Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 11 RJ 1170/00 A
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 5 RJ 701/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 9. November 2001 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit.
Die 1953 in vormaligen Jugoslawien geborene Klägerin ist serbische Staatsangehörige mit Wohnsitz in N ...
In Deutschland legte sie entsprechend Versicherungsverlaufsbescheid vom 08.03.2000 von 1971 bis 1975 insgesamt 50 Monate Pflichtversicherungsbeiträge zurück in Beschäftigungen als ungelernte Fabrikarbeiterin (u.a. mit Verpackungsarbeiten). In ihrer Heimat sind Versicherungszeiten von 1980 bis 30.09.1997 nachgewiesen bei Tätigkeiten als Kellnerin.
Ein erster im Heimatstaat am 27.04.1997 gestellter und an die Beklagte weitergeleiteter Antrag auf Rente wegen Erwerbs-/Berufsunfähigkeit (EU/BU) wurde mit bestandskräftigem Bescheid vom 19.03.1998 abgewiesen auf der Basis einer prüfärztlichen Formularbeurteilung. Danach war die Klägerin zwar durch Herz- leistungsminderung bei Muskelschwäche und koronarer Herzerkrankung, Entfernung der Gebärmutter und Eierstöcke sowie durch neurotische Beschwerden in der Erwerbsfähigkeit gemindert, jedoch gleichwohl noch in der Lage, leichte Arbeiten ohne überwiegend einseitige Körperhaltung, ohne Zeitdruck, nicht auf Leitern und Gerüsten, aber in trockener, normal temperierter Umgebung vollschichtig zu verrichten. Die Beklagte verwies die Klägerin insoweit auf zumutbare Tätigkeiten im Kontrollbüro größerer Hotel- und Gaststättenbetriebe oder als Abrechnungsprüferin.
Auf einen weiteren in der Heimat am 06.07.1998 gestellten Rentenantrag, der dort zur Pensionsbewilligung gemäß Bescheid vom 09.06.1998 ab 01.10.1997 führte, zog die Beklagte die ärztlichen Gutachten aus N. einschließlich fachärztlicher Befunde vom 01.10.1997 und 22.07.1996 sowie ein weiteres ärztliches Gutachten vom 11.11.1999 einschließlich fachärztlicher Befundberichte bei. Der auf Grund Aktenlage erstellten Einschätzung des Dr.D. folgend lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 24.02.2000 - bestätigt durch Widerspruchsbescheid vom 17.08. 2000 - den Rentenantrag ab im Wesentlichen mit der Begründung, die Erwerbsfähigkeit sei zwar durch koronare Herzerkrankung, Funktionsminderung der Wirbelsäule bei Verschleißerscheinungen ohne Wurzelreizung sowie Entfernung der Gebärmutter wegen eines Myoms eingeschränkt. Jedoch sei die Klägerin noch in der Lage, vollschichtig leichte Arbeiten zu verrichten. Wegen des zeitlichen Ablaufes wurden dabei von der Klägerin am 01.09.2000 übersandte Befundunterlagen nicht berücksichtigt.
Im anschließenden Klageverfahren vor dem Sozialgericht Landshut (SG) hat die Klägerin beantragt, die Beklagte zu verurteilen, ihr Rente wegen EU/BU zu zahlen. Sie hat sich insoweit im Wesentlichen auf ihre Herzerkrankung bei Schmerzerscheinungen in der Brust und Atemnot sowie auf ihren Zustand der Wirbelsäule berufen, welcher in ihrer Heimat zur Bewilligung einer Invalidenpension geführt habe. Das SG hat unter Berücksichtigung eines internistisch-kardiologischen Befundes des Prof.Z. vom 22.10.2001 sowie unter Einbezug eines EKG, Belastungs-EKG, einer Lungenfunktionsprüfung, eines Farbdoppler-Echokardiogramms, sonographischer und Röntgenuntersuchungen sowie einer laborchemischen Untersuchung des Blutbildes ein sozialmedizinisches Sachverständigengutachten der Dr.T. (07./08.11.2001) eingeholt. Diese hat auf Grund persönlicher Untersuchung der Klägerin diagnostiziert: stenokardische Beschwerden nach Myokarditis 1995 ohne Umbauerscheinungen des Herzens, Belastungsbluthochdruck, Stressharninkontinenz, rezidivierende Gelenksbeschwerden und Schwellneigung, wirbelsäulenabhängige Beschwerden sowie als Nebenbefunde klimakterische Beschwerden, Zustand nach Gebärmutterentfernung, Zustand nach Teilexzision der Eierstöcke, Adipositas mit mäßiger Cholesterinerhöhung und Senk-Spreizfußbildung. Die Klägerin neige bei histrionischer Persönlichkeitsstruktur zur Somatisierung, eine gravierende psychische Erkrankung bestehe jedoch nicht. Infolge der gesundheitlichen Einschränkungen könne die Klägerin noch in leichten Arbeiten ohne Haltungskonstanz unter Schutz vor Kälte und Nässe, ohne besonderen Zeitdruck sowie bei der Möglichkeit, während der Arbeit die Toilette aufzusuchen, vollschichtig tätig sein, insbesondere als Verpackerin.
Dieser Einschätzung ist das SG gefolgt und hat mit Urteil vom 09.11.2001 die Klage im Wesentlichen mit der Begründung abgewiesen, die Klägerin könne trotz der festgestellten gesundheitlichen Einschränkungen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unter nur qualitativen Einschränkungen vollschichtig tätig sein und sei deswegen weder erwerbs- noch berufunfähig.
Dagegen hat die Klägerin Berufung eingelegt unter nochmaliger Vorlage älterer Befundberichte und unter Bezugnahme auf einen weiteren fachärztlichen Befundbericht des Prof.Z. geltend gemacht, aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr zur Leistung von vollschichtigen Arbeiten fähig zu sein.
Auf Anforderung des Senats hat die Internistin, Kardiologin und Sozialmedizinerin Dr.L. auf der Grundlage einer eigenständigen Untersuchung am 28.05.2003 ein Sachverständigengutachten erstattet (11.06.2003). Dr.L. hat diagnostiziert:
- fortbestehende thorakale Beschwerden nach abgelaufener Myo karditis mit bioptisch gesicherter Ausheilung, - essenzieller arterieller Bluthochdruck, - Adipositas Grad I, - Hypercholesterinämie, - nicht behandlungsbedürftige Zuckerstoffwechselstörung, - Zustand nach Teilentfernung der Ovarien und Entfernung der Gebärmutter, - Stressinkontinenz der Blase Grad II, - Schwellneigung der Beine, - chronisch-rezidivierende Cervialgien und Cervikobrachialgien, - chronisch-rezidivierende Lumbalgien und Lumboischialgien, - kein Anhalt für ein primär entzündliches Gelenkleiden sowie - statisch bedingte Beschwerden bei Senk-Spreizfußbildung.
Dr.L. hat trotz dieser gesundheitlichen Einschränkungen noch acht Stunden tägliche Beschäftigungen in geschlossenen Räumen als vollschichtig zumutbar angesehen unter Vermeidung von schwerem Heben und Tragen, häufigem Bücken, Kälte, Nässe, Zugluft und starker Hitzeeinflüsse, besonderer psychischer Belastungen wie erhöhtem Zeitdruck, Nacht- und Wechselschicht und mit der Möglichkeit, bei Bedarf ohne Verzug eine Toilette aufsuchen zu können. Einschränkungen der Wegefähigkeit hat sie verneint ebenso wie eine außergewöhnliche Summierung von Leis- tungseinschränkungen.
Auf Anhörung hat die Klägerin vorgebracht, Dr.L. habe die Untersuchung nicht mit der erforderlichen Sorgfalt durchgeführt und Befunde der behandelnden Ärzte aus der Heimat nicht hinreichend berücksichtigt. Sie sei anerkannt in ihrer Heimat zu jeglicher Arbeit unfähig und deshalb auch in Deutschland nicht fähig, erwerbstätig zu sein.
Die Klägerin beantragt sinngemäß, das Urteil des SG Landshut vom 09.11.2001 sowie den Bescheid der Beklagten vom 24.02.2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.08.2000 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit gemäß Antrag vom 06.07.1998 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt, die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des SG Landshut vom 09.11.2001 zurückzuweisen.
Beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung vom 07.10. 2003 waren die Beklagtenakten. Auf diese Akten sowie auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge wird zur Ergänzung des Tatbestandes Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Die Klägerin erfüllt nicht die gesundheitlichen Voraussetzungen der begehrten Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit. Sie hat keinen Anspruch auf diese Rente, der streitgegenständliche Bescheid der Beklagten vom 24.02.2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.08.2000 sowie das Urteil des SG Landshut vom 09.11.2001 sind nicht zu beanstanden.
Der streitige Rentenanspruch richtet sich nach den §§ 43, 44 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch - SGB VI - in der bis 31.12.2000 geltenden Fassung (a.F.), weil er auch Zeiten vor diesem Datum erfasst. Die ab 01.01.2001 geltende Neuregelung (n.F.) durch das Gesetz zur Reform der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit (vom 20.12.2000 - BGBl.I S.1827) ist heranzuziehen, falls ein Rentenanspruch am 31.12.2000 nicht bestanden hätte, aber für die nachfolgende Zeit in Betracht käme (vgl. § 300 Abs.1, 2 SGB VI).
Nach § 43 Abs.2 SGB VI a.F. sind berufsunfähig Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung auf weniger als die Hälfte derjenigen von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfanges ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufes und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können. Nicht berufsunfähig ist, wer eine zumutbare Tätigkeit vollschichtig ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.
Nach § 240 SGB VI n.F. haben Versicherte, die wie die Klägerin vor dem 02.01.1961 geboren sind, bei Vorliegen von Berufsunfähigkeit einen Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung. Die Definition der Berufsunfähigkeit weicht vom früheren Recht nur insoweit ab, als nach § 240 Abs.2 Satz 4 SGB VI n.F. berufsunfähig nicht ist, wer - ungeachtet der jeweiligen Arbeitsmarktlage - eine zumutbare Tätigkeit mindestens sechs Stunden täglich ausüben kann. Erwerbsunfähigkeit setzt nach § 44 Abs.2 SGB VI a.F. ebenso eine volle Erwerbsminderung im Sinne des neuen Rechts (§ 43 Abs.2 Satz 2 SGB VI n.F.) wie eine gegenüber der Berufsunfähigkeit noch weiter herabgesetzte Erwerbsfähigkeit heraus.
Vollschichtiges Leistungsvermögen in einer zumutbaren Tätigkeit schließt somit nach alter und neuer Rechtslage den streitigen Rentenanspruch regelmäßig aus.
Ausgangspunkt bei der Beurteilung der Berufsunfähigkeit ist der bisherige Beruf der Versicherten. Darunter ist regelmäßig diejenige der Versicherungspflicht unterliegende Tätigkeit zu verstehen, die in Deutschland zuletzt auf Dauer verrichtet wurde. In der Regel ist dies die letzte versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit (vgl. BSG SozR 2200 § 1246 Nr.158, SozR 3-2200 § 1246 Nrn.54, 61 jeweils mit weiteren Nachweisen).
Maßgeblich letzter Beruf ist somit nach dem Inhalt der gesamten Akten sowie nach den eigenen Angaben der Klägerin im gerichtlichen Verfahren ihre Tätigkeit als Verpackerin, die sie u.a. in der Süßwarenproduktion ausgeübt hat. Verpackertätigkeiten sind ungelernte Hilfstätigkeiten, sodass der Klägerin bei der Beurteilung der Berufsunfähigkeit sozial zugemutet werden können sämtliche Tätigkeiten, die der allgemeine Arbeitsmarkt zur Verfügung stellt (vgl. zur Verweisbarkeit und zur Wertigkeit der Berufe BSG SozR 3-2200 § 1246 Nrn.45, 55, 61 m.w.N.).
Nach den überzeugenden Feststellungen der Dr.L. , die in allen Phasen einer ordnungsgemäßen Begutachtung (Auswertung der Akten, Anamnese, Befunderhebung, Beurteilung der Befunde mit Ausschluss von Verdeutlichungstendenzen, Diagnostik, Ermittlung des Schweregrades und Beurteilung des Restleistungsvermögens mit Blick auf die Fragestellung der Beweisanordnung) die Leistungsfähigkeit der Klägerin schlüssig ermittelt, in sich wider- spruchsfrei bewertet und überzeugend beurteilt hat, bestehen bei der Klägerin folgende Gesundheitsstörungen:
- fortbestehende thorakale Beschwerden nach 1995 abgelaufener fokal aktiver Myokarditis mit bioptisch gesicherter Aushei lung, - essenzieller arterieller Bluthochdruck, - Adipositas Grad I, - Hypercholesterinämie, - noch nicht behandlungsbedürftige Zuckerstoffwechselstörung, - Zustand nach Teilentfernung der Ovarien wegen Zysten 1980 und Entfernung der Gebärmutter wegen eines Myoms 1992, - Stressinkontinenz der Blase Grad II, - Schwellneigung der Beine, - chronisch-rezidivierende Cervialgien und Cervikobrachialgien, - chronisch-rezidivierende Lumbalgien und Lumboischialgien, - statisch bedingte Beschwerden bei Senk-Spreizfußbildung.
Diese Befunde decken sich im Wesentlichen mit denen der Dr.T. und berücksichtigen die Befunde aus der Heimat der Klägerin, insbesondere die des Prof.Z. auf kardiologischem Gebiet. Der im Berufungsverfahren erhobene Vorwurf der Klägerin, die Sachverständige hätte die Befunde aus ihrer Heimat nicht berücksichtigt, ist somit unzutreffend.
Zu folgen ist auch der überzeugenden Leistungsbeurteilung der Dr.L. , wonach die Klägerin körperlich leichte Arbeiten aus wechselnder Arbeitsposition ohne langanhaltendes Stehen und Gehen und unter Vermeidung von schwerem Heben und Tragen, häufigem Bücken, von Kälte, Nässe, Zugluft und starker Hitzeeinflüsse, von besonderen psychischen Belastungen wie erhöhter Zeitdruck, Nacht- und Wechselschicht und bei Vorhalten der Möglichkeit, unverzüglich eine Toilette aufsuchen zu können, vollschichtig ausüben kann. Dieses Erfordernis stellt keine unüblichen Anforderungen an einen Arbeitsplatz (vgl. BSG SozR 2200 § 1247 Nr.43), weil die Nähe einer Toilette zum Arbeitsplatz den üblichen Bedingungen des Arbeitsmarktes entspricht (vgl. § 1206 Abs.4 Gewerbeordnung).
Damit kann die Klägerin auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unter nur qualitativen Einschränkungen tätig sein. Anhaltspunkte für eine Summierung außergewöhnlicher Leistungseinschränkungen bestehen nicht. Die Wegefähigkeit der Klägerin ist nicht eingeschränkt. Sie ist damit weder berufs- noch erwerbsunfähig nach der bis 31.12.2000 geltenden Rechtslage noch ist sie erwerbs- gemindert im Sinne der ab 01.01.2001 geltenden Rechtsnormen.
Die Berufung bleibt damit in vollem Umfang ohne Erfolg.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz - SGG -.
Gründe, die Revision zuzulassen, sind nicht ersichtlich (§ 160 Abs.2 Nrn.2 und 3 SGG).
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit.
Die 1953 in vormaligen Jugoslawien geborene Klägerin ist serbische Staatsangehörige mit Wohnsitz in N ...
In Deutschland legte sie entsprechend Versicherungsverlaufsbescheid vom 08.03.2000 von 1971 bis 1975 insgesamt 50 Monate Pflichtversicherungsbeiträge zurück in Beschäftigungen als ungelernte Fabrikarbeiterin (u.a. mit Verpackungsarbeiten). In ihrer Heimat sind Versicherungszeiten von 1980 bis 30.09.1997 nachgewiesen bei Tätigkeiten als Kellnerin.
Ein erster im Heimatstaat am 27.04.1997 gestellter und an die Beklagte weitergeleiteter Antrag auf Rente wegen Erwerbs-/Berufsunfähigkeit (EU/BU) wurde mit bestandskräftigem Bescheid vom 19.03.1998 abgewiesen auf der Basis einer prüfärztlichen Formularbeurteilung. Danach war die Klägerin zwar durch Herz- leistungsminderung bei Muskelschwäche und koronarer Herzerkrankung, Entfernung der Gebärmutter und Eierstöcke sowie durch neurotische Beschwerden in der Erwerbsfähigkeit gemindert, jedoch gleichwohl noch in der Lage, leichte Arbeiten ohne überwiegend einseitige Körperhaltung, ohne Zeitdruck, nicht auf Leitern und Gerüsten, aber in trockener, normal temperierter Umgebung vollschichtig zu verrichten. Die Beklagte verwies die Klägerin insoweit auf zumutbare Tätigkeiten im Kontrollbüro größerer Hotel- und Gaststättenbetriebe oder als Abrechnungsprüferin.
Auf einen weiteren in der Heimat am 06.07.1998 gestellten Rentenantrag, der dort zur Pensionsbewilligung gemäß Bescheid vom 09.06.1998 ab 01.10.1997 führte, zog die Beklagte die ärztlichen Gutachten aus N. einschließlich fachärztlicher Befunde vom 01.10.1997 und 22.07.1996 sowie ein weiteres ärztliches Gutachten vom 11.11.1999 einschließlich fachärztlicher Befundberichte bei. Der auf Grund Aktenlage erstellten Einschätzung des Dr.D. folgend lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 24.02.2000 - bestätigt durch Widerspruchsbescheid vom 17.08. 2000 - den Rentenantrag ab im Wesentlichen mit der Begründung, die Erwerbsfähigkeit sei zwar durch koronare Herzerkrankung, Funktionsminderung der Wirbelsäule bei Verschleißerscheinungen ohne Wurzelreizung sowie Entfernung der Gebärmutter wegen eines Myoms eingeschränkt. Jedoch sei die Klägerin noch in der Lage, vollschichtig leichte Arbeiten zu verrichten. Wegen des zeitlichen Ablaufes wurden dabei von der Klägerin am 01.09.2000 übersandte Befundunterlagen nicht berücksichtigt.
Im anschließenden Klageverfahren vor dem Sozialgericht Landshut (SG) hat die Klägerin beantragt, die Beklagte zu verurteilen, ihr Rente wegen EU/BU zu zahlen. Sie hat sich insoweit im Wesentlichen auf ihre Herzerkrankung bei Schmerzerscheinungen in der Brust und Atemnot sowie auf ihren Zustand der Wirbelsäule berufen, welcher in ihrer Heimat zur Bewilligung einer Invalidenpension geführt habe. Das SG hat unter Berücksichtigung eines internistisch-kardiologischen Befundes des Prof.Z. vom 22.10.2001 sowie unter Einbezug eines EKG, Belastungs-EKG, einer Lungenfunktionsprüfung, eines Farbdoppler-Echokardiogramms, sonographischer und Röntgenuntersuchungen sowie einer laborchemischen Untersuchung des Blutbildes ein sozialmedizinisches Sachverständigengutachten der Dr.T. (07./08.11.2001) eingeholt. Diese hat auf Grund persönlicher Untersuchung der Klägerin diagnostiziert: stenokardische Beschwerden nach Myokarditis 1995 ohne Umbauerscheinungen des Herzens, Belastungsbluthochdruck, Stressharninkontinenz, rezidivierende Gelenksbeschwerden und Schwellneigung, wirbelsäulenabhängige Beschwerden sowie als Nebenbefunde klimakterische Beschwerden, Zustand nach Gebärmutterentfernung, Zustand nach Teilexzision der Eierstöcke, Adipositas mit mäßiger Cholesterinerhöhung und Senk-Spreizfußbildung. Die Klägerin neige bei histrionischer Persönlichkeitsstruktur zur Somatisierung, eine gravierende psychische Erkrankung bestehe jedoch nicht. Infolge der gesundheitlichen Einschränkungen könne die Klägerin noch in leichten Arbeiten ohne Haltungskonstanz unter Schutz vor Kälte und Nässe, ohne besonderen Zeitdruck sowie bei der Möglichkeit, während der Arbeit die Toilette aufzusuchen, vollschichtig tätig sein, insbesondere als Verpackerin.
Dieser Einschätzung ist das SG gefolgt und hat mit Urteil vom 09.11.2001 die Klage im Wesentlichen mit der Begründung abgewiesen, die Klägerin könne trotz der festgestellten gesundheitlichen Einschränkungen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unter nur qualitativen Einschränkungen vollschichtig tätig sein und sei deswegen weder erwerbs- noch berufunfähig.
Dagegen hat die Klägerin Berufung eingelegt unter nochmaliger Vorlage älterer Befundberichte und unter Bezugnahme auf einen weiteren fachärztlichen Befundbericht des Prof.Z. geltend gemacht, aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr zur Leistung von vollschichtigen Arbeiten fähig zu sein.
Auf Anforderung des Senats hat die Internistin, Kardiologin und Sozialmedizinerin Dr.L. auf der Grundlage einer eigenständigen Untersuchung am 28.05.2003 ein Sachverständigengutachten erstattet (11.06.2003). Dr.L. hat diagnostiziert:
- fortbestehende thorakale Beschwerden nach abgelaufener Myo karditis mit bioptisch gesicherter Ausheilung, - essenzieller arterieller Bluthochdruck, - Adipositas Grad I, - Hypercholesterinämie, - nicht behandlungsbedürftige Zuckerstoffwechselstörung, - Zustand nach Teilentfernung der Ovarien und Entfernung der Gebärmutter, - Stressinkontinenz der Blase Grad II, - Schwellneigung der Beine, - chronisch-rezidivierende Cervialgien und Cervikobrachialgien, - chronisch-rezidivierende Lumbalgien und Lumboischialgien, - kein Anhalt für ein primär entzündliches Gelenkleiden sowie - statisch bedingte Beschwerden bei Senk-Spreizfußbildung.
Dr.L. hat trotz dieser gesundheitlichen Einschränkungen noch acht Stunden tägliche Beschäftigungen in geschlossenen Räumen als vollschichtig zumutbar angesehen unter Vermeidung von schwerem Heben und Tragen, häufigem Bücken, Kälte, Nässe, Zugluft und starker Hitzeeinflüsse, besonderer psychischer Belastungen wie erhöhtem Zeitdruck, Nacht- und Wechselschicht und mit der Möglichkeit, bei Bedarf ohne Verzug eine Toilette aufsuchen zu können. Einschränkungen der Wegefähigkeit hat sie verneint ebenso wie eine außergewöhnliche Summierung von Leis- tungseinschränkungen.
Auf Anhörung hat die Klägerin vorgebracht, Dr.L. habe die Untersuchung nicht mit der erforderlichen Sorgfalt durchgeführt und Befunde der behandelnden Ärzte aus der Heimat nicht hinreichend berücksichtigt. Sie sei anerkannt in ihrer Heimat zu jeglicher Arbeit unfähig und deshalb auch in Deutschland nicht fähig, erwerbstätig zu sein.
Die Klägerin beantragt sinngemäß, das Urteil des SG Landshut vom 09.11.2001 sowie den Bescheid der Beklagten vom 24.02.2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.08.2000 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit gemäß Antrag vom 06.07.1998 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt, die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des SG Landshut vom 09.11.2001 zurückzuweisen.
Beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung vom 07.10. 2003 waren die Beklagtenakten. Auf diese Akten sowie auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge wird zur Ergänzung des Tatbestandes Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Die Klägerin erfüllt nicht die gesundheitlichen Voraussetzungen der begehrten Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit. Sie hat keinen Anspruch auf diese Rente, der streitgegenständliche Bescheid der Beklagten vom 24.02.2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.08.2000 sowie das Urteil des SG Landshut vom 09.11.2001 sind nicht zu beanstanden.
Der streitige Rentenanspruch richtet sich nach den §§ 43, 44 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch - SGB VI - in der bis 31.12.2000 geltenden Fassung (a.F.), weil er auch Zeiten vor diesem Datum erfasst. Die ab 01.01.2001 geltende Neuregelung (n.F.) durch das Gesetz zur Reform der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit (vom 20.12.2000 - BGBl.I S.1827) ist heranzuziehen, falls ein Rentenanspruch am 31.12.2000 nicht bestanden hätte, aber für die nachfolgende Zeit in Betracht käme (vgl. § 300 Abs.1, 2 SGB VI).
Nach § 43 Abs.2 SGB VI a.F. sind berufsunfähig Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung auf weniger als die Hälfte derjenigen von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfanges ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufes und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können. Nicht berufsunfähig ist, wer eine zumutbare Tätigkeit vollschichtig ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.
Nach § 240 SGB VI n.F. haben Versicherte, die wie die Klägerin vor dem 02.01.1961 geboren sind, bei Vorliegen von Berufsunfähigkeit einen Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung. Die Definition der Berufsunfähigkeit weicht vom früheren Recht nur insoweit ab, als nach § 240 Abs.2 Satz 4 SGB VI n.F. berufsunfähig nicht ist, wer - ungeachtet der jeweiligen Arbeitsmarktlage - eine zumutbare Tätigkeit mindestens sechs Stunden täglich ausüben kann. Erwerbsunfähigkeit setzt nach § 44 Abs.2 SGB VI a.F. ebenso eine volle Erwerbsminderung im Sinne des neuen Rechts (§ 43 Abs.2 Satz 2 SGB VI n.F.) wie eine gegenüber der Berufsunfähigkeit noch weiter herabgesetzte Erwerbsfähigkeit heraus.
Vollschichtiges Leistungsvermögen in einer zumutbaren Tätigkeit schließt somit nach alter und neuer Rechtslage den streitigen Rentenanspruch regelmäßig aus.
Ausgangspunkt bei der Beurteilung der Berufsunfähigkeit ist der bisherige Beruf der Versicherten. Darunter ist regelmäßig diejenige der Versicherungspflicht unterliegende Tätigkeit zu verstehen, die in Deutschland zuletzt auf Dauer verrichtet wurde. In der Regel ist dies die letzte versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit (vgl. BSG SozR 2200 § 1246 Nr.158, SozR 3-2200 § 1246 Nrn.54, 61 jeweils mit weiteren Nachweisen).
Maßgeblich letzter Beruf ist somit nach dem Inhalt der gesamten Akten sowie nach den eigenen Angaben der Klägerin im gerichtlichen Verfahren ihre Tätigkeit als Verpackerin, die sie u.a. in der Süßwarenproduktion ausgeübt hat. Verpackertätigkeiten sind ungelernte Hilfstätigkeiten, sodass der Klägerin bei der Beurteilung der Berufsunfähigkeit sozial zugemutet werden können sämtliche Tätigkeiten, die der allgemeine Arbeitsmarkt zur Verfügung stellt (vgl. zur Verweisbarkeit und zur Wertigkeit der Berufe BSG SozR 3-2200 § 1246 Nrn.45, 55, 61 m.w.N.).
Nach den überzeugenden Feststellungen der Dr.L. , die in allen Phasen einer ordnungsgemäßen Begutachtung (Auswertung der Akten, Anamnese, Befunderhebung, Beurteilung der Befunde mit Ausschluss von Verdeutlichungstendenzen, Diagnostik, Ermittlung des Schweregrades und Beurteilung des Restleistungsvermögens mit Blick auf die Fragestellung der Beweisanordnung) die Leistungsfähigkeit der Klägerin schlüssig ermittelt, in sich wider- spruchsfrei bewertet und überzeugend beurteilt hat, bestehen bei der Klägerin folgende Gesundheitsstörungen:
- fortbestehende thorakale Beschwerden nach 1995 abgelaufener fokal aktiver Myokarditis mit bioptisch gesicherter Aushei lung, - essenzieller arterieller Bluthochdruck, - Adipositas Grad I, - Hypercholesterinämie, - noch nicht behandlungsbedürftige Zuckerstoffwechselstörung, - Zustand nach Teilentfernung der Ovarien wegen Zysten 1980 und Entfernung der Gebärmutter wegen eines Myoms 1992, - Stressinkontinenz der Blase Grad II, - Schwellneigung der Beine, - chronisch-rezidivierende Cervialgien und Cervikobrachialgien, - chronisch-rezidivierende Lumbalgien und Lumboischialgien, - statisch bedingte Beschwerden bei Senk-Spreizfußbildung.
Diese Befunde decken sich im Wesentlichen mit denen der Dr.T. und berücksichtigen die Befunde aus der Heimat der Klägerin, insbesondere die des Prof.Z. auf kardiologischem Gebiet. Der im Berufungsverfahren erhobene Vorwurf der Klägerin, die Sachverständige hätte die Befunde aus ihrer Heimat nicht berücksichtigt, ist somit unzutreffend.
Zu folgen ist auch der überzeugenden Leistungsbeurteilung der Dr.L. , wonach die Klägerin körperlich leichte Arbeiten aus wechselnder Arbeitsposition ohne langanhaltendes Stehen und Gehen und unter Vermeidung von schwerem Heben und Tragen, häufigem Bücken, von Kälte, Nässe, Zugluft und starker Hitzeeinflüsse, von besonderen psychischen Belastungen wie erhöhter Zeitdruck, Nacht- und Wechselschicht und bei Vorhalten der Möglichkeit, unverzüglich eine Toilette aufsuchen zu können, vollschichtig ausüben kann. Dieses Erfordernis stellt keine unüblichen Anforderungen an einen Arbeitsplatz (vgl. BSG SozR 2200 § 1247 Nr.43), weil die Nähe einer Toilette zum Arbeitsplatz den üblichen Bedingungen des Arbeitsmarktes entspricht (vgl. § 1206 Abs.4 Gewerbeordnung).
Damit kann die Klägerin auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unter nur qualitativen Einschränkungen tätig sein. Anhaltspunkte für eine Summierung außergewöhnlicher Leistungseinschränkungen bestehen nicht. Die Wegefähigkeit der Klägerin ist nicht eingeschränkt. Sie ist damit weder berufs- noch erwerbsunfähig nach der bis 31.12.2000 geltenden Rechtslage noch ist sie erwerbs- gemindert im Sinne der ab 01.01.2001 geltenden Rechtsnormen.
Die Berufung bleibt damit in vollem Umfang ohne Erfolg.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz - SGG -.
Gründe, die Revision zuzulassen, sind nicht ersichtlich (§ 160 Abs.2 Nrn.2 und 3 SGG).
Rechtskraft
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