L 9 KR 22/98

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 75 Kr 467/97
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 9 KR 22/98
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 5. Dezember 1997 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Feststellung der Versicherungspflicht nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz (KSVG).

Nach Abschluss der 10. Klasse an der Polytechnischen Oberschule erlernte der 1957 geborene Kläger in der Zeit von September 1973 bis Dezember 1975 den Beruf des Graveurs, wobei er sich auf die Gravur von Jagdwaffen spezialisierte. Nach Angaben des Klägers konnte er die Ausbildung wegen ausgezeichneter Leistungen im Berufswettbewerb vorfristig beenden. Anschließend arbeitete er als Waffengraveur in seinem Ausbildungsbetrieb bis März 1976 und von April 1976 bis Februar 1990 als Angestellter im Ministerium des Inneren, und zwar als Graveur und Waffentechniker. Daneben qualifizierte er sich in einem Fernstudium zum Ingenieur-Ökonom (Staatswissenschaftler). Von März 1990 bis Juni 1991 arbeitete er wieder als Waffengraveur in seinem alten Ausbildungsbetrieb und in der Folgezeit in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis bei der J und T GmbH ebenfalls als Waffengraveur.

Seit dem 30. Dezember 1994 ist der Kläger als selbständiger Graveur(Meister) tätig und in die Handwerksrolle der Handwerkskammer Berlin eingetragen. Auf seinem geschäftlichen Briefbogen und seiner Visitenkarte warb der Kläger bislang mit „Exklusive Waffengravuren aus Meisterhand“ und führt als Tätigkeiten auf: Wappen, Stahlstich, Flachstich, Ziselierungen, Gold- und Silbereinlagen, Schaftverschneidungen, Schnitzereien, Scrimshaw, Restaurierungen u.a.

Bei den Tätigkeiten des Klägers handelt es sich überwiegend um in Auftrag gegebene Werke. Er fertigt zum Teil Gravuren auf Messern und Waffen nach Kundenauftrag an. Hierzu geben ihm Kunden Themen vor, zu denen er sich Entwürfe überlegt, die anschließend mit den Kunden gemeinsam erarbeitet werden. Teilweise haben die Kunden aber auch keine konkreten Vorstellungen und verlassen sich auf das Urteil des Klägers bzw. seine an Beispielen gezeigte Erfahrung hinsichtlich der verschiedenen Gestaltungsverfahren und -möglichkeiten. Darüber hinaus erhält der Kläger zu einem weiteren Teil Messer von Messermachern, denen er zuvor eigene Entwürfe zugeschickt hatte oder die ihn bitten, nach eigenem Ermessen Gravuren zu fertigen Neben diesen Auftragsarbeiten zeigt der Kläger die von ihm verzierten Messer auf Ausstellungen im In- und Ausland. Es handelt sich u.a. um die Internationale Jagdausstellung in Dortmund, die IWA in Nürnberg, „Jagen und Fischen“ in München, die Frankenschau in Nürnberg, die DWA - Plus in Stornheim, die Internationale Kunstmesserausstellung in München, die Internationale Jagdausstellung in Hexenagger (Schweiz), die Kunstmesserausstellung in Las Vegas (USA), die Arabische Kunst und Jagdausstellung in Dubai, die Jaspowa in Wien (Österreich) und die Kunstmesserausstellung in Bern (Schweiz). Zudem zeigt der Messerschmiedemeister B die von dem Kläger gravierten Messer auf folgenden international bedeutenden Ausstellungen: SICAC, Paris; US Knifemaker Guild Show in Orlando, FL und Las Vegas, NV, USA; East Coast Custom Knife Show, New Jearsey, USA; Festival du couteau d´art, Thiers, Frankreich. Neben den Gravuren auf Waffen und Messern fertigt der Kläger Schnitzereien aus Elfenbein und Scrimshaw im Bereich „Jagdkunst“ und Grafik. Eigene Ausstellungen hat der Kläger bisher nicht gehabt. Das Bezirksamt X hat ihm aber eine Ausstellung seiner Werke in der Kunstgalerie Y in Aussicht gestellt (Schreiben vom 14. Juli 1999). Zudem sind einige Arbeiten des Klägers Ende 1999 in der Galerie E. mit ausgestellt worden.

Auf seinen Antrag vom 31. Dezember 1994 befreite die Landesversicherungsanstalt Berlin den Kläger ab 1. Januar 1995 von der Versicherungspflicht nach § 2 Nr. 8 Sozialgesetzbuch / Sechstes Buch (SGB VI), weil für ihn mindestens achtzehn Jahre lang Pflichtbeiträge gezahlt worden sind (§ 6 Abs. 1 Nr. 4 SGB VI). Der Kläger ist als freiwilliges Mitglied bei der DAK versichert und entrichtet zur Beigeladenen freiwillige Rentenversicherungsbeiträge.

Im Dezember 1996 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Feststellung seiner Versicherungspflicht nach dem KSVG. Er überreichte eine Bescheinigung des Messerschmiedemeisters B vom 16. April 1997, wonach dieser bestätigt, dass der Kläger für ihn mit großem künstlerischen Talent Gravuren, Goldeinlagen und Verschneidungen freiberuflich als Graveurmeister ausführt.

Mit Bescheid vom 20. Mai 1997 lehnte die Beklagte die Feststellung der Versicherungspflicht nach dem KSVG ab: Die von dem Kläger ausgeübte Tätigkeit als Graveur könne nicht als selbständige künstlerische Tätigkeit angesehen werden. In der Tätigkeit seien künstlerische Elemente enthalten, aber der handwerkliche Teil der Tätigkeiten überwiege.

Dieser Beurteilung widersprach der Kläger. Er überreichte eine positive Stellungnahme zu seiner Künstlereigenschaft von der Graveur- und Ziseleurinnung Berlin vom 29. Mai 1997 (Bl. 22 VA). Hierin bescheinigt der Obermeister O., dass die Arbeiten des Klägers voll den künstlerischen Arbeiten (Kunst) zugesprochen werden können. Die Handwerkskammer Berlin bescheinigte dem Kläger am 3. Juni 1997, dass sein Betrieb sowohl handwerkliche Tätigkeiten ausführe als auch im künstlerischen Bereich tätig sei (Bl. 23 VA).

Der Widerspruch des Klägers blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 23. Juli 1997).

Im anschließenden Klageverfahren hat der Kläger ausgeführt, seine Arbeiten zeichneten sich durchweg durch schöpferische Leistung aus. Er sei u.a. auf der Internationalen Jagdausstellung in Dortmund, der größten Fachausstellung in Europa sowie der IWA in Nürnberg, der zweitgrößten Fachausstellung der Welt für Fachhändler vertreten gewesen. Zudem seien in den Fachmagazinen bzw. Fachzeitschriften seine Messer abgedruckt, es handele sich hier u.a. um das Fachmagazin Visier, die deutsche Fachzeitschrift bezüglich der internationalen Messermacherausstellung in München 1996, die Fachquelle Knives 1998 und die Hefte „La Passion des Couteaux“ (Bl. 40-61 GA).

Mit Urteil vom 5. Dezember 1997 hat das Sozialgericht Berlin die Klage abgewiesen und im Wesentlichen ausgeführt: Es habe nicht festgestellt werden können, dass der Kläger künstlerisch im Sinne des KSVG tätig sei. Er sei von einschlägigen fachkundigen Kreisen nicht als Künstler anerkannt. Zu diesen einschlägigen fachkundigen Kreisen gehörten weder die Graveur- und Ziseleur-Innung Berlin noch die Handwerkskammer Berlin, da es sich um Institutionen handele, die das Handwerk vertreten würden und nicht künstlerische Kreise repräsentierten. Ebenfalls seien Stellungnahmen und Zeugnisse einzelner Kunden unter Berücksichtigung der einschlägigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts nicht maßgeblich. Auch handele es sich bei den vom Kläger überreichten Zeitschriften nicht um in Künstlerkreisen gelesene und gängige Magazine, sondern um Zeitschriften, die sich generell an Interessenten für Messer bzw. an Messer-Sammler, Jäger, Camper, Angler und Out-door-Fans richtete. Es sei nicht festzustellen gewesen, dass den von dem Kläger gefertigten Arbeiten eine eigenschöpferische Leistung zugrunde liege, die über den Bereich des handwerklichen hinaus gehe. Der Kläger fertige vorliegend ganz überwiegend oder ausschließlich Auftragsarbeiten an. Er habe seine Tätigkeit selbst darin beschrieben, dass ihm Themen vorgegeben würden und dass die Ausführung bzw. Entwürfe mit den Kunden gemeinsam erarbeitet und besprochen würden. Seinem Wirken liege damit nicht eine freie Gestaltung von Messern zugrunde, die vorrangig seine Persönlichkeit und seine Erlebnisse ausdrücken sollten. Die Arbeiten seien vielmehr in erster Linie an Kundenwünschen orientiert. Auch wenn dem Kläger z.B. von den Herstellern von Messern lediglich Themen vorgegeben würden, orientiere er sich nach seinen in der mündlichen Verhandlung gemachten Angaben daran, „was für den Kunden interessant sein könnte“. Eine derart vorrangige Orientierung an Kundenwünschen lasse für freie eigenschöpferische Gestaltung keinen Raum; sie sei typischerweise nicht Ausdruck von Kunst, sondern von handwerklicher oder auch kunsthandwerklicher Anfertigung von Gegenständen.

Gegen das ihm am 6. Februar 1998 zugestellte Urteil richtet sich die am 5. März 1998 eingelegte Berufung des Klägers, mit welcher er sein Begehren auf Feststellung der Versicherungspflicht nach dem KSVG weiter verfolgt. Er macht geltend, auch Entwürfe und fertige Arbeiten, die nicht bereits zuvor in Auftrag gegeben worden seien, anzufertigen und diese auf dem internationalen Markt anzubieten. Eine jedes Mal geschaffene neue Gestaltungsform der Werke komme auch darin zum Ausdruck, dass seine Gravuren, beispielsweise eine in Elfenbein gravierte Wasserbüffelszene zu einem Preis von XXXX,00 DM angeboten würden sowie weitere Gravuren mit Preisen zwischen XXXX,00 DM und XXXX,00 DM zum Verkauf anstünden und in den entsprechenden Fachzeitschriften abgedruckt seien. Im Übrigen weist er darauf hin, dass es kein entscheidendes Kriterium für die Beurteilung seiner Kunst darstelle, ob es sich um sogenannte Auftragsarbeiten handele. Auch namhafte bildende Künstler erzielten ihre Einkünfte weitgehend aus Auftragsarbeiten. Die überreichte Fotomappe spiegele sein künstlerisches Niveau wider. Es handele sich sämtlichst um Entwürfe, die nicht bereits vorhandene Gestaltungselemente reproduzierten oder variierten, sondern die jeweils eigenständig geschaffen worden seien. Schließlich entwickele er sich stetig künstlerisch fort, was seine in jüngster Zeit geschaffenen Werke zeigten. Der Kläger überreicht u.a. eine weitere Bestätigung der Graveur- und Ziseleur-Innung Berlin vom 2. Mai 1998, wonach die ausgeführten Arbeiten voll den Ansprüchen an „Bildende Kunst“ entsprächen (Anlage 1), eine Stellungnahme des Bildhauers Prof. B. , wonach es sich bei den Arbeiten des Klägers um Unikate mit eigenschöpferischem Charakter handele (Anlage 2), eine Stellungnahme des Tier- und Jagdmalers, Dr. J. Mitglied im Kulturausschuss des Deutschen Jagdschutzverbandes Bonn, Mitglied im Brauchtumsausschuss des Landesjagdverbandes Bayern, DJV-Kulturpreisträger 1996, vom 14. April 1998, wonach die Arbeiten des Klägers weit über das Maß kunsthandwerklicher Gestaltung hinausgingen (Anlage 3) und eine Einschätzung des Kunstsammlers A vom 6. April 1998 über die Einschätzung von einzigartigen Gravurarbeiten auf Messern als Kunst (Anlage 4). Zudem überreicht der Kläger eine Bestätigung des Berufsverbandes Bildender Künstler Berlin e.V. - ohne Datum -, die den Kläger anhand seiner von ihm vorgestellten Arbeiten als bildenden Künstler ansehen (Anlage 5). Ferner überreicht er ein Schreiben des Redaktionsmitgliedes M des Visiers - Das internationale Waffen-Magazin - vom 4. März 1998, Auszüge aus dem Handbuch der Gravierkunst (Anlage 6) und Deckblätter der Werke von James B. Meek mit dem Titel „The Art of Engraving“ sowie das Deckblatt des Handbuchs der Gravierkunst von M. Hübener aus dem Jahre 1916 (Anlagen 7 und 8). Darüber hinaus überreicht der Kläger u.a. ein Schreiben der L vom 30. Juni 1998 an ihn, ein weiteres Schreiben des B vom 15. Juni 1999, des Messermachers F vom 19. April 1999, der Senatsverwaltung für Wissenschaft, Forschung und Kultur vom 21. Juni 1999, des Finanzamtes L vom 1. April 1999, des Bezirksamtes X, Abteilung Jugend und Kultur vom 14. Juli 1999, der Galerie E vom 17. August 1999, der Handwerkskammer Berlin vom 6. Juli 1999 sowie des Prof. J - Fachbereich Design an der Fachhochschule Potsdam vom 15. November 1999.

Der Kläger beantragt,

unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Berlin vom 5. Dezember 1997 und des Bescheides der Beklagten vom 20. Mai 1997 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 23. Juli 1997 die Beklagte zu verurteilen, seine Versicherungspflicht nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz festzustellen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend und weist ergänzend darauf hin, der Kläger sei als bildender Künstler nicht in den verkehrswesentlichen Kreisen anerkannt. Er habe keine Kunstpreise erhalten, gehöre nicht dem Berufsverband Bildender Künstler an und seine Ausstellungstätigkeit beziehe sich ausschließlich auf sogenannten Jagdausstellungen bzw. Kunstmesserausstellungen.

Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Beteiligten nebst Anlagen und den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen. Diese Unterlagen haben dem Senat vorgelegen und sind zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist unbegründet.

Der Kläger war nicht gehindert, auch die Feststellung der Versicherungspflicht in der Rentenversicherung zu begehren, obgleich er in der Handwerksrolle eingetragen ist und dies zur Versicherungsfreiheit in der Rentenversicherung nach § 4 Nr. 3 KSVG führt. Denn die Feststellung kann bedingt erfolgen, für den Fall, dass der Kläger in der Handwerksrolle gelöscht wird (BSG SozR 3-5425 § 2 Nr. 5, S. 13). Ebenso steht die Befreiung von der Versicherungspflicht nach § 6 Abs. 1 Nr. 4 SGB VI für selbständig tätige Handwerker einer Feststellung der Versicherungspflicht in der Rentenversicherung nicht entgegen, denn die Befreiung ist nicht personen-, sondern tätigkeitsbezogen (vgl. Kasseler Kommentar - Gürtner, § 6 SGB VI, Rdnr. 30). Mithin kann Versicherungspflicht in der Rentenversicherung auf Grund künstlerischer Tätigkeit über § 1 KSVG bestehen.

Das Sozialgericht hat aber zu Recht entschieden, dass der Kläger nach dem KSVG nicht als versicherungspflichtiger Künstler angesehen wird. Denn im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Landessozialgericht ließ sich die Künstlereigenschaft des Klägers nicht feststellen.

Nach § 1 KSVG in der Fassung des KSVG-Änderungsgesetzes (KSVG-ÄndG) vom 20. Dezember 1988 (BGBl. I S. 2606), zuletzt geändert durch das Gesetz vom 26. Mai 1994 (BGBl. I S. 1014) werden selbständige Künstler und Publizisten in der Rentenversicherung der Angestellten, in der gesetzlichen Krankenversicherung und in der sozialen Pflegeversicherung versichert, wenn sie die künstlerische oder publizistische Tätigkeit erwerbsmäßig und nicht nur vorübergehend ausüben und nicht mehr als einen Arbeitnehmer beschäftigen. Künstler ist gemäß § 2 KSVG (i.d.F. des KSVG-ÄndG), wer Musik, darstellende oder bildende Kunst schafft, ausübt oder lehrt.

Da das KSVG den Kunstbegriff nicht definiert, ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts dieser aus dem Regelungszweck des KSVG unter Berücksichtigung der allgemeinen Verkehrsauffassung zu erschließen. Der Zielsetzung des KSVG entspricht ein formaler, an der Typologie der Ausübungsformen orientierter Kunstbegriff, der bereits erfüllt ist, wenn das zu beurteilende Werk ohne Rücksicht auf sein geistiges Niveau den Gattungsanforderungen eines bestimmten Werktyps der Kunst (z.B. Theater, Gemälde, Tanz usw.) entspricht. Insoweit sind nicht nur die Kunstgattungen zu berücksichtigen, sondern auch die anerkannten Kunstrichtungen und die Zuordnung zu einem künstlerischen Beruf (BSG SozR 3-5425 § 24 Nr. 12, S. 76 ff; BSG SozR 3-5425 § 2 Nrn. 5 und 8). Insgesamt ist dem Kunstbegriff des KSVG eine eigenschöpferische Leistung immanent. Diese dem Schaffen zugrundeliegende schöpferische Leistung muss aber über den Bereich des Handwerklichen hinaus gehen (BSG SozR 3-5425 § 2 Nr. 5, S. 14). Dies ergibt sich insbesondere auch auf Grund einer am Schutzzweck des KSVG ausgerichteten Auslegung des Begriffs des Künstlers. Mit dem KSVG sollte der Personenkreis der selbständigen Künstler und Publizisten (mit bestimmten Ausnahmen) in den Schutz der gesetzlichen Renten- und Krankenversicherung einbezogen werden, dessen Schutz bereits der Gruppe der abhängig Beschäftigten, bestimmten Selbständigen, den Handwerkern und den Landwirten zukam. Nur wenn demnach die „Kunst“ eindeutig gegenüber dem Handwerk überwiegt, ist eine Einbeziehung in die Künstlersozialversicherung möglich.

Dies ist bei den vom Kläger überwiegend gefertigten Produkten (noch) nicht der Fall. Seine Arbeiten bzw. Tätigkeitsschwerpunkte umfassen nach seinen eigenen Angaben Waffengravuren, Messerdesign und Messergravur, Schnitzereien aus Edelhölzern und Elfenbein, Scrimshawarbeiten auf Elfenbein, Restaurierungsarbeiten u.a. auch Grafiken für die Ausgestaltung von Jagdzimmern (u.a. Widerspruchsschreiben vom 3. Juni 1997) sowie in jüngerer Zeit freigestaltete Arbeiten. Die Fertigstellung der Werke umfasst zwar gestaltende Elemente, die eigenschöpferischen Charakter haben. Gleichwohl geht die schöpferische Leistung nicht über den Bereich des Handwerklichen hinaus. Denn Produkte handwerklicher Tätigkeit zählen nach der Verkehrsanschauung grundsätzlich nicht zum Bereich der Kunst (BSG SozR 3-5425 § 2 Nrn. 5 und 8).

Eine Tätigkeit ist dem Bereich des Handwerks zuzuordnen, wenn die Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 der Handwerksordnung (HwO) vorliegen. Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Der Kläger führt einen Handwerksbetrieb. Sein Betrieb wird nicht industriell betrieben und Graveure zählen nach der Anlage A zur HwO zu der Gruppe der Elektro- und Metallgewerbe Nr. 32. Der Kläger hat den Beruf des Graveurs erlernt, langjährig ausgeübt und die Meisterprüfung abgelegt (§ 7 Abs. 1 HwO) und ist mit seinem Handwerk des Graveurs mit Wirkung vom 30. Dezember 1994 in die Handwerksrolle eingetragen. Die Eintragung in die Handwerksrolle stellt ein gewichtiges Indiz gegen die Wertung einer Tätigkeit als Künstler dar. Auf wiederholte Anfrage des Klägers hat die Handwerkskammer Berlin, zuletzt mit Schreiben vom 6. Juli 1999 (Bl. 156 GA), es abgelehnt, die Eintragung in die Handwerksrolle zu löschen und den Betrieb freizugeben. Die Handwerkskammer Berlin wies darauf hin, dass gerade das Handwerk „Graveure“ stärker als viele andere Handwerke kunsthandwerklich geprägt sei. Hintergrund dieser kunsthandwerklichen Prägung dürfte neben dem Alter dieses Handwerks die zu erbringenden Arbeiten, die geforderten Kenntnisse und Fertigkeiten und u.a. die Einschätzung des angesprochenen Kundenkreises bzw. der Gesellschaft sein. Darüber hinaus werde der eigenschöpferischen Leistung ein hoher Stellenwert eingeräumt. Letztendlich seien aber umfangreiche und fundierte handwerkliche Kenntnisse für die Ausübung einer Tätigkeit, wie sie nur der Meister habe, unabdingbar.

Möglich ist zwar dennoch ein fließender Übergang von Handwerk und Kunst, denn in § 2 Abs. 2 der Verordnung zur Durchführung des KSVG vom 23. Mai 1984 - BGBl. I S. 709 - wird unter Nr. 13 auch die selbständige Tätigkeit als Graveur dem Bereich „Bildende Kunst“ zugeordnet. Vorliegend übt der Kläger aber Kunsthandwerk aus. Dass seine Erzeugnisse eine gestalterische Leistung enthalten, wovon sich der Senat anhand der überreichten Fotomappe und den Abbildungen in den überreichten Zeitschriften sowie des in der mündlichen Verhandlung gezeigten Messerkreuzes überzeugen konnte, rechtfertigt allein nicht die Zuordnung zur Kunst. Denn gestalterische Elemente sind bei zahlreichen Arbeiten unabdingbar, die unzweifelhaft zum Bereich des Handwerks zählen, worauf bereits die Handwerkskammer Berlin in dem o.g. Schreiben hingewiesen hat. Gerade dem Kunsthandwerk ist ein gestalterischer Freiraum immanent; es bleibt damit dennoch Handwerk (BSG SozR 3-5425 § 2 Nr. 8, S. 30). Anschaulich zeigt das vom Kläger überreichte Foto seines angefertigten Meisterstückes anlässlich der Meisterprüfung die Ausnutzung eines gestalterischen Freiraums. Durch die individuelle Fertigung zeichnet sich das Handwerk geradezu aus und unterscheidet sich von der industriellen Produktion. Letztlich ist die Vollendung der Werke des Klägers ohne seine fundierten und auf hohem Niveau befindlichen handwerklichen Kenntnisse, die er als Graveur(Meister) erworben hat, jedoch nicht denkbar.

Der Kläger selbst warb bislang auch in seinem Briefkopf und mit seiner Visitenkarte (1. Bild der Fotomappe) mit seinem Können als Handwerksmeister, indem er auf seine Qualifikation „Exklusive Waffengravuren aus Meisterhand“ ausdrücklich hinweist. Ebenso hebt er diese Qualifikation in Anzeigen der Fachzeitschriften Visier hervor, indem er ausführt: „Graveurmeister, arbeitet nicht nur an Messern, sondern an Waffen aller Art. Spezialisiert auf sehr feine, plastische Schaftverschneidungen. Fertigt auf Wunsch auch Kunstgrafiken“.

Die von ihm gravierten Waffen und Messer bleiben Gebrauchsgegenstände und konkurrieren mit vergleichbaren Produkten aus industrieller oder (rein) handwerklicher Fertigung. Der Kläger hat bereits in der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht am 5. Dezember 1997 geschildert, wie er mit den Kunden, die ihm Themen vorgäben, sich Entwürfe überlege und sie dann mit dem Kunden gemeinsam erarbeite. Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass nach der abgegebenen Stellungnahme des Tier- und Jagdmalers Dr. J (Schreiben vom 14. April 1998) die von dem Kläger bearbeiteten Jagdwaffen (Messer, Waffengravuren, Schaftverschneidungen) sich im Besitz privater Sammler befänden und schon enorme Wertsteigerungen erfahren hätten und in Einzelstücken mit Preisen von bis zum 10.000,00 DM angeboten würden. Denn nur dann ist bei der handwerklichen Fertigung von Einzelstücken nach eigenen Entwürfen eine Zuordnung zum Bereich der Kunst anzunehmen, wenn der Betroffene mit seinen Werken in einschlägigen fachkundigen Kreisen als „Künstler“ anerkannt und behandelt wird. Hierfür ist bei Vertretern der bildenden Kunst vor allem maßgebend, ob der Betroffene an Kunstausstellungen teilnimmt, Mitglied von Künstlervereinen ist, in Kunstlexika aufgeführt wird, Auszeichnungen als Künstler erhalten hat oder andere Indizien auf eine derartige Anerkennung schließen lassen (BSG SozR 3-5425 § 2 Nr. 5, S. 16 f. und Nr. 8, S. 31).

Der Kläger ist weder Mitglied in einem Kunstverein noch hat er an Kunstausstellungen teilgenommen. Zwar hat das Bezirksamt X Abteilung Jugend und Kultur ihm mit Schreiben vom 14. Juli 1999 eine Ausstellung seiner Werke in der Kunstgalerie Y angeboten. Zu einer eigenen Ausstellung ist es aber bislang noch nicht gekommen. Seine Arbeiten auf Messern hat der Kläger vielmehr allein auf Fachmessen (u.a. Internationale Jagdausstellung in Dortmund, IWA in Nürnberg, Internationale Jagdausstellung in Hexenagger, Kunstmesserausstellung in Las Vegas) bzw. auf Konsumgüterausstellungen (u.a. Frankenschau in Nürnberg) vorgestellt und versucht, hierüber zu vertreiben. Daneben basieren Teile seiner Arbeiten auf direktem Kundenauftrag. Ein Verkauf über Kunstausstellungen/Galerien hat bisher bis auf einen Verkauf in der Galerie E Ende 1999 nicht stattgefunden. Der Kläger ist auch nicht in Kunstlexika aufgeführt. Ebenso wenig ist er mit Kunstpreisen ausgezeichnet worden.

Für eine Anerkennung als Künstler spricht auch nicht die gutachterliche Einschätzung der Art der Tätigkeit des Klägers durch Prof. J vom 15. November 1999, in welcher er ausführt, dass die allgemeinen Arbeiten der Gravurbranche immer mehr in Richtung der maschinellen Dienstleistungen von Beschriftungen und Beschilderungen tendierten, der Arbeitsschwerpunkt des Klägers offensichtlich bei der Schaffung verschiedenster eigenschöpferischer Gestaltungen liege. Sein Arbeitsansatz lasse sich insofern als durchaus künstlerisch bezeichnen. Die Arbeiten höben sich klar von der rein auftragsorientierten kunsthandwerklichen Oberflächengestaltung ab, die Entwicklung einer eigenen, individuellen Gestaltsprache stehe bei seinen Arbeiten eindeutig im Vordergrund. Denn die Beurteilung des Prof. am Fachbereich Design der Fachhochschule Potsdam ist keine geeignete Entscheidungsgrundlage, weil sie sich allein in einer rein subjektiven Bewertung des künstlerischen Gehaltes erschöpft und bezüglich des Grades der Anerkennung in künstlerischen Kreisen Prof. J aus eigener Anschauung hierüber keine Angaben machen konnte. Prof. J teilt selbst mit, dass ihm die Arbeiten des Klägers u.a. durch seine Funktion als Jurymitglied beim Landespreis Gestaltendes Handwerk Berlin 1999 bekannt seien. Mithin hat er dort keine Anschauung der Wertschätzung des Klägers in Künstlerkreisen bekommen, da es sich nicht um einen Wettbewerb einer Kunstvereinigung gehandelt hat, sondern um einen Wettbewerb des Handwerks. Seine Wertung, die verschiedenen vom Kläger vorgelegten Schreiben belegten, dass dieser in den entsprechenden Künstler-, Fach- und Sammlerkreisen bekannt und anerkannt sei, ist vor diesem Hintergrund allein der Versuch einer Würdigung vorgelegten Materials und nicht das Resultat eigener Erkenntnis. Im Übrigen wurde seine Wertung von ihm auch nicht im Ansatz begründet.

Auch die Bescheinigung der Graveur- und Ziseleur-Innung Berlin vom 29. Mai 1997 und 2. Mai 1998, wonach die von dem Kläger ausgeführten Arbeiten dem Anspruch an bildende Kunst entsprächen, führt zu keinem anderen Ergebnis. Zutreffend hat bereits das Sozialgericht in seiner Entscheidung darauf hingewiesen, dass es sich um eine Institution handelt, die das Handwerk vertritt, aber nicht Künstlerkreise repräsentiert. Mithin vermochte die Innung über den Grad der Anerkennung in einschlägigen Kreisen als Künstler keine Aussage zu treffen. Ebenso erschöpft sich das „Gutachten“ des Bildhauers Prof. B. vom April 1998 in einer subjektiven Bewertung des künstlerischen Gehaltes wie auch die Schreiben des Tier- und Jagdmalers Dr. J vom 14. April 1998 und des Al vom 6. April 1998 sowie der L vom 30. Juni 1998. Sofern insgesamt die große Wertschätzung gegenüber dem Kläger und seinen Arbeiten zum Ausdruck gebracht wird und auch hervorgehoben wird, dass in Sammlerkreisen die Werke des Klägers bekannt seien (Schreiben des A vom 6. April 1998, Schreiben des Redaktionsmitglieds M von der Zeitschrift Visier vom 3. März 1998) vermag dies nicht einer Anerkennung in Künstlerkreisen zu begründen (vgl. BSG SozR 3-5425 § 2 Nr. 5, S. 17). Die Anerkennung in Künstlerkreisen wird zudem nicht durch das Schreiben des Berufsverbandes Bildender Künstler Berlin e.V. - ohne Datum - nachgewiesen. Ausweislich der Bestätigung stellte der Kläger lediglich einige von ihm gefertigte Arbeiten dem Verband vor und ließ diese künstlerisch bewerten. Dass der Berufsverband Bildende Künstler Berlin e.V. den Kläger als bildenden Künstler ansieht, sagt nichts über seine Anerkennung in Künstlerkreisen aus. Denn in dem Schreiben heißt es hierzu weiter wörtlich: „Die Tatsache, dass künstlerisch gestaltete Messer zur Zeit in Deutschland und Europa nur ein spezifisch begrenztes Publikum und Käufer haben, können wir nicht als Einschränkung Ihrer Künstlerschaft ansehen, da z.B. in den USA ein entsprechender Markt für künstlerisch gestaltete Messer existiert und Kunst international modernerweise im Sinne von global anzusehen ist.“ Eine Anerkennung in Künstlerkreisen ist hieraus gerade nicht zu entnehmen.

Die Werke des Klägers sind auch nicht in Kunstzeitschriften bzw. Kunstkatalogen veröffentlicht worden. Eine Veröffentlichung hat bisher lediglich in Fachzeitschriften stattgefunden, die insbesondere von Waffen- und Messerinteressierten gelesen werden (z.B. Knives 1997/1998, Visier - Ausgaben 1997/1998).

Eine andere Beurteilung ergibt sich schließlich nicht daraus, dass das Finanzamt L die Gravurarbeiten des Klägers als freiberuflich künstlerische Tätigkeit im Sinne des § 18 Einkommensteuergesetz bewertet (Schreiben des Finanzamtes vom 1. April 1999). Denn die finanzgerichtliche Rechtsprechung stellt zur Abgrenzung von Kunst und Gewerbe darauf ab, ob die Arbeiten „nach ihrem Gesamtbild eigenschöpferisch“ sind und eine bestimmte Gestaltungshöhe erreichen (vgl. BFHE 121, 410). Diese Wertung wird aber für das Gebiet des KSVG nicht vollständig übernommen, sondern es bleibt dabei, dass maßgeblich auch der Grad der Anerkennung in einschlägigen fachkundigen Kreisen als Künstler ist (BSG SozR 3-5425 § 2 Nr. 8, S. 31). Dies ist vorliegend bei dem Kläger nicht der Fall.

Nach alledem war die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

Die Revision ist nicht zugelassen worden, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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