L 9 U 220/11

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 8 U 973/09
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 U 220/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts F. vom 6. Oktober 2010 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten steht im Streit, ob der Kläger wegen der Folgen eines Arbeitsunfalles Anspruch auf eine Verletztenrente hat.

Der 1951 geborene Kläger ist im Malergeschäft der Heinrich S. GmbH & Co. KG, E., als Maler und Lackierer beschäftigt. Am 10.11.2005 war er nach der Unfallanzeige des Arbeitsgebers nach Arbeiten auf einem Gerüst beim Verlassen der unteren Gerüstlage auf der Leiter abgerutscht, mit der linken Schulter im Durchstieg aufgeschlagen und sodann an der Leiter bis zum Boden gerutscht. Der Kläger stellte sich daraufhin unmittelbar nach dem Unfall beim Orthopäden und Traumatologen Prof. Dr. S., F., vor. Unter Berücksichtigung einer Röntgenuntersuchung stellte dieser eine traumatische ventrale Schulterluxation links mit knöcherner Bankart-Läsion fest. Es erfolgte sodann eine geschlossene Reposition und eine immobilisierende Behandlung mittels eines Gilchristverbandes.

Nachdem im CT eine Hill-Sachs-Läsion im ventrocaudalen Humeruskopf links sowie ein Fraktur des ventrocaudalen Glenoids links, Typ Wiberg I, mit intraartikulär liegenden Glenoidfragmenten sowie im MRT eine ventrocaudale Labrumläsion nachweisbar gewesen war, erfolgte am 07.12.2005 im Universitätsklinikum F. die offene chirurgische Refixation des osteochondralen Fragmentes am linken Humeroglenoidalgelenk und eine Fixation mittels Schrauben (Bericht vom 15.12.2005). Wegen im Februar 2006 noch feststellbarer Bewegungs- und Kraftdefizite empfahl das Universitätsklinikum F. die Durchführung einer erweiterten ambulanten Physiotherapie (EAP). In ihrem fachärztlichen Rehabilitationsplan vom 04.04.2006 nach Untersuchung des Klägers am 30.03.2006 teilten Prof. Dr. Sch. und Dr. A., St. Josefskrankenhaus F., mit, dass die Beweglichkeit im linken Schultergelenk sowie die Kraftentfaltung noch endgradig eingeschränkt sei. Eine weitere EAP für eine Woche sollte durchgeführt werden, worauf sich dann eine Arbeitsbelastungserprobung (ABE) mit zunächst vier Stunden täglich für die DA. von 14 Tagen anschließen sollte. Eine schließlich am 11.04.2006 begonnene ABE wurde nach 1 ½ Tagen wegen Schmerzen abgebrochen. Prof. Dr. Sch. und die Oberärztin Dr. G. teilten unter dem 26.04.2006 mit, der Befund habe sich durch die EAP zwar gebessert, arbeitsfähig sei der Patient jedoch vor allem wegen der in dem Beruf des Klägers erforderlichen Überkopfarbeiten noch nicht. Es wurde die Fortsetzung der EAP für die DA. von zwei Wochen empfohlen und der Beginn einer weiteren ABE für den 08.05.2006. Ab dem 29.05.2006 wurde die ABE schließlich für die DA. von 4 Stunden täglich eingeleitet. Im Nachschau- und Abschlussbericht des Universitätsklinkums F. vom 07.07.2006 wurde ausgeführt, es bestehe jetzt eine im Wesentlichen seitengleiche Schultersilhouette ohne Atrophiezeichen. Nach Abschluss der EAP habe der Unfallversicherte über eine deutliche Befundverbesserung im Sinne der Beweglichkeit berichtet. Allerdings sei er bei den notwendigen Überkopfarbeiten noch deutlich eingeschränkt. Insbesondere berichte er über einstrahlende Schmerzen in das linke Ellenbogengelenk. Die MdE (Minderung der Erwerbsfähigkeit) liege unter 20 %. Aus ärztlicher Sicht könnten regelmäßige Überkopfarbeiten nicht befürwortet werden.

Am 24.07.2006 nahm der Kläger seine vollschichtige Tätigkeit wieder auf.

Unter Berücksichtigung eines ersten Rentengutachtens von Prof. Dr. Sch. vom 18.09.2006 bewilligte die Beklagte mit Bescheid vom 16.10.2006 eine Rente als vorläufige Entschädigung nach einer MdE von 20 % mit Beginn ab dem 24.07.2006. Zur Begründung führte sie aus, der Arbeitsunfall habe am linken Arm eine Bewegungseinschränkung und Minderung der groben Kraft der Schulter, eine Muskelminderung des Unterarms, einen inkompletten Faustschluss, eine knöchern fest verheilte Schulterluxation mit Schulterblattgelenkflächenfraktur mit noch einliegendem Metall und eine operativ versorgte Rotatorenmanschettenruptur verursacht. Prof. Dr. Sch. stellte in seinem Gutachten die Schultergelenksbeweglichkeit links mit einer Abduktion bis 90 Grad (passiv bis 100 Grad), eine Anteversion bis 130 Grad und eine Außenrotation bis 30 Grad fest. Die Ellenbogengelenke seien frei beweglich, ebenso die Handgelenke. Die grobe Kraft links sei geringgradig vermindert.

In der Folge traten immer wieder Arbeitsunfähigkeitszeiten wegen der Folgen des Arbeitsunfalles auf, weswegen die Beklagte im Rahmen von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben den Arbeitgeber des Klägers von der Entgeltfortzahlung freigestellt hat.

Zur Rentennachprüfung gab die Beklagte ein weiteres Rentengutachten in Auftrag. Unter dem 30.07.2008 stellten Prof. Dr. S., Dr. J. und Dr. M. eine schmerzhafte Bewegungseinschränkung des linken Schultergelenkes, eine knöchern konsolidierte Glenoidfraktur bei Zustand nach Schraubenosteosynthese links, radiologische Veränderungen nach anterior-inferiorer Schulterluxation mit knöcherner Bankart-Läsion und Zustand nach Schraubenosteosynthese sowie eine reizfrei verheilte Operationsnarbe an der Schulter ventral links fest. Sie hielten weiterhin die Gewährung einer Rente nach einer MdE um 20 % für gerechtfertigt und führten aus, vorwiegend schmerzhaft und problematisch sei die Überkopfarbeit, die bei der Tätigkeit als Maler häufig anfalle. In ihrem Gutachten haben sie die Beweglichkeit des linken Armes seitwärts/körperwärts mit 110-0-10, Bewegung des Armes rückwärts/vorwärts mit 130-0-20 (richtig wohl: 20-0-130) und das Auswärts-/Einwärtsdrehen des Oberarmes anliegend mit 40-0-90 angegeben. Dem Gutachten lag der Bericht des Radiologen Prof. Dr. L. vom 31.07.2008 bei.

Die Beklagte hielt die MdE-Einschätzung für zu hoch und hörte den Kläger mit Schreiben vom 07.10.2008 zur einer beabsichtigten Entziehung der gewährten Rente an. Zur Begründung des daraufhin erlassenen Bescheides vom 20.10.2008, mit dem die Beklagte die gewährte Rente ab November 2008 entzogen hat, führte sie aus, dass ein Anspruch auf eine Rente auf unbestimmte Zeit anstelle der gewährten vorläufigen Entschädigung nicht bestehe. Es liege eine Bewegungseinschränkung der Schulter, noch einliegendes Metall nach knöchern fest verheilter Schulterluxation mit Schulterblattgelenkflächenfraktur und operativ versorgter Rotatorenmanschettenruptur vor. Unter Auswertung der von Prof. Dr. S. erhobenen Befunde betrage die MdE nur 15 %.

Mit dem hiergegen erhobenen Widerspruch machte der Kläger geltend, dass er bis heute unter sehr schmerzhaften Bewegungseinschränkungen leide, wodurch für ihn Arbeiten über Kopf zeitweise gar nicht oder extrem eingeschränkt möglich seien. Seine Arbeit als Maler könne er überwiegend nur durch die Einnahme von Schmerzmitteln bewältigen. Hinzu kämen die Schmerzen in der Nacht, welche ihn oft um den eigentlich notwendigen Schlaf brächten. Mit Widerspruchsbescheid vom 13.02.2009 wies die Beklagten den Widerspruch zurück. Ergänzend führte sie aus, dass die von Prof. Dr. S. in dessen Gutachten beschriebenen Unfallfolgen nach der medizinischen Fachliteratur und den dort niedergeschriebenen Erfahrungswerten mit einer MdE von maximal 15 % zu bewerten seien.

Hiergegen hat der Kläger am 26.02.2009 Klage zum Sozialgericht F. (SG) erhoben.

Das SG hat Beweis erhoben durch das Einholen eines fachorthopädischen Gutachtens beim Oberarzt der Orthopädischen Klinik der St. V.-Klinken K., Dr. J. Dieser hat in seinem Gutachten vom 15.06.2009 eine Narbe über der linken vorderen Schulterkontur, eine Bewegungseinschränkung des linken Schultergelenkes, eine allenfalls minimale Verschmächtigung der Armmuskulatur links bei Rechtshändigkeit sowie Veränderungen im Röntgenbild und im MRT festgestellt. Die Narbe über der vorderen Schulterkontur sei reizfrei, auf der Unterlage gut verschieblich. Die linke Schulterkontur sei nicht druckschmerzhaft. Nach mehrfachen Bewegungsprüfungen gelinge letztendlich das Seitheben des linken Armes im Schultergelenk bis 120 Grad, das Vorführen bis 130 Grad. Die Außendrehung sei auf 20 Grad eingeschränkt. Passiv seien das Seitheben und Vorführen im linken Schultergelenk frei, die Einschränkung der Außendrehfähigkeit verbleibe. Die Rotatorenmanschette sei klinisch intakt gewesen, es habe sich allenfalls eine minimale Verschmächtigung der Armmuskulatur links gegenüber rechts ergeben. Seit dem 29.07.2008 bis heute und bis auf weiteres bestehe eine MdE um 15 %. Mit Verweis auf die näher dargelegte Rentenliteratur hat Dr. J. ausgeführt, dass eine MdE um 20 % und mehr normalerweise mit einer relevanten Muskelminderung im Bereich des Schultergürtels und des Armes einhergehe. Eine Versteifung des Schultergelenkes in funktionell günstiger Position werde mit einer MdE von 30 % angegeben. Eine MdE von 20 % setze voraus, dass der Arm im Schultergelenk nicht bis 120 Grad nach vorne und zur Seite angehoben werden könne, dass hierbei zusätzlich eine passive Bewegungseinschränkung verbleibe und eine relevante Muskelminderung im Bereich des Schultergürtels vorliege. Die genannten Voraussetzungen seien nicht gegeben, so dass sich das Vorliegen einer MdE um 20 % unter Berücksichtigung der Vorgaben in der einschlägigen Literatur nicht begründen lasse. Er könne sich daher auch nicht der Beurteilung im Gutachten des Universitätsklinikums F. vom 30.07.2008 anschließen.

Der Kläger hat einen Befundbericht von Prof. Dr. Sch. vom 03.09.2009 aufgrund einer ambulanten Untersuchung am 31.08.2009 zu den Akten gereicht.

Auf Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat das SG daraufhin Prof. Dr. Sch. mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt. Dieser hat in seinem Gutachten vom 24.03.2010 ausgeführt, Folge des Arbeitsunfalles sei ein Zustand nach traumatischer Schulterluxation links mit Glenoidfraktur. Jetzt bestünden glaubhafte subjektive Beschwerden, eine endgradige Bewegungseinschränkung im linken Schultergelenk, ein Kraftmangel, eine im Seitenvergleich signifikante Muskelminderung im Bereich der linken oberen Extremität sowie radiologische Zeichen einer posttraumatischen Arthrose im glenohumeralen Gelenkspalt. Unter Verweis auf die von ihm ebenfalls zitierte Rentenliteratur hat er ausgeführt, dass die Bewegungseinschränkung des Schultergelenkes bis 120 Grad, die Abduktion mit entsprechender Einschränkung der Dreh- und Spreizfähigkeit mit einer MdE um 10 % einzuschätzen sei, wobei die Schmerzsituation nicht berücksichtigt sei. Die deutliche Minderung der Muskulatur zeige, dass der Kläger bei seinen Aktivitäten den Arm schone und somit auch die angegebene klinische Symptomatik (Schmerzhaftigkeit unter Belastung) als glaubhaft und nachvollziehbar anzusehen sei. Somit sei eine Einschätzung von 20 % gerechtfertigt, wie dies auch Prof. Dr. S. gesehen habe. Die von Dr. J. beschriebene minimale Muskelminderung könne nicht nachvollzogen werden. Seine Befunde zeigten signifikante Unterschiede. Damit habe sich der Befund entweder verschlechtert oder sei anderes interpretiert worden. Jedenfalls bei der glaubhaften subjektiven Schmerzsymptomatik unter entsprechenden Einschränkungen der Beweglichkeit aufgrund der erhobenen klinischen und radiologischen Befunde sei eine MdE um 20 % gerechtfertigt.

Hiergegen hat die Beklagte unter Vorlage einer beratungsärztlichen Stellungnahme von Dr. T. Einwendungen erhoben. In seiner daraufhin vom SG veranlassten ergänzenden Stellungnahme hat Prof. Dr. Sch. unter dem 10.05.2010 an seiner Auffassung festgehalten.

Mit Urteil vom 06.10.2010 hat das SG die angefochtenen Bescheide aufgehoben und die Beklagte verurteilt, dem Kläger auch für die Zeit "nach dem 01.11.2008" eine Verletztenrente nach einer MdE um 20 % zu gewähren. Die Kammer hat sich dem für überzeugend und plausibel gehaltenen Gutachten von Prof. Dr. Sch. angeschlossen. Aufgrund der dargelegten Befunde sei die vom ihm vorgeschlagene MdE von 20 % nachvollziehbar und für die Kammer schlüssig und überzeugend.

Gegen das ihr am 10.01.2011 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 17.01.2011 Berufung eingelegt.

Die Beklagte hält daran fest, dass dem Kläger keine Verletztenrente über den 31.10.2008 hinaus zustehe. Nach den Erfahrungssätzen in der Rentenliteratur sei die objektive Funktionsbeeinträchtigung der linken Schulter des Klägers mit einer MdE von 10 % zu bewerten. Nach den Feststellungen des Prof. Dr. Sch. könne der Kläger seinen linken Arm vorwärts wie seitwärts noch bis 110 Grad heben, nach Dr. J. seitwärts bis 120 Grad und vorwärts bis 130 Grad sowie nach Prof. Dr. S. seitwärts bis 110 Grad und vorwärts bis 130 Grad. Erst wenn die Bewegungseinschränkung der Schulter vorwärts/seitwärts auf 90 Grad begrenzt sei, sei sie nach den Erfahrungssätzen mit einer höheren MdE zu bewerten. Dabei werde sogar die Auffassung vertreten, dass eine höhere MdE als 10 % nicht zu rechtfertigen sei, wenn die Hand in Gebrauchsstellung gebracht werden könne. Hiervon könne man ausgehen. Der Kläger klage über Beschwerden bei Überkopfarbeiten und stärkerer beruflicher Belastung. Außerdem habe Prof. Dr. Sch. beim Kläger eine seitengleiche Beschwielung der Handinnenflächen festgestellt. Dies deute auf einen seitengleichen Gebrauch der Hände hin. Darüber hinaus sehe die Beklagte die angeführte deutliche Muskelminderung durch die vorliegenden Befunde nicht bestätigt. Zur weiteren Begründung hat die Beklagte eine beratungsärztliche Stellungnahme des Radiologen Dr. L. vom 04.05.2011, der die vorliegenden bildgebenden Medien ausgewertet hat, sowie eine handschriftliche Äußerung des Beratungsarztes Dr. S. vom 06.06.2011 vorgelegt.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts F. vom 6. Oktober 2010 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Der Senat hat Beweis erhoben durch das Einholen eines weiteren orthopädischen Gutachtens bei Prof. Dr. H., F. In seinem Gutachten vom 09.09.2011 stellte dieser an der linken Schulter leichte bis mäßige Bewegungseinschränkungen fest. Darüber hinaus lägen an der linken Schulter radiologisch noch reizlos in der knöchernen Pfanne einliegende Schrauben, sonographisch leichte Degenerationen der dadurch etwas verlagerten und von einer geringfügigen Sehnenscheidenentzündung begleiteten langen Bizepssehne sowie kernspintomographisch restliche kleine intraossäre Zysten im Bereich der sonst ausgeheilten Impression am Oberarmkopf und die zu erwartenden lokalen Knorpeldegenerationen am vorderen Pfannenrand, der knöchern unauffällig sei, vor. Die als wesentlich einzustufenden Knorpelschäden und funktionell und symptomatisch unbedeutenden Knochenzysten seien eindeutig mittelbare Unfallfolgen, ebenso, mit Zweifel behaftet, die Bewegungseinschränkungen. Für diese gäbe es nämlich keine eindeutigen gesicherten Gründe, vor allem auch nicht für die Diskrepanz zwischen den aktiven und passiven Bewegungen. Wenn die Bewegungen aus arthrogenen Gründen eingeschränkt wären, so bestünde diese Differenz nicht. Aktive und passive Bewegungen wären dann gleich. Neuromuskuläre Gründe, die dies erklären könnten, gebe es beim Kläger nicht. Denn dessen Nerven seien nicht verletzt worden. Am linken Arm bestünden auch sonst keine muskulären oder neurogenen Veränderungen. Insbesondere seien die Muskeln des vorwiegend athletischen Mannes an den Schultergürteln und Armen gut und seitengleich entwickelt, so dass auch der bekundete Kraftverlust und die Demonstrationen einer Muskelschwäche während der Untersuchung nicht erklärbar gewesen seien. Dies gelte insbesondere aber auch für den geringeren Krafteinsatz der willkürlich innervierten Muskeln des Ober- und Unterarmes und der Hand, die weder vom Unfall betroffen noch sonst erkrankt gewesen seien. Der überwiegend demonstrative Charakter des Krafteinsatzes bei der Kraftprüfung werde bestärkt durch die fehlende überschießende Kraft bei plötzlichem Widerstandsentzug. Darüber hinaus sei die eingesetzte Kraft teilweise geringer als beim Gegenspannen während der Bewegungsprüfung gewesen. Die Kraftminderung sei also nicht glaubwürdig. Vom Unfall unabhängig seien die Veränderungen an der langen Bizepssehne und am Schultereckgelenk zu werten, die zudem erst fünf Jahre nach dem Unfall festgestellt worden seien und deshalb unfallunabhängig seien. Alle sonstigen klinischen, sonographischen und radiologischen Befunde an der linken Schulter seien regelrecht. Auch die Arthrose des linken Daumensattelgelenkes sei schicksalhaft entstanden und unfallunabhängig. Er schätzte die MdE um 10 % seit dem 01.11.2008 ein.

Auf die hiergegen erhobenen Einwendungen und den mit Schriftsatz vom 16.09.2011 gestellten Befangenheitsantrag, der vom Kläger am 27.03.2012 wieder zurückgenommen wurde, hat Prof. Dr. H. unter dem 12.12.2011 und dem 27.07.2012 nochmals ergänzend Stellung genommen. Der Kläger hat den ärztlichen Entlassungsbericht der B.-Klinik Bad K., vom 16.06.2011 nach einem stationären Aufenthalt dort vom 25.05.2011 bis 15.06.2011 vorgelegt. Im Aufnahmebefund war u.a. von einer deutlichen Hypotrophie der Muskulatur des linken Oberarmes und einer deutlich eingeschränkte Beweglichkeit (Elevation/Retroversion 120-0-30 Grad, Ab-/Adduktion 70-0-30 Grad, Außenrotation praktisch aufgehoben, Innenrotation 90 Grad, Schürzen- und Nackengriff nicht möglich) berichtet worden. Zum Zeitpunkt der Entlassung aus der medizinischen Rehabilitation war eine "etwas aufgebaute Muskulatur im Bereich des linken Oberarmes, etwas verbesserte Beweglichkeit (Elevation/Retroversion 140-0-30 Grad, Ab-/Adduktion 90-0-30 Grad, Außen-/Innenrotation 10-0-90 Grad) angegeben worden. Darüber hinaus hat der Kläger eine von ihm in Auftrag gegebene gutachterliche Stellungnahme von Prof. Dr. Sch. von 23.07.2012 vorgelegt. Er hat ausgeführt, dass er aufgrund der regelmäßig erhobenen Befunde an der von ihm vorgenommenen Einschätzung der MdE in Höhe von 20 % festhalte. Zu dieser Stellungnahme hat Prof. Dr. H. unter dem 09.09.2012 nochmals Stellung genommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die beigezogene Akten der Beklagten sowie auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht erhobene Berufung der Beklagten ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 SGG liegen nicht vor.

Gegenstand des Rechtsstreits ist die Entziehung der gewährten Rente als vorläufige Entschädigung mit Wirkung ab 01.11.2008. Auch wenn das primäre Ziel der Weitergewährung der Rente durch das Erheben einer Anfechtungsklage erreicht werden könnte, ist die vom Kläger erhobene Anfechtungs- und Leistungsklage zulässig, weil die Beklagte zugleich auch die Gewährung einer DA.rente abgelehnt hat (BSG Urteil v. 05.02.2008, B 2 U 6/07 R in SozR 4-1300 § 41 Nr. 1 und Urteil vom 16.03.2010, B 2 U 2/09 R, beide in Juris).

Die Berufung der Beklagten hat auch in der Sache Erfolg. Die Beklagte hat zu Recht die Rente als vorläufige Entschädigung mit Ablauf des Monats Oktober 2008 entzogen und die Gewährung einer DA.rente abgelehnt, weil die Voraussetzungen für eine Weitergewährung der Rente nicht vorgelegen haben.

§ 62 Abs. 2 Satz 2 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) räumt der Beklagten das Recht ein, bei der erstmaligen Festsetzung der Rente nach der vorläufigen Entschädigung den Vomhundertsatz der MdE abweichend von der vorläufigen Entschädigung festzustellen, auch wenn sich die Verhältnisse nicht geändert haben. Dies muss sie jedoch innerhalb von drei Jahren nach dem Versicherungsfall tun, weil die Rente nach dessen Satz 1 spätestens mit Ablauf von drei Jahren nach dem Versicherungsfall kraft Gesetzes nicht mehr als vorläufige Entschädigung, sondern als Rente auf unbestimmte Zeit geleistet wird.

Die Ermächtigung befugt den Unfallversicherungsträger dazu, über das Recht des Versicherten auf eine DA.rente ("Rente auf unbestimmte Zeit") ohne Bindung an den Regelungsgehalt der letzten Anspruchsfeststellung erstmals und ggfs. unter deren Aufhebung oder Änderung zu entscheiden. Er darf dabei anders als in der "vorläufigen" Bewilligung entscheiden, ohne dass dafür eine wesentliche Änderung gegenüber den Verhältnissen eingetreten sein müsste, die bei Erlass der letzten "vorläufigen" Anspruchsfeststellung vorgelegen hatten. Der "Vorläufigkeitsvorbehalt", welcher der Feststellung des Rentenanspruchs durch den Zusatz "als vorläufige Entschädigung" beigefügt war, schließt ein schutzwürdiges Vertrauen des Versicherten auf diesen Verwaltungsakt insoweit aus, als dessen Regelung auf der Tatsache der noch nicht abschließend einschätzbaren MdE beruht. Der Gesetzesbegriff "Feststellung einer Rente" auf unbestimmte Zeit bedeutet die Entscheidung des Trägers der gesetzlichen Unfallversicherung über das subjektiv-öffentliche Recht eines Versicherten auf Rente. Diese Entscheidung kann auch negativ ausfallen, also zu der Feststellung führen, dass ein Rentenanspruch nicht besteht (vgl. BSG Urteil v. 16.03.2010, B 2 U 2/09 R, in Juris m.w.N.).

§ 62 SGB VII verdrängt in seinem Anwendungsbereich die generelle Regelung des § 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). Die in § 48 SGB X allgemein erteilte Ermächtigung zur Aufhebung von Verwaltungsakten ist nicht anwendbar, wenn und solange es speziell um die Änderung, Aufhebung oder Ersetzung von "vorläufigen" Feststellungen eines Rentenanspruchs in der gesetzlichen Unfallversicherung bis zum Ablauf von drei Jahren nach dem Versicherungsfall geht (vgl. BSG 16.03.2010 a.a.O.).

Die MdE selbst richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII). Die Bemessung der MdE hängt also von zwei Faktoren ab (vgl. BSG, Urteil v. 22.06.2004, B 2 U 14/03 R in SozR 4-2700 § 56 Nr. 1): Den verbliebenen Beeinträchtigungen des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens und dem Umfang der dadurch verschlossenen Arbeitsmöglichkeiten. Entscheidend ist nicht der Gesundheitsschaden als solcher, sondern vielmehr der Funktionsverlust unter medizinischen, juristischen, sozialen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten. Ärztliche Meinungsäußerungen darüber, inwieweit derartige Beeinträchtigungen sich auf die Erwerbsfähigkeit auswirken, haben keine verbindliche Wirkung, sie sind aber eine wichtige und vielfach unentbehrliche Grundlage für die richterliche Schätzung der MdE, vor allem soweit sie sich darauf beziehen, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletzten durch die Unfallfolgen beeinträchtigt sind. Erst aus der Anwendung medizinischer und sonstiger Erfahrungssätze über die Auswirkungen bestimmter körperlicher und seelischer Beeinträchtigungen auf die verbliebenen Arbeitsmöglichkeiten des Betroffenen auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens und unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalles kann die Höhe der MdE im jeweiligen Einzelfall geschätzt werden. Diese zumeist in jahrzehntelanger Entwicklung von der Rechtsprechung sowie dem versicherungsrechtlichen und versicherungsmedizinischen Schrifttum herausgearbeiteten Erfahrungssätze sind bei der Beurteilung der MdE zu beachten; sie sind zwar nicht für die Entscheidung im Einzelfall bindend, bilden aber die Grundlage für eine gleiche, gerechte Bewertung der MdE in zahlreichen Parallelfällen der täglichen Praxis und unterliegen einem ständigen Wandel.

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze sind die vom Kläger angefochtenen Bescheide der Beklagten nicht zu beanstanden. Die Beklagte hat mit Bescheid vom 16.10.2006 ausdrücklich keine Rente auf DA., sondern lediglich eine Rente als vorläufige Entschädigung ab dem 24.07.2006 bis auf weiteres bewilligt. Diese Entscheidung ist bestandskräftig geworden, nachdem der Kläger Rechtsmittel hiergegen nicht eingelegt hat. Wie sich dem angefochtenen Bescheid vom 20.10.2008 entnehmen lässt, hat die Beklagte mit diesem Bescheid nicht nur über eine Rente als vorläufige Entschädigung entscheiden, sondern zugleich auch darüber, ob dem Kläger einer Rente auf unbestimmte Zeit zusteht. Diese Entscheidungen (Entziehung der als vorläufige Entschädigung gewährten Rente und Ablehnung der Rente auf unbestimmte Zeit) sind dem Kläger - nach vorheriger Anhörung gemäß § 24 SGB X - auch rechtzeitig vor Ablauf der Dreijahresfrist bekanntgegeben worden.

Ab dem 01.11.2008 war die Erwerbsfähigkeit des Klägers wegen der Folgen des Versicherungsfalles, also des Arbeitsunfalles vom 10.11.2005, nicht mehr um wenigstens 20 % gemindert, sodass kein Anspruch auf Rente mehr bestand (§ 56 Abs. 1 S.1 SGB VII). Das Vorliegen eines Stützrententatbestandes ist weder geltend gemacht worden, noch sonst ersichtlich (§ 56 Abs. 1 S. 2 bis 4 SGB VII).

Nach den Vergleichswerten in der Rentenliteratur (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Auflage, S. 523, Mehrhoff/Ekkernkamp/Wich, Unfallbegutachtung, 13. Aufl. 2012, S. 169) wird eine MdE um 20 % bei einer Bewegungseinschränkung der Schulter vorwärts/seitwärts bis 90° bei freier Rotation angenommen, wobei es für die Beurteilung der eingetretenen Erwerbsminderung wesentlich auf die Schultervorhebung ankommt (Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O., Mehrhoff/Ekkernkamp/Wich stellen allein auf die Vorhebung ab).

Die vom Kläger angefochtene Entscheidung, mit der die Beklagte die Rente als vorläufige Entschädigung mit Ablauf des Monats Oktober 2008 entzogen und die Gewährung einer DA.rente abgelehnt hat, entspricht der Sach- und Rechtslage aufgrund der zum Aufhebungszeitpunkt zeitnah nachgewiesenen Befunde, insbesondere aufgrund der Untersuchung von Prof. Dr. S., Dr. J. und Dr. M ... Denn die in diesem Gutachten festgehaltenen funktionellen Beeinträchtigungen rechtfertigen die Gewährung einer Verletztenrente nicht. Das Gutachten stellte insoweit eine schmerzhafte Bewegungseinschränkung des linken Schultergelenkes, eine knöchern konsolidierte Glenoidfraktur bei Zustand nach Schraubenosteosynthese links, radiologische Veränderungen nach anterior-inferiorer Schulterluxation mit knöcherner Bankart-Läsion und Zustand nach Schraubenosteosynthese und eine reizfrei verheilte Operationsnarbe an der ventralen Schulter links fest. Sie fanden eine reizfreie, ca. 9 cm lange Narbe ohne Rötung und Schwellung einen symmetrischen Schulterstand ohne Fehlhaltung und beschrieben die äußere Schultergürtelmuskulatur im Seitenvergleich ohne Atrophie. Die passive Anhebung des Armes seitwärts gelang bis 130 Grad, wobei angegeben wurde, dass diese schmerzhaft limitiert gewesen sei; der Patient habe über stärkste Schmerzen mit positivem Kapselmuster geklagt, sodass eine weitere passive Abduktion nicht möglich gewesen sei. Aktiv gelang die Seitanhebung bis 110 Grad. Die Außenrotation bei anliegendem Oberarm - ebenfalls passiv - gelang bis 60 Grad (aktiv: 40 Grad), die Innenrotation aktiv wie passiv bis 90 Grad. Die passiv gemessene Außenrotation bei abduziertem Oberarm betrug 40 Grad, die Innenrotation 85 Grad (aktiv: 30 Grad und 80 Grad). Für das Anheben des Armes nach vorne und hinten sind von den Gutachtern nur die aktiv gemessenen Werte mitgeteilt worden (130-0-20 nach der Neutral-Null-Methode, wobei der Senat davon ausgeht, dass entgegen der Angaben auf Blatt 290 der Akten, Seite 8 des Gutachtens, die Angaben für "rückwärts/vorwärts" vertauscht wurden und deshalb von 130 Grad für die Vorhebung und 20 Grad für die rückwärtige Bewegung auszugehen ist).

Legt man diese Werte zugrunde und berücksichtigt insoweit die Vorgaben der Rentenliteratur dann kann festgehalten werden, dass funktionelle Einschränkungen im Bereich der linken Schulter im Wesentlichen im Bereich der für die MdE-Einschätzung weniger relevanten seitwärtigen Abspreizung des Armes und für die Auswärtsdrehfähigkeit des Armes bestanden. Weder nach Schönberger/Mehrtens/Valentin (a.a.O.) noch nach Mehrhoff/Ekkernkamp/Wich (a.a.O.) wird unter Berücksichtigung dieser Einschränkungen eine MdE in rentenberechtigenden Grad erreicht. Denn zum Zeitpunkt der damaligen Untersuchung war ein Anheben des Armes nach vorn aktiv sogar bis 130 Grad möglich. Die aktive Beweglichkeit für das Abspreizen war noch bis 110 Grad möglich und lag damit noch deutlich über der Horizontalen und ab der eine MdE um 20 % bei zumindest gleichzeitiger und dementsprechender Einschränkung der Vorhebung erst erreicht wird. Berücksichtigt man zudem, dass in dem Gutachten des Universitätsklinikums F. die passive Ausbewegung bis 130 Grad gelang und erst dann eine schmerzbedingte Limitierung eintrat, liegen beide und nicht nur der Wert für die Anhebung nach vorne (die nach Mehrhoff/Ekkernkamp/Wich, a.a.O., allein entscheidend sein soll) über dem Wert von 120 Grad. Die darüber hinaus dokumentierte Rotationseinschränkung ist in ihrer Wertigkeit nicht gleichbedeutend mit der Fähigkeit, den Arm sowohl vorwärts als auch seitwärts über die Horizontale hinaus bewegen zu können, um die Hand in diesem Umfang als Gebrauchshand einsetzen zu können. Die Rotation des Armes ist schließlich auch nicht vollständig aufgehoben, sondern ‚nur‘ für die Auswärtsdrehfähigkeit etwa um die Hälfte eingeschränkt, wobei die Einwärtsdrehfähigkeit im Seitenvergleich uneingeschränkt erhalten geblieben ist. Damit ist auch die Fähigkeit, die (Arbeits-)Hand einzusetzen, nicht zusätzlich wesentlich eingeschränkt, weil der Kläger auch weiterhin in der Lage ist, notwendige rotierende Bewegungen des Armes und der Hand auszuführen. Damit vermag die hier vorliegende Ausprägung der Einschränkungen in Bezug auf die Rotation eine MdE um 20 % nicht zu rechtfertigen.

Gleiches gilt für die vom Kläger geltend gemachten Beschwerden. Die mit den Schäden üblicherweise verbundenen Schmerzen oder subjektiven Beschwerden sind in den anerkannten MdE-Werten enthalten und können daher nur bei nachweisbaren Besonderheiten berücksichtigt werden, die sie objektivierbar machen. Subjektive Angaben genügen daher nicht (Ricke, Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, SGB VII, § 56 Rn. 41, Stand: Juni 2014). Subjektive Beschwerden sind mithin nur dann - zusätzlich - zu berücksichtigen, wenn sie zu objektivierbaren Funktionsdefiziten führen (Scholz, in: jurisPK-SGB VII, 2. Aufl. 2014, § 56 Rn. 57). Solche Umstände sind jedoch nicht erwiesen. Denn eine länger bestehende, relevante schmerzbedingte Minderbelastbarkeit führt im Bereich des Bewegungsapparates zu objektiven Zeichen der Schonung, die sich im Rahmen der klinischen Untersuchung und der Röntgenuntersuchung feststellen oder ausschließen lassen, z. B. eine Muskelminderung oder eine Kalksalzminderung (Thomann/Schröter/Grosser, Orthopädische-unfallchirurgische Begutachtung, 1. Aufl. 2009, S. 21 f.). Solche Einschränkungen sind in dem vorliegenden Gutachten aber nicht beschrieben worden. Der Senat verkennt dabei nicht, dass die Schulter Beschwerden verursacht und die Gebrauchsfähigkeit durch Schmerzen eingeschränkt ist. Dennoch wiesen die Gutachter darauf hin, dass die Schmerzen vorwiegend im Rahmen von Überkopfarbeiten auftreten. Dass sich solche Tätigkeiten im Beruf des Klägers als Maler nicht vermeiden lassen, braucht keiner weiteren Darlegung. Dieser Umstand kann jedoch für die hier in Frage stehende Höhe der durch den Unfall eingetretenen Erwerbsminderung nicht zusätzlich herangezogen werden, weil nicht die verbliebenen Einschränkungen im jeweils konkret ausgeübten Beruf, sondern auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu prüfen und in die MdE-Bewertung einzustellen sind (vgl. die obigen einleitenden Ausführungen in den Entscheidungsgründen). Objektiv lassen sich solche Einschränkungen für den allgemeinen Arbeitsmarkt zudem nicht sicher feststellen. Denn eine Muskelminderung des linken Armes oder Schultergürtels (Messdaten Blatt 9 des Gutachtens) war bei der Untersuchung ausdrücklich nicht festgestellt worden. Damit lagen objektive Zeichen einer schonungsbedingten Minderbelastbarkeit, die über die funktionell bereits berücksichtigten Einschränkungen hinausgeht, nicht vor.

Das Gutachten von Prof. Dr. S., Dr. J. und Dr. M. würdigt diese tatsächlichen Umstände und rechtlichen Vorgaben in der vorgenommenen MdE-Bewertung nicht hinreichend, weswegen die Beklagte mit gutem Grund von der von den Gutachtern empfohlenen MdE abgewichen ist. Dieses Vorgehen erweist sich deshalb auch nicht als rechtswidrig.

Es ist darüber hinaus auch für die Zeit danach nicht belegt, dass dem Kläger ab einem späteren Zeitpunkt eine Verletztenrente wieder zu gewähren gewesen wäre und das SG der Leistungsklage des Klägers für einen gewissen Zeitraum zu Recht stattgegeben hätte.

Zunächst ergibt sich dies aus dem Gutachten von Dr. J. und den von ihm im Juni 2009 erhobenen Befunden. Auch er hat keine wesentliche Verschmächtigung der Schulterkontur im Seitenvergleich und eine allenfalls minimale Verschmächtigung der Armmuskulatur (1 cm bei 7 cm oberhalb äußerer Oberarmknorren und 1 cm bei 7 cm unterhalb äußerer Oberarmknorren rechts mehr als links) feststellen können. Im Rahmen dieser Untersuchung gelang - wenn auch nach mehreren Bewegungsprüfungen - ein seitwärtiges Anheben des Armes bis 120 Grad, ein Anheben vorwärts bis 130 Grad und es bestand eine Einschränkung der Außendrehung auf 20 Grad. Die von ihm wiedergegebenen passiven Bewegungsprüfungen waren sowohl für das Seitheben und Vorführen im linken Schultergelenk frei, wobei passiv die Einschränkung der Außendrehfähigkeit verblieb. Damit lässt sich unter Berücksichtigung der - bereits genannten - Vergleichswerte in der Rentenliteratur, die Dr. J. hier zutreffend herangezogen hat, zu Recht ebenfalls keine MdE in rentenberechtigendem Grad begründen.

Eine dA.hafte wesentliche Änderung vermag der Senat auch dem Bericht des St. Josefskrankenhaus F. vom 03.09.2009 und dem von Prof. Dr. Sch. vorgelegten Gutachten nicht zu entnehmen. Im erstgenannten Bericht ist festgehalten worden, der Kläger habe berichtet, in den letzten Wochen wieder zunehmende Beschwerden im Bereich des linken Schultergelenkes gehabt zu haben und dass er diese massiven Schmerzen vor allem während der Arbeit, im Rahmen von Überkopfarbeiten als Maler habe. Die dort wiedergegebenen Bewegungsmaße lagen für die Seithebung und Vorhebung ebenfalls über 90 Grad (100 bzw. 120 Grad), bei einer Einschränkung der Außenrotation auf 30 Grad. Die Röntgenbilder ergaben ein regelrechtes Einliegen des Osteosynthesematerials, eine geringgradige Omarthrose und einen regelrechten Kalksalzgehalt ohne Anhalt für eine frische knöcherne Verletzung. Arbeitsfähigkeit wurde weiterhin bescheinigt. Über eine Muskelminderung wurde trotz der Angabe, es habe sich eine deutliche Minderung der groben Kraft gezeigt, nicht berichtet.

Im Gutachten vom 24.03.2010 (Untersuchung am 25.02.2010) wurde dann erstmals auch die Vorhebung des linken Armes mit weniger als 120 Grad (110 Grad) und als endgradig schmerzhaft beschrieben (ohne dass die Verschlechterung des Befundes durch Diagnosen erläutert worden wären). Das seitwärtige Anheben war auf 110 Grad beschränkt. Die Auswärtsdrehung bei anliegendem Oberarm war auf 50 Grad und damit im Vergleich zum rechten Arm (dort 70 Grad) - nur - um 20 Grad eingeschränkt. Prof. Dr. Sch. stellte zudem bei symmetrisch entwickelten oberen Extremitäten eine deutliche Minderung der Schulterkappenmuskulatur auf der linken Seite fest, die nach seinen Ausführungen Beleg dafür sei, dass der Kläger bei seiner Aktivität den Arm schone und die angegebene klinische Symptomatik (Schmerzhaftigkeit unter Belastung) glaubhaft und nachvollziehbar sei, weswegen auch eine MdE um 20 % gerechtfertigt sei. Dem vermochte sich der Senat nicht anzuschließen. Zunächst bestätigt Prof. Dr. Sch. in Beantwortung der Beweisfrage 5, dass die verbliebene Einschränkung der Bewegungsfähigkeit mit einer MdE von 10 % einzuschätzen war. Eine MdE von 20 % rechtfertigte sich nur aufgrund der von ihm festgestellten Muskelminderung im Schultergürtelbereich. Der Senat vermag aber nicht zu erkennen, dass sich tatsächlich eine rechtlich bedeutsame Änderung eingestellt hat. Die Oberarmmuskulatur war nach dem dem Gutachten beigefügten Messblatt im Seitenvergleich lediglich um 2 cm verschmächtigt (bei Dr. J. um 1 cm), was der Senat schon nicht als Beleg für eine erhebliche Schonung ansieht, zumal der Kläger die körperlich schwere Tätigkeit auch weiterhin vollschichtig ausgeübt hat. Bei der Anamneseerhebung hat der Kläger auch weiterhin Beschwerden bei Überkopfarbeiten angegeben und dass er bei stärkerer beruflicher Belastung abends regelmäßig Schmerzen habe. Damit gehen die Beschwerdeangaben nicht wesentlich über das hinaus, was der Kläger gegenüber den Vorgutachtern geltend gemacht hat. Das Gutachten setzt sich zudem nicht damit auseinander, dass Dr. J. und Prof. Dr. S. gerade keine Muskelminderungen und keine Schonungszeichen festgestellt haben. Für eine Verschlechterung des Befundes gibt Prof. Dr. S. zudem keine nachvollziehbare Begründung. Berücksichtigt man, dass der Kläger seit 24.07.2006 wieder in seinem Beruf als Maler vollschichtig arbeitet und seitdem kontinuierlich eine Physiotherapie durchgeführt wurde, fehlt es an einer nachvollziehbaren Begründung für eine erstmals drei Jahre danach festgestellte Muskelminderung und für eine Verschlechterung der Befunde. Dies gilt umso mehr als eine seitengleiche Handbeschwielung von allen Gutachtern dokumentiert wurde und ein Nachweis für eine Demineralisierung im Bereich der linken Schulter und des linken Oberarmes über bildgebende Verfahren fehlt.

Schließlich vermag der Senat auch aufgrund des Reha-Entlassungsberichtes der B.-Klinik Bad-K. vom 16.06.2011 nicht von einer anhaltenden wesentlichen Verschlimmerung auszugehen. Der Kläger war dort zu einem allgemeinen Heilverfahren aufgrund von Schmerzen und Bewegungseinschränkungen im linken Schultergelenk, wegen rezidivierenden Dorsalgien bei röntgenologisch nachgewiesenen degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule (Osteochondrose C 6/7, C 5/6, Bandscheibenprotrusionen C 3/4, C 6/7, Morbus Forrestier) sowie wegen Schmerzen im Nackenbereich, in beiden Hüften und in den Kniegelenken und im linken Sprunggelenk. Dort war zwar zum Aufnahmezeitpunkt die Seithebung des Armes nur bis 70 Grad (Vorhebung bis 120 Grad) und die Außenrotation als praktisch aufgehoben angegeben worden sowie eine "deutliche" Hypotrophie der Muskulatur beschrieben worden. Konkrete Messungen der Umfänge an den oberen Extremitäten wurden jedoch nicht angegeben. Der Kläger war bei Aufnahme zur Heilbehandlung als arbeitsfähig eingestuft worden, Arbeitsunfähigkeit habe in den letzten zwölf Monaten für 1 ½ Monate wegen Polyarthralgie bestanden. Bei der Abschlussuntersuchung fand sich wieder eine "etwas aufgebaute Muskulatur im Bereich des linken Oberarmes" (ohne Angabe einer konkreten Minderung) und eine gebesserte Beweglichkeit (Vorhebung bis 140 Grad (!), Seithebung bis 90 Grad, Außenrotation auf 10 Grad eingeschränkt). Die Entlassung erfolgte wegen ausgeprägter Schmerzen als arbeitsunfähig mit Empfehlung der Fortführung der ambulanten Physiotherapie zur Stabilisierung der Rumpf-, Bein- und Schultergürtelmuskulatur. Im zeitlich nachfolgenden Gutachten von Prof. Dr. H. aufgrund der körperlichen Untersuchung am 07.09.2011 gelang die Vorhebung und Seithebung wieder bis 120 Grad und die Außenrotation war auf 25 Grad (Innendrehung frei) eingeschränkt. Auch Prof. Dr. H. stellte in Übereinstimmung mit dem Gutachten von Dr. J. eine passiv mögliche Abspreizung um 140 Grad fest. Eine Muskelminderung war zum Zeitpunkt seiner Untersuchung nicht festzustellen.

Der Senat ist daher nicht davon überzeugt, dass sich eine rechtlich bedeutsame Veränderung der Funktion an der linken oberen Extremität im Vergleich zu den Feststellungen, die zur Entziehung der Rente geführt haben, eingestellt hat. Dies gilt insbesondere für einen dA.hafte Minderbelastbarkeit des linken Armes durch Schmerzen in einem Ausmaß, dass hierdurch eine signifikante Muskelminderung als Zeichen einer solchen schonungsbedingten Einschränkung tatsächlich angenommen werden könnte. Die Untersuchung durch Prof. Dr. H. fand am 07.09.2011 und damit nicht einmal drei Monate nach der Entlassung aus der stationären Behandlung statt. Zu diesem Zeitpunkt lag ihm der Entlassungsbericht der Breisgau-Klinik noch nicht vor. Für eine solche Veränderung bzw. Verschlimmerung - etwa ab Aufnahme zu dieser stationären Behandlung - liegen auch keine greifbaren Ursachen vor, nachdem die Schrauben nach dem radiologischen Befund in der knöchernen Pfanne reizlos einliegen. Zwar werden auch als wesentlich einzustufende Knorpelschäden beschrieben (vgl. Prof. Dr. H., Bl. 17 des Gutachtens), die (neben den funktionell und symptomatisch unbedeutenden Knochenzysten) mittelbare Unfallfolgen sind. Prof. Dr. H. weist aber darauf hin, dass es für die bestehenden Bewegungseinschränkungen keine eindeutigen und gesicherten Gründe gibt. Dies gilt vor allem für die Diskrepanz zwischen den aktiven und passiven Bewegungen. Dabei hält es der Senat für schlüssig und überzeugend, wenn Prof. Dr. H. darauf hinweist, dass eine solche nicht bestehen dürfte, wenn diese Bewegungseinschränkung arthrogen, also gelenkbedingt, verursacht wird. Neuromuskuläre Gründe können eine solche Diskrepanz ebenfalls nicht erklären, weil Nerven durch den Unfall nicht verletzt wurden, worauf Prof. Dr. H. ebenfalls zutreffend hinweist.

Die Einwendungen, die in der vom Kläger vorgelegten "gutachterlichen Stellungnahme" von Prof. Dr. Sch. (23.07.2012) vorgebracht werden, vermögen eine andere Beurteilung nicht zu rechtfertigen. Auch Prof. Dr. Sch. beschreibt nur eine beginnende Arthrose des Schultergelenks, ohne diese als ursächlich für die Beschwerden, die bestehenden Bewegungseinschränkungen oder für eine Verschlechterung der Beweglichkeit anzuführen. Mit den Ausführungen von Prof. Dr. H., insbesondere mit Blick auf die Diskrepanz von aktiver und passiver Beweglichkeit, setzt er sich nicht auseinander, sondern meint hierzu lediglich, dass Prof. Dr. H. hiermit indirekt Simulation unterstelle, die er nicht kommentieren wolle. Damit hat er die Einwendungen von Prof. Dr. H. aber gerade nicht entkräftet. Allein die mit Prof. Dr. S. übereinstimmende MdE-Bewertung, auf die er verweist, vermag eine MdE in rentenberechtigenden Grad jedoch nicht zu begründen, denn Prof. Dr. S. hatte die von Prof. Dr. Sch. der MdE-Bewertung zugrunde gelegte Muskelminderung gerade nicht festgestellt.

Zu Recht weist Dr. H. im Übrigen darauf hin, dass die - aktive - Gesamtbeweglichkeit der linken Schulter im Seitenvergleich nur um 23 % eingeschränkt ist. Die Vorgaben in der Rentenliteratur geben für eine hälftige konzentrische Bewegungseinschränkung (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O.) eine MdE von 25 % vor, sodass auch hieraus abgeleitet werden kann, dass die vorliegende Funktionseinschränkung, die nur eine um ein Viertel eingeschränkte Beweglichkeit zur rechten Seite bedingt, eine MdE um 20 % noch nicht rechtfertigt.

Damit hat die Beklagte zu Recht die Rente als vorläufige Entschädigung mit Ablauf des Monats Oktober 2008 entzogen und die Gewährung einer Rente auf DA. abgelehnt. Das diese Bescheide aufhebende Urteil konnte daher keinen Bestand haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und berücksichtigt das Unterliegen des Klägers.

Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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