L 11 KR 831/14

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 9 KR 2456/12
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 KR 831/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 21.01.2014 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Die Beklagte erstattet ein Drittel der außergerichtlichen Kosten der Klägerin im Klageverfahren, im Berufungsverfahren sind außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist noch streitig, ob die Beklagte der Klägerin im Wege der Krankenbehandlung (Krankenhausbehandlung) eine Oberschenkelstraffung zu gewähren hat.

Die 1975 geborene Klägerin ist bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert. Sie ist verheiratet und hat vier Kinder. Im Februar 2011 ließ sie eine Magenbypass-Operation durchführen, nachdem es bei Adipositas Grad III zu Stoffwechselentgleisungen gekommen war (Körpergewicht vor der Operation 105 kg, Körpergröße 158 cm, BMI 42). In der Folge nahm die Klägerin innerhalb weniger Monate ca 50 kg ab.

Am 19.01.2012 beantragte die Klägerin unter Vorlage verschiedener Befundunterlagen bei der Beklagten die Durchführung einer Bodylifting-Operation. Durch die Gewichtsabnahme seien am ganzen Körper sehr unangenehme überschüssige Hautlappen entstanden. Außerdem leide sie an Neurodermitis und Ekzemen sowie an schmerzhaften Entzündungen unter den herabhängenden Hautfalten. Hinzu komme, dass sie sich für ihr Aussehen schäme, sie fühle sich wie eine alte Frau. Ua legte die Klägerin Atteste des plastischen Chirurgen Dr. R. vom 23.12.2011 sowie des plastischen Chirurgen Dr. G. vom 16.12.2011 vor. Dr. R. beschrieb sowohl in der Unterbrustfalte als auch am Bauch Zeichen der chronischen Dermatose und sah bei massiver Erschlaffung der Haut eine medizinische Notwendigkeit für eine Bruststraffung, Bodylift und Oberschenkelstraffung. Dr. G. befürwortete ebenfalls operative Straffungen in drei Sitzungen im Rahmen eines jeweils fünftägigen stationären Aufenthalts im Hinblick auf eine vorliegende neurodermitische Erkrankung und rezidivierende Hautentzündungen. Aktuell zeige die Klägerin keine Entzündungszeichen, es würden jedoch rezidivierende Hautentzündungen berichtet, insbesondere bei warmer äußerer Witterung. Zusätzlich legte die Klägerin einen Bericht des Zentralinstituts für seelische Gesundheit Mannheim vom 04.01.2012 vor, in dem ausgeführt wurde, im Vordergrund stehe die depressive Störung, welche durch den starken Gewebsüberschuss am ganzen Körper ausgelöst und aufrechterhalten werde. Insbesondere aufgrund der Bauchschürze sei die Klägerin in ihrem sozialen Funktionsniveau eingeschränkt, es komme zu sozialem Rückzug und Schwierigkeiten mit Körperlichkeit und Sexualität.

Die Beklagte ließ ein sozialmedizinisches Gutachten durch Dr. R. vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK) erstellen. In dem Gutachten vom 08.02.2012 wurde ausgeführt, bei der Klägerin bestehe ein generalisierter Haut-Weichteilgewebsüberschuss nach Gewichtsreduktion an Gesäß, Flanken, medialen Oberschenkeln, Bauch und Brust, eine rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig leichte depressive Episode und ein Zustand nach nicht näher bezeichneter Essstörung. Aus der aussagefähigen Bilddokumentation des entkleideten Körpers lasse sich eine Erschlaffung der Bauchhaut, der Oberschenkelinnenseiten und eine beidseitige Ptosis mammae (Grad I bis II) erkennen. Funktionelle Einschränkungen könnten nicht festgestellt werden, es bestehe keine Erkrankung im Sinne der gesetzlichen Krankenversicherung, sondern ein Eingriff aus ästhetischen Gesichtspunkten. Die bekannte Neurodermitis sollte unter Berücksichtigung der hautfachärztlichen Vorgaben mit Salben behandelt werden. Mögliche psychische Beschwerden müssten vorrangig mit den Mitteln der Psychiatrie bzw der Psychotherapie behandelt werden, eine chirurgische Intervention scheide in diesem Zusammenhang aus.

Mit Bescheid vom 13.02.2012 lehnte die Beklagte die Durchführung der gewünschten "körperangleichenden Operation" im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung ab. Am 15.03.2012 erhob die Klägerin Widerspruch. Dr. G. führte in einer Stellungnahme vom 24.02.2012 aus, dass die nach Aktenlage vorgenommene Beurteilung des MDK der Situation der Klägerin nicht gerecht werde. Es werde nicht ausreichend berücksichtigt, dass es durch den Hautüberschuss zu einer rezidivierenden depressiven Störung gekommen sei. Dies beruhe auf der entstellenden Situation des Körpers und sei mittlerweile fixiert. Unter Berücksichtigung der Neurodermitis, die bei warmer Witterung ebenfalls zu dauerhaften Problemen führe, könne keineswegs nur von einer kosmetischen Indikation gesprochen werden. Zusätzlich legte die Klägerin eine Stellungnahme von Dr. S. (Schwerpunktpraxis Adipositas) vom 13.06.2012 vor, in der ebenfalls eine operative Hautstraffung mindestens im Bereich der Bauchdecke und der Oberschenkel befürwortet wurde.

Mit Widerspruchsbescheid vom 18.07.2012 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Die Durchführung der streitigen Operation scheitere schon daran, dass eine Krankheit im Sinne der gesetzlichen Krankenversicherung nicht vorliege. An den betroffenen Hautarealen sei eine dermatologische Behandlung möglich, sofern Hautirritationen auftreten sollten. Eine plastisch-chirurgische Maßnahme sei nicht erforderlich, messbare Funktionseinschränkungen seien nicht zu verzeichnen. Von einer schweren Entstellung der Klägerin könne nicht ausgegangen werden. Eine solche sei nur dann anzunehmen, wenn dem unbefangenen Beobachter nach kurzem Blick ein regelwidriger Körperzustand auffalle. Durch entsprechende Kleidung könne die von der Klägerin geschilderte Problematik kaschiert werden.

Hiergegen richtet sich die am 03.08.2012 zum Sozialgericht Mannheim (SG) erhobene Klage. Die Klägerin macht geltend, wegen des massiven Gewichtsverlusts vor allem an dermatologischen Beschwerden (Ekzemen in den Hautfalten mit erheblichen Rötungen, Entzündungen, massivem Juckreiz und Schmerzen) sowie an funktionellen Einschränkungen (Aneinanderreiben der Oberschenkel beim Gehen, Schmerzen der Hautfalte am Hosenbund) zu leiden. Eine endgültige Besserung der Beschwerden könne mit konservativen Maßnahmen nicht erzielt werden. Die angewendeten Salben bewirkten nur eine leichte, nicht anhaltende Besserung. Im Übrigen liege nach ihrer Einschätzung durchaus eine Entstellung vor. Hierdurch habe sie nicht unerhebliche psychische Probleme, es bestehe ein großer Leidensdruck.

Das SG hat zunächst die behandelnde Ärztin Dr. S. als sachverständige Zeugin befragt (schriftliche Aussage vom 24.10.2012) und sodann ein dermatologisches Gutachten eingeholt. In dem Gutachten vom 14.07.2013 führt Dr. F. aus, dass die Klägerin an Neurodermitis, Heuschnupfen und allergischem Asthma bronchiale leide. Es liege ein Hauttyp IV (orientalischer Hauttyp) vor, die Haut sei somit wenig lichtempfindlich, neige allerdings nach Entzündungen zu Pigmentierungen. An beiden Oberarmen finde sich eine schlaffe Hautfalte von 3 cm Länge und etwa 2 cm Durchmesser, Ekzeme oder verstärkte Reibungen seien nicht erkennbar. An den Oberschenkelinnenseiten liege eine abhebbare, etwa 3 cm x 2 cm große Hautfalte vor, die sich in normaler Standstellung berühre. Hierdurch komme es zu Reibungen bzw Reizungen an den inneren Oberschenkeln und der Leiste. Die Haut sei hier leicht gerötet und bräunlich pigmentiert, was auf eine chronische Reizung hindeute. Die Klägerin könne diese Entzündungen durch sorgfältige Hautpflege und das Tragen von angemessener Kleidung minimieren. Im Bereich der Brüste bestehe eine deutliche Erschlaffung, unterhalb der Brüste seien jedoch keine Entzündungen oder chronischen Ekzeme erkennbar. Die Bauchdecke sei insgesamt erschlafft und weise eine etwa 3 cm lange und etwa 1,5 cm breite überlappende Faltenbildung auf, Ekzeme bestünden hier nicht, jedoch berichte die Klägerin über starkes Schwitzen und starken Juckreiz. Am Bauch seien durch Hautreibung, Schwitzen und Juckreiz immer wieder Ekzeme und Hautinfektionen durch Keime zu erwarten. Durch Reibung des Hosenbundes und Aneinanderreiben der Haut an den Oberschenkeln bestehe eine leichte Mobilitätseinschränkung, die jedoch nicht im Vordergrund der Beschwerden stehe. Die Hautfalten seien trotz starkem Schwitzen nur wenig entzündet und gerötet, durch Tragen geeigneter Kleidung seien zwar Entzündungsresiduen (bräunliche Verfärbung) an den Innenseiten der Oberschenkel zu sehen, aber keine Ekzeme. Zusammenfassend hat die Gutachterin am Bauch die operative Sanierung des Hautüberschusses für sinnvoll und medizinisch indiziert gehalten, die Hautüberschussbildung an den Oberarmen und Brüsten hat sie als kosmetisch ohne medizinisch indizierte Operations-Indikation beurteilt. Die Fallhaut an den Oberschenkeln sei grenzwertig zu beurteilen. Reibung könne zu Entzündungen der Haut und Einschränkungen der Mobilität führen. Durch geeignete Kleidung und Pflege könne die Klägerin hier Entzündungen verhindern. Es bestehe nur ein leichtgradiger Hautüberschuss, so dass auch hier keine medizinisch zwingende Indikation zur Straffungs-Operation vorliege.

Die Beklagte hat ein Gutachten des MDK von Dr. E. vom 20.12.2012 vorgelegt. Nach Erstellung des Gutachtens von Dr. F. hat sie hinsichtlich der Bauchdeckenstraffung ein Teil-Anerkenntnis abgegeben, das die Klägerin zur teilweisen Erledigung des Rechtsstreits angenommen hat. Die Klägerin hat sodann ihre Klage auf die Oberschenkelstraffung beschränkt und die zunächst beantragten Operationen im Bereich der Oberarme und Brüste nicht weiter verfolgt.

Mit Urteil vom 21.01.2014 hat das SG unter Aufhebung des entgegenstehenden Bescheids die Beklagte verurteilt, eine Hautstraffungs-Operation im Bereich der Oberschenkel zu gewähren. Das SG hat insoweit im Bereich der Oberschenkel eine medizinische Indikation für die Durchführung einer Hautstraffungs-Operation bejaht. Dr. F. bestätige in ihrem Gutachten, dass der Hautüberschuss im Bereich der Oberschenkel so erheblich sei, dass sich die Haut schon im Stand berühre und somit erst recht beim Laufen aneinander reibe. Hieraus resultiere eine leichte Mobilitätseinschränkung. Darüber hinaus beschreibe Dr. F. eine leichte Rötung und bräunliche Pigmentierung der Haut, was auf eine chronische Reizung hindeute. Anhand der von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung gezeigten Digitalbilder habe sich das Gericht zudem davon überzeugen können, dass auch aktuell eine nicht unerhebliche Hautreizung im Bereich der Oberschenkel vorliege. Selbst wenn die entsprechenden Befunde (im Vergleich zu anderen Adipositas-Patienten nach starkem Gewichtsverlust) nur gering ausgeprägt seien, müsse vorliegend die zusätzlich vorliegende Neurodermitis berücksichtigt werden. Bei diesem Krankheitsbild sei dringend zu empfehlen, jede mechanische Irritation der Haut zu vermeiden. Wegen des Zusammenwirkens des Hautüberschusses mit der Neurodermitis, sei vorliegend auch im Bereich der Oberschenkel eine zwingende medizinische Indikation zur Durchführung einer Hautstraffungs-Operation begründet. Zu einer nachhaltigen Therapie der Neurodermitis sei nach Auffassung des SG zwingend auch eine operative Beseitigung des Hautüberschusses im Bereich der Oberschenkel erforderlich.

Gegen das ihr am 31.01.2014 zugestellte Urteil richtet sich die am 17.02.2014 eingelegte Berufung der Beklagten. Die Sachverständige Dr. F. habe berichtet, dass die Haut keine Ekzeme aufweise. Zu den Oberschenkeln habe sie darauf hingewiesen, dass die Haut leicht gerötet sei und weiter ausgeführt, dass sich die Entzündungsgefahr durch das Tragen entsprechender Kleidung und sorgfältige Hautpflege minimieren lasse. An anderer Stelle habe die Gutachterin die Hautveränderungen an den Oberschenkeln als eher leichtgradig und nicht pathologisch eingestuft, sie sei von einer kosmetischen Operationsindikation ausgegangen. Dr. F. habe in dem Gutachten eine konsequente dermatologische Mitbehandlung empfohlen. Dies lasse für die Beklagte nur den Schluss zu, dass eine solche bislang nicht regelmäßig stattgefunden habe. Solange noch ambulante Behandlungsmöglichkeiten bestünden, könne nicht von einer Ultima-ratio-Situation ausgegangen werden. Zu Unrecht habe das SG einen krankhaften Befund angenommen, der eines operativen Eingriffs bedürfe. Unabhängig davon stünden noch ambulante Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung. Auch der behandelnde Arzt Dr. F. habe bestätigt, dass konservative Behandlungsmöglichkeiten mit dem mehrmals täglichen Auftragen einer stark rückfettenden Creme gegeben seien. Ursache für die von Dr. F. befürwortete Hautstraffungs-Operation sei die erhebliche mentale Disstresssituation mit sehr hohem Leidensdruck. Dabei handele es sich um eine psychische Belastung. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) sei eine psychische Krankheit nicht geeignet, die Kostenübernahme für eine kosmetische Operation im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung zu begründen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 21.01.2014 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Gutachterin Dr. F. habe eine chronische Reizung der Oberschenkel, bräunliche Verfärbungen durch abgelaufene Entzündungen und eine Mobilitätseinschränkung bestätigt. Sie sehe den Hautüberschuss an den Oberschenkeln selbst als grenzwertig an. Die Situation in den Hautfalten werde durch die Neurodermitis wesentlich verschlimmert. Die Klägerin befinde sich seit Frühjahr 2013 bis zum heutigen Tag in Behandlung beim Dr. F., trotzdem bestünden die Hauterkrankungen an Bauch und Oberschenkeln weiter. Es habe eine konsequente hautärztliche Behandlung stattgefunden, die erfolglos ausgeschöpft worden sei. Soweit Dr. F. von konservativen Behandlungsmöglichkeiten ausgehe, sei dies so zu verstehen, dass diese zunächst versucht werden sollten, was auch durchgeführt worden sei. Nachdem trotz umfangreicher konservativer Maßnahmen keine Besserung, sondern sogar eine leichte Verschlechterung der Beschwerden eingetreten sei, seien die konservativen Maßnahmen ausgeschöpft. Dies, und nicht allein die psychische Beeinträchtigung, sei der Grund für die medizinische Notwendigkeit.

Der Senat hat zusätzlich eine sachverständige Zeugenauskunft bei Dr. F. eingeholt. Mit Schreiben vom 31.03.2014 führt Dr. F. aus, dass er am 11.04.2013, 10.09.2013 und 27.03.2014 die Klägerin wegen starkem Juckreiz der Oberschenkel behandelt habe. Der Gesundheitszustand bezogen auf die Hautsituation im Bereich der Oberschenkel habe sich im Laufe der Behandlung leicht verschlechtert. Es entstehe eine starke mechanische Reibung mit dadurch reaktiver Hyperpigmentierung, Trockenheit und Schuppung sowie unangenehmen Dysästhesien. Es bestehe eine konservative Behandlungsmöglichkeit, die in der mehrmals am Tag erfolgenden Applikationen stark rückfettender Externa bestehe. Wegen der erheblichen mentalen Disstresssituation durch den sehr hohen Leidensdruck würden von seiner Seite notwendige Hautstraffungs-Operationen befürwortet.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Beklagten hat Erfolg.

Die gemäß §§ 143, 144 Abs 1, 151 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte sowie form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig und in der Sache auch begründet. Der angefochtene Bescheid vom 13.02.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18.07.2012 ist - soweit es um die hier allein noch streitige Straffungs-Operation im Bereich der Oberschenkel geht - rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Sie hat keinen Anspruch auf Übernahme der Kosten für die begehrte operative Straffung der Oberschenkel. Das Urteil des SG konnte daher keinen Bestand haben.

Nachdem die Klägerin die begehrte, in einem Krankenhaus stationär durchzuführende Behandlung noch nicht begonnen hat, richtet sich ihr Begehren nicht auf Kostenerstattung im Sinne von § 13 Abs 3 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V), sondern sie macht in der Sache einen Sachleistungsverschaffungsanspruch geltend. Ein solcher steht ihr hinsichtlich der Oberschenkelstraffung indes nicht zu.

Nach § 27 Abs 1 Satz 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfasst nach § 27 Abs 1 Satz 2 Nr 5 SGB V auch die Krankenhausbehandlung.

Krankheit im Sinne dieser Norm ist ein regelwidriger, vom Leitbild des gesunden Menschen abweichender Körper- oder Geisteszustand, der ärztlicher Behandlung bedarf oder den Betroffenen arbeitsunfähig macht (ständige Rechtsprechung, BSG 28.02.2008, B 1 KR 19/07 R, SozR 4-2500, § 27 Nr 14; BSG 30.09.1999, B 8 KN 9/98 KR R BSGE 85, 36, 38 = SozR 3-2500 § 27 Nr 11; BSG 10.02.1993, 1 RK 14/92, BSGE 72, 96, 98 = SozR 3-2200 § 182 Nr 14). Eine Krankheit liegt insoweit nur dann vor, wenn der Versicherte in seiner Körperfunktion beeinträchtigt wird oder wenn die anatomische Abweichung entstellend wirkt (BSG 19.10.2004, B 1 KR 3/03 R, SozR 4-2500, § 27 Nr 3).

Bei der Klägerin liegt im Bereich der Oberschenkel nur ein leichtgradiger Hautüberschuss vor. Es besteht eine sichtbare Hautfalte, welche sich bei normaler Standstellung berührt; eine ca. 3 x 2 cm große Falte lässt sich abheben. Dies ergibt sich aus dem gerichtlichen Sachverständigengutachten von Dr. F ... Als Zeichen einer chronischen Reizung besteht eine bräunliche Pigmentierung. Im Bereich der Oberschenkel treten immer wieder Entzündungen mit heftigem Juckreiz auf, wie der behandelnde Dermatologe Dr. F. bestätigt hat. Bei Vorliegen von Entzündungen besteht eine leichte Einschränkung der Mobilität. Zusätzlich leidet die Klägerin an Neurodermitis und es besteht eine rezidivierende depressive Störung. Letzteres folgt aus dem Bericht des Zentralinstituts für seelische Gesundheit vom 04.01.2012. Auch die aktuelle Aussage von Dr. F. bestätigt, dass die psychische Belastung durch den Hautüberschuss fortbesteht. Ein Anspruch auf eine Straffungsoperation der Oberschenkel lässt sich aus alledem nicht begründen.

Eine Entstellung der Klägerin liegt offensichtlich nicht vor. Eine solche ist nur dann zu bejahen, wenn objektiv eine erhebliche Auffälligkeit vorliegt, die naheliegende Reaktionen der Mitmenschen wie Neugier oder Betroffenheit und damit zugleich erwarten lässt, dass die Betroffene ständig viele Blicke auf sich zieht, zum Objekt besonderer Beachtung anderer wird und sich deshalb aus dem Leben in der Gemeinschaft zurückzuziehen und zu vereinsamen droht, sodass die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft gefährdet ist (BSG 28.02.2008, B 1 KR 19/07 R, SozR 4-2500, § 27 Nr 14). Um eine Auffälligkeit eines solchen Ausmaßes zu erreichen, muss eine beachtliche Erheblichkeitsschwelle überschritten sein. Die körperliche Auffälligkeit muss in einer solchen Ausprägung vorhanden sein, dass sie sich schon bei flüchtiger Begegnung in alltäglichen Situationen quasi "im Vorbeigehen" bemerkbar macht und regelmäßig zur Fixierung des Interesses anderer auf den Betroffenen führt. Auch wenn die Klägerin selbst ihre Erscheinung als Entstellung empfinden mag, ist eine Entstellung schon deshalb nicht anzunehmen, weil regelmäßig von Kleidung verdeckte Anomalien nicht ins Gewicht fallen (vgl Senatsurteil vom 28.07.2004, L 11 KR 896/04, juris; Sächsisches LSG 22.03.2006, L 1 KR 15/05 juris). Abgesehen davon bestätigen auch die dem Senat vorliegenden Lichtbilder einen nur leichtgradig ausgeprägten Hautüberschuss im Bereich der Oberschenkel, der nicht ansatzweise in den Bereich einer schweren Entstellung reicht.

Auch im Hinblick auf die rezidivierenden Entzündungen durch mechanische Reizung lässt sich eine Indikation für die begehrte Hautstraffungs-Operation im Bereich der Oberschenkel nicht begründen. Krankheitswert käme der Hauterschlaffung bzw dem Hautüberschuss im Bereich der Oberschenkel allenfalls dann zu, wenn dauerhaft therapieresistente Hautreizungserscheinungen wie Pilzbefall, Sekretionen oder entzündliche Veränderungen vorlägen. Dies ist jedoch nicht der Fall. Zwar treten immer wieder Entzündungen mit starkem Juckreiz auf, diese sind jedoch nicht dauerhaft vorhanden. So führte Dr. G. aus, dass am 16.12.2011 keine Entzündungszeichen vorhanden gewesen seien, wie auch auf der Fotodokumentation vom gleichen Tag zu sehen. Auch bei der Untersuchung durch die Gutachterin Dr. F. bestand keine Entzündung. Die Klägerin selbst hat angegeben, dass sie sich wegen der Hautprobleme an den Oberschenkeln am 12.02., 11.04. und 10.09.2013 sowie 27.03.2014 bei Dr. F. vorgestellt habe. Auch diese teilweise mehrere Monate auseinanderliegenden Konsultationen belegen, dass die Entzündungen im Bereich der Oberschenkel nicht durchgehend bestehen. Damit wird das gerichtliche Sachverständigengutachten von Dr. F. bestätigt, die im Bereich der Oberschenkel im Ergebnis keine medizinisch zwingende Indikation zur Straffungs-Operation sieht. Der Senat stützt sich auf dieses Gutachten und macht es zur Grundlage seiner Beurteilung.

Auch mit den von den Ärzten angegebenen psychischen Belastungen lässt sich die Notwendigkeit der Operation nicht begründen. Auch wenn eine psychische Erkrankung im Zusammenhang mit dem nach starker Gewichtsabnahme aufgetretenen Hautüberschuss vorliegt, besteht deswegen kein Anspruch auf operative Beseitigung der Hauterschlaffung. Insoweit können Versicherte grundsätzlich nur Maßnahmen der Krankenbehandlung in Anspruch nehmen, die unmittelbar an der eigentlichen Erkrankung ansetzen. Psychische Störungen sind danach in der Regel nur mit den Mitteln der Psychiatrie und Psychotherapie zu behandeln. Es würde zu einer mit der Vorschrift des § 27 SGB V und dem in § 12 SGB V niedergelegten Wirtschaftlichkeitsgebot unvereinbaren Ausweitung der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung führen, wenn Versicherte auf Kosten der Krankenkassen operative Eingriffe vornehmen lassen könnten, um einen nicht krankhaften Körperzustand zu verändern, weil sie psychisch auf die gewünschte Veränderung fixiert sind. Eine Grenzziehung zur rein kosmetischen Operationen wäre nicht möglich (BSG 10.02.1993, 1 RK 14/92, BSGE 72, 96 f = SozR 3-2200 § 182 Nr 14). Insoweit ist die Klägerin auf eine entsprechende fachärztliche Behandlung zu verweisen.

Damit liegt keine mit an einer Krankenhausbehandlung zu behandelnde Erkrankung im Sinne des § 27 SGB V vor. Das Urteil des SG war daher aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Dabei hat der Senat im Rahmen seines Ermessens berücksichtigt, dass die Klägerin in erster Instanz hinsichtlich der Bauchdeckenstraffung Erfolg hatte.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs 1 Nrn 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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