L 16 AS 457/14 B ER

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
16
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 19 AS 1174/14 ER
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 16 AS 457/14 B ER
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Mit dem Leistungsausschluss gemäß § 7 Abs. 5 SGB II bezweckt der Gesetzgeber eine Abgrenzung der Fördersysteme.
Der Leistungsausschluss bedeutet für die Antragstellerin wegen einer Kumulation besonderer Umstände eine besondere Härte, so dass sie gemäß § 27 Abs. 4 SGB II verlangen kann, das ihr das Jobcenter Leistungen für Auszubildende darlehensweise zur Verfügung stellt
I. Auf die Beschwerde wird der Beschluss des Sozialgerichts vom 15. Mai 2014 abgeändert.

II. Der Beschwerdegegner wird verpflichtet, der Beschwerdeführerin darlehensweise Leistungen in Höhe von monatlich 287 EUR für die Zeit vom 06.05.2014 bis zum 31.08.2014 (für Mai anteilig) zu gewähren. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

III. Der Beschwerdegegner hat der Beschwerdeführerin die notwendigen außergerichtlichen Kosten zur Hälfte zu erstatten.



Gründe:


I.

Streitig sind im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes Leistungen für Auszubildende nach § 27 Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II).

Die 1989 geborene Antragstellerin und Beschwerdeführerin ist Halbwaise; ihre Mutter lebt im Ausland. Sie ist schwerbehindert. Bei einem Einzel-GdB von 40 wegen einer seelischen Störung und einem Einzel-GdB von 30 wegen einer Hirnschädigung ist ein GdB von 50 anerkannt (Bescheid des Versorgungsamts vom 05.04.2013).

Die Antragstellerin verfügt bislang nicht über eine abgeschlossene Berufsausbildung. Bis 2010 besuchte sie die Schule (Gymnasium). Bis August 2013 bezog sie vom Antrags- und Beschwerdegegner Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II in Höhe von monatlich 767 EUR (für den Regelbedarf 382 EUR, für Bedarfe der Unterkunft und Heizung 385 EUR, Bescheid vom 12.03.2013).

Seit 26.08.2013 bis voraussichtlich 01.07.2015 absolviert sie eine Ausbildung zur Mediengestalterin beim BFZ Berufsförderungszentrum P. GmbH in W., wo sie auch untergebracht ist und verpflegt wird. An zwei Wochenenden im Monat erhält sie kostenlose Verpflegung, an den übrigen Wochenenden hat sie für die Verpflegung im Fall der Inanspruchnahme 6,80 EUR pro Tag zu zahlen. Während der Ferienzeiten (acht Wochen pro Kalenderjahr) bleiben Kantine und Bistro entweder geschlossen (Ostern 2014) oder es erfolgt Verpflegung gegen Bezahlung (Pfingsten 2014). Die Antragstellerin ist weiterhin in A-Stadt gemeldet und wohnt an den freien Wochenenden und in den Ferien bei ihrer Großmutter, mit der sie die Vereinbarung traf, einen Anteil der Miete in Höhe von 85,23 EUR monatlich zu übernehmen.

Von der Agentur für Arbeit A-Stadt, dem für diese Ausbildung zuständigen Leistungsträger, erhält sie neben den Reisekosten für Familienheimfahrten (pro Fahrt 24,20 EUR) monatlich 104 EUR Ausbildungsgeld (Bescheid vom 20.08.2013).

Auf den Antrag vom 04.07.2013 bewilligte der Antragsgegner mit Bescheid vom 01.08.2013 vorläufig Leistungen für die Zeit vom 01.09.2013 bis 28.02.2014 in Höhe von monatlich 467,23 EUR (382 EUR für den Regelbedarf, 85,23 EUR für Unterkunft und Heizung). Nachdem er die Gewährung von Leistungen mit Bescheid vom 30.09.2013 abgelehnt hatte, half er dem Widerspruch der Antragstellerin mit Bescheid vom 03.12.2014 aus verfahrensrechtlichen Gründen ab und setzte die Leistungen für den Zeitabschnitt September bis Februar 2014 in Höhe von monatlich 363,23 EUR endgültig fest (278 EUR für den Regelbedarf, 85,23 EUR für Unterkunft und Heizung, Bescheid vom 10.12.2013).

Dem Weiterbewilligungsantrag vom Dezember 2013 fügte die Antragstellerin u.a. ihre Kontoauszüge bei, aus denen Geldeingänge aus Umbuchungen ersichtlich sind (z.B. im Februar 2014 60 EUR, 50 EUR und 100 EUR).

Der Antragsgegner lehnte mit Bescheid vom 28.02.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20.05.2014 Leistungen nach dem SGB II ab und bewilligte Leistungen für Auszubildende gemäß § 27 Abs. 3 SGB II in Höhe von monatlich 85,23 EUR als Zuschuss zu den angemessenen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung. Dagegen erhob die Antragstellerin am 03.06.2014 Klage zum Sozialgericht München.

Am 06.05.2014 hat die Antragstellerin einstweiligen Rechtsschutz beantragt und geltend gemacht, dass sie von der Ausbildungshilfe in Höhe von 104 EUR monatlich nicht leben könne. Ihre Mutter könne sie nicht unterstützen, da sie im Ausland lebe und mittellos sei; dazu legte sie eine Bestätigung ihrer Mutter vom 19.11.2013 bei. Ihr Vater sei verstorben, Halbwaisenrente sei abgelehnt worden (Bescheid der Deutschen Rentenversicherung vom 19.10.2009).

Der Antragsgegner hat vorgebracht, dass der Antragstellerin weder Leistungen nach dem SGB II noch ein Zuschuss gemäß § 27 SGB II zustehen würden. Soweit der Antragstellerin bis 31.08.2013 fehlerhaft ein Zuschuss zu den ungedeckten Kosten der Unterkunft gewährt worden sei, habe es damit sein Bewenden.

Das Sozialgericht München hat den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz mit Beschluss vom 15.05.2014 abgelehnt, weil die Antragstellerin in der Hauptsache keinen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II habe. Auf das Vorliegen eines Anordnungsgrunds komme es daher nicht mehr an. Sie sei während ihrer Ausbildung nach § 7 Abs. 5 SGB II von Leistungen der Grundsicherung ausgeschlossen. Sie befinde sich in einer Ausbildung, die dem Grunde nach im Rahmen des § 57 SGB III förderungsfähig sei. Die Anwendung des § 7 Abs. 5 SGB II sei nicht deswegen ausgeschlossen, weil sie statt Berufsausbildungsbeihilfe Ausbildungsgeld erhalte, eine Leistung der Teilhabe am Arbeitsleben für behinderte Menschen gemäß §§ 112 ff. Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III). Denn allein die Förderungsfähigkeit der Ausbildung dem Grunde nach, d.h. die abstrakte Förderfähigkeit, sei nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts Voraussetzung für den Ausschluss gemäß § 7 Abs. 5 SGB II. Auch die Ausbildung behinderter Menschen bleibe dann, wenn sie auf den Abschluss in einem anerkannten Ausbildungsberuf abziele, eine im Sinn des § 7 Abs. 5 SGB II grundsätzlich mit Berufsausbildungsbeihilfe förderbare Ausbildung. Die Voraussetzungen für eine Rückausnahme gemäß § 7 Abs. 6 SGB II lägen nicht vor. Die Antragstellerin könne einen Leistungsanspruch auch nicht aus § 27 Abs. 4 Satz 1 SGB II herleiten. Ein besonderer Härtefall läge nicht vor. Es sei davon auszugehen, dass der Bedarf der Antragstellerin durch das Ausbildungsgeld weitgehend gedeckt sei. Im Übrigen stehe die Ausbildung der Antragstellerin nicht kurz vor dem Abschluss, sondern habe gerade erst begonnen.

Gegen den ihr am 17.05.2014 zugestellten Beschluss hat die Antragstellerin am 03.06.2014 Beschwerde zum Bayerischen Landessozialgericht eingelegt und die Niederschrift über die Erhebung einer Klage zum Sozialgericht München gegen den Widerspruchsbescheid vom 20.05.2014 beigelegt. Zur Begründung hat sie ausgeführt, dass es nicht sein könne, dass sie als Auszubildende von 104 EUR Ausbildungsgeld im Monat ihren Lebensunterhalt bestreiten müsse und somit schlechter gestellt sei als ein arbeitsloser Bürger, der keiner Beschäftigung nachgehe. Ihre Oma sei weder unterhaltspflichtig noch in der Lage, sie an den Wochenenden und in den Ferien über das Ausbildungsgeld hinaus zu unterhalten. Sie habe wie jeder andere in Deutschland lebende Bürger einen Anspruch auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums. Die Bescheide seien mit dem Grundgesetz nicht vereinbar. Es könne weder im Interesse des Jobcenters noch des Gerichts noch des deutschen Staates sein, wenn sie ihre Ausbildung im Alter von 24 Jahren wieder aufgebe und in die Arbeitslosigkeit zurückkehre. Zu Unrecht seien der Antragsgegner und das Gericht davon ausgegangen, dass ihr Verpflegungsbedarf gedeckt sei. Die momentane Situation belaste sie nicht nur finanziell - sie stehe kurz vor den Schulden -, sondern auch gesundheitlich. Sie nehme ihr den Lebensmut, ihre schweren Depressionen hätten sich verschlimmert. Sie müsse die Ausbildung abbrechen, wenn die Beschwerde abgewiesen werde, da sie ohne staatliche Unterstützung nicht überstehen könne. Selbst wenn die Gesetzeslage gegen ihren Antrag spreche, bitte sie um eine Ausnahme- bzw. Härtefallregelung für die noch ausstehende Ausbildungszeit. Seit März habe sie noch von ihren Ersparnissen gelebt, die allerdings schon aufgebraucht seien, weil sie nicht so hoch gewesen seien. Sie haben sich von allen möglichen Leuten Geld geliehen. Mit ihren Bemühungen, eine geringfügige Beschäftigung zu finden, habe sie in dem kleinen W. bislang keinen Erfolg gehabt. Ihr würden im August drei Wochen Ferien bevorstehen, in denen sie sich wie in den vergangenen Ferien selbst bzw. kostenpflichtig verpflegen müsse. Sie habe keinerlei Schuld daran, dass sie wegen ihrer Eltern in diese Situation geraten sei. Sie benötige dringend die Hilfe durch das Jobcenter.

Der Beschwerdebegründung beigefügt ist ein Attest der Nervenärztin Dr. W. vom 10.06.2014, in dem dargestellt wird, dass die Antragstellerin äußerst engagiert sei und die Ausbildung erfolgreich abschließen werde, die ungeklärte finanzielle Situation die weitere Ausbildung aber extrem gefährde. Es sei zu einer deutlichen Verschlechterung des Krankheitsbildes mit ausgeprägten Zukunfts- und Existenzängsten sowie Überforderungserleben gekommen. Eine die Ausbildung begleitende Arbeit zum Gelderwerb sei aus gesundheitlichen Gründen nicht möglich. In diesem Sinn hat sich auch die die Antragstellerin seit Juni 2012 behandelnde Psychotherapeutin Dipl.Psych. D. geäußert (Bescheinigung vom 13.06.2014).

Der Antragsgegner hat beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen, und zur Begründung auf die den Beschluss des Sozialgerichts München tragenden Gründe verwiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge sowie auf die dem Senat vorliegende Verwaltungsakte (Band II) Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde ist zulässig. Sie ist insbesondere gemäß § 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht erhoben worden und auch statthaft. Der Wert des Beschwerdegegenstands übersteigt die Beschwerdesumme von 750 EUR (§ 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG i.V.m. § 144 Abs. 1 SGG).

Die Beschwerde ist teilweise begründet, weil der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zulässig und zum Teil begründet ist. Der Beschluss des Sozialgerichts München vom 15.05.2014 wird dementsprechend abgeändert. Der Antragsgegner hat der Antragstellerin Leistungen im tenorierten Umfang in Form eines Darlehens zu gewähren.

Der Antrag vom 06.05.2014 ist als Antrag auf Erlass einer einstweiligen Regelungsanordnung gemäß § 86b Abs. 2 Satz 2 SGB II statthaft, da die Antragstellerin im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes weitere Leistungen nach dem SGB II und damit eine Erweiterung ihrer Rechtsposition begehrt. Nachdem sie im Eilverfahren einen bezifferten Antrag nicht gestellt hat, sich aber ausdrücklich gegen den Bescheid vom 28.02.2014 gewendet hat, auf dessen Grundlage der Antragsgegner nur Leistungen zur Deckung ihres Bedarfs für Unterkunft und Heizung für die Zeit vom 01.03.2014 bis zum 31.08.2014 gewährt hatte, legt der Senat ihren Antrag dahingehend aus, dass sie die Auszahlung der Regelleistung für den Bewilligungsabschnitt März bis August 2014 begehrt.

Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis erlassen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (sog. Regelungsanordnung). Der geltend gemachte Anspruch (Anordnungsanspruch) und die Notwendigkeit der vorläufigen Regelung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 i. V. m. § 920 Abs. 2, § 294 Zivilprozessordnung - ZPO). Glaubhaftmachen bedeutet, dass für das Bestehen eines Anordnungsanspruchs und eines Anordnungsgrunds ein geringerer Grad von Wahrscheinlichkeit ausreicht als die volle richterliche Überzeugung. Welcher Grad von Wahrscheinlichkeit insoweit genügt, ist bei unklaren Erfolgsaussichten in der Hauptsache nach einer umfassenden Abwägung der Interessen aller Beteiligten und der öffentlichen Interessen zu bestimmen. Gegeneinander abzuwägen sind die Folgen, die entstehen würden, wenn das Gericht die einstweilige Anordnung nicht erließe, sich jedoch im Hauptsacheverfahren herausstellen würde, dass der Anspruch besteht, gegen die Folgen, die entstehen würden, wenn das Gericht die einstweilige Anordnung erließe, sich jedoch im Hauptsacheverfahren herausstellen würde, dass der Anspruch nicht besteht (Meyer-Ladewig/ Keller/ Leitherer, SGG, 10. Auflage 2012, § 86b Rn. 29a). Geht es um Leistungen zur Sicherung des Existenzminimums, ist die Ablehnung des einstweiligen Rechtsschutzes aufgrund fehlender Erfolgsaussichten der Hauptsache nur dann zulässig, wenn das Gericht die Sach- und Rechtslage nicht nur summarisch, sondern abschließend geprüft hat. Ist dem Gericht eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich, ist die Eilentscheidung anhand einer Folgenabwägung zu treffen, wobei die Gerichte eine Verletzung der Grundrechte des Einzelnen, insbesondere der Menschenwürde zu verhindern haben (BVerfG, Beschluss vom 12.05.2005, 1 BvR 569/05, Juris Rn. 25; vgl. auch Beschluss vom 06.02.2007, 1 BvR 3101/06, Juris Rn. 18).

Leistungen für die Zeit vor dem 06.05.2014, dem Zeitpunkt der Beantragung einstweiligen Rechtsschutzes, kommen nicht in Betracht, weil im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes Leistungen grundsätzlich erst ab Eingang des Antrags bei Gericht zugesprochen werden. Durch den einstweiligen Rechtsschutz soll nämlich eine aktuelle, akute Notlage vorläufig behoben und kein Ausgleich für die Vergangenheit herbeigeführt werden. Letzteres ist Aufgabe des Hauptsacheverfahrens (vgl. hierzu etwa Bayer. Landessozialgericht, Beschluss vom 12.04.2010, L 7 AS 144/10 B ER; Keller, a.a.O., § 86b Rn. 35a).

Für die Zeit ab Antragstellung am 06.05.2014 ist der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz insoweit begründet, als der Antragsgegner für die Zeit vom 06.05.2014 bis zum 31.08.2014 Leistungen in Höhe von monatlich 287 EUR (für Mai anteilig) nicht als Zuschuss, sondern als Darlehen an die Antragstellerin auszuzahlen hat.

Sowohl Anordnungsanspruch als auch Anordnungsgrund (Dringlichkeit) sind glaubhaft gemacht. Der Senat stützt den Anordnungsanspruch auf § 27 Abs. 4 Satz 1 SGB II, weil er es für überwiegend wahrscheinlich hält, dass eine besondere Härte im Sinn dieser Vorschrift vorliegt. Bei Berücksichtigung der von der Antragstellerin geschilderten und glaubhaft gemachten Umstände ihrer Unterbringung und Verpflegung ist ihr Bedarf durch Gewährung des Ausbildungsgelds in Höhe von 104 EUR monatlich nicht gedeckt. Sie ist auf weitere Leistungen dringend angewiesen. Ihre Ersparnisse sind offenbar weitgehend aufgebraucht.

Der Antragstellerin steht zwar nach Ausbildungsbeginn am 26.08.2013 ein Anspruch auf Arbeitslosengeld II gemäß § 19 Abs. 1Satz 1 SGB II nicht mehr zu, weil der Leistungsausschluss gemäß § 7 Abs. 5 SGB II greift, ohne dass die Voraussetzungen für eine Rückausnahme gemäß § 7 Abs. 6 SGB II vorliegen. Die Antragstellerin befindet sich in einer Ausbildung, die dem Anwendungsbereich dieser Vorschrift unterfällt. Der Ausbildungsberuf Mediengestalter/ Mediengestalterin ist staatlich anerkannt (§ 1 der Verordnung über die Berufsausbildung zum Mediengestalter/ zur Mediengestalterin Digital und Print vom 02.05.2007), so dass es sich um eine im Sinn des § 57 SGB III förderungsfähige Ausbildung handelt. Rechtlich unerheblich ist, dass die Klägerin von der Bundesagentur für Arbeit Ausbildungsgeld gemäß § 122 SGB III und nicht Berufsausbildungshilfe gemäß § 56 SGB III bezieht (vgl. LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 22.01.2014, L 13 AS 140/11, Juris Rn. 23; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 15.05.2013, L 2 AS 1962/12, Juris Rn. 42 ff., jeweils mit weiteren Nachweisen). Denn maßgeblich ist, dass die Ausbildung dem Grunde nach gefördert werden kann, auch wenn der Betroffene konkret nicht gefördert wird (vgl. BSG, Urteile vom 06.07.2009, B 14/7b AS 36/06 R und B 14/7b AS 28/06 R). Mit dem Leistungsausschluss gemäß § 7 Abs. 5 SGB II bezweckt der Gesetzgeber eine Abgrenzung der Fördersysteme. Das SGB II soll von Leistungen zur Ausbildungsförderung freigehalten werden, soweit der Hilfebedarf bezüglich des Lebensunterhalts durch die Ausbildung entsteht.

Der Antragsgegner hat aber der Antragstellerin gemäß § 27 Abs. 4 Satz 1 SGB II Leistungen zur Deckung ihres Regelbedarfs als Darlehen auszureichen. Nach dieser Regelung können Leistungen als Darlehen für Regelbedarfe, Bedarfe für Unterkunft und Heizung und notwendige Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung erbracht werden, sofern der Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 5 SGB II eine besondere Härte bedeutet.

Der Senat geht bei der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nur möglichen Entscheidung nach Aktenlage davon aus, dass der Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 5 SGB II für die Antragstellerin eine besondere Härte bedeutet, so dass sie gemäß § 27 Abs. 4 Satz 1 SGB II verlangen kann, dass der Antragsgegner ihr Leistungen für Auszubildende darlehensweise zur Verfügung stellt. Dem steht nicht entgegen, dass diese Leistungen im Ermessen des Antragsgegners stehen. Liegt ein Fall der besonderen Härte vor, ist für die Frage des "Ob" der Leistungsgewährung im Regelfall von einer Ermessenreduktion auf Null auszugehen (BSG, Urteil vom 06.09.2007, B 14/7b AS 36/06 R, Juris Rn. 21). Im Ermessen der Verwaltung stehen allerdings Art und Umfang der Leistungsgewährung. Nachdem der Antragsgegner von der Möglichkeit, eine Ermessensentscheidung gemäß § 27 Abs. 4 SGB II zu treffen, keinen Gebrauch gemacht hat und weil die Antragstellerin auch wegen der bevorstehenden Ferienwochen im August dringend auf finanzielle Mittel angewiesen ist, kommt der Senat nicht umhin, durch einstweilige Anordnung die Höhe der existenzsichernden Leistungen im streitigen Zeitraum selbst zu bestimmen.

Der Begriff der besonderen Härte gemäß § 27 Abs. 4 Satz 1 SGB II ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, der der vollen gerichtlichen Kontrolle unterliegt. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG), auf die auch das Bundessozialgericht in den letzten Jahren zurückgegriffen hat, lag ein besonderer Härtefall vor, wenn die Folgen des Anspruchsausschlusses über das Maß hinausgehen, das regelmäßig mit der Versagung von Hilfe zum Lebensunterhalt für eine Ausbildung verbunden ist und auch mit Rücksicht auf den Gesetzeszweck, die Sozialhilfe von den finanziellen Lasten einer Ausbildungsförderung freizuhalten, als übermäßig hart, d.h. als unzumutbar oder in hohem Maß unbillig, erscheinen lassen. In der Regel sind Hilfebedürftige, die dem Leistungsausschluss unterfallen, gehalten, von der Ausbildung ganz oder vorübergehend Abstand zu nehmen (so BVerwG, Urteil vom 14.10.1993, 5 C 16/91, Juris Rn. 10).

Auch wenn eine der vom Bundessozialgericht im Anwendungsbereich des § 27 Abs. 4 Satz 1 SGB II diskutierten Fallgruppen jedenfalls nicht eindeutig vorliegt (vgl. die Urteile vom 06.07.2009, B 14/7b AS 36/06 R und B 14/7b AS 28/06 R), ist nach Auffassung des Senats wegen einer Kumulation besonderer Umstände davon auszugehen, dass eine besondere Härte im Sinn des § 27 Abs. 4 Satz 1 SGB II glaubhaft gemacht ist, d.h. die Versagung der Hilfe zum Lebensunterhalt im konkreten Fall übermäßig hart ist:

- Die Antragstellerin bezieht kein Kindergeld und erfährt nicht wie andere junge, sich in Ausbildung befindliche Menschen Unterstützung durch ihre Eltern. Dass der Gesetzgeber derartige Unterhaltsleistungen an Auszubildende für normal hält, zeigt der Freibetrag beim Ausbildungsgeld gemäß § 126 Abs. 2 Nr. 1 SGB III für Unterhaltsleistungen und Waisenrenten (bis zu 242 EUR monatlich). Der Vater der Antragstellerin ist vor Jahren gestorben, ohne dass sie Halbwaisenrente erhält, die Mutter lebt im Ausland und ist offenbar mittellos. Auch ihre Großmutter, bei der sie sich an den Wochenenden und in den Ferien aufhält, ist offenbar nicht ausreichend leistungsfähig. Ob diese als Verwandte gerader Linie statt der Eltern überhaupt unterhaltpflichtig ist, kann im Eilverfahren nicht geklärt werden.

- Die Antragstellerin ist aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage, neben ihrer Ausbildung einer Beschäftigung zur Verbesserung ihrer finanziellen Situation nachzugehen. Das ist durch das nervenärztliche Attest der Nervenärztin Dr. W. vom 10.06.2014 und die Bescheinigung der Psychotherapeutin D. vom 13.06.2014 für das Eilverfahren ausreichend belegt. Dass die Antragstellerin nach ihren Angaben dennoch versucht, eine geringfügige Beschäftigung zu finden, steht dazu nicht in Widerspruch, sondern zeigt vielmehr, wie groß der auf ihr lastende finanzielle Druck ist.

- Für die psychisch angeschlagene und schwerbehinderte Antragstellerin ist es nach dem aus den Akten gewonnenen Eindruck offensichtlich von großer Bedeutung, die begonnene Ausbildung zu Ende zu führen, um eine stabile Basis für ihr Leben zu gewinnen. Nach den Bekundungen der behandelnden Ärztin Dr. W. betreibt sie die Ausbildung besonders engagiert, was darauf schließen lässt, dass mit einem erfolgreichen Abschluss der Ausbildung zu rechnen ist.

- Ins Gewicht fällt auch, dass die Antragstellerin die Ausbildung schon zur Hälfte absolviert hat.

Dauer und Höhe der zuzusprechenden Leistungen liegen gemäß § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 938 Abs. 1 ZPO im Ermessen des Gerichts. Der Antragsgegner hat für die Zeit vom 06.05.2014 bis zum 31.08.2014 darlehensweise 287 EUR monatlich (für Mai anteilig) zu gewähren. Der Senat zieht im Rahmen seiner Ermessensausübung von der Regelleistung in Höhe von derzeit 391 EUR das von der Bundesagentur für Arbeit gewährte Ausbildungsgeld von 104 EUR in voller Höhe ab. In diesem Eilverfahren werden in Anlehnung an § 41 Abs. 1 Satz 4 SGB II Leistungen bis zum Ende des laufenden Bewilligungsabschnitts, also bis Ende August zugesprochen. Dies dürfte auch dem Antrag entsprechen (siehe oben zur Auslegung des Antrags).

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG und trägt dem Teilerfolg des Antrags auf einstweiligen Rechtsschutz Rechnung.

Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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