Land
Bundesrepublik Deutschland
Sozialgericht
Bundessozialgericht
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
7
1. Instanz
SG Mainz (RPF)
Aktenzeichen
S 7 Ar 348/98
Datum
2. Instanz
LSG Rheinland-Pfalz
Aktenzeichen
L 1 AL 57/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 7 AL 92/02 R
Datum
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Zur Frage wann Gesundheitsstörungen und psychischer Druck einen wichtigen Grund für die Lösung eines Beschäftigungsverhältnisses durch den Arbeitnehmer darstellen.
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 28. März 2002 aufgehoben, soweit darin die Berufung gegen das Urteil des SG Mainz vom 12. Oktober 2000 zurückgewiesen worden ist, und die Sache insoweit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Gründe:
I
Im Streit ist (noch) die Zahlung von Arbeitslosengeld (Alg) für die Zeit vom 1. April bis 12. Mai 1998 (6-wöchige Sperrzeit) und die Minderung der Dauer des Alg-Anspruchs um die Tage der Sperrzeit.
Der 1952 geborene Kläger war vom 1. Juni 1993 bis 31. März 1998 bei der Raiffeisenbank D. in A. als Bankkaufmann beschäftigt; er war dort als Gruppenleiter für die Anlagenberatung und die Kassenführung zuständig. Seit 1996 kam es zu Spannungen zwischen ihm und seinem unmittelbaren Vorgesetzten und Vorstandsmitglied Herrn H. ; insgesamt wurde der Kläger zwischen Dezember 1996 und November 1997 drei Mal schriftlich abgemahnt. Wegen der Arbeitsweise des Klägers wurden außerdem mehrere Gespräche geführt, das letzte im September 1997, bei dem der Kläger von Herrn H. aufgefordert worden sein soll, sich bis Frühjahr 1998 eine neue Arbeitsstelle zu suchen. In der Zeit von November 1997 bis Februar 1998 bewarb sich der Kläger bei mehreren Unternehmen erfolglos. Am 12. Februar 1998 kündigte er sein Arbeitsverhältnis zum 31. März 1998.
Am 1. April 1998 meldete sich der Kläger beim Arbeitsamt arbeitslos und beantragte die Gewährung von Alg. Die Beklagte bewilligte dieses erst ab 24. Juni 1998, weil sie den Eintritt einer 12-wöchigen Sperrzeit (Regelsperrzeit) annahm; gleichzeitig verfügte sie wegen des Eintritts der Sperrzeit eine Minderung der Anspruchsdauer um 167 Tage (so genannter "Sperrzeitbescheid" vom 19. Mai 1998; Bescheid über die Bewilligung von Alg; Widerspruchsbescheid vom 26. November 1998).
Die Klage blieb beim Sozialgericht (SG) erfolglos (Urteil vom 12. Oktober 2000). Das Landessozialgericht (LSG) hat "das Urteil des SG aufgehoben und den Bescheid der Beklagten vom 19. Mai 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. November 1998 abgeändert" und "festgestellt, dass in der Zeit vom 1. April 1998 bis 12. Mai 1998 eine Sperrzeit eingetreten" sei, die Beklagte jedoch verurteilt, "dem Kläger Alg für die Zeit vom 13. Mai 1998 bis 23. Juni 1998 zu gewähren"; im Übrigen wurde die Berufung zurückgewiesen (Urteil vom 28. März 2002). Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG ausgeführt, nach § 144 Abs 1 Nr 1 Sozialgesetzbuch - Arbeitsförderung (SGB III) sei eine Sperrzeit eingetreten, weil der Kläger sein Beschäftigungsverhältnis gelöst und dadurch seine Arbeitslosigkeit vorsätzlich herbeigeführt habe, ohne hierfür einen wichtigen Grund zu haben. Ein wichtiger Grund sei nicht darin zu sehen, dass die vom Kläger geschilderten Spannungen mit seinem Vorgesetzten Herrn H. bei ihm zu Befindlichkeitsstörungen und gesundheitlichen Problemen geführt hätten. Zwar habe der Kläger glaubhaft angegeben, an Magenbeschwerden, Depressionen und Schlafproblemen gelitten zu haben; jedoch hätten diese Beschwerden zum Zeitpunkt der Kündigung noch kein solches Ausmaß erreicht, dass dem Kläger unter Zugrundelegung objektiver Maßstäbe die Aufrechterhaltung des Beschäftigungsverhältnisses nicht mehr möglich gewesen sei. Der Kläger habe sich wegen der von ihm angegebenen Beeinträchtigungen zu keinem Zeitpunkt in ärztliche Behandlung gegeben. Es könne auch nicht davon ausgegangen werden, dass der Kläger vor seiner Kündigung über einen längeren Zeitraum hinweg durch Herrn H. massiv in seinem Persönlichkeitsrecht verletzt worden sei. Entscheidend sei, dass nicht grundlos und willkürlich abgemahnt worden sei, sondern dass es sich bei den den Abmahnungen zu Grunde liegenden Sachverhalten um objektive Fehlverstöße gehandelt habe. Der Kläger könne auch nicht damit gehört werden, er sei einer bevorstehenden Arbeitgeberkündigung zuvorgekommen. Ein wichtiger Grund könne insoweit nur angenommen werden, wenn dem Kläger eine rechtmäßige Kündigung aus einem von seinem Verhalten unabhängigen Grund zu dem Zeitpunkt gedroht hätte, zu dem er selbst das Arbeitsverhältnis gelöst habe. Eine Kündigung des Arbeitgebers habe jedoch zum 31. März 1998 nicht angestanden. Allerdings führten besondere Umstände zu einer Minderung der Sperrzeit wegen besonderer Härte auf sechs Wochen (§ 144 Abs 3 Satz 1 SGB III). Der Kläger sei im Vergleich zu seinen Kollegen größeren, nicht gerechtfertigten Kontrollen seines Vorgesetzten ausgesetzt gewesen. Die zunehmenden Spannungen hätten sich negativ auf seine Arbeitsleistung und sein Wohlbefinden ausgewirkt. Das Vertrauensverhältnis zwischen dem Kläger und seinem Vorgesetzten sei durch die permanente Kontrolle und die auch unberechtigten, häufigen Vorwürfe, die nicht Gegenstand der Abmahnung gewesen seien, nachhaltig gestört gewesen.
Mit der Revision rügt der Kläger eine Verletzung des § 144 SGB III. Das LSG habe zu Unrecht einen wichtigen Grund für die Lösung des Beschäftigungsverhältnisses abgelehnt. Ein wichtiger Grund sei bereits darin zu sehen, dass er an Magenbeschwerden, Depressionen und Schlafproblemen gelitten habe. Ob die Gesundheitsbeeinträchtigungen wesentlich und nachhaltig gewesen seien, sei nicht entscheidend. Ein wichtiger Grund für die Lösung des Beschäftigungsverhältnisses bestehe auch darin, dass er (der Kläger) zielgerichtet gemobbt und damit in seinem Persönlichkeitsrecht massiv verletzt worden sei. Im Übrigen sei nach den eigenen Ausführungen des LSG das Vertrauensverhältnis zwischen ihm und Herrn H. durch die permanente Kontrolle und die unberechtigten Vorwürfe nachhaltig gestört gewesen. Der Kläger rügt im Übrigen einen Verstoß gegen § 128 Sozialgerichtsgesetz (SGG) (fehlerhafte Beweiswürdigung) und § 103 SGG (Amtsermittlungspflicht) und § 62 SGG (rechtliches Gehör).
Der Kläger beantragt sinngemäß,
das Urteil des LSG, soweit es die Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil des SG zurückgewiesen hat, und den Bescheid der Beklagten vom 19. Mai 1998 sowie den Bewilligungsbescheid vom Mai 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26. November 1998 und des Bewilligungsbescheids vom 12. Dezember 2002 abzuändern, das Urteil des SG insgesamt aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm (dem Kläger) Alg für die Zeit vom 1. April bis 12. Mai 1998 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie ist der Ansicht, das LSG habe zu Recht auf den Eintritt einer Sperrzeit erkannt. Ein Verstoß gegen Verfahrensvorschriften sei nicht ersichtlich.
Nach der Entscheidung durch das LSG hat die Beklagte in Ausführung des LSG-Urteils dem Kläger Alg für die Zeit vom 13. Mai bis 23. Juni 1998 bewilligt und gezahlt (Bescheid vom 12. Dezember 2002).
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Urteil einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 SGG).
II
Die Revision des Klägers ist iS der Teilaufhebung der Entscheidung des LSG und der Zurückverweisung der Sache an das LSG begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG). Es fehlen ausreichende Feststellungen des LSG zur Beurteilung, ob der Kläger für die Lösung seines Beschäftigungsverhältnisses einen wichtigen Grund hatte. Insoweit kann dahinstehen, ob die vom Kläger gerügten Verfahrensfehler vorliegen.
Gegenstand des Revisionsverfahrens ist der Bescheid der Beklagten vom 19. Mai 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26. November 1998 und des Änderungsbescheids vom 12. September 2002, mit dem die Beklagte jedoch nicht allein über den Eintritt einer Sperrzeit befunden, sondern - zumindest auch - die Gewährung von Alg für die Sperrzeit abgelehnt hat (stRspr; vgl nur BSGE 84, 270, 271 mwN = SozR 3-4100 § 119 Nr 19). Gegenstand des Rechtsstreits ist außerdem der Bescheid der Beklagten vom Mai 1998 über die Bewilligung von Alg erst nach Ablauf der Sperrzeit und damit über die Ablehnung der Alg-Zahlung für die Sperrzeit, dieser allerdings wiederum in der Fassung des Änderungsbescheids vom 12. September 2002, mit dem die Beklagte nachträglich für die Zeit vom 13. Mai 1998 bis 23. Juni 1998 Alg bewilligt, also dem Begehren des Klägers teilweise entsprochen hat. Das LSG wird den Bescheid über die Bewilligung von Alg in seine erneute Entscheidung mit einzubeziehen haben, weil dieser Bescheid, soweit er Alg für die Sperrzeit ablehnt, mit dem so genannten Sperrzeitbescheid eine Einheit darstellt (BSG aaO). Dass die Nichtberücksichtigung dieses Bescheides durch das LSG im Revisionsverfahren nicht als Verfahrensfehler gerügt worden ist, ist für das Revisionsverfahren schon deshalb ohne Bedeutung, weil das LSG den Bewilligungsbescheid nach der Zurückverweisung der Sache zu beachten hat (BSG aaO). Gegenstand des Revisionsverfahrens ist aber auch die im so genannten Sperrzeitbescheid enthaltene Verfügung über die Minderung der Anspruchsdauer (vgl dazu nur BSG SozR 3-4100 § 119 Nr 22 S 107), über die das LSG bei seiner Entscheidung nicht befunden hat, allerdings hätte befinden müssen; ob der Kläger durch diese Minderung der Anspruchsdauer noch beschwert ist, steht allerdings nicht fest. Das LSG wird dies bei seiner erneuten Entscheidung zu prüfen und ggf bei der Tenorierung zu berücksichtigen haben. Bei seiner erneuten Entscheidung wird das LSG auch zu berücksichtigen haben, dass der Entscheidungstenor nicht die Feststellung über den Eintritt einer Sperrzeit zu enthalten hat.
Das Begehren des Klägers beurteilt sich nach § 144 Abs 1 Nr 1 SGB III (hier in der ursprünglichen Fassung, die die Norm durch das Gesetz zur Reform der Arbeitsförderung vom 24. März 1997 - BGBl I 594 - erhalten hat). Danach tritt eine Sperrzeit ein, wenn der Arbeitslose das Beschäftigungsverhältnis gelöst und dadurch vorsätzlich oder grob fahrlässig die Arbeitslosigkeit herbeigeführt hat (Sperrzeit wegen Arbeitsaufgabe), ohne für sein Verhalten einen wichtigen Grund zu haben. Ob die Voraussetzungen für eine Verkürzung der 12-wöchigen Regelsperrzeit gemäß § 144 Abs 3 Satz 1 SGB III auf sechs Wochen gegeben sind, bedarf keiner Entscheidung, weil das Urteil des LSG insoweit rechtskräftig geworden ist. Vorliegend stellt sich deshalb nur die Frage, ob der Kläger für die Lösung seines Beschäftigungsverhältnisses und die dadurch von ihm - nach den Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) - vorsätzlich herbeigeführte Arbeitslosigkeit einen wichtigen Grund anführen kann.
Ob ein wichtiger Grund vorliegt, lässt sich jedoch anhand der bisherigen Feststellung des LSG nicht abschließend beurteilen. Dies ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck der Sperrzeitregelung zu beurteilen. Sie soll die Solidargemeinschaft vor der Inanspruchnahme durch Leistungsberechtigte schützen, die den Eintritt des versicherten Risikos der Arbeitslosigkeit selbst herbeiführen oder zu vertreten haben; eine Sperrzeit soll nur eintreten, wenn einem Arbeitnehmer unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung seiner Interessen und der Interessen der Versichertengemeinschaft ein anderes Verhalten zugemutet werden kann (vgl nur BSG SozR 3-4300 § 144 Nr 12 S 34 mwN). Dabei muss der wichtige Grund nicht durch die Lösung des Beschäftigungsverhältnisses, sondern gerade auch den konkreten Zeitpunkt der Lösung decken (BSG aaO). Insoweit hat das LSG zwar ausgeführt, der Kläger habe fristgerecht gekündigt. Hierin liegt jedoch keine tatsächliche Feststellung; es ist nicht ersichtlich, welche Kündigungsfrist galt, insbesondere nicht, ob eine längere Kündigungsfrist als die gesetzliche (§ 622 Abs 1 Bürgerliches Gesetzbuch) vereinbart war. Sollte jedoch die Kündigung ohne Einhaltung der Kündigungsfrist erfolgt sein, könnte sich die Frage nach dem wichtigen Grund für eine Lösung des Beschäftigungsverhältnisses gerade zu diesem Zeitpunkt in besonderer Weise stellen.
Ein wichtiger Grund kann vorliegend jedenfalls nicht allein darin gesehen werden, dass eine Kündigung des Arbeitgebers bevorstand. Hierzu hat der Senat im Anschluss an Entscheidungen des 11. Senats bereits ausgeführt, dass ein Arbeitnehmer dem Ausspruch einer drohenden Kündigung des Arbeitgebers nicht ohne weiteres zuvorkommen darf; grundsätzlich ist dem Arbeitnehmer im Interesse der Versichertengemeinschaft zuzumuten, die Kündigung abzuwarten, sofern nicht besondere Umstände vorliegen (BSG SozR 3-4100 § 144 Nr 12 S 34).
Ein wichtiger Grund für die Lösung des Beschäftigungsverhältnisses könnte darin zu sehen sein, dass der Kläger nach den insoweit den Senat bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) glaubhaft angegeben hat, an Magenbeschwerden, Depressionen und Schlafstörungen zu leiden, ohne dass festgestellt wäre, welches Ausmaß diese Beschwerden erreicht haben. Es lässt sich deshalb nicht beurteilen, ob bereits ein Krankheitszustand iS der Rechtsprechung vorlag, ob also ein regelwidriger Körper- und/oder Geisteszustand zu bejahen war, der vom Leitbild des gesunden Menschen so abwich, dass der Kläger zur Ausübung der normalen psychischen/physischen Funktionen nicht mehr in der Lage war (BSGE 66, 248, 249 = SozR 3-2200 § 182 Nr 2). Dass sich der Kläger nicht in ärztliche Behandlung begeben hat, steht der Annahme einer Krankheit nicht von vornherein entgegen. Immerhin hat das LSG - wiederum für den Senat bindend (§ 163 SGG) - festgestellt, Befindlichkeitsstörungen und gesundheitliche Probleme des Klägers seien auf die Spannungen mit seinem Vorgesetzten Herrn H. zurückzuführen gewesen. Es kann einem Arbeitnehmer grundsätzlich nicht zugemutet werden, auf Kosten seiner Gesundheit eine Arbeit zu verrichten. Wenn dies jedoch so ist und bereits eine Krankheit vorlag bzw unmittelbar bevorstand, konnte dem Kläger eine Weiterarbeit nur dann zugemutet werden, wenn trotz fortbestehender Spannungen diese Krankheit kurzfristig mit Erfolg behandelbar oder deren Eintritt zu verhindern war.
Die Feststellungen des LSG reichen ebenso wenig aus für die Entscheidung darüber, ob dem Kläger wegen Ausübung psychischen Drucks (Mobbings) die Beschäftigung nicht mehr zumutbar war (vgl zu dieser Problematik ansatzweise Senatsurteil vom 25. April 1990 - 7 RAr 16/89 -, DBlR Nr 3649 zu § 119 Arbeitsförderungsgesetz (AFG)). Hier wäre ua von Bedeutung, ob die dem Kläger gegenüber ausgesprochenen Abmahnungen rechtmäßig waren. Dies hat das LSG zwar behauptet, ohne jedoch die näheren Umstände festzustellen bzw mitzuteilen, die eine entsprechende rechtliche Nachprüfung ermöglichen würden. Nur unrechtmäßiges oder nicht sozialadäquates (dazu später) Verhalten des Vorgesetzten kann einen wichtigen Grund für eine Beschäftigungsaufgabe darstellen. Nichts anderes gilt für die Aussage des LSG, der Kläger sei über einen längeren Zeitraum hinweg im Vergleich zu seinen Kollegen größeren, nicht gerechtfertigten Kontrollen und unberechtigten, häufigen Vorwürfen ausgesetzt gewesen. Diese Ausführungen sind zu unspezifiziert, um beurteilen zu können, ob der auf den Kläger ausgeübte psychische Druck dergestalt war, dass ihm eine Weiterbeschäftigung nicht mehr zumutbar war, bzw ob das Vertrauensverhältnis derart gestört war, dass keine zumutbare gemeinsame Basis für eine weitere Zusammenarbeit mehr vorlag (vgl zu dieser Voraussetzung BSG, Urteil vom 23. März 1995 - 11 RAr 39/94 -, unveröffentlicht).
Berechtigte, angemessene Kritik und Kontrollen hat ein Arbeitnehmer zu akzeptieren. Sie rechtfertigen nicht die Aufgabe eines Beschäftigungsverhältnisses zu Lasten der Solidargemeinschaft. Unangemessen in diesem Sinne ist es, einzelne Arbeitnehmer aus der Betriebsgemeinschaft auszugrenzen, geringschätzig zu behandeln, von einer Kommunikation auszuschließen, zu beleidigen oder zu diskriminieren (Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, 10. Aufl 2002, § 108 RdNr 57 zum Begriff des Mobbings; vgl auch Däubler, BB 1995, 1347). Selbst wenn bei den einzelnen Maßnahmen rechtliche Grenzen nicht überschritten werden, kann durch eine Vielzahl von "Nadelstichen" der Rahmen der Sozialadäquanz verlassen werden (vgl: Gralka, BB 1995, 2651, 2654; Rieble/Klumpp, ZIP 2002, 369, 373) und dadurch eine dem Arbeitnehmer nicht mehr zumutbare Situation geschaffen werden. Das LSG wird im Hinblick hierauf die Gesamtumstände genau zu würdigen und zu prüfen haben, ob das Persönlichkeitsrecht des Klägers nicht über einen längeren Zeitraum verletzt worden ist (vgl Rieble/Klumpp, ZIP 2002, 369, 371 ff). Es wird ggf auch zu berücksichtigen haben, ob der Kläger vor der Kündigung einen Versuch zur Beseitigung der ihn belastenden Umstände unternommen hat bzw ob ihm ein solcher Versuch unzumutbar war (Senatsurteil vom 6. Februar 2003 - B 7 AL 72/01 R -, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen).
Sollte das LSG bei seiner erneuten Entscheidung zur Erkenntnis gelangen, dass ein wichtiger Grund für die Lösung des Beschäftigungsverhältnisses vorlag, wird es zu prüfen haben, ob sich der Kläger hierauf auch berufen kann, ob er sich insbesondere hinreichend um eine Anschlussbeschäftigung bemüht hat (vgl zu dieser Problematik BSG SozR 3-4300 § 144 Nr 12 S 37f). Dabei wird das LSG zu beachten haben, dass nach der Rechtsprechung des Senats eine solcher Vorwurf dann jedenfalls nicht gerechtfertigt ist, wenn der Arbeitnehmer nicht mindestens grob fahrlässig gehandelt hat (Senatsurteil vom 27. Mai 2003 - B 7 AL 4/02 R -, zur Veröffentlichung vorgesehen). Der Grad der Fahrlässigkeit ist nach der Rechtsprechung des BSG vorrangig von den Tatsachengerichten zu beurteilen (BSG aaO).
Das LSG wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu befinden haben.
Gründe:
I
Im Streit ist (noch) die Zahlung von Arbeitslosengeld (Alg) für die Zeit vom 1. April bis 12. Mai 1998 (6-wöchige Sperrzeit) und die Minderung der Dauer des Alg-Anspruchs um die Tage der Sperrzeit.
Der 1952 geborene Kläger war vom 1. Juni 1993 bis 31. März 1998 bei der Raiffeisenbank D. in A. als Bankkaufmann beschäftigt; er war dort als Gruppenleiter für die Anlagenberatung und die Kassenführung zuständig. Seit 1996 kam es zu Spannungen zwischen ihm und seinem unmittelbaren Vorgesetzten und Vorstandsmitglied Herrn H. ; insgesamt wurde der Kläger zwischen Dezember 1996 und November 1997 drei Mal schriftlich abgemahnt. Wegen der Arbeitsweise des Klägers wurden außerdem mehrere Gespräche geführt, das letzte im September 1997, bei dem der Kläger von Herrn H. aufgefordert worden sein soll, sich bis Frühjahr 1998 eine neue Arbeitsstelle zu suchen. In der Zeit von November 1997 bis Februar 1998 bewarb sich der Kläger bei mehreren Unternehmen erfolglos. Am 12. Februar 1998 kündigte er sein Arbeitsverhältnis zum 31. März 1998.
Am 1. April 1998 meldete sich der Kläger beim Arbeitsamt arbeitslos und beantragte die Gewährung von Alg. Die Beklagte bewilligte dieses erst ab 24. Juni 1998, weil sie den Eintritt einer 12-wöchigen Sperrzeit (Regelsperrzeit) annahm; gleichzeitig verfügte sie wegen des Eintritts der Sperrzeit eine Minderung der Anspruchsdauer um 167 Tage (so genannter "Sperrzeitbescheid" vom 19. Mai 1998; Bescheid über die Bewilligung von Alg; Widerspruchsbescheid vom 26. November 1998).
Die Klage blieb beim Sozialgericht (SG) erfolglos (Urteil vom 12. Oktober 2000). Das Landessozialgericht (LSG) hat "das Urteil des SG aufgehoben und den Bescheid der Beklagten vom 19. Mai 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. November 1998 abgeändert" und "festgestellt, dass in der Zeit vom 1. April 1998 bis 12. Mai 1998 eine Sperrzeit eingetreten" sei, die Beklagte jedoch verurteilt, "dem Kläger Alg für die Zeit vom 13. Mai 1998 bis 23. Juni 1998 zu gewähren"; im Übrigen wurde die Berufung zurückgewiesen (Urteil vom 28. März 2002). Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG ausgeführt, nach § 144 Abs 1 Nr 1 Sozialgesetzbuch - Arbeitsförderung (SGB III) sei eine Sperrzeit eingetreten, weil der Kläger sein Beschäftigungsverhältnis gelöst und dadurch seine Arbeitslosigkeit vorsätzlich herbeigeführt habe, ohne hierfür einen wichtigen Grund zu haben. Ein wichtiger Grund sei nicht darin zu sehen, dass die vom Kläger geschilderten Spannungen mit seinem Vorgesetzten Herrn H. bei ihm zu Befindlichkeitsstörungen und gesundheitlichen Problemen geführt hätten. Zwar habe der Kläger glaubhaft angegeben, an Magenbeschwerden, Depressionen und Schlafproblemen gelitten zu haben; jedoch hätten diese Beschwerden zum Zeitpunkt der Kündigung noch kein solches Ausmaß erreicht, dass dem Kläger unter Zugrundelegung objektiver Maßstäbe die Aufrechterhaltung des Beschäftigungsverhältnisses nicht mehr möglich gewesen sei. Der Kläger habe sich wegen der von ihm angegebenen Beeinträchtigungen zu keinem Zeitpunkt in ärztliche Behandlung gegeben. Es könne auch nicht davon ausgegangen werden, dass der Kläger vor seiner Kündigung über einen längeren Zeitraum hinweg durch Herrn H. massiv in seinem Persönlichkeitsrecht verletzt worden sei. Entscheidend sei, dass nicht grundlos und willkürlich abgemahnt worden sei, sondern dass es sich bei den den Abmahnungen zu Grunde liegenden Sachverhalten um objektive Fehlverstöße gehandelt habe. Der Kläger könne auch nicht damit gehört werden, er sei einer bevorstehenden Arbeitgeberkündigung zuvorgekommen. Ein wichtiger Grund könne insoweit nur angenommen werden, wenn dem Kläger eine rechtmäßige Kündigung aus einem von seinem Verhalten unabhängigen Grund zu dem Zeitpunkt gedroht hätte, zu dem er selbst das Arbeitsverhältnis gelöst habe. Eine Kündigung des Arbeitgebers habe jedoch zum 31. März 1998 nicht angestanden. Allerdings führten besondere Umstände zu einer Minderung der Sperrzeit wegen besonderer Härte auf sechs Wochen (§ 144 Abs 3 Satz 1 SGB III). Der Kläger sei im Vergleich zu seinen Kollegen größeren, nicht gerechtfertigten Kontrollen seines Vorgesetzten ausgesetzt gewesen. Die zunehmenden Spannungen hätten sich negativ auf seine Arbeitsleistung und sein Wohlbefinden ausgewirkt. Das Vertrauensverhältnis zwischen dem Kläger und seinem Vorgesetzten sei durch die permanente Kontrolle und die auch unberechtigten, häufigen Vorwürfe, die nicht Gegenstand der Abmahnung gewesen seien, nachhaltig gestört gewesen.
Mit der Revision rügt der Kläger eine Verletzung des § 144 SGB III. Das LSG habe zu Unrecht einen wichtigen Grund für die Lösung des Beschäftigungsverhältnisses abgelehnt. Ein wichtiger Grund sei bereits darin zu sehen, dass er an Magenbeschwerden, Depressionen und Schlafproblemen gelitten habe. Ob die Gesundheitsbeeinträchtigungen wesentlich und nachhaltig gewesen seien, sei nicht entscheidend. Ein wichtiger Grund für die Lösung des Beschäftigungsverhältnisses bestehe auch darin, dass er (der Kläger) zielgerichtet gemobbt und damit in seinem Persönlichkeitsrecht massiv verletzt worden sei. Im Übrigen sei nach den eigenen Ausführungen des LSG das Vertrauensverhältnis zwischen ihm und Herrn H. durch die permanente Kontrolle und die unberechtigten Vorwürfe nachhaltig gestört gewesen. Der Kläger rügt im Übrigen einen Verstoß gegen § 128 Sozialgerichtsgesetz (SGG) (fehlerhafte Beweiswürdigung) und § 103 SGG (Amtsermittlungspflicht) und § 62 SGG (rechtliches Gehör).
Der Kläger beantragt sinngemäß,
das Urteil des LSG, soweit es die Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil des SG zurückgewiesen hat, und den Bescheid der Beklagten vom 19. Mai 1998 sowie den Bewilligungsbescheid vom Mai 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26. November 1998 und des Bewilligungsbescheids vom 12. Dezember 2002 abzuändern, das Urteil des SG insgesamt aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm (dem Kläger) Alg für die Zeit vom 1. April bis 12. Mai 1998 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie ist der Ansicht, das LSG habe zu Recht auf den Eintritt einer Sperrzeit erkannt. Ein Verstoß gegen Verfahrensvorschriften sei nicht ersichtlich.
Nach der Entscheidung durch das LSG hat die Beklagte in Ausführung des LSG-Urteils dem Kläger Alg für die Zeit vom 13. Mai bis 23. Juni 1998 bewilligt und gezahlt (Bescheid vom 12. Dezember 2002).
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Urteil einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 SGG).
II
Die Revision des Klägers ist iS der Teilaufhebung der Entscheidung des LSG und der Zurückverweisung der Sache an das LSG begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG). Es fehlen ausreichende Feststellungen des LSG zur Beurteilung, ob der Kläger für die Lösung seines Beschäftigungsverhältnisses einen wichtigen Grund hatte. Insoweit kann dahinstehen, ob die vom Kläger gerügten Verfahrensfehler vorliegen.
Gegenstand des Revisionsverfahrens ist der Bescheid der Beklagten vom 19. Mai 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26. November 1998 und des Änderungsbescheids vom 12. September 2002, mit dem die Beklagte jedoch nicht allein über den Eintritt einer Sperrzeit befunden, sondern - zumindest auch - die Gewährung von Alg für die Sperrzeit abgelehnt hat (stRspr; vgl nur BSGE 84, 270, 271 mwN = SozR 3-4100 § 119 Nr 19). Gegenstand des Rechtsstreits ist außerdem der Bescheid der Beklagten vom Mai 1998 über die Bewilligung von Alg erst nach Ablauf der Sperrzeit und damit über die Ablehnung der Alg-Zahlung für die Sperrzeit, dieser allerdings wiederum in der Fassung des Änderungsbescheids vom 12. September 2002, mit dem die Beklagte nachträglich für die Zeit vom 13. Mai 1998 bis 23. Juni 1998 Alg bewilligt, also dem Begehren des Klägers teilweise entsprochen hat. Das LSG wird den Bescheid über die Bewilligung von Alg in seine erneute Entscheidung mit einzubeziehen haben, weil dieser Bescheid, soweit er Alg für die Sperrzeit ablehnt, mit dem so genannten Sperrzeitbescheid eine Einheit darstellt (BSG aaO). Dass die Nichtberücksichtigung dieses Bescheides durch das LSG im Revisionsverfahren nicht als Verfahrensfehler gerügt worden ist, ist für das Revisionsverfahren schon deshalb ohne Bedeutung, weil das LSG den Bewilligungsbescheid nach der Zurückverweisung der Sache zu beachten hat (BSG aaO). Gegenstand des Revisionsverfahrens ist aber auch die im so genannten Sperrzeitbescheid enthaltene Verfügung über die Minderung der Anspruchsdauer (vgl dazu nur BSG SozR 3-4100 § 119 Nr 22 S 107), über die das LSG bei seiner Entscheidung nicht befunden hat, allerdings hätte befinden müssen; ob der Kläger durch diese Minderung der Anspruchsdauer noch beschwert ist, steht allerdings nicht fest. Das LSG wird dies bei seiner erneuten Entscheidung zu prüfen und ggf bei der Tenorierung zu berücksichtigen haben. Bei seiner erneuten Entscheidung wird das LSG auch zu berücksichtigen haben, dass der Entscheidungstenor nicht die Feststellung über den Eintritt einer Sperrzeit zu enthalten hat.
Das Begehren des Klägers beurteilt sich nach § 144 Abs 1 Nr 1 SGB III (hier in der ursprünglichen Fassung, die die Norm durch das Gesetz zur Reform der Arbeitsförderung vom 24. März 1997 - BGBl I 594 - erhalten hat). Danach tritt eine Sperrzeit ein, wenn der Arbeitslose das Beschäftigungsverhältnis gelöst und dadurch vorsätzlich oder grob fahrlässig die Arbeitslosigkeit herbeigeführt hat (Sperrzeit wegen Arbeitsaufgabe), ohne für sein Verhalten einen wichtigen Grund zu haben. Ob die Voraussetzungen für eine Verkürzung der 12-wöchigen Regelsperrzeit gemäß § 144 Abs 3 Satz 1 SGB III auf sechs Wochen gegeben sind, bedarf keiner Entscheidung, weil das Urteil des LSG insoweit rechtskräftig geworden ist. Vorliegend stellt sich deshalb nur die Frage, ob der Kläger für die Lösung seines Beschäftigungsverhältnisses und die dadurch von ihm - nach den Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) - vorsätzlich herbeigeführte Arbeitslosigkeit einen wichtigen Grund anführen kann.
Ob ein wichtiger Grund vorliegt, lässt sich jedoch anhand der bisherigen Feststellung des LSG nicht abschließend beurteilen. Dies ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck der Sperrzeitregelung zu beurteilen. Sie soll die Solidargemeinschaft vor der Inanspruchnahme durch Leistungsberechtigte schützen, die den Eintritt des versicherten Risikos der Arbeitslosigkeit selbst herbeiführen oder zu vertreten haben; eine Sperrzeit soll nur eintreten, wenn einem Arbeitnehmer unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung seiner Interessen und der Interessen der Versichertengemeinschaft ein anderes Verhalten zugemutet werden kann (vgl nur BSG SozR 3-4300 § 144 Nr 12 S 34 mwN). Dabei muss der wichtige Grund nicht durch die Lösung des Beschäftigungsverhältnisses, sondern gerade auch den konkreten Zeitpunkt der Lösung decken (BSG aaO). Insoweit hat das LSG zwar ausgeführt, der Kläger habe fristgerecht gekündigt. Hierin liegt jedoch keine tatsächliche Feststellung; es ist nicht ersichtlich, welche Kündigungsfrist galt, insbesondere nicht, ob eine längere Kündigungsfrist als die gesetzliche (§ 622 Abs 1 Bürgerliches Gesetzbuch) vereinbart war. Sollte jedoch die Kündigung ohne Einhaltung der Kündigungsfrist erfolgt sein, könnte sich die Frage nach dem wichtigen Grund für eine Lösung des Beschäftigungsverhältnisses gerade zu diesem Zeitpunkt in besonderer Weise stellen.
Ein wichtiger Grund kann vorliegend jedenfalls nicht allein darin gesehen werden, dass eine Kündigung des Arbeitgebers bevorstand. Hierzu hat der Senat im Anschluss an Entscheidungen des 11. Senats bereits ausgeführt, dass ein Arbeitnehmer dem Ausspruch einer drohenden Kündigung des Arbeitgebers nicht ohne weiteres zuvorkommen darf; grundsätzlich ist dem Arbeitnehmer im Interesse der Versichertengemeinschaft zuzumuten, die Kündigung abzuwarten, sofern nicht besondere Umstände vorliegen (BSG SozR 3-4100 § 144 Nr 12 S 34).
Ein wichtiger Grund für die Lösung des Beschäftigungsverhältnisses könnte darin zu sehen sein, dass der Kläger nach den insoweit den Senat bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) glaubhaft angegeben hat, an Magenbeschwerden, Depressionen und Schlafstörungen zu leiden, ohne dass festgestellt wäre, welches Ausmaß diese Beschwerden erreicht haben. Es lässt sich deshalb nicht beurteilen, ob bereits ein Krankheitszustand iS der Rechtsprechung vorlag, ob also ein regelwidriger Körper- und/oder Geisteszustand zu bejahen war, der vom Leitbild des gesunden Menschen so abwich, dass der Kläger zur Ausübung der normalen psychischen/physischen Funktionen nicht mehr in der Lage war (BSGE 66, 248, 249 = SozR 3-2200 § 182 Nr 2). Dass sich der Kläger nicht in ärztliche Behandlung begeben hat, steht der Annahme einer Krankheit nicht von vornherein entgegen. Immerhin hat das LSG - wiederum für den Senat bindend (§ 163 SGG) - festgestellt, Befindlichkeitsstörungen und gesundheitliche Probleme des Klägers seien auf die Spannungen mit seinem Vorgesetzten Herrn H. zurückzuführen gewesen. Es kann einem Arbeitnehmer grundsätzlich nicht zugemutet werden, auf Kosten seiner Gesundheit eine Arbeit zu verrichten. Wenn dies jedoch so ist und bereits eine Krankheit vorlag bzw unmittelbar bevorstand, konnte dem Kläger eine Weiterarbeit nur dann zugemutet werden, wenn trotz fortbestehender Spannungen diese Krankheit kurzfristig mit Erfolg behandelbar oder deren Eintritt zu verhindern war.
Die Feststellungen des LSG reichen ebenso wenig aus für die Entscheidung darüber, ob dem Kläger wegen Ausübung psychischen Drucks (Mobbings) die Beschäftigung nicht mehr zumutbar war (vgl zu dieser Problematik ansatzweise Senatsurteil vom 25. April 1990 - 7 RAr 16/89 -, DBlR Nr 3649 zu § 119 Arbeitsförderungsgesetz (AFG)). Hier wäre ua von Bedeutung, ob die dem Kläger gegenüber ausgesprochenen Abmahnungen rechtmäßig waren. Dies hat das LSG zwar behauptet, ohne jedoch die näheren Umstände festzustellen bzw mitzuteilen, die eine entsprechende rechtliche Nachprüfung ermöglichen würden. Nur unrechtmäßiges oder nicht sozialadäquates (dazu später) Verhalten des Vorgesetzten kann einen wichtigen Grund für eine Beschäftigungsaufgabe darstellen. Nichts anderes gilt für die Aussage des LSG, der Kläger sei über einen längeren Zeitraum hinweg im Vergleich zu seinen Kollegen größeren, nicht gerechtfertigten Kontrollen und unberechtigten, häufigen Vorwürfen ausgesetzt gewesen. Diese Ausführungen sind zu unspezifiziert, um beurteilen zu können, ob der auf den Kläger ausgeübte psychische Druck dergestalt war, dass ihm eine Weiterbeschäftigung nicht mehr zumutbar war, bzw ob das Vertrauensverhältnis derart gestört war, dass keine zumutbare gemeinsame Basis für eine weitere Zusammenarbeit mehr vorlag (vgl zu dieser Voraussetzung BSG, Urteil vom 23. März 1995 - 11 RAr 39/94 -, unveröffentlicht).
Berechtigte, angemessene Kritik und Kontrollen hat ein Arbeitnehmer zu akzeptieren. Sie rechtfertigen nicht die Aufgabe eines Beschäftigungsverhältnisses zu Lasten der Solidargemeinschaft. Unangemessen in diesem Sinne ist es, einzelne Arbeitnehmer aus der Betriebsgemeinschaft auszugrenzen, geringschätzig zu behandeln, von einer Kommunikation auszuschließen, zu beleidigen oder zu diskriminieren (Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, 10. Aufl 2002, § 108 RdNr 57 zum Begriff des Mobbings; vgl auch Däubler, BB 1995, 1347). Selbst wenn bei den einzelnen Maßnahmen rechtliche Grenzen nicht überschritten werden, kann durch eine Vielzahl von "Nadelstichen" der Rahmen der Sozialadäquanz verlassen werden (vgl: Gralka, BB 1995, 2651, 2654; Rieble/Klumpp, ZIP 2002, 369, 373) und dadurch eine dem Arbeitnehmer nicht mehr zumutbare Situation geschaffen werden. Das LSG wird im Hinblick hierauf die Gesamtumstände genau zu würdigen und zu prüfen haben, ob das Persönlichkeitsrecht des Klägers nicht über einen längeren Zeitraum verletzt worden ist (vgl Rieble/Klumpp, ZIP 2002, 369, 371 ff). Es wird ggf auch zu berücksichtigen haben, ob der Kläger vor der Kündigung einen Versuch zur Beseitigung der ihn belastenden Umstände unternommen hat bzw ob ihm ein solcher Versuch unzumutbar war (Senatsurteil vom 6. Februar 2003 - B 7 AL 72/01 R -, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen).
Sollte das LSG bei seiner erneuten Entscheidung zur Erkenntnis gelangen, dass ein wichtiger Grund für die Lösung des Beschäftigungsverhältnisses vorlag, wird es zu prüfen haben, ob sich der Kläger hierauf auch berufen kann, ob er sich insbesondere hinreichend um eine Anschlussbeschäftigung bemüht hat (vgl zu dieser Problematik BSG SozR 3-4300 § 144 Nr 12 S 37f). Dabei wird das LSG zu beachten haben, dass nach der Rechtsprechung des Senats eine solcher Vorwurf dann jedenfalls nicht gerechtfertigt ist, wenn der Arbeitnehmer nicht mindestens grob fahrlässig gehandelt hat (Senatsurteil vom 27. Mai 2003 - B 7 AL 4/02 R -, zur Veröffentlichung vorgesehen). Der Grad der Fahrlässigkeit ist nach der Rechtsprechung des BSG vorrangig von den Tatsachengerichten zu beurteilen (BSG aaO).
Das LSG wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu befinden haben.
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