S 10 RA 158/01

Land
Hamburg
Sozialgericht
SG Hamburg (HAM)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 10 RA 158/01
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Der Bescheid der Beklagten vom 30.11.2000 wird geändert. Der Widerspruchsbescheid vom 23.2.2001 wird aufgehoben.
2. Die Beklagte wird verurteilt, die Altersrente der Klägerin neu zu berechnen ohne Abschläge für die vorzeitige Inanspruchnahme.
3. Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um eine höhere Altersrente ohne Abschläge.

Die am XX.XX.1940 geborene Klägerin beantragte am 31.8.2000 bei der Beklagten Altersrente für Frauen wegen Vollendung des 60. Lebensjahres. Sie gab an, als technische Zeichnerin bei der Universität H. beschäftigt zu sein und das Ende ihrer Beschäftigung am 30.11.2000 vereinbart zu haben. In der Zeit vom 1.4.1995 bis XX.XX.2000 habe sie mit ihrem Arbeitgeber am 28.9.1994 Sonderurlaub unter Verzicht auf Ihre Bezüge und mit dem Ruhen des Arbeitsverhältnisses vereinbart. Die Beurlaubung sei aus persönlichen Gründen ab 16.9.1996 aufgehoben wurden. Seitdem sei sie wieder halbtags als Zeichnerin tätig. Sie übersandten eine Mitteilung ihres Arbeitgebers vom 25.10.2000, in der dieser erklärte, der Antrag auf Beurlaubung sei wegen Betreuung des Enkelkindes am 22.9.1994 ab 1.4.1995 gestellt worden. Nach Ablauf der Beurlaubung sei beabsichtigt gewesen, dass die Klägerin in den Ruhestand gehe. Aus persönlichen Gründen sei die Beurlaubung im beiderseitigen Einvernehmen zum 16.9.1996 aufgehoben worden. Weiter bestätigte der Arbeitgeber, dass die Klägerin bereits bei Antragstellung für den Sonderurlaub mitgeteilt habe, nach Ablauf der Beurlaubung in den Ruhestand gehen zu wollen. Die Klägerin selbst führte ergänzend aus, dass auf ihre Stelle dauerhaft bereits am 25.11.1994 eine Kollegin eingestellt worden sei. Wenn nicht klar gewesen wäre, dass ihr Arbeitsverhältnis am 30.11.2000 beendet sein sollte, wäre diese Kollegin nicht eingestellt worden. Sie selbst sei später auf einer anderen Stelle beschäftigt worden. Sie legte Kopien aus ihrer Personalakte und der Personalakte der Kollegin vor.

Mit Bescheid vom 30.11.2000 gewährte die Beklagte der Klägerin Altersrente für Frauen ab 1.12.2000. Sie führte aus, dass bei der Klägerin keine Vertrauensschutzregelung zur Anwendung komme, da keine arbeitsrechtlich wirksame Auflösungsvereinbarung vor dem Stichtag getroffen worden sei. Eine konkrete Willenserklärung beider Parteien über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses und des Termins sei in der Vereinbarung über den Sonderurlaub nicht zusehen. Mit ihrem am 12.12.2000 bei der Beklagten eingegangenen Widerspruch machte die Klägerin geltend, ihr stehe die Vertrauensschutzregelung zu, da sie mit ihrem Arbeitgeber vereinbart habe, dass sie nach Ende der Beurlaubung sofort in Altersrente gehen werde. Die von ihr vorgelegten Schreiben bestätigten dies. Auch ergebe sich aus dem Vermerk in der Personalakte ihrer Kollegin eindeutig, dass diese auf ihren Arbeitsplatz mit einem unbefristeten Vertrag eingestellt worden sei, weil sie ihren Arbeitsplatz zum 30.11.2000 aufgegeben habe. Mit Widerspruchsbescheid vom 23.2.2001 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte sie aus, die Klägerin hatte keinen Anspruch auf eine Altersrente unter Abschläge, weil bei ihr die Regelungen des § 237 a Abs. 3 Sozialgesetzbuch, 6. Buch (SGB VI) nicht zur Anwendung kämen. Sie sei zwar bis zum 7.5.1941 geboren, aber ihr Arbeitsverhältnis sei nicht auf Grund einer Kündigung oder Vereinbarung, die vor dem 7. Mai 1996 erfolgt sei, nach dem in 6. Mai 1996 beendet worden.

Mit ihrer am 19.3.2001 erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren unter Hinweis auf ihr bisheriges Vorbringen weiter. Ergänzend trägt sie vor, sie habe nur deshalb eine Beurlaubung gewählt, weil diese keine Nachteile bei der Zusatzversorgung bringe. Allen Beteiligten sei klar gewesen, dass sie direkt im Anschluss an ihre Beurlaubung in Rente gehen werde.

In der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin ein Schreiben vorgelegt, dass sie am 26.9.1994 verfaßt hat, indem sie ihrem Arbeitgeber gegenüber erklärt: "in Ergänzung meines Antrags vom 22.9.1994 auf Beurlaubung bis zum XX.XX.2000 füge ich hinzu, dass ich danach sofort in Rente gehe".

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 30.11.2000 zu ändern und den Widerspruchsbescheid vom 23.2.2001 aufzuheben sowie die Beklagte zu verurteilen, ihr eine höhere Altersrente für Frauen ohne Abschläge für vorzeitige Inanspruchnahme zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung ihres Antrags nimmt sie Bezug auf ihre Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden und den Inhalt ihrer Verwaltungsakte.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird verwiesen und auf den Inhalt der Prozessakte der Kammer und der Verwaltungsakte der Beklagten. Diese haben vorgelegen und sind zum Gegenstand damit ich Verhandlung gemacht worden.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig und auch begründet. Die Klägerin hat Anspruch auf eine Altersrente für Frauen ohne Abschläge für vorzeitige Inanspruchnahme. Insoweit waren die angefochtenen Bescheide der Beklagten aufzuheben, denn sie verletzten die Klägerin in ihren Rechten.

Versicherte Frauen haben Anspruch auf Altersrente, wenn sie 1.vor dem 1. Januar 1952 geboren sind, 2.das 60. Lebensjahr vollendet, 3.nach Vollendung des 40. Lebensjahres mehr als zehn Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit und 4.die Wartezeit von fünfzehn Jahren erfüllt haben (§ 200 37a Abs. 1 SGB VI).

Die Altersgrenze von 60 Jahren bei der Altersrente für Frauen wird für Frauen, die bis zum 7. Mai 1941 geboren sind, und deren Arbeitsverhältnis auf Grund einer Kündigung oder Vereinbarung, die vor dem 7. Mai 1996 erfolgt ist, nach dem 6. Mai 1996 beendet worden ist, nicht angehoben, wenn die Frauen vor 1941 geboren sind (§ 237 a Abs. 3 Nr. 1 b) SGB VI). Die Klägerin erfüllt die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Altersrente für Frauen. Sie ist bis zum 7. Mai 1941, nämlich am XX.XX.1940, geboren. Zwischen den Beteiligten ist allein streitig, ob ihr Arbeitsverhältnis auf Grund einer Vereinbarung, die vor dem 7. Mai 1996 erfolgt ist, nach dem 6. Mai 1996 beendet worden ist und ihr demzufolge eine Altersrente ohne Anhebung der Altersgrenze bzw. ohne Abschläge für vorzeitige Inanspruchnahme zu gewähren ist. Dies ist hier der Fall.

Es trifft zwar zu, dass die Klägerin eine Kündigung Ihres Arbeitsverhältnisses zum 30.11.2000 nicht vorlegen konnte. § 237 a Abs. 3 SGB VI stellt aber nicht allein auf eine solche Kündigung ab, sondern beinhaltet auch die Möglichkeit, eine Vereinbarung darüber zu schließen, dass das Arbeitsverhältnis nach dem 6. Mai 1996 beendet wird. Für eine solche Vereinbarung genügt auch eine mündliche Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmerin. Eine solche ist hier in Ergänzung zu der Vereinbarung über den Sonderurlaub zwischen den Beteiligten, nämlich der Uni H. und der Klägerin getroffen worden. Der Beklagten ist darin zuzustimmen, dass sich aus der Nebenabrede zum Arbeitsvertrag vom 28.9.1994 nicht ergibt, dass das Arbeitsverhältnis zum 30.11.2000 enden sollte. Als einziger Hinweis auf eine geplante Aufhebung des Arbeitsverhältnisses könnte allenfalls in der Nebenabrede die Nennung des Datums, an dem die Klägerin ihr 60. Lebensjahr vollendet hatte (XX.XX.2000) gesehen werden. Ergänzend sind aber die neben dieser Vereinbarung getroffenen Regelungen heranzuziehen. Erforderlich ist, dass die Zweiseitigkeit der Vereinbarung, also der übereinstimmende Wille des Arbeitgebers und der Arbeitnehmerin das Arbeitsverhältnis zu einem Tag nach dem 6. Mai 1996 zu beenden, nachgewiesen werden kann. Dies ist der Klägerin gelungen.

Die Klägerin selbst hat zum Nachweis ihres Willens, nach der Beurlaubung sofort in Altersrente zu gehen, ihr Schreiben vom 26.9.1994 in der mündlichen Verhandlung vorgelegt. Der Arbeitgeber der Klägerin hat mehrfach erklärt, dass eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 30.11.2001 beabsichtigt war. Dies ergibt sich auch aus den vorliegenden Unterlagen. Es liege nicht nur drei Schreiben des Arbeitgebers vor, in denen dieser im nachhinein bestätigt, dass eine Vereinbarung dahingehend geschlossen worden ist, dass das Arbeitsverhältnis zum 30.11.2000 endet. Entscheidend für die Kammer ist der von der Klägerin vorgelegten Antrag vom 27.9.1994, in denen es um die dauerhafte Einstellung ihrer Nachfolgerin auf ihre Stelle geht. Die beschäftigende Stelle erklärt nämlich hierin gegenüber dem Personalreferat, weil die Klägerin bis November 2000 beurlaubt sei und anschließend dann in Rente gehe und Frau D. über fünf Jahre die Urlaubsvertretung machen werde, werde die dauerhafte Weiterbeschäftigung der Nachfolgerin beantragt. Auch in dem Antrag für die Klägerin auf Aufhebung ihrer Beurlaubung heißt es von Seiten der beschäftigenden Stelle, die Klägerin befinde sich nicht mehr in dem Bestand des Personalreferats. Die Beurlaubung sei bis zur Rente gegangen. Es sei jemand auf die Stelle Ex S. beschäftigt und zwar unbefristet. Auch dies macht für die Kammer überzeugend deutlich, dass auch auf Seiten des Arbeitgebers bei Abschluss der Nebenabrede zum Arbeitsvertrag über die Beurlaubung die Überzeugung Bestand, dass die Klägerin am Ende der Beurlaubung ihr Arbeitsverhältnis mit Erreichen der Altersgrenze für eine Altersrente für Frauen beendet.

Da diese Vereinbarungen bereits im September 1994 geschlossen wurden, ist auch der Stichtag 7. Mai 1996 eingehalten. Gegen eine solche Vereinbarung spricht auch nicht, dass später, nämlich zum 16.9.1996, die Beurlaubung der Klägerin im beiderseitigen Einvernehmen wieder aufgehoben wurde. Die Klägerin wurde nicht mehr auf ihrer vorigen Stelle beschäftigt. Insbesondere aus den Unterlagen und ihren eigenen Erklärungen ergibt sich für die Kammer überzeugend, dass die Klägerin und auch ihr Arbeitgeber auch nach der Aufhebung der Beurlaubung noch an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 30.11.2000 fest halten wollten.

Da zwischen der Klägerin und ihrem Arbeitgeber eine gültige Vereinbarung über die Beendigung Ihres Arbeitsverhältnisses zum 30.11.2000 bereits im September 1994 geschlossen worden ist, waren die Bescheide der Beklagten zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin unter Berücksichtigung der Vertrauensschutzregelung eine Altersrente für Frauen ohne Abschläge für die vorzeitige Inanspruchnahme zu gewähren.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Sozialgerichtsgesetz.
Rechtskraft
Aus
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