L 9 KR 113/97

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 76 Kr 831/95
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 9 KR 113/97
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 13. März 1997 wird zurückgewiesen. Dem Kläger werden die dem Gericht durch die Prozessführung verursachten Kosten in Höhe von 500,-- DM auferlegt. Im Übrigen sind außer gerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger gegen die Beklagte einen Anspruch auf einen Beitragszuschuss besitzt.

Der 1949 geborene Kläger studierte vom Sommersemester 1969 bis zum Sommersemester 1981 an der Technischen Universität Berlin - der Beklagten - Mathematik; am 20. Juli 1981 schloss er dieses Studium mit der Diplomhauptprüfung erfolgreich ab. Seit dem Sommersemester 1981 ist er an derselben Hochschule im Studiengang „Amt des Studienrates an Gymnasien“ mit den Teilstudiengängen Mathematik/Physik immatrikuliert. Die Beklagte beschäftigt den Kläger seit dem 1. September 1971 als studentische Hilfskraft und Tutor mit einer Arbeitszeit von monatlich 80 Stunden; zu seinen Dienstpflichten gehört die selbständige Betreuung kleiner Übungsgruppen und die Korrektur von Übungsaufgaben für Lehrveranstaltungen. Der Kläger ist beim „Münchener Verein“ privat krankenversichert.

Mit Schreiben vom 21. Januar 1995 beantragte er bei der Beklagten, ihm einen Zuschuss zu den von ihm zu zahlenden Krankenversicherungsbeiträgen gemäß § 257 Abs. 2 Sozialgesetzbuch/Fünftes Buch -SGB V- zu gewähren. Die Voraussetzungen für den Beitragszuschuss seien mit Inkrafttreten des Gesundheitsreformgesetzes zum 1. Januar 1989 erfüllt. Da ihm durch dieses Gesetz der Zugang zur gesetzlichen Krankenversicherung verwehrt sei, bleibe ihm für den notwendigen Krankenversicherungsschutz nur die Alternative einer privaten Versicherung, welche der gesetzlichen Krankenversicherung entspreche und den entsprechenden Arbeitgeberzuschuss bedinge. Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Schreiben vom 27. Februar 1995 mit der Begründung ab, dass einen Beitragszuschuss zu den Beiträgen ihrer Krankenversicherung nur die Beschäftigten erhielten, die wegen Überschreitens der Jahresarbeitsentgeltgrenze freiwillig in der gesetzlichen Krankenversicherung oder bei einem privaten Versicherungsunternehmen versichert seien. Dies sei bei dem Kläger nicht der Fall.

Hiergegen hat der Kläger Klage zum Arbeitsgericht Berlin erhoben, das mit rechtskräftig gewordenem Beschluss vom 17. August 1995 den Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das Sozialgericht Berlin verwiesen hat. Das Sozialgericht hat die Klage, mit der der Kläger die Zahlung eines Beitragszuschusses zur Krankenversicherung vom 1. Januar 1993 an nebst 4 % Zinsen seit Rechtshängigkeit begehrt hat, mit Urteil vom 13. März 1997 abgewiesen. Der Kläger erfülle die gesetzlichen Voraussetzungen des § 257 Abs. 2 SGB V nicht, da er nicht wegen Überschreitens der Jahresarbeitsentgeltgrenze versicherungsfrei oder im Sinne des § 8 SGB V von der Versicherungspflicht befreit sei. Vielmehr liege bei ihm lediglich Versicherungsfreiheit wegen § 6 Abs. 1 Nr. 3 SGB V vor.

Gegen das ihm am 30. Juli 1997 zugestellte Urteil hat der Kläger am 29. August 1997 Berufung eingelegt. Zur Begründung macht er geltend: Das Sozialgericht habe in der angefochtenen Entscheidung keine begründeten Ausführungen für das getroffene Urteil gemacht. Abgestellt worden sei in der angefochtenen Entscheidung lediglich darauf, dass nach dem Gesetzestext nur diejenigen Arbeitnehmer anspruchsberechtigt seien, die allein wegen Überschreitens der Jahresarbeitsentgeltgrenze versicherungsfrei oder von der Versicherungspflicht befreit seien. Diese zu Lasten des Klägers eingeschränkte Auslegung des § 257 Abs. 2 SGB V sei dem Gesetzestext nicht zu entnehmen. Der Kläger sei, was das Sozialgericht in der Urteilsbegründung zutreffend erkenne, versicherungsfrei; diese Versicherungsfreiheit sei anspruchsbegründende Tatsache für den geltend gemachten Anspruch gegenüber der Beklagten.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 13. März 1997 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm gemäß § 257 Abs. 2 SGB V einen Zuschuss zu den von ihm zu zahlenden Beiträgen seiner privaten Krankenversicherung seit dem 1. Januar 1993 nebst 4 % Zinsen seit Rechtshängigkeit zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie tritt dem Vorbringen des Klägers entgegen und beruft sich zur Begründung auf den Inhalt des angefochtenen Urteils.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Sozialgericht hat die Klage, über die im Hinblick auf den rechtskräftigen Verweisungsbeschluss des Arbeitsgerichts Berlin gemäß § 17 a Abs. 2 Satz 3 Gerichtsverfassungsgesetz durch die Sozialgerichte zu entscheiden ist, zu Recht abgewiesen; der Kläger besitzt keinen Anspruch auf den begehrten Zuschuss gegen die Beklagte.

Nach § 257 Abs. 2 Satz 1 SGB V erhalten Beschäftigte, die nur wegen Überschreitens der Jahresarbeitsentgeltgrenze -JAE- (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB V) versicherungsfrei oder die von der Versicherungspflicht befreit und bei einem privaten Krankenversicherungsunternehmen versichert sind und für sich Vertragsleistungen beanspruchen können, die der Art nach den Leistungen dieses Buches entsprechen, von ihrem Arbeitgeber einen Beitragszuschuss. Diese Voraussetzungen für den Beitragszuschuss erfüllt der Kläger offensichtlich nicht, weil er weder wegen Überschreitens der JAE versicherungsfrei noch gemäß § 8 SGB V von der Versicherungspflicht befreit ist. Vielmehr besteht beim Kläger gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 3 SGB V Versicherungsfreiheit, weil er während der Dauer seines Studiums als ordentlicher Studierender einer Hochschule gegen Arbeitsentgelt beschäftigt ist. Bei einer Beschäftigung mit einer Arbeitszeit von nicht mehr als 20 Stunden wöchentlich ist auch ohne das Vorliegen weiterer Anhaltspunkte davon auszugehen, dass das von ihm seit dem Sommersemester 1981 betriebene Zweitstudium im Studiengang Amt des Studienrats an Gymnasien mit den Teilstudiengängen Mathematik/Physik seine Zeit und Arbeitskraft ganz oder überwiegend in Anspruch nimmt und er damit auch seinem Erscheinungsbild nach Student ist (BSGE 50, 25) und das Studium und nicht die Beschäftigung für den Studierenden im Vordergrund steht (vgl. hierzu BSGE 44, 164, 166, SozR 2200 § 172 Nr. 15, Nr. 19 sowie Baier in Krauskopf, Soziale Krankenversicherung/Pflegeversicherung, Kommentar, § 6 SGB V Nr. 12). Unter diesen Voraussetzungen besteht auch nach einem ersten berufsqualifizierenden Studienabschluss während eines Zweit- oder Erweiterungsstudiums, das - wie im vorliegenden Fall - in einem geregelten Studiengang absolviert wird und auf einen weiteren Abschluss ausgerichtet ist, Versicherungsfreiheit (BSG SozR 3-2200 § 172 Nr. 2). Diese entfällt für den Kläger auch nicht gemäß § 6 Abs. 3 Satz 2 in Verbindung mit § 5 Abs. 1 Nr. 9 SGB V, weil er schon bei Beginn der weiteren Ausbildung das 14. Fachsemester überschritten und das 30. Lebensjahr vollendet hatte, ohne dass hierfür einer der in § 5 Abs. 1 Nr. 9 letzter Halbsatz SGB V genannten Rechtfertigungsgründe erkennbar ist. Die deshalb beim Kläger bestehende Versicherungsfreiheit gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 3 SGB V begründet für ihn bei wörtlicher Anwendung des § 257 Abs. 2 Satz 1 SGB V („nur wegen Überschreitens der JAE-Grenze versicherungsfrei oder von der Versicherungspflicht befreit“) zweifelsfrei keinen Anspruch auf den Beitragszuschuss.

Die Vorschrift ist auf Beschäftigte wie den Kläger auch nicht entsprechend anzuwenden. Wenn sie den Zuschuss zur privaten Krankenversicherung auf diejenigen Beschäftigten beschränkt, die nur wegen Überschreitens der JAE-Grenze des § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB V versicherungsfrei oder von der Versicherungspflicht befreit sind, so handelt es sich dabei im Wesentlichen um Personen, bei denen die Beschäftigung die Grundlage für ihren Krankenversicherungsschutz bildet. Bei ihnen sieht § 257 Abs. 2 Satz 1 SGB V ebenso wie Abs. 1 Satz 1 der Vorschrift für freiwillig in der gesetzlichen Krankenversicherung versicherte Beschäftigte, die nur wegen Überschreitens der JAE-Grenze versicherungsfrei sind, eine wirtschaftlich gleiche Beteiligung der Arbeitgeber am Krankenversicherungsbeitrag vor, wie sie bei versicherungspflichtig Beschäftigten als Arbeitgeberanteil am Pflichtbeitrag zu tragen ist (vgl. hierzu BSG SozR 3-2500 § 257 SGB V Nr. 4 mit weiteren Nachweisen). Diese auch für § 257 Abs. 2 Satz 1 SGB V geltende Rechtfertigung des Zuschusses trifft bei Werkstudenten nicht in gleichem Maße zu. Vielmehr stellte ein Zuschuss des Arbeitgebers eines solchen studentischen Beschäftigten zu seinen privaten Krankenversicherungsbeiträgen nach der Art des § 257 Abs. 2 Satz 1 SGB V sich als eine vom Gesetzgeber gerade nicht gewollte Leistung dar.

Bei den studentischen Beschäftigten beruht die Versicherungsfreiheit gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 3 SGB V darauf, dass sich die Beschäftigung den Erfordernissen des Studiums anpasst und diesem untergeordnet ist (BSG SozR 3-2200 § 172 Nr. 2 sowie Baier a.a.O. § 6 SGB V Rdnr. 12), so dass die studentischen Beschäftigten ihrem Erscheinungsbild nach Studenten und keine gegen Entgelt beschäftigten Arbeitnehmer sind. Diese Tatsache rechtfertigt es auch, dass Werkstudenten in den durch § 5 Abs. 1 Nr. 9 SGB V gezogenen Grenzen weiterhin als Studenten versicherungspflichtig werden oder bleiben und von dem neben dem Studium erzielten Arbeitsentgelt keine Sozialversicherungsbeiträge abzuführen haben.

Überschreiten Studenten aber die in § 5 Abs. 1 Nr. 9 SGB V normierte Studiendauer oder Altersgrenze, endet für sie die Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung. Der Gesetzgeber hat diesen Personenkreis aus der beitragsgünstigen Krankenversicherung der Studenten ausgenommen, weil bei ihm nicht mehr zu erwarten ist, dass er die Leistungen der Krankenversicherung - wie dies Studenten im Übrigen typischerweise tun - altersbedingt nur in unterdurchschnittlichem Maß in Anspruch nehmen und beitragsfrei versicherte Angehörige selten hinzukommen (vgl. BSG SozR 3-2500 § 5 SGB V Nr. 4) und um die Krankenversicherung der Studenten im Übrigen von Langzeitstudierenden bzw. Spätstudierenden freizuhalten, für die sie nicht gedacht war (BSG SozR 3-2500 § 5 SGB V Nr. 4). Diesem Personenkreis mutet der Gesetzgeber ausnahmslos zu, sich entweder in der gesetzlichen Krankenversicherung freiwillig oder bei einem privaten Krankenversicherungsunternehmen privat gegen Krankheit zu versichern. Einen Beitragszuschuss sieht das SGB V für sie evident nicht vor, weil damit das dargestellte gesetzliche Ziel - zumindest teilweise - vereitelt würde. Dieses Ergebnis lässt sich im Übrigen auch unmittelbar aus dem Gesetz, nämlich § 257 Abs. 2 Satz 1, 2. Alternative in Verbindung mit § 8 Abs. 1 Nr. 5 SGB V herleiten, der eine Befreiung von der Versicherungspflicht und einen Beitragszuschuss nur für die Studenten vorsieht, die durch die Immatrikulation versicherungspflichtig werden.

Diese Rechtslage gilt sowohl für Studierende mit oder ohne (Neben-) Beschäftigung, so lange diese dem Studium untergeordnet bleibt, weil sie sich im Hinblick auf die ihre soziale und wirtschaftliche Lebenssituation prägende universitäre Ausbildung vor den dargestellten Gesetzeszwecken der §§ 5, 6 und 8 SGB V nicht unterscheiden.

Unter diesen Umständen hätte ein Beitragszuschuss für ältere, langzeitstudierende Werkstudenten einer erkennbaren gesetzlichen Grundlage bedurft. Da der Gesetzgeber einen entsprechenden Willen trotz der Regelungen zum Ausschluss der Versicherungspflicht (§ 5 Abs. 1 Nr. 9 in Verbindung mit § 6 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 2 SGB V) nicht zum Ausdruck gebracht hat, ist die Beschränkung des Beitragszuschusses in § 257 Abs. 2 Satz 1 SGB V auf die nur wegen Überschreitens der Versicherungspflichtgrenze versicherungsfreien bzw. die von der Versicherungspflicht befreiten Personen nicht als lückenhaft anzusehen. Eine entsprechende Anwendung dieser Vorschrift kommt daher nicht in Betracht (vgl. BSG SozR 3-2500 § 257 SGB V Nr. 2 mit weiteren Nachweisen).

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 192 Satz 1, 193 Sozialgerichtsgesetz -SGG-. Der Senat hat dem Kläger die dem Gericht durch die Prozessführung entstandenen Kosten auferlegt, deren Höhe er unter Beachtung des in § 34 Abs. 2 BVerfGG festgesetzten Rahmens geschätzt hat. Denn die Prozessführung des Klägers erschien mutwillig, weil er weder seine Klage noch seine Berufung mit sachbezogenen Erwägungen begründet und trotz entsprechenden Hinweises in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat die Berufung aufrechterhalten hat.

Die Revision ist nicht zugelassen worden, weil die dafür erforderlichen Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG nicht gegeben sind.
Rechtskraft
Aus
Saved