreiben vom 11.02.2010 entzog die Beklagte der Klägerin die als vorläufige Entschädigung bewilligte Rente mit Ablauf des Monats März 2010 und lehnte die Gewährung von Rente auf unbestimmte Zeit ab (Bescheid vom 16.03.2010). Den Widerspruch der Klägerin vom 18.03.2010, welcher auch nach Erinnerung unbegründet blieb, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 29.07.2010 zurück.
Hiergegen hat die Klägerin am 02.09.2010 Klage beim Sozialgericht Konstanz erhoben und zur Begründung vorgetragen, seit dem 04.03.2009 hätten ihre Beeinträchtigungen nicht abgenommen, sondern sich im Rücken und dem linken Bein tendenziell verstärkt, vor allem was die Schmerzsituation anbelange. Auch die Ausfallserscheinungen im Bein hätten zugenommen. Das Bein sei insgesamt auch schwächer, bleibe immer wieder hängen und die Klägerin knicke damit ein. Von Dr. S. sei ihr ein Gehstock verordnet worden.
Die Beklagte ist der Klage unter Berufung auf die im Verwaltungsverfahren eingeholten Gutachten, welche durch das im Sozialgerichtsverfahren von Dr. B. erstattete Gutachten bestätigt worden seien, entgegen getreten. Die im unfallbetroffenen Wirbelkörpersegment L 3/L 4 bestehende Kyphose liege nur knapp unter dem Normwert und begründe keinen statisch wirksamen Achsknick. Die hiernach bestehende MdE von 10 v. H. sei nicht rentenberechtigend.
Das SG hat die behandelnden Ärzte der Klägerin schriftlich als sachverständige Zeugen gehört. Der Arzt für Neurologie, Psychiatrie und spezielle Schmerztherapie Dr. H. hat mit Schreiben vom 28.03.2011 mitgeteilt, neu im Vergleich zur orthopädischen Rehabilitation sei eine länger anhaltende depressive Erkrankung, die inzwischen medikamentös behandelt werde. Insofern sei es auf psychischem Gebiet zu einer Befundverschlechterung gekommen. Auf körperlichem Gebiet erkenne er keine wesentliche Änderung der Befundlage. Funktionsbeeinträchtigungen ergäben sich aufgrund der chronischen Lumboischialgie links mit Wurzelschädigung L 5 links i. V. m. der chronischen Schmerzsituation sowie auf neurologisch-psychiatrischem Gebiet durch die depressive Erkrankung. Dadurch verändere sich der Grad der Behinderung auf neurologischem Gebiet nicht, aufgrund der depressiven Erkrankung bestehe ein GdB von 30.
Der Unfallchirurg Dr. S. hat (undatiert) mitgeteilt, ihm lägen aktuelle Befunde nicht vor. Er hat einen Bericht über ein MRT der LWS vom 13.04.2010 mitübersandt (Bl. 39 SG-Akte), in welchem neben dem Zustand nach Kyphoplastie des LWK 4 ohne Einengung des Spinalkanals durch die Hinterkante eine linksbetonte Spondylarthrose auf Höhe L 4/L 5 mit etwas Flüssigkeit im Gelenkspalt und Chondrose der Bandscheibe sowie ein nicht raumfordernder, flacher, rechts mediolateraler Bandscheibenvorfall ohne Nervenwurzelkontakt auf Höhe L 5/S 1 ohne spinale Enge beschrieben worden sind. Die obere LWS sei regelrecht.
Der hausärztliche Internist Dr. H. hat mit Schreiben vom 21.04.2011 angegeben, die Klägerin klage seit dem Unfall über Rückenschmerzen im Lumbalbereich, ausstrahlend in das linke Bein und den gesamten Rücken. Die fachärztlichen Behandlungen hätten bisher zu keiner entscheidenden Besserung des Beschwerdebildes beigetragen. Infolge der Länge der Erkrankung und des Fortbestehens des Symptomenkomplexes fühle sich die Klägerin immer schlechter. Seines Wissens seien keine neuen Befunde hinzugekommen.
Schließlich hat der Facharzt für Anästhesiologie und Schmerztherapeut Dr. S. mit Schreiben vom 14.05.2011 über Rückenschmerzen sowie Nacken-Schulter-Beschwerden, welche sich bei körperlicher Belastung verstärkten und bei denen es sich um Dauerschmerzen handle, berichtet. Dadurch bedingt bestünden starke Einschränkungen im Haushalt und bei der Ausübung der Freizeitaktivitäten, zudem Schlafstörungen. Die chronischen Schmerzen bedingten auch eine psychische Beeinträchtigung. Er stellte unter anderem die Diagnosen eines chronischen Schmerzsyndroms Stadium II nach Gerbershagen, einer andauernden Persönlichkeitsänderung bei chronischem Schmerzsyndrom und von Angst und depressiver Störung, gemischt. Im Behandlungszeitraum seit dem 26.04.2010 habe sich aufgrund der bereits eingetretenen Chronifizierung der Gesundheitszustand der Klägerin nicht wesentlich geändert. Lediglich eine leichte Linderung der Beschwerden sei erreicht worden.
Auf Veranlassung des SG hat der Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie Dr. B. am 17.09.2011 ein Gutachten erstattet. Er ist zu dem Ergebnis gelangt, die Klägerin habe bei dem Ereignis vom 27.04.2007 eine Distorsion des linken Sprunggelenkes und Fußes, eine Kompressionsfraktur des vierten Lendenwirbelkörpers und einen traumatischen Bandscheibenprolaps L 3/4 paramedian erlitten. Die schmerzhafte Funktionsbehinderung der LWS hat er nur als anteilig unfallbedingt angesehen, soweit diese auf dem posttraumatischen teilsequestrierten Bandscheibenprolaps L 3/L 4 links medio-lateral und geringfügigen radiologischen Residuen nach Kyphoplastie bei Kompressionsfraktur des vierten Lendenwirbelkörpers beruhe, und nicht auf einem sensomotorischen L 5/S 1-Syndrom bei Bandscheibenschaden der LWS (Protrusion L 4/5, Prolaps L 5/S 1) und einem funktionell unbedeutsamem Deckplatteneinbruch LWK 1. Die unfallbedingte MdE ab März 2010 sei mit 10 v. H. zu bewerten. Eine Ankylose und eine Instabilität der Fraktur könnten mit hinlänglicher Sicherheit ausgeschlossen werden. Nach der Operation bestehe auch keine wesentliche posttraumatische Fehlstellung. Die segmentale Kyphose liege mit minus 7,2 Grad nur knapp unter dem Normwert von minus 13 Grad, so dass lediglich eine Abweichung von knapp 6 Grad bestehe, welche nicht als statisch wirksamer Achsenknick anzusehen sei, der in der Literatur erst bei Abweichungen von über 15 Grad bis 20 Grad angenommen werde. Sowohl nach den Einschätzungsrichtlinien von Thomann/Schröter/Grosser als auch nach Weber/Wimmer betrage die MdE maximal 10 v. H. Eine zusätzliche Bewertung der neurologischen Situation erscheine nicht gerechtfertigt, nachdem der Befund der elektrophysiologischen Untersuchungen im Gutachten des Prof. Dr. S. unauffällig gewesen sei. Die sensiblen Störungen seien, selbst wenn man sie den Folgen des Unfalls zuschreiben könnte, was aufgrund der angegeben Segmentzuordnung nicht schlüssig sei, nicht als funktionsrelevant zu werten. Auch eine Großzehenheberparese sei nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit Folge des unfallbedingten Prolaps bei L 3/L 4, nachdem die Nervenwurzel L 4 betroffen sei, welche den Quadrizeps innerviere, nicht jedoch den Großzehenheber.
Mit Gerichtsbescheid vom 03.07.2012 hat das SG die Klage abgewiesen. Über den 31.03.2010 hinaus sei nicht weiterhin eine MdE in Höhe von mindestens 20 v. H. gegeben. Zu dieser Einschätzung seien sowohl die im Verwaltungsverfahren beauftragten Gutachter Prof. Dr. S. und Prof. Dr. M. als auch der Gerichtsgutachter Dr. B. gekommen. Auch die behandelnden Ärzte der Klägerin hätten keine höhere MdE zu attestieren vermocht.
Gegen den am 04.07.2012 gegen Empfangsbekenntnis zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 06.08.2012, einem Montag, Berufung eingelegt. Dr. B. habe ihre neurologischen Beschwerden überhaupt nicht berücksichtigt, wozu Anlass bestanden hätte, nachdem sie nicht nur weiterhin unter einer erheblichen Schmerzhaftigkeit der Wirbelsäule leide, sondern auch an neurologischen Ausfallserscheinungen. Dr. B., welcher sich extrem an den Literaturvorgaben orientiert habe, habe die Ursache für festgestellte Beeinträchtigungen in den nicht unfallbedingten Bereich verwiesen. Hiergegen bestünden Bedenken.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 03.07.2012 und den Bescheid der Beklagten vom 16.03.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.07.2010 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin über den 31.03.2010 hinaus Verletztenrente nach einer MdE von 20 v. H. zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die Entscheidung des SG für zutreffend.
Der Orthopäde Dr. R. hat in seinem auf Antrag der Klägerin nach § 109 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) erstatteten Gutachten vom 18.01.2013 als Unfallfolgen eine Distorsion des linken Sprunggelenks und linken Fußes, eine stabil verheilte Kompressionsfraktur des vierten Lendenwirbelkörpers, einen traumatischen Bandscheibenvorfall L 2/3 (richtig wohl: L 3/4) paramedian nach caudal sequestriert und eine anhaltende posttraumatische Lumbalgie und Ischialgie bei anamnestischem Giving-way der Beine bezeichnet. Die unfallbedingte MdE hat er mit 10 v. H. eingeschätzt und ausgeführt, dies sei in den bisherigen Gutachten korrekt und sehr ausführlich und plausibel dargelegt und eingeschätzt worden. Das ursprünglich 1992 veröffentlichte Segmentprinzip zur Bewertung von knöchernen Verletzungen der Wirbelsäule nach Weber/Wimmer beinhalte und bewerte nach seinem Wissen auch die Schmerzfolgen. Die von der Klägerin geklagten Schmerzen könnten bei der rein orthopädisch-unfallchirurgischen Bewertung bei stabil verheiltem Bruch eines Wirbelkörpers ohne entsprechende Verformung, Achsabweichung höheren Ausmaßes, Instabilität oder gelenkiger Umwandlung des Bandscheibenmaterials ohne morphologisches Korrelat nicht tenoriert werden. Das Gericht müsse einschätzen, ob das von Dr. S. diagnostizierte chronische Schmerzsyndrom einen Aspekt darstelle, der als "chronischer Schmerz" mit einer MdE bewertet werden müsse.
Der Senat hat das psychologische Zusatzgutachten, welches die Dipl.-Psych. T. am 09.10.2009 im Rahmen der Begutachtung durch Prof. Dr. S. im Verwaltungsverfahren erstattet hatte, beigezogen. Anschließend hat der Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie Prof. Dr. B. am 07.04.2014 ein Gutachten nach § 109 Abs. 1 Satz 1 SGG erstattet. Er hat auf psychiatrischem Fachgebiet eine mittelschwere depressive Episode, phasenweise schwer mit Suizidalität, mittelgradig, und ein Nikotinabhängigkeitssyndrom, sowie auf schmerzpsychologischem Fachgebiet ein chronifiziertes Schmerzsyndrom nach Gerbershagen, Stadium II lumbal, vertebragen, lokal, diagnostiziert. Er hat ausgeführt, die über den 31.03.2010 hinaus bestehenden Unfallfolgen seien orthopädisch zu beurteilen. Auf seinem Fachgebiet resultiere durch die Unfallfolgen ein chronifiziertes Schmerzsyndrom nach Gerbershagen, Stadium II. Die depressive Erkrankung hat er nicht als unfallabhängig angesehen, nachdem die Klägerin selbst diese auf einen Partnerschaftskonflikt zurückführe. Für das Schmerzsyndrom sei der Unfall vom 27.04.2007 teilursächlich, was letztlich auch durch die orthopädische Befundung durch Dr. B. festgestellt worden sei. Aufgrund der Chronifizierung und des Schweregrades des Schmerzsyndroms, welches eine sekundär depressive Entwicklung nicht unfallbedingter Genese mit aufrechterhalte (teilursächlich deutlich unter 50 Prozent) sei dieses mit einer MdE von 20 v. H. zu bewerten. Auch unter Einbeziehung der Unfallfolgen auf orthopädischem Fachgebiet betrage die MdE 20 v. H.
Die Beklagte ist diesem Gutachten unter Vorlage einer beratungsärztlichen Stellungnahme der Fachärztin für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie Dr. G. vom 19.05.2014 entgegengetreten. Die von Prof. Dr. B. mitgeteilte Diagnose eines chronifizierten Schmerzsyndroms lasse sich nicht klar sichern. Zudem lasse die von ihm mitgeteilte Teilursächlichkeit keinen Schluss auf die im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung maßgebende Verursachung im Sinne einer wesentlichen Bedingung zu.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten und der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten und die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die nach den §§ 143, 144, 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist statthaft und zulässig, aber nicht begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 16.03.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.07.2010 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die über den 31.03.2010 hinaus fortbestehenden nachgewiesenen Gesundheitsstörungen, deren wesentliche Ursache der Arbeitsunfall vom 27.04.2007 ist, begründen keine MdE rentenberechtigenden Grades von wenigstens 20 v. H. Ein Anspruch auf die Gewährung von Verletztenrente über den 31.03.2010 hinaus besteht daher nicht, die Beklagte hat die Rente zu Recht entzogen.
Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v. H. gemindert ist, haben gem. § 56 Abs. 1 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) Anspruch auf eine Rente. Ist die Erwerbsfähigkeit infolge mehrerer Versicherungsfälle gemindert und erreichen die Vomhundertsätze zusammen wenigstens die Zahl 20, besteht für jeden, auch für einen früheren Versicherungsfall, Anspruch auf Rente (§ 56 Abs. 1 Satz 2 SGB VII). Die Folgen eines Versicherungsfalls sind nach § 56 Abs. 1 Satz 3 SGB VII nur zu berücksichtigen, wenn sie die Erwerbsfähigkeit um wenigstens 10 v. H. mindern.
Versicherungsfälle im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung sind nach § 7 Abs. 1 SGB VII Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten. Arbeitsunfälle sind nach § 8 Abs. 1 S. 1 SGB VII Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Für einen Arbeitsunfall ist danach in der Regel erforderlich, dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer bzw. sachlicher Zusammenhang), dass diese Verrichtung zu dem zeitlich begrenzten von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis – dem Unfallereignis – geführt hat (Unfallkausalität) und dass das Unfallereignis einen Gesundheitsschaden oder den Tod des Versicherten verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität); das Entstehen von Unfallfolgen aufgrund des Gesundheitsschadens (haftungsausfüllende Kausalität) ist keine Voraussetzung für die Anerkennung eines Arbeitsunfalls (Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 2.4.2009 – B 2 U 29/07 R – in Juris m.w.N.).
Voraussetzung für die Berücksichtigung einer Gesundheitsstörung bzw. Funktionseinschränkung als Unfallfolge bei der Bemessung der MdE ist grundsätzlich u. a. ein wesentlicher ursächlicher Zusammenhang zwischen dem Unfallereignis bzw. dem dadurch eingetretenen Gesundheitserstschaden und der fortdauernden Gesundheitsstörung (sog. haftungsausfüllende Kausalität). Dabei müssen die anspruchsbegründenden Tatsachen, zu denen - neben der versicherten Tätigkeit - der Gesundheitserstschaden und die eingetretenen fortdauernden Gesundheitsstörungen gehören, mit einem der Gewissheit nahekommenden Grad der Wahrscheinlichkeit erwiesen sein. Für die Bejahung eines ursächlichen Zusammenhanges zwischen dem Gesundheitserstschaden und den fortdauernden Gesundheitsstörungen gilt in der gesetzlichen Unfallversicherung die Kausalitätstheorie der "wesentlichen Bedingung". Diese hat zur Ausgangsbasis die naturwissenschaftlich-philosophische Bedingungstheorie. In einem ersten Schritt ist zu prüfen, ob das Ereignis nicht hinweg gedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (conditio sine qua non). Auf Grund der Unbegrenztheit der naturwissenschaftlich-philosophischen Ursachen für einen Erfolg ist für die praktische Rechtsanwendung in einer zweiten Prüfungsstufe die Unterscheidung zwischen solchen Ursachen notwendig, die rechtlich für den Erfolg verantwortlich gemacht werden, bzw. denen der Erfolg zugerechnet wird, und anderen, für den Erfolg rechtlich unerheblichen Ursachen. Nach der Theorie der wesentlichen Bedingung werden als kausal und rechtserheblich nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich beigetragen haben. Welche Ursache wesentlich ist und welche nicht, muss aus der Auffassung des praktischen Lebens abgeleitet werden (vgl. die zusammenfassende Darstellung der Kausalitätstheorie der wesentlichen Bedingung im Urteil des BSG vom 9.5.2006 - B 2 U 1/05 R - SozR 4-2700 § 8 Nr. 17 = BSGE 96, 196-209 und Juris).
Bei mehreren konkurrierenden Ursachen muss die rechtlich wesentliche Bedingung nach dem Urteil des BSG vom 9.5.2006 (a.a.O. Rdnr. 15) nicht "gleichwertig" oder "annähernd gleichwertig" sein. Auch eine nicht annähernd gleichwertige, sondern rechnerisch verhältnismäßig niedriger zu bewertende Ursache kann für den Erfolg rechtlich wesentlich sein, solange die anderen Ursachen keine überragende Bedeutung haben. Kommt einer der Ursachen gegenüber den anderen eine überragende Bedeutung zu, ist sie allein wesentliche Ursache und damit allein Ursache im Rechtssinn.
Die MdE richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII). Die Bemessung der MdE hängt also von zwei Faktoren ab (vgl. BSG, Urteil vom 22.6.2004, B 2 U 14/03 R in SozR 4-2700 § 56 Nr. 1): Den verbliebenen Beeinträchtigungen des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens und dem Umfang der dadurch verschlossenen Arbeitsmöglichkeiten. Entscheidend ist nicht der Gesundheitsschaden als solcher, sondern vielmehr der Funktionsverlust unter medizinischen, juristischen, sozialen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten. Ärztliche Meinungsäußerungen darüber, inwieweit derartige Beeinträchtigungen sich auf die Erwerbsfähigkeit auswirken, haben keine verbindliche Wirkung, sie sind aber eine wichtige und vielfach unentbehrliche Grundlage für die richterliche Schätzung der MdE, vor allem soweit sie sich darauf beziehen, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletzten durch die Unfallfolgen beeinträchtigt sind. Erst aus der Anwendung medizinischer und sonstiger Erfahrungssätze über die Auswirkungen bestimmter körperlicher und seelischer Beeinträchtigungen auf die verbliebenen Arbeitsmöglichkeiten des Betroffenen auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens und unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalles kann die Höhe der MdE im jeweiligen Einzelfall geschätzt werden. Diese zumeist in jahrzehntelanger Entwicklung von der Rechtsprechung sowie dem versicherungsrechtlichen und versicherungsmedizinischen Schrifttum herausgearbeiteten Erfahrungssätze sind bei der Beurteilung der MdE zu beachten; sie sind zwar nicht für die Entscheidung im Einzelfall bindend, bilden aber die Grundlage für eine gleiche, gerechte Bewertung der MdE in zahlreichen Parallelfällen der täglichen Praxis und unterliegen einem ständigen Wandel.
Nach § 48 Abs. 1 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) ist ein Anspruch auf Rente neu festzustellen, wenn in den für seine letzte Feststellung maßgebend gewesenen Verhältnissen eine wesentliche Änderung eingetreten ist. Einer solchen bedarf es im Falle der Neufeststellung - und damit auch der Entziehung - einer als vorläufige Entschädigung geleisteten Verletztenrente jedoch nicht, was aus der Spezialermächtigung des § 62 Abs. 2 Satz 2 SGB VII folgt, welche in ihrem Anwendungsbereich die generelle Regelung des § 48 SGB X verdrängt (BSG, Urteil vom 16.03.2010 - B 2 U 2/09 R -, BSGE 106, 43 bis 48, Juris, dort Rn. 12 ff.). Nach § 62 Abs. 1 SGB VII soll der Unfallversicherungsträger während der ersten drei Jahre nach dem Versicherungsfall die Rente als vorläufige Entschädigung festsetzen, wenn der Umfang der Minderung der Erwerbsfähigkeit noch nicht abschließend festgestellt werden kann. Innerhalb dieses Zeitraums kann der Vomhundertsatz der Minderung der Erwerbsfähigkeit jederzeit ohne Rücksicht auf die Dauer der Veränderung neu festgestellt werden. Nach § 62 Abs. 2 SGB VII wird spätestens mit Ablauf von drei Jahren nach dem Versicherungsfall die vorläufige Entschädigung als Rente auf unbestimmte Zeit geleistet (Satz 1). Bei der erstmaligen Feststellung der Rente nach der vorläufigen Entschädigung kann der Vomhundertsatz der Minderung der Erwerbsfähigkeit abweichend von der vorläufigen Entschädigung festgestellt werden, auch wenn sich die Verhältnisse nicht geändert haben (Satz 2). § 62 Abs. 2 Satz 2 SGB VII setzt voraus, dass eine Verletztenrente als vorläufige Entschädigung bewilligt wurde, der Versicherungsträger erstmals darüber entscheidet, ob dem oder der Versicherten eine Rente auf unbestimmte Zeit zusteht und der Änderungsvorbehalt wegen Ablaufes der Drei-Jahres-Zeitraumes noch nicht entfallen war (BSG, a. a. O., Rn. 14, bestätigt mit Urteil vom 19.12.2013 - B 2 U 1/13 R -, juris, Rn. 11 ff.). Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Im Bescheid vom 04.03.2009 hat die Beklagte der Klägerin Verletztenrente ab dem 24.10.2008 ausdrücklich nur als vorläufige Entschädigung gewährt. Sie hat zudem in dem der Erteilung des Bescheides vom 16.03.2010 vorangehenden Verwaltungsverfahren einen Anspruch der Klägerin auf Rente auf unbestimmte Zeit geprüft und ausweislich des Bescheidtextes ausdrücklich darüber (abschlägig) entschieden. Schließlich war der Drei-Jahres-Zeitraum nach dem Unfallereignis vom 27.04.2007 bei Bekanntgabe des Bescheides vom 16.03.2010 noch nicht abgelaufen.
§ 62 Abs. 2 Satz 2 SGB VII ermächtigt nicht nur zur Feststellung einer abweichenden MdE, sondern auch zur ersatzlosen Entziehung der als vorläufige Entschädigung geleisteten Verletztenrente, wenn die Entscheidung über eine Dauerrente negativ ausfällt, mithin zu der Feststellung führt, dass ein Rentenanspruch nicht besteht, was grundsätzlich der Fall ist, wenn die MdE den Wert von 20 v. H. (vgl. § 56 Abs. 1 Satz 1 SGB VII) bzw. 10 v. H. (vgl. § 56 Abs. 1 Sätze 2 bis 4 SGB VII) nicht erreicht (BSG-Urteil vom 16.03.2010 a.a.O., Rn. 15 m. w. N.).
Die über den 31.03.2010 hinaus fortbestehenden nachgewiesenen Gesundheitsstörungen der Klägerin, deren wesentliche Ursache mit überwiegender Wahrscheinlichkeit das Unfallereignis vom 27.04.2007 ist, begründen keine MdE von 20 v. H. Aus dem schlüssigen und nachvollziehbaren Gutachten des Unfallchirurgen und Orthopäden Dr. B. vom 17.09.2011 ergibt sich, dass die bei der Klägerin als maßgebliche funktionelle Einschränkung über den 31.03.2010 hinaus bestehende schmerzhafte Funktionsbehinderung der LWS nur teilweise auf unfallbedingten Gesundheitsstörungen in Gestalt eines posttraumatischen teilsequestrierten Bandscheibenprolaps L 3/4 links mediolateral und geringfügigen radiologischen Residuen nach Kyphoplastie bei Kompressionsfraktur des vierten Lendenwirbelkörpers beruht. Kein Unfallzusammenhang besteht für die LWS-Beschwerden, die durch ein sensomotorisches L 5/S 1-Syndrom bei Bandscheibenschaden der LWS (Protrusion L 4/5, Prolaps L 5/S 1) und einen funktionell unbedeutsamem Deckplatteneinbruch LWK 1 (alt) verursacht werden. Dasselbe gilt für die schmerzhafte Funktionsbehinderung der beim Unfall nicht betroffenen Halswirbelsäule (HWS). Für die Bestimmung der MdE-Höhe hat Dr. B. zutreffend darauf abgestellt, dass es sich um eine Kompressionsfraktur eines einzelnen Wirbelkörpers mit Bandscheibenbeteiligung (traumatischer Bandscheibenprolaps L 3/4) gehandelt hat, Ankylose oder Instabilität des Bewegungssegments nicht feststellbar sind, und die Fraktur nach operativer Versorgung mit einer nur geringfügigen Achsabweichung von knapp 6 Grad stabil verheilt ist. Weder bei einer Beurteilung der MdE nach Frakturtyp, funktioneller Ausheilung, Veränderung der Statik sowie unterschiedlichen Graden der Bandscheibenbeteiligung (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Aufl. 2010, S. 442 unter Bezugnahme auf Erdmann und Rompe) noch bei einer Beurteilung mithilfe des Segmentprinzips nach Weber/Wimmer (a.a.O., S. 443 f.) ergibt sich eine höhere MdE als 10 v. H. Auch die übrigen unfallchirurgisch-orthopädischen Gutachter (Prof. Dr. M. und Dr. R.) sind zum selben Ergebnis gelangt, weshalb der Senat keine Zweifel an der Richtigkeit der Ausführungen von Dr. B. hat.
Von dieser MdE sind die üblichen Begleitschmerzen mit umfasst (Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O., Kapitel 5.5.10, S. 221). Eine über das übliche Maß hinausgehende Schmerzhaftigkeit, die eine höhere MdE begründen könnte, ist vorliegend nicht nachgewiesen, eine eigenständige Berücksichtigung der von ihr geäußerten Schmerzen bei der MdE-Bemessung nicht erforderlich. Gefordert wird dies in der maßgeblichen unfallmedizinischen Literatur insbesondere bei kausalgieformen Schmerzen, einem komplexen regionalen Schmerzsyndrom (CRPS) und dann, wenn neben dem Schmerz keine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung vorliegt. Die von der Klägerin geklagten lumbalen Schmerzen mit Ausstrahlungen in das linke Bein sind jedenfalls nicht so stark, dass daraus ein relevanter Mindergebrauch der linken unteren Extremität resultiert. Vielmehr hat Dr. B. eine solche aufgrund der im Wesentlichen seitengleichen Umfangsmaße und der seitengleichen Fußsohlenbeschwielung, die auch Prof. Dr. M. zuvor schon festgestellt hatte, ausgeschlossen. Damit lässt sich auch in Übereinstimmung bringen, dass an den im Rahmen der Untersuchung durch Prof. Dr. S. und Prof. Dr. M. verwendeten Gehstützen die Gummistopfen keine bzw. nur geringe Abnutzungserscheinungen aufgewiesen haben. Soweit Prof. Dr. B. eine eigenständige MdE-Bemessung für ein chronifiziertes Schmerzsyndrom nach Gerbershagen Stadium II lumbal, vertebragen und lokal, fordert, vermag sich der Senat dem nicht anzuschließen. Wie von der Neurologin und Psychiaterin Dr. G. in ihrer beratungsärztlichen Stellungnahme vom 19.05.2014, die der Senat im Urkundsbeweis verwertet hat, schlüssig und nachvollziehbar ausgeführt, ist diese Diagnose aus den erhobenen Befunden nicht schlüssig ableitbar. Neben den bereits angeführten Umständen ergibt sich das für den Senat daraus, dass, worauf Dr. G. hingewiesen hat, im Rahmen der Begutachtung durch Prof. Dr. B. keinerlei Schmerzsymptome bei Zurücklegen von Wegstrecken und Treppen dokumentiert worden sind und die Klägerin, die noch selbst Auto fährt, einkauft und den Haushalt bewältigt, sieben völlig schmerzfreie Tage im Monat angegeben hat. Ein dem Stadium 2 nach Gerbershagen entsprechender Schmerzverlauf (lang anhaltender, fast kontinuierlicher Schmerz, mit seltenem Stärkewechsel) ist damit nicht belegt. Darüber hinaus hat Prof. Dr. B. auch die Erfüllung der anderen von Gerbershagen aufgestellten Kriterien (u.a. 1-2 Medikamentenmissbrauchsepisoden, 1-2 Medikamentenentzugsbehandlungen, unangemessene Medikation; 2-3 schmerzbezogene operative Eingriffe) nicht positiv festgestellt. Auch nach Aktenlage ergeben sich dafür keine ausreichenden Anhaltspunkte. Ein Medikamentenmissbrauch oder unangemessene Medikation liegen nicht vor; ausweislich der Angaben im Gutachten von Prof. Dr. B. nimmt die Klägerin jeweils einmal täglich das Antidepressivum Mirtazapin (15 mg), das Schmerzmittel Voltaren und Pantozol (als Magenschutz) ein. Zudem hat die Klägerin bislang nur einen operativen Eingriff durchführen lassen. Nach alledem lassen sich die Schmerzen der Klägerin der Art und dem Grad nach der erlittenen Gewebeschädigung als Begleitsymptom zuordnen und haben keine eigenständige Bedeutung, wirken sich mithin nicht MdE-erhöhend aus.
Sonstige schmerzassoziierte psychische Erkrankungen (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O., S. 215 f.) hat der neurologisch-psychiatrische Gutachter Prof. Dr. B. nicht diagnostiziert. Die von Dr. S. geäußerte Diagnose einer andauernden Persönlichkeitsveränderung bei chronischem Schmerzsyndrom hat er nicht bestätigt. Eine mittelschwere depressive Episode hat ihre wesentliche Ursache nicht in dem Unfallereignis oder den Unfallfolgen, sondern in einem Partnerschaftskonflikt, worauf Prof. Dr. B. ausdrücklich hingewiesen hat, weshalb sie für die Bemessung der Höhe der MdE außer Betracht zu bleiben hat. Seitens des zunächst ebenfalls betroffenen Sprunggelenks und Fußes haben über den 31.03.2010 hinaus keinerlei funktionelle Beeinträchtigungen bestanden, was der Senat dem Gutachten von Dr. B. entnimmt, der dies für beide Extremitäten nachgewiesen hat.
Gesundheitsstörungen auf neurologischem Fachgebiet, deren wesentliche Ursache der Unfall ist, sind ebenfalls nicht nachgewiesen. Insoweit stützt sich der Senat auf das Gutachten von Prof. Dr. S., der schlüssig dargelegt hat, dass die von der Klägerin beschriebenen Minderungen der Schmerz- und Berührungswahrnehmung am linken Bein, welche die Reithose mit einbezogen haben, den betroffenen L 4-Segment nicht zuzuordnen gewesen sind. Darüber hinaus ist das Bestehen einer Großzehenheberschwäche links nicht nachgewiesen, nachdem die Klägerin im Rahmen der Untersuchung durch Prof. Dr. S. zunächst eine rechtsseitige Fußheberlähmung vorgeführt hatte und erst auf Nachfrage die Seite gewechselt hat. Zudem hat Prof. Dr. S. vermocht, durch Kitzeln ein kräftiges Hochziehen der Zehen links zu provozieren.
Der Senat hat sich nicht gedrängt gesehen, von Amts wegen ein weiteres neurologisches Gutachten einzuholen, nachdem die Schmerzäußerungen der Klägerin und ihre Klagen sich seit dem Beginn des Verwaltungsverfahrens nicht wesentlich geändert haben und sich aus den Befundäußerungen der behandelnden Ärzte Anhaltspunkte für eine maßgebliche Befundverschlechterung mit Ausnahme der nicht unfallbedingt entstandenen depressiven Erkrankung nicht ableiten lassen. Aufgrund dessen sieht der Senat auch die Behauptung der Klägerin einer zwischenzeitlichen Verschlimmerung als widerlegt an.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision bestehen nicht.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Klägerin wendet sich gegen die Entziehung einer als vorläufige Entschädigung geleisteten Verletztenrente wegen der gesundheitlichen Folgen des Arbeitsunfalls vom 27.04.2007 mit Ablauf des Monats März 2010 und begehrt deren Weitergewährung als Dauerrente.
Die 1952 geborene aus Kroatien stammende Klägerin war seit November 2000 im Hotel B. in K. als Servicekraft (Frühstücksdame) beschäftigt. Dort erlitt sie am 27.04.2007 einen Arbeitsunfall, indem sie ausweislich der Schilderung im Durchgangsarztbericht des Dr. S. vom 27.04.2007 beim Hinabgehen einer Treppe eine Stufe übersah und mit dem rechten Fuß umknickte. Dr. S. stellte eine Schwellung und schmerzhafte Bewegungseinschränkung im rechten oberen Sprunggelenk und der Fußwurzel fest. Das Betasten des rechten Fußes sei schmerzhaft. Röntgenologisch ergab sich kein Anhalt für eine frische knöcherne Verletzung des rechten Mittelfußes. Dr. S. stellte die Diagnose einer Mittelfußdistorsion rechts.
Nachdem die Klägerin zunächst keine Schmerzen im Rücken verspürt hatte, begab sie sich am 10.05.2007 mit starken Beschwerden in Behandlung und wurde an den Neurologen Dr. H. überwiesen. Diesem teilte die Klägerin mit, sie leide seit einem Jahr an rezidivierenden Lumbalgien, seit dem Vortag akut. Nach Durchführung einer Computertomographie (CT) berichtete sie von dem Sturz vor einer Woche. Bei seitengleich auslösbarem Patellarsehnenreflex (PSR) und Achillessehnenreflex (ASR) fand Dr. H. eine Großzehenheberschwäche links bei allseits intakter Sensibilität. Die Peronaeusleitgeschwindigkeiten lagen beidseits im Normbereich (Bericht vom 14.05.2007, Bl. 8 der Verwaltungsakte der Beklagten - VA).
Der Beschäftigungsbetrieb der Klägerin, die Hotel B. GmbH in K., gab in der Unfallanzeige vom 12.06.2007 an, dass die Klägerin auf der Treppe von der Küche zur Garage ausgerutscht sei und dabei ihren Fuß umgeknickt habe, weshalb sie Dr. S. aufgesucht habe. Rückenschmerzen seien nicht behandelt worden. Erst am 11.05.2007 habe die Klägerin Rückenschmerzen verspürt und sich deswegen in Behandlung begeben. Am 20.06.2007 teilte sie auf Rückfrage der Beklagten weiter mit, die Klägerin sei beim Ausrutschen mit dem Rücken auf eine Stufenkante gefallen. Da sie direkt danach keine Schmerzen im Rücken verspürt habe, habe sie sich darum aber nicht weiter gekümmert. Erst am 11.05.2007 seien sehr starke Rückenschmerzen aufgetreten (Bl. 14 VA).
Das CT der Lendenwirbelsäule (LWS) der Klägerin vom 11.05.2007 ergab das Bild einer frischeren Deckplatten-Impressionsfraktur von LWK 4 mit Höhenminderung deckplattennah, vorwiegend in den vorderen zwei Dritteln des Wirbelkörpers ohne sichere Hinterkanten-Beteiligung und ohne Einstrahlen der Frakturlinien in die Bogenwurzeln. Darüber hinaus wurden Bandscheibenprotrusionen bei L 4/L 5 und L 5/S 1 beschrieben. Die Eigenanamnese habe einen Zustand nach Sturz vor zwei Wochen ergeben. Eine radikuläre Schmerzsymptomatik habe nicht bestanden (Bl. 7 VA).
Vom 11.05.2007 bis zum 25.05.2007 wurde die Klägerin unter den Diagnosen "stabile LWK 4-Fraktur; Lumbago mit Ausstrahlung linkes Bein bei Bandscheiben-Sequester medial und links; Rezessus L 3/4; vorbestehende Großzehenheberschwäche" stationär im Klinikum K. behandelt. Laut Entlassungsbericht vom 22.05.2007 ist am 12.05.2007 bei der Klägerin eine Kyphoplastie LWK 4 mit gutem postoperativen Ergebnis vorgenommen worden. Ein Neurokonsil habe eine Großzehenheberschwäche ergeben, die laut der Klägerin schon vorher bestanden habe, außerdem eine geringe Hypästhesie L 4 links.
Das daraufhin veranlasste MRT vom 23.05.2007 ergab im Segment LWK 3/4 den Nachweis eines teilsequestrierten Bandscheibenvorfalls dorsal links nach caudal, wobei die L 4-Wurzel tangiert und möglicherweise komprimiert sein könne. In den Bandscheibensegmenten LWK 4 bis SWK 1 wurden Zeichen der Osteochondrosis intervertebralis mit Signalminderung des Nukleus pulposus mit jeweils diskreter breitbasiger Protrusion nach dorsal beschrieben, jedoch ohne signifikante Einengung des Spinalkanales und der Neuroforamina (Bericht vom 23.05.2007, Bl. 6 VA). Ansonsten bestünden keine weiteren signifikanten Einengungen des Spinalkanales.
Mit Klagen über diskrete LWS-Beschwerden mit Ausstrahlung in das linke Bein wurde die Klägerin vom 05.06.2007 bis 08.06.2007 erneut stationär behandelt, dieses Mal in der Abteilung für Neurochirurgie der O. Klinik in R. (Bericht vom 08.06.2007). Sie klagte über linksseitige Lumboischialgien, welche gluteal und am dorsalen Oberschenkel und gelegentlich am dorsalen Unterschenkel ausstrahlten, ebenfalls über Kribbelparästhesien am ventralen Ober- und Unterschenkel linksseitig. In der Funktionsmyelographie mit post-myelo-CT vom 06.06.2007 habe sich ein Bandscheibenvorfall auf Höhe L 3/4 medio-lateral linksseitig bis intraforaminal reichend mit relativer Spinalkanalstenose auf dieser Höhe gezeigt. Der Klägerin sei zu einer Operation des Bandscheibenvorfalls geraten worden, was sie abgelehnt habe. Ausweislich des Berichts des Arztes für Neuroradiologie Dr. P. über die Myelographie vom 06.06.2007 befand sich in Höhe L 3/4 ein paramedianer Bandscheibenvorfall mit ventralseitiger Eindellung des Duralsackes und Minderkontrastierung der linken L 4-Wurzeltasche.
Bei fortbestehender Arbeitsunfähigkeit der Klägerin erstattete am 10.01.2008 der Chirurg, Unfallchirurg und Orthopäde Dr. S., T., einen ambulanten Untersuchungsbericht mit fachärztlicher Stellungnahme aufgrund einer Untersuchung vom 09.01.2008. Ihm gegenüber berichtete die Klägerin von unerträglichen Rückenbeschwerden seit dem Unfall. Nach der Operation habe sie links ein pelziges Bein. Jetzt könne sie längere Strecken nur noch mit einer Krücke zurücklegen und habe, sobald sie sich anstrenge, stärkere Schmerzen. Im Bereich des linken Fußes habe sie Fersenschmerzen, außerdem bestünden Schwierigkeiten, den großen Zeh hochzuheben. Entgegen dem Bericht aus dem Klinikum K. habe die Klägerin ihm gegenüber angegeben, dass vor der Operation und auch vor dem Unfall keine Großzehenheberschwäche vorhanden gewesen sei. Einer Operation zur Entfernung des Bandscheibensequesters stehe die Klägerin ablehnend gegenüber. Ohne diese sei eine Arbeitsfähigkeit nicht zu erreichen.
Mit Bescheid vom 17.03.2008 stellte die Beklagte der Klägerin Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben in Form zweckgebundener Maßnahmen in Aussicht (Bl. 48 VA). Mit Bescheid vom 08.08.2008 (Bl. 63 VA) hob die Beklagte die Bewilligung von Verletztengeld mit Ablauf des 23.10.2008 auf, nachdem mit dem Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit der Klägerin nicht zu rechnen sei. Die Bescheide wurden von der Klägerin nicht angefochten.
In einem Ersten Rentengutachten vom 30.10.2008 bezeichnete der Chefarzt der Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie der O. Klinik R., Prof. Dr. M., als wesentliche Unfallfolgen die Notwendigkeit der Kyphoplastie des LWK 4 nach erlittenem Kompressionsbruch, eine eingeschränkte Beweglichkeit im Bereich der Lendenwirbelsäule, einen teilsequestrierten Bandscheibenvorfall L 3/L 4 mit Sensibilitätsstörung im Bereich des linken lateralen Unterschenkels und Fußes, eine Großzehenheberschwäche links, eine eingeschränkte Dorsalextension des linken oberen Sprunggelenks und eine Störung des Gangbilds. Die MdE schätzte er nach Ablauf der 78. Woche nach dem Unfall auf 20 v. H. ein. Wegen Zweifeln am Zusammenhang des Bandscheibenvorfalls in Höhe L 3/ 4 mit dem Unfallereignis regte er die Einholung eines Zusammenhangsgutachtens an. Dieses erstattete er dann selbst am 02.02.2009, in welchem er die im Gutachten vom 30.10.2008 bezeichneten Unfallfolgen sämtlich bestätigte und ausführte, es sei wahrscheinlich, dass die Bandscheibe im Rahmen des Unfallgeschehens mitverletzt worden sei. Ein Ereignis, welches zum Bruch eines Lendenwirbelkörpers mit Einbruch der Deckplatte führe, sei so stark, dass auch eine gesunde Bandscheibe mitgeschädigt werden könne. Das Unfallereignis vom 27.04.2007 sei daher wesentliche Ursache für den Kompressionsbruch des 4. Lendenwirbelkörpers und den teilsequestrierten Bandscheibenvorfall L3/4 mit Sensibilitätsstörungen im Bereich des linken lateralen Unterschenkels und Fußes. Die MdE schätzte er wieder mit 20 v. H. nach Ablauf der 78. Woche nach dem Unfall ein.
Mit Bescheid vom 04.03.2009 gewährte die Beklagte der Klägerin wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 27.04.2007 Verletztenrente nach einem Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 20 v. H. ab dem 24.10.2008 als vorläufige Entschädigung. Als Unfallfolgen erkannte sie die von Prof. Dr. M. im Ersten Rentengutachten vom 30.10.2008 aufgeführten Gesundheitsstörungen an. Ein älterer Deckplatteneinbruch L (Lendenwirbelkörper) 1, eine Marschfraktur rechts vor zwei Jahren und degenerative Bandscheibenschädigungen L 4/L 5 und L 5/S 1 seien demgegenüber unfallunabhängig.
Im Juli 2009 trat die Beklagte von Amts wegen in ein Verfahren zur Prüfung eines Anspruchs auf Verletztenrente auf unbestimmte Zeit ein. Die Klägerin legte einen Reha-Entlassungsbericht der Reha-Klinik S., D., vom 02.07.2009 vor. Hiernach habe sie über Schmerzen im LWS-Bereich mit Ausstrahlung in das linke Bein bis zu den Zehen, aber auch in die untere BWS nach oben ausstrahlend, geklagt. Eine Beschwerdeverstärkung bestehe vor allem bei längerem Sitzen und Stehen. Häufig werde das linke Bein kraftlos, komme es auch zu Krämpfen im linken Fuß. Ständig bestehe ein Pelzigkeitsgefühl im linken Gesäß, im ganzen linken Bein und ein Taubheitsgefühl in der linken Großzehe. Beim Sitzen bestünden Schmerzen im Steißbeinbereich. Die Beschwerden würden jeweils tageweise wechseln. Neben anderen Diagnosen wurden als Einweisungsdiagnose unter anderem "chronische Schmerzen" gestellt.
Auf Veranlassung der Beklagten erstattete Prof. Dr. S. am 08.10.2009 ein neurologisch-psychiatrisches Gutachten. Ihm gegenüber klagte die Klägerin über ein Pelzigkeitsgefühl am linken Bein und dauernde Rückenschmerzen. Mit der linken Ferse könne sie nicht auf dem Boden laufen, der Fuß gehe nicht hoch. Um den Rücken zu entlasten, müsse sie an zwei Gehstützen laufen. Wegen Schmerzen im Gesäß könne sie nicht länger als eine halbe Stunde sitzen, fahre allerdings noch selbst Auto (Automatik) und komme mit dem Treppensteigen zurecht. Ferner klagte sie über Kopfschmerzen. Hinsichtlich der psychologischen Untersuchung verwies Prof. Dr. S. auf das psychologische Zusatzgutachten der Dipl.-Psych. T. vom 09.10.2009 (Bl. 60 ff. der Senatsakte). Die Klägerin habe dort in sämtlichen Bereichen stark geminderte Leistungen demonstriert, was mit ihrem übrigen Verhalten nicht in Übereinstimmung zu bringen gewesen sei. Die Kontrollverfahren hätten beträchtliche negative Antwortverzerrungen gezeigt. Der psychiatrische Befund sei unauffällig gewesen. Der klinisch-neurologische Befund sei, soweit objektivierbar, regelrecht gewesen. Eine Großzehenheberschwäche habe nicht vorgelegen, auch keine segmental zuzuordnende Gefühlsstörung; die Wurzeldehnungszeichen seien negativ gewesen. Der körperliche Befund habe eine Bewegungseinschränkung der LWS ergeben, wobei deren Ausmaß bei wechselnder Darbietung nicht klar zu bestimmen gewesen sei. Muskelverhärtungen an der LWS hätten nicht vorgelegen, seitens der geltend gemachten LWS-Beschwerden hätten Verdeutlichungszeichen bestanden. Nachdem unfallabhängige Gesundheitsstörungen auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet nicht vorlägen, bestehe eine messbare MdE seitens dieses Fachgebietes nicht.
Im Zweiten Rentengutachten vom 13.01.2010 bezeichnete Prof. Dr. M. als Unfallfolgen die Notwendigkeit der Kyphoplastie des LWK 4 nach erlittenem Kompressionsbruch des Lendenwirbelkörpers, eine eingeschränkte Beweglichkeit im Bereich der Lendenwirbelsäule und einen teilsequestrierten Bandscheibenvorfall L 3/L 4 und nahm die Höhe der MdE jetzt nur noch mit 10 v. H. an. Die im Vorgutachten beschriebene eingeschränkte Dorsalextension des linken oberen Sprunggelenks sowie die linksseitige Großzehenheberschwäche seien bei der Untersuchung nicht mehr nachweisbar gewesen.
Nach Anhörung mit Schreiben vom 11.02.2010 entzog die Beklagte der Klägerin die als vorläufige Entschädigung bewilligte Rente mit Ablauf des Monats März 2010 und lehnte die Gewährung von Rente auf unbestimmte Zeit ab (Bescheid vom 16.03.2010). Den Widerspruch der Klägerin vom 18.03.2010, welcher auch nach Erinnerung unbegründet blieb, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 29.07.2010 zurück.
Hiergegen hat die Klägerin am 02.09.2010 Klage beim Sozialgericht Konstanz erhoben und zur Begründung vorgetragen, seit dem 04.03.2009 hätten ihre Beeinträchtigungen nicht abgenommen, sondern sich im Rücken und dem linken Bein tendenziell verstärkt, vor allem was die Schmerzsituation anbelange. Auch die Ausfallserscheinungen im Bein hätten zugenommen. Das Bein sei insgesamt auch schwächer, bleibe immer wieder hängen und die Klägerin knicke damit ein. Von Dr. S. sei ihr ein Gehstock verordnet worden.
Die Beklagte ist der Klage unter Berufung auf die im Verwaltungsverfahren eingeholten Gutachten, welche durch das im Sozialgerichtsverfahren von Dr. B. erstattete Gutachten bestätigt worden seien, entgegen getreten. Die im unfallbetroffenen Wirbelkörpersegment L 3/L 4 bestehende Kyphose liege nur knapp unter dem Normwert und begründe keinen statisch wirksamen Achsknick. Die hiernach bestehende MdE von 10 v. H. sei nicht rentenberechtigend.
Das SG hat die behandelnden Ärzte der Klägerin schriftlich als sachverständige Zeugen gehört. Der Arzt für Neurologie, Psychiatrie und spezielle Schmerztherapie Dr. H. hat mit Schreiben vom 28.03.2011 mitgeteilt, neu im Vergleich zur orthopädischen Rehabilitation sei eine länger anhaltende depressive Erkrankung, die inzwischen medikamentös behandelt werde. Insofern sei es auf psychischem Gebiet zu einer Befundverschlechterung gekommen. Auf körperlichem Gebiet erkenne er keine wesentliche Änderung der Befundlage. Funktionsbeeinträchtigungen ergäben sich aufgrund der chronischen Lumboischialgie links mit Wurzelschädigung L 5 links i. V. m. der chronischen Schmerzsituation sowie auf neurologisch-psychiatrischem Gebiet durch die depressive Erkrankung. Dadurch verändere sich der Grad der Behinderung auf neurologischem Gebiet nicht, aufgrund der depressiven Erkrankung bestehe ein GdB von 30.
Der Unfallchirurg Dr. S. hat (undatiert) mitgeteilt, ihm lägen aktuelle Befunde nicht vor. Er hat einen Bericht über ein MRT der LWS vom 13.04.2010 mitübersandt (Bl. 39 SG-Akte), in welchem neben dem Zustand nach Kyphoplastie des LWK 4 ohne Einengung des Spinalkanals durch die Hinterkante eine linksbetonte Spondylarthrose auf Höhe L 4/L 5 mit etwas Flüssigkeit im Gelenkspalt und Chondrose der Bandscheibe sowie ein nicht raumfordernder, flacher, rechts mediolateraler Bandscheibenvorfall ohne Nervenwurzelkontakt auf Höhe L 5/S 1 ohne spinale Enge beschrieben worden sind. Die obere LWS sei regelrecht.
Der hausärztliche Internist Dr. H. hat mit Schreiben vom 21.04.2011 angegeben, die Klägerin klage seit dem Unfall über Rückenschmerzen im Lumbalbereich, ausstrahlend in das linke Bein und den gesamten Rücken. Die fachärztlichen Behandlungen hätten bisher zu keiner entscheidenden Besserung des Beschwerdebildes beigetragen. Infolge der Länge der Erkrankung und des Fortbestehens des Symptomenkomplexes fühle sich die Klägerin immer schlechter. Seines Wissens seien keine neuen Befunde hinzugekommen.
Schließlich hat der Facharzt für Anästhesiologie und Schmerztherapeut Dr. S. mit Schreiben vom 14.05.2011 über Rückenschmerzen sowie Nacken-Schulter-Beschwerden, welche sich bei körperlicher Belastung verstärkten und bei denen es sich um Dauerschmerzen handle, berichtet. Dadurch bedingt bestünden starke Einschränkungen im Haushalt und bei der Ausübung der Freizeitaktivitäten, zudem Schlafstörungen. Die chronischen Schmerzen bedingten auch eine psychische Beeinträchtigung. Er stellte unter anderem die Diagnosen eines chronischen Schmerzsyndroms Stadium II nach Gerbershagen, einer andauernden Persönlichkeitsänderung bei chronischem Schmerzsyndrom und von Angst und depressiver Störung, gemischt. Im Behandlungszeitraum seit dem 26.04.2010 habe sich aufgrund der bereits eingetretenen Chronifizierung der Gesundheitszustand der Klägerin nicht wesentlich geändert. Lediglich eine leichte Linderung der Beschwerden sei erreicht worden.
Auf Veranlassung des SG hat der Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie Dr. B. am 17.09.2011 ein Gutachten erstattet. Er ist zu dem Ergebnis gelangt, die Klägerin habe bei dem Ereignis vom 27.04.2007 eine Distorsion des linken Sprunggelenkes und Fußes, eine Kompressionsfraktur des vierten Lendenwirbelkörpers und einen traumatischen Bandscheibenprolaps L 3/4 paramedian erlitten. Die schmerzhafte Funktionsbehinderung der LWS hat er nur als anteilig unfallbedingt angesehen, soweit diese auf dem posttraumatischen teilsequestrierten Bandscheibenprolaps L 3/L 4 links medio-lateral und geringfügigen radiologischen Residuen nach Kyphoplastie bei Kompressionsfraktur des vierten Lendenwirbelkörpers beruhe, und nicht auf einem sensomotorischen L 5/S 1-Syndrom bei Bandscheibenschaden der LWS (Protrusion L 4/5, Prolaps L 5/S 1) und einem funktionell unbedeutsamem Deckplatteneinbruch LWK 1. Die unfallbedingte MdE ab März 2010 sei mit 10 v. H. zu bewerten. Eine Ankylose und eine Instabilität der Fraktur könnten mit hinlänglicher Sicherheit ausgeschlossen werden. Nach der Operation bestehe auch keine wesentliche posttraumatische Fehlstellung. Die segmentale Kyphose liege mit minus 7,2 Grad nur knapp unter dem Normwert von minus 13 Grad, so dass lediglich eine Abweichung von knapp 6 Grad bestehe, welche nicht als statisch wirksamer Achsenknick anzusehen sei, der in der Literatur erst bei Abweichungen von über 15 Grad bis 20 Grad angenommen werde. Sowohl nach den Einschätzungsrichtlinien von Thomann/Schröter/Grosser als auch nach Weber/Wimmer betrage die MdE maximal 10 v. H. Eine zusätzliche Bewertung der neurologischen Situation erscheine nicht gerechtfertigt, nachdem der Befund der elektrophysiologischen Untersuchungen im Gutachten des Prof. Dr. S. unauffällig gewesen sei. Die sensiblen Störungen seien, selbst wenn man sie den Folgen des Unfalls zuschreiben könnte, was aufgrund der angegeben Segmentzuordnung nicht schlüssig sei, nicht als funktionsrelevant zu werten. Auch eine Großzehenheberparese sei nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit Folge des unfallbedingten Prolaps bei L 3/L 4, nachdem die Nervenwurzel L 4 betroffen sei, welche den Quadrizeps innerviere, nicht jedoch den Großzehenheber.
Mit Gerichtsbescheid vom 03.07.2012 hat das SG die Klage abgewiesen. Über den 31.03.2010 hinaus sei nicht weiterhin eine MdE in Höhe von mindestens 20 v. H. gegeben. Zu dieser Einschätzung seien sowohl die im Verwaltungsverfahren beauftragten Gutachter Prof. Dr. S. und Prof. Dr. M. als auch der Gerichtsgutachter Dr. B. gekommen. Auch die behandelnden Ärzte der Klägerin hätten keine höhere MdE zu attestieren vermocht.
Gegen den am 04.07.2012 gegen Empfangsbekenntnis zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 06.08.2012, einem Montag, Berufung eingelegt. Dr. B. habe ihre neurologischen Beschwerden überhaupt nicht berücksichtigt, wozu Anlass bestanden hätte, nachdem sie nicht nur weiterhin unter einer erheblichen Schmerzhaftigkeit der Wirbelsäule leide, sondern auch an neurologischen Ausfallserscheinungen. Dr. B., welcher sich extrem an den Literaturvorgaben orientiert habe, habe die Ursache für festgestellte Beeinträchtigungen in den nicht unfallbedingten Bereich verwiesen. Hiergegen bestünden Bedenken.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 03.07.2012 und den Bescheid der Beklagten vom 16.03.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.07.2010 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin über den 31.03.2010 hinaus Verletztenrente nach einer MdE von 20 v. H. zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die Entscheidung des SG für zutreffend.
Der Orthopäde Dr. R. hat in seinem auf Antrag der Klägerin nach § 109 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) erstatteten Gutachten vom 18.01.2013 als Unfallfolgen eine Distorsion des linken Sprunggelenks und linken Fußes, eine stabil verheilte Kompressionsfraktur des vierten Lendenwirbelkörpers, einen traumatischen Bandscheibenvorfall L 2/3 (richtig wohl: L 3/4) paramedian nach caudal sequestriert und eine anhaltende posttraumatische Lumbalgie und Ischialgie bei anamnestischem Giving-way der Beine bezeichnet. Die unfallbedingte MdE hat er mit 10 v. H. eingeschätzt und ausgeführt, dies sei in den bisherigen Gutachten korrekt und sehr ausführlich und plausibel dargelegt und eingeschätzt worden. Das ursprünglich 1992 veröffentlichte Segmentprinzip zur Bewertung von knöchernen Verletzungen der Wirbelsäule nach Weber/Wimmer beinhalte und bewerte nach seinem Wissen auch die Schmerzfolgen. Die von der Klägerin geklagten Schmerzen könnten bei der rein orthopädisch-unfallchirurgischen Bewertung bei stabil verheiltem Bruch eines Wirbelkörpers ohne entsprechende Verformung, Achsabweichung höheren Ausmaßes, Instabilität oder gelenkiger Umwandlung des Bandscheibenmaterials ohne morphologisches Korrelat nicht tenoriert werden. Das Gericht müsse einschätzen, ob das von Dr. S. diagnostizierte chronische Schmerzsyndrom einen Aspekt darstelle, der als "chronischer Schmerz" mit einer MdE bewertet werden müsse.
Der Senat hat das psychologische Zusatzgutachten, welches die Dipl.-Psych. T. am 09.10.2009 im Rahmen der Begutachtung durch Prof. Dr. S. im Verwaltungsverfahren erstattet hatte, beigezogen. Anschließend hat der Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie Prof. Dr. B. am 07.04.2014 ein Gutachten nach § 109 Abs. 1 Satz 1 SGG erstattet. Er hat auf psychiatrischem Fachgebiet eine mittelschwere depressive Episode, phasenweise schwer mit Suizidalität, mittelgradig, und ein Nikotinabhängigkeitssyndrom, sowie auf schmerzpsychologischem Fachgebiet ein chronifiziertes Schmerzsyndrom nach Gerbershagen, Stadium II lumbal, vertebragen, lokal, diagnostiziert. Er hat ausgeführt, die über den 31.03.2010 hinaus bestehenden Unfallfolgen seien orthopädisch zu beurteilen. Auf seinem Fachgebiet resultiere durch die Unfallfolgen ein chronifiziertes Schmerzsyndrom nach Gerbershagen, Stadium II. Die depressive Erkrankung hat er nicht als unfallabhängig angesehen, nachdem die Klägerin selbst diese auf einen Partnerschaftskonflikt zurückführe. Für das Schmerzsyndrom sei der Unfall vom 27.04.2007 teilursächlich, was letztlich auch durch die orthopädische Befundung durch Dr. B. festgestellt worden sei. Aufgrund der Chronifizierung und des Schweregrades des Schmerzsyndroms, welches eine sekundär depressive Entwicklung nicht unfallbedingter Genese mit aufrechterhalte (teilursächlich deutlich unter 50 Prozent) sei dieses mit einer MdE von 20 v. H. zu bewerten. Auch unter Einbeziehung der Unfallfolgen auf orthopädischem Fachgebiet betrage die MdE 20 v. H.
Die Beklagte ist diesem Gutachten unter Vorlage einer beratungsärztlichen Stellungnahme der Fachärztin für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie Dr. G. vom 19.05.2014 entgegengetreten. Die von Prof. Dr. B. mitgeteilte Diagnose eines chronifizierten Schmerzsyndroms lasse sich nicht klar sichern. Zudem lasse die von ihm mitgeteilte Teilursächlichkeit keinen Schluss auf die im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung maßgebende Verursachung im Sinne einer wesentlichen Bedingung zu.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten und der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten und die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die nach den §§ 143, 144, 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist statthaft und zulässig, aber nicht begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 16.03.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.07.2010 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die über den 31.03.2010 hinaus fortbestehenden nachgewiesenen Gesundheitsstörungen, deren wesentliche Ursache der Arbeitsunfall vom 27.04.2007 ist, begründen keine MdE rentenberechtigenden Grades von wenigstens 20 v. H. Ein Anspruch auf die Gewährung von Verletztenrente über den 31.03.2010 hinaus besteht daher nicht, die Beklagte hat die Rente zu Recht entzogen.
Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v. H. gemindert ist, haben gem. § 56 Abs. 1 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) Anspruch auf eine Rente. Ist die Erwerbsfähigkeit infolge mehrerer Versicherungsfälle gemindert und erreichen die Vomhundertsätze zusammen wenigstens die Zahl 20, besteht für jeden, auch für einen früheren Versicherungsfall, Anspruch auf Rente (§ 56 Abs. 1 Satz 2 SGB VII). Die Folgen eines Versicherungsfalls sind nach § 56 Abs. 1 Satz 3 SGB VII nur zu berücksichtigen, wenn sie die Erwerbsfähigkeit um wenigstens 10 v. H. mindern.
Versicherungsfälle im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung sind nach § 7 Abs. 1 SGB VII Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten. Arbeitsunfälle sind nach § 8 Abs. 1 S. 1 SGB VII Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Für einen Arbeitsunfall ist danach in der Regel erforderlich, dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer bzw. sachlicher Zusammenhang), dass diese Verrichtung zu dem zeitlich begrenzten von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis – dem Unfallereignis – geführt hat (Unfallkausalität) und dass das Unfallereignis einen Gesundheitsschaden oder den Tod des Versicherten verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität); das Entstehen von Unfallfolgen aufgrund des Gesundheitsschadens (haftungsausfüllende Kausalität) ist keine Voraussetzung für die Anerkennung eines Arbeitsunfalls (Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 2.4.2009 – B 2 U 29/07 R – in Juris m.w.N.).
Voraussetzung für die Berücksichtigung einer Gesundheitsstörung bzw. Funktionseinschränkung als Unfallfolge bei der Bemessung der MdE ist grundsätzlich u. a. ein wesentlicher ursächlicher Zusammenhang zwischen dem Unfallereignis bzw. dem dadurch eingetretenen Gesundheitserstschaden und der fortdauernden Gesundheitsstörung (sog. haftungsausfüllende Kausalität). Dabei müssen die anspruchsbegründenden Tatsachen, zu denen - neben der versicherten Tätigkeit - der Gesundheitserstschaden und die eingetretenen fortdauernden Gesundheitsstörungen gehören, mit einem der Gewissheit nahekommenden Grad der Wahrscheinlichkeit erwiesen sein. Für die Bejahung eines ursächlichen Zusammenhanges zwischen dem Gesundheitserstschaden und den fortdauernden Gesundheitsstörungen gilt in der gesetzlichen Unfallversicherung die Kausalitätstheorie der "wesentlichen Bedingung". Diese hat zur Ausgangsbasis die naturwissenschaftlich-philosophische Bedingungstheorie. In einem ersten Schritt ist zu prüfen, ob das Ereignis nicht hinweg gedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (conditio sine qua non). Auf Grund der Unbegrenztheit der naturwissenschaftlich-philosophischen Ursachen für einen Erfolg ist für die praktische Rechtsanwendung in einer zweiten Prüfungsstufe die Unterscheidung zwischen solchen Ursachen notwendig, die rechtlich für den Erfolg verantwortlich gemacht werden, bzw. denen der Erfolg zugerechnet wird, und anderen, für den Erfolg rechtlich unerheblichen Ursachen. Nach der Theorie der wesentlichen Bedingung werden als kausal und rechtserheblich nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich beigetragen haben. Welche Ursache wesentlich ist und welche nicht, muss aus der Auffassung des praktischen Lebens abgeleitet werden (vgl. die zusammenfassende Darstellung der Kausalitätstheorie der wesentlichen Bedingung im Urteil des BSG vom 9.5.2006 - B 2 U 1/05 R - SozR 4-2700 § 8 Nr. 17 = BSGE 96, 196-209 und Juris).
Bei mehreren konkurrierenden Ursachen muss die rechtlich wesentliche Bedingung nach dem Urteil des BSG vom 9.5.2006 (a.a.O. Rdnr. 15) nicht "gleichwertig" oder "annähernd gleichwertig" sein. Auch eine nicht annähernd gleichwertige, sondern rechnerisch verhältnismäßig niedriger zu bewertende Ursache kann für den Erfolg rechtlich wesentlich sein, solange die anderen Ursachen keine überragende Bedeutung haben. Kommt einer der Ursachen gegenüber den anderen eine überragende Bedeutung zu, ist sie allein wesentliche Ursache und damit allein Ursache im Rechtssinn.
Die MdE richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII). Die Bemessung der MdE hängt also von zwei Faktoren ab (vgl. BSG, Urteil vom 22.6.2004, B 2 U 14/03 R in SozR 4-2700 § 56 Nr. 1): Den verbliebenen Beeinträchtigungen des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens und dem Umfang der dadurch verschlossenen Arbeitsmöglichkeiten. Entscheidend ist nicht der Gesundheitsschaden als solcher, sondern vielmehr der Funktionsverlust unter medizinischen, juristischen, sozialen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten. Ärztliche Meinungsäußerungen darüber, inwieweit derartige Beeinträchtigungen sich auf die Erwerbsfähigkeit auswirken, haben keine verbindliche Wirkung, sie sind aber eine wichtige und vielfach unentbehrliche Grundlage für die richterliche Schätzung der MdE, vor allem soweit sie sich darauf beziehen, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletzten durch die Unfallfolgen beeinträchtigt sind. Erst aus der Anwendung medizinischer und sonstiger Erfahrungssätze über die Auswirkungen bestimmter körperlicher und seelischer Beeinträchtigungen auf die verbliebenen Arbeitsmöglichkeiten des Betroffenen auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens und unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalles kann die Höhe der MdE im jeweiligen Einzelfall geschätzt werden. Diese zumeist in jahrzehntelanger Entwicklung von der Rechtsprechung sowie dem versicherungsrechtlichen und versicherungsmedizinischen Schrifttum herausgearbeiteten Erfahrungssätze sind bei der Beurteilung der MdE zu beachten; sie sind zwar nicht für die Entscheidung im Einzelfall bindend, bilden aber die Grundlage für eine gleiche, gerechte Bewertung der MdE in zahlreichen Parallelfällen der täglichen Praxis und unterliegen einem ständigen Wandel.
Nach § 48 Abs. 1 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) ist ein Anspruch auf Rente neu festzustellen, wenn in den für seine letzte Feststellung maßgebend gewesenen Verhältnissen eine wesentliche Änderung eingetreten ist. Einer solchen bedarf es im Falle der Neufeststellung - und damit auch der Entziehung - einer als vorläufige Entschädigung geleisteten Verletztenrente jedoch nicht, was aus der Spezialermächtigung des § 62 Abs. 2 Satz 2 SGB VII folgt, welche in ihrem Anwendungsbereich die generelle Regelung des § 48 SGB X verdrängt (BSG, Urteil vom 16.03.2010 - B 2 U 2/09 R -, BSGE 106, 43 bis 48, Juris, dort Rn. 12 ff.). Nach § 62 Abs. 1 SGB VII soll der Unfallversicherungsträger während der ersten drei Jahre nach dem Versicherungsfall die Rente als vorläufige Entschädigung festsetzen, wenn der Umfang der Minderung der Erwerbsfähigkeit noch nicht abschließend festgestellt werden kann. Innerhalb dieses Zeitraums kann der Vomhundertsatz der Minderung der Erwerbsfähigkeit jederzeit ohne Rücksicht auf die Dauer der Veränderung neu festgestellt werden. Nach § 62 Abs. 2 SGB VII wird spätestens mit Ablauf von drei Jahren nach dem Versicherungsfall die vorläufige Entschädigung als Rente auf unbestimmte Zeit geleistet (Satz 1). Bei der erstmaligen Feststellung der Rente nach der vorläufigen Entschädigung kann der Vomhundertsatz der Minderung der Erwerbsfähigkeit abweichend von der vorläufigen Entschädigung festgestellt werden, auch wenn sich die Verhältnisse nicht geändert haben (Satz 2). § 62 Abs. 2 Satz 2 SGB VII setzt voraus, dass eine Verletztenrente als vorläufige Entschädigung bewilligt wurde, der Versicherungsträger erstmals darüber entscheidet, ob dem oder der Versicherten eine Rente auf unbestimmte Zeit zusteht und der Änderungsvorbehalt wegen Ablaufes der Drei-Jahres-Zeitraumes noch nicht entfallen war (BSG, a. a. O., Rn. 14, bestätigt mit Urteil vom 19.12.2013 - B 2 U 1/13 R -, juris, Rn. 11 ff.). Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Im Bescheid vom 04.03.2009 hat die Beklagte der Klägerin Verletztenrente ab dem 24.10.2008 ausdrücklich nur als vorläufige Entschädigung gewährt. Sie hat zudem in dem der Erteilung des Bescheides vom 16.03.2010 vorangehenden Verwaltungsverfahren einen Anspruch der Klägerin auf Rente auf unbestimmte Zeit geprüft und ausweislich des Bescheidtextes ausdrücklich darüber (abschlägig) entschieden. Schließlich war der Drei-Jahres-Zeitraum nach dem Unfallereignis vom 27.04.2007 bei Bekanntgabe des Bescheides vom 16.03.2010 noch nicht abgelaufen.
§ 62 Abs. 2 Satz 2 SGB VII ermächtigt nicht nur zur Feststellung einer abweichenden MdE, sondern auch zur ersatzlosen Entziehung der als vorläufige Entschädigung geleisteten Verletztenrente, wenn die Entscheidung über eine Dauerrente negativ ausfällt, mithin zu der Feststellung führt, dass ein Rentenanspruch nicht besteht, was grundsätzlich der Fall ist, wenn die MdE den Wert von 20 v. H. (vgl. § 56 Abs. 1 Satz 1 SGB VII) bzw. 10 v. H. (vgl. § 56 Abs. 1 Sätze 2 bis 4 SGB VII) nicht erreicht (BSG-Urteil vom 16.03.2010 a.a.O., Rn. 15 m. w. N.).
Die über den 31.03.2010 hinaus fortbestehenden nachgewiesenen Gesundheitsstörungen der Klägerin, deren wesentliche Ursache mit überwiegender Wahrscheinlichkeit das Unfallereignis vom 27.04.2007 ist, begründen keine MdE von 20 v. H. Aus dem schlüssigen und nachvollziehbaren Gutachten des Unfallchirurgen und Orthopäden Dr. B. vom 17.09.2011 ergibt sich, dass die bei der Klägerin als maßgebliche funktionelle Einschränkung über den 31.03.2010 hinaus bestehende schmerzhafte Funktionsbehinderung der LWS nur teilweise auf unfallbedingten Gesundheitsstörungen in Gestalt eines posttraumatischen teilsequestrierten Bandscheibenprolaps L 3/4 links mediolateral und geringfügigen radiologischen Residuen nach Kyphoplastie bei Kompressionsfraktur des vierten Lendenwirbelkörpers beruht. Kein Unfallzusammenhang besteht für die LWS-Beschwerden, die durch ein sensomotorisches L 5/S 1-Syndrom bei Bandscheibenschaden der LWS (Protrusion L 4/5, Prolaps L 5/S 1) und einen funktionell unbedeutsamem Deckplatteneinbruch LWK 1 (alt) verursacht werden. Dasselbe gilt für die schmerzhafte Funktionsbehinderung der beim Unfall nicht betroffenen Halswirbelsäule (HWS). Für die Bestimmung der MdE-Höhe hat Dr. B. zutreffend darauf abgestellt, dass es sich um eine Kompressionsfraktur eines einzelnen Wirbelkörpers mit Bandscheibenbeteiligung (traumatischer Bandscheibenprolaps L 3/4) gehandelt hat, Ankylose oder Instabilität des Bewegungssegments nicht feststellbar sind, und die Fraktur nach operativer Versorgung mit einer nur geringfügigen Achsabweichung von knapp 6 Grad stabil verheilt ist. Weder bei einer Beurteilung der MdE nach Frakturtyp, funktioneller Ausheilung, Veränderung der Statik sowie unterschiedlichen Graden der Bandscheibenbeteiligung (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Aufl. 2010, S. 442 unter Bezugnahme auf Erdmann und Rompe) noch bei einer Beurteilung mithilfe des Segmentprinzips nach Weber/Wimmer (a.a.O., S. 443 f.) ergibt sich eine höhere MdE als 10 v. H. Auch die übrigen unfallchirurgisch-orthopädischen Gutachter (Prof. Dr. M. und Dr. R.) sind zum selben Ergebnis gelangt, weshalb der Senat keine Zweifel an der Richtigkeit der Ausführungen von Dr. B. hat.
Von dieser MdE sind die üblichen Begleitschmerzen mit umfasst (Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O., Kapitel 5.5.10, S. 221). Eine über das übliche Maß hinausgehende Schmerzhaftigkeit, die eine höhere MdE begründen könnte, ist vorliegend nicht nachgewiesen, eine eigenständige Berücksichtigung der von ihr geäußerten Schmerzen bei der MdE-Bemessung nicht erforderlich. Gefordert wird dies in der maßgeblichen unfallmedizinischen Literatur insbesondere bei kausalgieformen Schmerzen, einem komplexen regionalen Schmerzsyndrom (CRPS) und dann, wenn neben dem Schmerz keine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung vorliegt. Die von der Klägerin geklagten lumbalen Schmerzen mit Ausstrahlungen in das linke Bein sind jedenfalls nicht so stark, dass daraus ein relevanter Mindergebrauch der linken unteren Extremität resultiert. Vielmehr hat Dr. B. eine solche aufgrund der im Wesentlichen seitengleichen Umfangsmaße und der seitengleichen Fußsohlenbeschwielung, die auch Prof. Dr. M. zuvor schon festgestellt hatte, ausgeschlossen. Damit lässt sich auch in Übereinstimmung bringen, dass an den im Rahmen der Untersuchung durch Prof. Dr. S. und Prof. Dr. M. verwendeten Gehstützen die Gummistopfen keine bzw. nur geringe Abnutzungserscheinungen aufgewiesen haben. Soweit Prof. Dr. B. eine eigenständige MdE-Bemessung für ein chronifiziertes Schmerzsyndrom nach Gerbershagen Stadium II lumbal, vertebragen und lokal, fordert, vermag sich der Senat dem nicht anzuschließen. Wie von der Neurologin und Psychiaterin Dr. G. in ihrer beratungsärztlichen Stellungnahme vom 19.05.2014, die der Senat im Urkundsbeweis verwertet hat, schlüssig und nachvollziehbar ausgeführt, ist diese Diagnose aus den erhobenen Befunden nicht schlüssig ableitbar. Neben den bereits angeführten Umständen ergibt sich das für den Senat daraus, dass, worauf Dr. G. hingewiesen hat, im Rahmen der Begutachtung durch Prof. Dr. B. keinerlei Schmerzsymptome bei Zurücklegen von Wegstrecken und Treppen dokumentiert worden sind und die Klägerin, die noch selbst Auto fährt, einkauft und den Haushalt bewältigt, sieben völlig schmerzfreie Tage im Monat angegeben hat. Ein dem Stadium 2 nach Gerbershagen entsprechender Schmerzverlauf (lang anhaltender, fast kontinuierlicher Schmerz, mit seltenem Stärkewechsel) ist damit nicht belegt. Darüber hinaus hat Prof. Dr. B. auch die Erfüllung der anderen von Gerbershagen aufgestellten Kriterien (u.a. 1-2 Medikamentenmissbrauchsepisoden, 1-2 Medikamentenentzugsbehandlungen, unangemessene Medikation; 2-3 schmerzbezogene operative Eingriffe) nicht positiv festgestellt. Auch nach Aktenlage ergeben sich dafür keine ausreichenden Anhaltspunkte. Ein Medikamentenmissbrauch oder unangemessene Medikation liegen nicht vor; ausweislich der Angaben im Gutachten von Prof. Dr. B. nimmt die Klägerin jeweils einmal täglich das Antidepressivum Mirtazapin (15 mg), das Schmerzmittel Voltaren und Pantozol (als Magenschutz) ein. Zudem hat die Klägerin bislang nur einen operativen Eingriff durchführen lassen. Nach alledem lassen sich die Schmerzen der Klägerin der Art und dem Grad nach der erlittenen Gewebeschädigung als Begleitsymptom zuordnen und haben keine eigenständige Bedeutung, wirken sich mithin nicht MdE-erhöhend aus.
Sonstige schmerzassoziierte psychische Erkrankungen (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O., S. 215 f.) hat der neurologisch-psychiatrische Gutachter Prof. Dr. B. nicht diagnostiziert. Die von Dr. S. geäußerte Diagnose einer andauernden Persönlichkeitsveränderung bei chronischem Schmerzsyndrom hat er nicht bestätigt. Eine mittelschwere depressive Episode hat ihre wesentliche Ursache nicht in dem Unfallereignis oder den Unfallfolgen, sondern in einem Partnerschaftskonflikt, worauf Prof. Dr. B. ausdrücklich hingewiesen hat, weshalb sie für die Bemessung der Höhe der MdE außer Betracht zu bleiben hat. Seitens des zunächst ebenfalls betroffenen Sprunggelenks und Fußes haben über den 31.03.2010 hinaus keinerlei funktionelle Beeinträchtigungen bestanden, was der Senat dem Gutachten von Dr. B. entnimmt, der dies für beide Extremitäten nachgewiesen hat.
Gesundheitsstörungen auf neurologischem Fachgebiet, deren wesentliche Ursache der Unfall ist, sind ebenfalls nicht nachgewiesen. Insoweit stützt sich der Senat auf das Gutachten von Prof. Dr. S., der schlüssig dargelegt hat, dass die von der Klägerin beschriebenen Minderungen der Schmerz- und Berührungswahrnehmung am linken Bein, welche die Reithose mit einbezogen haben, den betroffenen L 4-Segment nicht zuzuordnen gewesen sind. Darüber hinaus ist das Bestehen einer Großzehenheberschwäche links nicht nachgewiesen, nachdem die Klägerin im Rahmen der Untersuchung durch Prof. Dr. S. zunächst eine rechtsseitige Fußheberlähmung vorgeführt hatte und erst auf Nachfrage die Seite gewechselt hat. Zudem hat Prof. Dr. S. vermocht, durch Kitzeln ein kräftiges Hochziehen der Zehen links zu provozieren.
Der Senat hat sich nicht gedrängt gesehen, von Amts wegen ein weiteres neurologisches Gutachten einzuholen, nachdem die Schmerzäußerungen der Klägerin und ihre Klagen sich seit dem Beginn des Verwaltungsverfahrens nicht wesentlich geändert haben und sich aus den Befundäußerungen der behandelnden Ärzte Anhaltspunkte für eine maßgebliche Befundverschlechterung mit Ausnahme der nicht unfallbedingt entstandenen depressiven Erkrankung nicht ableiten lassen. Aufgrund dessen sieht der Senat auch die Behauptung der Klägerin einer zwischenzeitlichen Verschlimmerung als widerlegt an.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision bestehen nicht.
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Aus
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