L 3 SB 2136/13 ZVW

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
3
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 9 SB 426/09
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 SB 2136/13 ZVW
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 23. August 2008 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungs- und Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Feststellung des Merkzeichens "außergewöhnliche Gehbehinderung" (aG) streitig.

Der Beklagte hatte bei der am 02.03.1934 geborenen Klägerin unter Berücksichtigung der zur Feststellung des Grades der Behinderung (GdB) eingeholten versorgungsärztlichen Stellungnahme von Dr. H. vom 19.08.2007, in der als Funktionsbeeinträchtigungen eine Funktionsstörung durch eine rechtsseitige Fußfehlform, eine Versteifung des rechten oberen Sprunggelenks, eine Funktionsbehinderung beider Kniegelenke, eine Lymphstauung beider Beine und ein Verlust der vierten und fünften Zehe rechts mit einem Einzel-GdB von 60, degenerative Veränderungen der Wirbelsäule und Nervenwurzelreizerscheinungen mit einem Einzel-GdB von 30 sowie eine Lymphstauung beider Arme und eine Daumensattelgelenksarthrose beidseits mit einem Einzel-GdB von 50 berücksichtigt und der Gesamt-GdB mit 100 eingeschätzt worden waren, mit Bescheid vom 09.10.2007 den GdB mit 100 seit 20.09.2006 sowie die Merkzeichen "Berechtigung für eine ständige Begleitung" (B) und "erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr" (G) festgestellt.

Am 20.12.2007 beantragte die Klägerin die Feststellung des Merkzeichens aG.

Nach Beiziehung medizinischer Unterlagen führte der Versorgungsarzt K. in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 01.06.2008 aus, hinzugekommen sei eine Kalksalzminderung des Knochens (Osteoporose) sowie ein Schlafapnoe-Syndrom und eine Harninkontinenz, die er jeweils mit einem Einzel-GdB von 10 einschätzte. Die medizinischen Voraussetzungen für das Merkzeichen aG seien nicht erfüllt. Mit Bescheid vom 24.06.2008 lehnte der Beklagte den Antrag ab.

Hiergegen erhob die Klägerin am 28.07.2008 Widerspruch. Der Beklagte zog unter anderem den Entlassbrief der H.-Klinik vom 25.06.2008 über die stationäre Behandlung der Klägerin vom 20.05.2008 bis zum 09.06.2008 wegen einer starken Ödemzunahme bei. Darin wird ausgeführt, es habe eine Entstauung und Beinvolumenverringerung erzielt werden können. Bei der Schlussuntersuchung sei kein dellenhinterlassendes Ödem festzustellen gewesen, das Gewebe sei locker und die Stauungsbeschwerdensymptomatik entsprechend der Volumenabnahme gelindert gewesen. Unter Berücksichtigung der versorgungsärztlichen Stellungnahme von Dr. J. vom 23.09.2008 wies der Beklage den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 19.01.2009 zurück.

Hiergegen hat die Klägerin am 13.02.2009 Klage zum Sozialgericht Mannheim (SG) erhoben.

Das SG hat die behandelnden Ärzte der Klägerin schriftlich als sachverständige Zeugen gehört. Der Internist Dr. V. hat in seiner sachverständigen Zeugenaussage vom 06.10.2009 ausgeführt, die Klägerin sei wegen eines fortgeschrittenen Lip-/Lymphödems beider Beine und beider Arme in der Gebrauchsfähigkeit der betroffenen Gliedmaßen erheblich beeinträchtigt. Des Weiteren sei sie durch mehrfache Fußoperationen rechts mit Arthrodese des rechten Sprunggelenks körperlich behindert. Ein Postpolio-Syndrom habe sich weiter verschlechtert. Auch sei sie bei der Benutzung eines Rollators durch eine Daumensattelgelenksarthrose beidseits behindert. Wegen eines instabilen Kniegelenks links bei Gonarthrose sei eine Versorgung mit einer Orthese erfolgt. Die Klägerin könne sich unter Zuhilfenahme einer Unterarmgehstütze mühsam fortbewegen, zeitweilig seien auch zwei Unterarmgehstützen erforderlich, zeitweilig sei sie auf die Nutzung eines Rollators angewiesen. Die schmerzfreie Gehstrecke betrage circa 100 bis 200 Meter. Der Orthopäde Dr. M. hat unter dem 28.10.2009 mitgeteilt, die Klägerin stehe seit dem 20.07.2009 in seiner orthopädischen Behandlung. Bei ihr bestehe eine komplexe Fußfehlstellung beziehungsweise Fußdeformation rechts bei Zustand nach multiplen Fußoperationen in den Jahren 1936 bis 1953 bei Versteifung des hinteren unteren Sprunggelenks rechts als Folge einer frühkindlichen Polio-Erkrankung. Weiter bestünden eine Funktionseinschränkung des linken Kniegelenks sowie deutliche degenerative Veränderungen der Lendenwirbelsäule und Arthrosen der Daumen. Die Gehfähigkeit beschränke sich auf 100 bis 200 Meter am Stück, wobei die Klägerin auf die Benutzung einer wegen der Daumensattelgelenksarthrose nur bedingt einsetzbaren Gehstütze angewiesen sei. Weiter vorgelegt worden ist der Entlassungsbericht der H.-Klinik B. vom 27.07.2009 über die stationäre Behandlung vom 30.06.2009 bis zum 19.07.2009. Danach sind die Beine bei der Abschlussuntersuchung volumengemindert ohne dellenhinterlassendes Ödem gewesen. Eine Kompressionsstrumpfversorgung ist auf Wunsch der Klägerin nicht erfolgt.

Das SG hat daraufhin von Amts wegen das Gutachten des Orthopäden und Unfallchirurgen Dr. W. vom 10.02.2010 eingeholt. Dieser hat eine schwere Kniegelenksarthrose links, vorwiegend im medialen und Kniescheibengelenk, aktuell reizerscheinungsfrei, mit Beuge- und Streckdefizit, eine Fußdeformität rechts mit starker Bewegungseinschränkung und vielfach operativer Therapie nach Polio-Erkrankung des rechten Beins im zweiten Lebensmonat, mit eingeschränkter Stand- und Gangsicherheit, ein leicht- bis mäßig degeneratives Lendenwirbelsäulensyndrom, mit insgesamt guter bis zufriedenstellender Beweglichkeit, bei dem Alter angemessenen degenerativen Veränderungen, ohne Hinweise auf periphere Nervenwurzelreizerscheinungen sowie eine mäßige Handfunktionsstörung beidseits bei Arthrosen der Daumensattelgelenke und der speichenseitigen Handwurzeln und mit leichtem Drehfehler verheilten Frakturen der vierten und fünften Langfinger links diagnostiziert. Der Sachverständige hat ferner ausgeführt, die Klägerin wohne, obwohl sie ein eigenes Haus besitze, nicht ebenerdig, sondern müsse 23 Stufen über eine "Feuerleiter" zu ihrer etwa 50 qm großen Wohnung mehrmals am Tag hinauf und herunter gehen. Bei der gutachterlichen Untersuchung sei der beidbeinige Stand sicher gewesen, der Gang sei barfüßig als auch mit Schuhwerk sicher und ohne Verwendung eines Gehstocks gelungen. Zuhause habe die Klägerin einen Rollator, den sie aber nur dann benutze, wenn sie Veranstaltungen besuche, weil sie darauf besser sitze als in einem tiefen Stuhl. Sowohl mit als auch ohne Hilfsmittel sei die Klägerin in den Praxisräumen ausreichend mobil gewesen. Eine außergewöhnliche Gehbehinderung liege nicht vor.

Mit Gerichtsbescheid vom 23.08.2010 hat das SG die Klage abgewiesen.

Gegen den ihr am 16.09.2010 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 13.10.2010 Berufung eingelegt. Zur Begründung hat sie vorgetragen, ihr Leiden sei von einem Sportmediziner mit Orthopädiekenntnissen nicht beurteilbar. Die Klägerin hat zunächst unter anderem den Entlassungsbericht des Katholischen Klinikums M. S. in K. vom 30.09.2010 über den stationären Aufenthalt vom 26.07.2010 bis zum 30.07.2010 vorgelegt. Sie hat ferner den Entlassungsbericht der H.-Klinik B. über die stationäre Maßnahme vom 19.01.2011 bis zum 08.02.2011 vorgelegt. Danach ist dort eine erneute konservative Therapie eines fortgeschrittenen Lip-/Lymphödems der Beine beidseits sowie eines Lipödems der Arme beidseits erfolgt. Unter komplexer physikalischer Entödematisierungstherapie habe bei deutlicher Besserung der subjektiven Beschwerden eine gute Entstauung erzielt werden können. Bei der Abschlussuntersuchung habe die Klägerin über eine deutlich verbesserte Gehfähigkeit und Belastbarkeit sowie Linderung der subjektiven Beschwerden berichtet. Im ferner vorgelegten Arztbrief des Katholischen Klinikums M. S. vom 10.05.2011 über die ambulante Vorstellung der Klägerin am 24.03.2011 wird ausgeführt, die Klägerin komme zur ambulanten Wiedervorstellung vor Fertigung des Arthrodesestiefels. Sie habe Beschwerden beim längeren Gehen im rechten oberen Sprunggelenk. Sie laufe am Rollator längere Strecken von circa 200 Metern, zum Beispiel vom Bahnhof bis zur Klinik. Im ebenfalls vorgelegten Entlassungsbrief des Katholischen Klinikums M. S. vom 17.10.2011 über die dortige stationäre Behandlung vom 22.09.2011 bis zum 06.10.2011 wird ausgeführt, beim Walking-Test über sechs Minuten habe die Klägerin unter normaler Sauerstoffsättigung und normalem Pulsverhalten eine Gesamtstrecke von 320 Metern zurückgelegt.

Mit Urteil vom 07.03.2012 hat der Senat die Berufung zurückgewiesen.

Auf die hiergegen von der Klägerin erhobene Nichtzulassungsbeschwerde hat das Bundessozialgericht (BSG) mit Beschluss vom 17.04.2013 (B 9 SB 55/12 B) das Urteil des Senats aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an den Senat zurückverwiesen. Es hat zur Begründung ausgeführt, das Urteil des Senats beruhe auf der von der Klägerin gerügten Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör, da der Senat in Abwesenheit der Klägerin durch Urteil entschieden habe, ohne sicherzustellen, dass ihr die Terminbenachrichtigung zugegangen sei.

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 23. August 2010 sowie den Bescheid des Beklagten vom 24. Juni 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. Januar 2009 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, das Merkzeichen aG festzustellen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält die angefochtene Entscheidung des SG für zutreffend.

Sodann hat der Senat auf Antrag der Klägerin gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) das Gutachten des Orthopäden Dr. H. vom 10.04.2014 eingeholt. Der Sachverständige hat ein Postpolio-Syndrom mit residualer Muskelschwäche in den unteren Extremitäten, eine Bein- und Fußverkürzung rechts, einen fixierten Knick-Plattfuß mit Arthrodese am unteren Sprunggelenk und Wackelsteifheit am oberen Sprunggelenk bei Arthrose des oberen Sprunggelenks vierten Grades, eine Gonarthrose links vierten Grades sowie rechts zweiten bis dritten Grades, eine Chondromalazia patellae zweiten bis vierten Grades beidseits mit endgradigem Beuge- und Streckdefizit, ein Lip-/Lymphödem der Beine stärker als der Arme mit erschwerter Bewegungsfähigkeit der Beine und Stoffwechselbeeinträchtigung, einen Zustand nach Amputation des vierten und fünften Zehens rechts mit guten Stumpfverhältnissen, ein degeneratives Lendenwirbelsäulen-Syndrom bei Spondylarthrose L4 bis S1 beidseits mit endgradiger Bewegungsschmerzhaftigkeit ohne weitreichendes funktionelles Defizit, ohne vertebragen-neurologische Ausfallserscheinungen oder eines Nervenwurzelreizsyndroms, eine cervikale Degeneration mit Spondylarthrose C2 bis C5 bei Hyperlordose und Osteochondrose C5 bis C7 bei Steilstellung mit endgradiger Bewegungseinschränkung ohne Angabe einer Schmerzsymptomatik oder Hinweise auf vertebragen-neurologische Ausfallserscheinungen oder ein Nervenwurzelreizsyndrom, eine Rhizarthrose beidseits vierten Grades, eine STT-Arthrose rechts vierten Grades, eine Daumengrundgelenksarthrose links zweiten Grades mit Bewegungseinschränkung des Daumens sowie eine knöchern konsolidierte subcapitale MHK-V-Fraktur links mit regelhaften Stellungsverhältnissen diagnostiziert. Der Sachverständige hat ferner ausgeführt, nach den Angaben der Klägerin und nach dem Eindruck im Rahmen der gutachterlichen Untersuchung sei sie noch fähig, im Hause kurze Strecken ohne Hilfsmittel zurückzulegen. Außer Haus werde ein Rollator benötigt. Mit Rollator sei nach Angaben der Klägerin eine Gehstrecke von 20 bis 30 Metern möglich. Nach den Ergebnissen der gutachterlichen Untersuchung sollten der Klägerin Gehstrecken bis 50 Meter mit Rollator zuzumuten sein. Die Gehstrecken könnten ohne fremde Hilfen geleistet werden. Auch die Anwendung der vorhandenen orthopädischen Hilfsmittel erfolge von der Klägerin noch selbstständig. In Bezug auf das beantragte Merkzeichen hat der Sachverständige dargelegt, die Klägerin sei in der Lage, sich für kurze Strecken ohne fremde Hilfe fortzubewegen und sei somit von den ersten Schritten an nicht auf fremde Hilfe angewiesen. Für kurze Gehstrecken, beispielsweise im Hause von 10 bis 20 Metern, seien keine übermäßigen Anstrengungen der Klägerin erforderlich. Bei darüber hinausgehender Gehstrecke oder Gehen auf schräger Ebene sowie Treppensteigen seien diese Fortbewegungen nur mit großer Anstrengung möglich. Die Anstrengung manifestiere sich laut der Klägerin anhand auftretender Kurzatmigkeit sowie Schwäche der Beine, so dass dann eine kurzzeitige Pause eingelegt werden müsse. Der Einsatz des Rollators sei der Klägerin gut möglich. Die Daumensattelgelenksarthrosen beiderseits dürften bei entsprechendem anatomischen Handgriff oder Handauflage den Gebrauch des Rollators nicht relevant beeinträchtigen. Die körperlichen Anstrengungen der Klägerin für die ersten Schritte seien nicht vergleichbar mit den großen körperlichen Anstrengungen wie bei Querschnittsgelähmten, Doppeloberschenkelamputierten, Doppelunterschenkelamputierten, Hüftexartikulierten oder einseitig Oberschenkelarmamputierten, die dauernd außerstande seien, ein Kunstbein zu tragen.

Hierzu hat die Klägerin ausgeführt, sie sei nicht mehr in der Lage, ein Auto zu führen und besitze auch seit dem Jahr 2012 kein Auto mehr. Sie sei auf die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel angewiesen. Hierbei sei sie jedoch massiv in ihrer Gehfähigkeit eingeschränkt. Wegen des Postpolio-Syndroms sei sie in ihrer Gehfähigkeit außergewöhnlich eingeschränkt. Soweit der Sachverständige davon ausgehe, dass keine Vergleichbarkeit mit der Fortbewegungsmöglichkeit eines Oberschenkelamputierten vorliege, sei dies nicht nachvollziehbar. Es sei bislang bei allen ärztlichen Stellungnahmen völlig außer Acht geblieben, dass sie seit frühester Kindheit mit extremen Schmerzen zu kämpfen habe. Die chronischen Schmerzzustände sorgten für eine erhebliche Anstrengung. Sie könne nur mit orthopädischen Schnürstiefeln laufen und bedürfe hierbei regelmäßiger Hilfe. Die Treppen zu ihrer Wohnung könne sie nicht täglich bewerkstelligen. Es gebe Zeiten, in denen sie wochenlang ihre Wohnung nicht verlassen könne. Die Lip-/Lymphödeme in den Beinen führten bei fehlender Bewegung zu Kreislauf- und Herzbeschwerden. Jeder Schritt bedeute eine außerordentliche Kraftanstrengung und Schmerzbelastung. Ferner sei sie nicht in der Lage, öffentliche Verkehrsmittel zu nutzen, da sie nicht ein- und aussteigen könne und wegen der ausgeprägten Daumensattelarthrose und den Beeinträchtigungen der Wirbelsäule nicht in der Lage sei, sich während der Fahrt oder zum Ein- und Aussteigen festzuhalten. Die Klägerin hält daher die Einholung eines orthopädisch-schmerzmedizinischen Ergänzungsgutachtens für notwendig. Sie hat das Attest der Hochschulambulanz der Medizinischen Hochschule H. vom 16.09.2013 vorgelegt, wonach sie regelmäßig Hilfestellung beim Anziehen ihrer Gehorthesen und orthopädischen Spezialschuhe benötige.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß §§ 143 und 144 SGG statthafte, nach § 151 Abs. 2 SGG form- und fristgerechte sowie auch im Übrigen zulässige Berufung der Klägerin ist unbegründet.

Gegenstand des Berufungsverfahrens ist die Aufhebung des Gerichtsbescheides des SGs Mannheim vom 23.08.2010, mit dem die Klage der Klägerin gegen den Bescheid des Beklagten vom 24.06.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.01.2009 abgewiesen worden ist. Die Klägerin erstrebt die Aufhebung dieses Bescheides und die Verpflichtung des Beklagten, bei ihr das Merkzeichen aG festzustellen. Dieses prozessuale Ziel verfolgt die Klägerin zulässigerweise gemäß § 54 Abs. 1 Satz 1 SGG mit der kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungsklage.

Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die Feststellung des Merkzeichens aG.

Maßgebliche Rechtsgrundlagen für die Feststellung von Merkzeichen sind die Vorschriften des Neunten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IX).

Auf Antrag des behinderten Menschen treffen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen Behörden, wenn neben dem Vorliegen einer Behinderung weitere gesundheitliche Merkmale Voraussetzung für die Inanspruchnahme von Nachteilsausgleichen sind, die erforderlichen Feststellungen (§ 69 Abs. 4 SGB IX). Auf Antrag des behinderten Menschen stellen die zuständigen Behörden auf Grund einer Feststellung der Behinderung einen Ausweis über die gesundheitlichen Merkmale aus (§ 69 Abs. 5 SGB IX).

Zu diesen Merkmalen gehört die außergewöhnliche Gehbehinderung im Sinne des § 6 Abs. 1 Nr. 14 Straßenverkehrsgesetz (StVG) oder entsprechender straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften, für die in den Schwerbehindertenausweis das Merkzeichen aG einzutragen ist (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 Vierte Verordnung zur Durchführung des Schwerbehindertengesetzes [SchwbAwV]). Diese Feststellung zieht straßenverkehrsrechtlich die Gewährung von Parkerleichterungen im Sinne des § 46 Abs. 1 Nr. 11 Straßenverkehrsordnung (StVO) nach sich, insbesondere die Nutzung von gesondert ausgewiesenen Behindertenparkplätzen (Rollstuhlfahrersymbol, Zusatzzeichen 1020-11, 1044-10, 1044-11 StVO) und die Befreiung von verschiedenen Parkbeschränkungen (zum Beispiel vom eingeschränkten Halteverbot für die Dauer von 3 Stunden). Darüber hinaus führt sie unter anderem zur Befreiung von der Kraftfahrzeugsteuer (§ 3a Abs. 1 Kraftfahrzeugsteuergesetz [KraftStG]) bei gleichzeitiger Möglichkeit der unentgeltlichen Beförderung im öffentlichen Personennahverkehr (§ 145 Abs. 1 SGB IX) und gegebenenfalls zur Ausnahme von allgemeinen Fahrverboten nach § 40 Bundesimmissionsschutzgesetz (BImSchG). Sie macht die steuerliche Geltendmachung von Kosten des Kraftfahrzeuges, soweit sie nicht schon Werbungs- oder Betriebskosten sind, als außergewöhnliche Belastungen im Sinne des § 33 Einkommensteuergesetz (EStG) in angemessenem Umfang möglich.

Ausgangspunkt für die Feststellung der außergewöhnlichen Gehbehinderung ist Abschnitt II Nr. 1 zu § 46 Abs. 1 Nr. 11 Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrsordnung (VwV-StVO). Dies ist, obwohl nach Art. 84 Abs. 2 Grundgesetz (GG) erlassene Verwaltungsvorschriften keine unmittelbare Außenwirkung entfalten (Lerche in Maunz-Dürig, GG, Kommentar, Stand Januar 1985, Art. 84, Rz. 94 bis 103), ständige höchstrichterliche Rechtsprechung (zuletzt in BSG, Urteil vom 05.07.2007 - B 9/9a SB 5/06 R - juris). Danach ist außergewöhnlich gehbehindert im Sinne des § 6 Abs. 1 Nr. 14 StVG, wer sich wegen der Schwere seines Leidens dauernd nur mit fremder Hilfe oder nur mit großer Anstrengung außerhalb seines Kraftfahrzeuges bewegen kann (Abschnitt II Nr. 1 Satz 1 zu § 46 Abs. 1 Nr. 11 VwV-StVO). Hierzu zählen Querschnittsgelähmte, Doppeloberschenkelamputierte, Doppelunterschenkelamputierte, Hüftexartikulierte und einseitig Oberschenkelamputierte, die dauernd außer Stande sind, ein Kunstbein zu tragen, oder nur eine Beckenkorbprothese tragen können oder zugleich unterschenkel- oder armamputiert sind (Abschnitt II Nr. 1 Satz 2 Halbsatz 1 zu § 46 Abs. 1 Nr. 11 VwV-StVO), sowie andere Schwerbehinderte, die nach versorgungsärztlicher Feststellung, auch auf Grund von Erkrankungen, dem vorstehenden Personenkreis gleichzustellen sind (Abschnitt II Nr. 1 Satz 2 Halbsatz 2 zu § 46 Abs. 1 Nr. 11 VwV-StVO).

Der seit 01.01.2009 an die Stelle der bis zum 31.12.2008 im Interesse einer gleichmäßigen Rechtsanwendung als antizipierte Sachverständigengutachten angewandten "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (Teil 2 SGB IX)" 2008 (AHP) getretenen Anlage "Versorgungsmedizinische Grundsätze" (VG) zu § 2 der Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, § 30 Abs. 1 und § 35 Abs. 1 BVG vom 10.12.2008 - BGBl. I. S. 2412 (Versorgungsmedizin-Verordnung; VersMedV) lassen sich im Ergebnis keine weiteren Beurteilungskriterien für die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen des begehrten Nachteilsausgleichs entnehmen. Denn die VG sind hinsichtlich der getroffenen Regelungen für die nach dem Schwerbehindertenrecht zu beurteilenden Nachteilsausgleiche G, aG, B, "Gehörlosigkeit" (Gl) und "Blindheit" (Bl) unwirksam, da es insoweit an einer gesetzlichen Verordnungsermächtigung fehlt. Eine solche Ermächtigung findet sich nämlich - mit Ausnahme des Nachteilsausgleichs "Hilflosigkeit" (H) - weder in § 30 Abs. 17 BVG in der Fassung bis zum 30.06.2011 beziehungsweise § 30 Abs. 16 BVG in der Fassung ab dem 01.07.2011, noch in sonstigen Regelungen des BVG oder des SGB IX (Urteil des Senats vom 28.05.2013 - L 3 SB 5383/12 - juris; Urteile des LSG Baden-Württemberg vom 09.06.2011 - L 6 SB 6140/09, vom 09.05.2011 - L 8 SB 2294/10, vom 04.11.2010 - L 6 SB 2556/09, vom 24.09.2010 - L 8 SB 4533/09 und vom 14.08.2009 - L 8 SB 1691/08; alle veröffentlicht in juris, Dau, jurisPR-SozR 4/2009, Anm. 4).

Während die in Abschnitt II Nr. 1 Satz 2 Halbsatz 1 zu § 46 Abs. 1 Nr. 11 VwV-StVO aufgeführten Schwerbehinderten relativ einfach zu bestimmen sind, ist dies bei der Gruppe der gleichgestellten Schwerbehinderten nicht ohne Probleme möglich. Ein Betroffener ist gleichzustellen, wenn seine Gehfähigkeit in ungewöhnlich hohem Maße eingeschränkt ist und er sich nur unter ebenso großen Anstrengungen wie die erstgenannten Gruppen von Schwerbehinderten oder nur noch mit fremder Hilfe fortbewegen kann (BSG, Urteil vom 11.03.1998 - B 9 SB 1/97 R - juris). Schwierigkeiten bereitet hierbei der Vergleichsmaßstab, weil die verschiedenen, in Abschnitt II Nr. 1 Satz 2 Halbsatz 1 zu § 46 Abs. 1 Nr. 11 VwV-StVO aufgezählten Gruppen in ihrer Wegefähigkeit nicht homogen sind und einzelne Vertreter dieser Gruppen - bei gutem gesundheitlichem Allgemeinzustand, hoher körperlicher Leistungsfähigkeit und optimaler prothetischer Versorgung - ausnahmsweise nahezu das Gehvermögen eines Nichtbehinderten erreichen können (BSG, Urteil vom 10.12.2002 - B 9 SB 7/01 R - juris). Solche Besonderheiten können aber angesichts des mit der Zuerkennung des Merkzeichens aG bezweckten Nachteilsausgleichs nicht als Maßstab für die Bestimmung der Gleichstellung herangezogen werden. Vielmehr muss sich dieser strikt an dem der einschlägigen Regelung vorangestellten Obersatz orientieren; dies ist Abschnitt II Nr. 1 Satz 1 zu § 46 Abs. 1 Nr. 11 VwV-StVO beziehungsweise § 6 Abs. 1 Nr. 14 StVG (BSG, Urteil vom 10.12.2002 - B 9 SB 7/01 R - juris). Dabei ist zu berücksichtigen, dass Parkraum für diejenigen Schwerbehinderten geschaffen werden sollte, denen es unzumutbar ist, längere Wege zu Fuß zurückzulegen (BT-Drucks 8/3150, S. 9 und 10 in der Begründung zu § 6 StVG). Wegen der begrenzten städtebaulichen Möglichkeiten, Raum für Parkerleichterungen zu schaffen, sind hohe Anforderungen zu stellen, um den Kreis der Begünstigten klein zu halten (BSG, Urteil vom 11.03.1998 - B 9 SB 1/97 R - juris).

Für die Gleichstellung ist bei dem Restgehvermögen des Betroffenen anzusetzen. Dabei lässt sich ein anspruchsausschließendes Restgehvermögen griffig weder quantifizieren noch qualifizieren (BSG, Urteil vom 10.12.2002 - B 9 SB 7/01 R - juris). Weder der gesteigerte Energieaufwand noch eine in Metern ausgedrückte Wegstrecke taugen grundsätzlich dazu. Denn die maßgeblichen straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften stellen nicht darauf ab, über welche Wegstrecke ein schwerbehinderter Mensch sich außerhalb seines Kraftfahrzeuges zumutbar noch bewegen kann, sondern darauf, unter welchen Bedingungen ihm dies nur noch möglich ist: nämlich nur mit fremder Hilfe oder nur mit großer Anstrengung. Wer diese Voraussetzung praktisch von den ersten Schritten außerhalb seines Kraftfahrzeuges an erfüllt, qualifiziert sich für den entsprechenden Nachteilsausgleich auch dann, wenn er gezwungenermaßen auf diese Weise längere Wegstrecken zurücklegt. Der gleichzustellende Personenkreis beschränkt sich daher auf Schwerbehinderte, deren Gehfähigkeit in ungewöhnlich hohem Maß eingeschränkt ist und die sich nur unter ebenso großen körperlichen Anstrengungen fortbewegen können wie die in Abschnitt II Nr. 1 Satz 2 Halbsatz 1 zu § 46 Abs. 1 Nr. 11 VwV-StVO einzeln aufgeführten Vergleichsgruppen (BSG, Urteil vom 05.07.2007 - B 9/9a SB 5/06 R - juris; BSG, Urteil vom 29.03.2007 - B 9a SB 5/05 R - juris; BSG, Urteil vom 29.03.2007 - B 9a SB 1/06 R - juris).

Auch soweit diese großen körperlichen Anstrengungen festzustellen sind, kann nicht allein auf eine gegriffene Größe wie die schmerzfrei zurückgelegte Wegstrecke abgestellt werden. Unabhängig von der Schwierigkeit, eine solche Wegstrecke objektiv fehlerfrei und verwertbar festzustellen, ist die Tatsache, dass ein Betroffener nach einer bestimmten Strecke eine Pause machen muss, lediglich Indiz für eine Erschöpfung. Für die Zuerkennung des Nachteilsausgleichs aG reichen überdies nicht irgendwelche Erschöpfungszustände aus. Sie müssen in ihrer Intensität vielmehr gleichwertig mit den Erschöpfungszuständen sein, die Schwerbehinderte der in Abschnitt II Nr. 1 Satz 2 Halbsatz 1 zu § 46 Abs. 1 Nr. 11 VwV-StVO einzeln aufgeführten Gruppen erleiden. Gradmesser hierfür kann die Intensität der Schmerzen beziehungsweise der Luftnot nach dem Zurücklegen einer bestimmten Wegstrecke sein. Ein solches Erschöpfungsbild lässt sich unter anderem aus der Dauer der erforderlichen Pause sowie den Umständen herleiten, unter denen der Schwerbehinderte nach der Pause seinen Weg fortsetzt. Nur kurzes Pausieren mit anschließendem Fortsetzen des Weges ohne zusätzliche Probleme ist im Hinblick auf den durch die Vergleichsgruppen gebildeten Maßstab zumutbar (BSG, Urteil vom 05.07.2007 - B 9/9a SB 5/06 R - juris; BSG, Urteil vom 29.03.2007 - B 9a SB 5/05 R - juris; BSG, Urteil vom 29.03.2007 - B 9a SB 1/06 R - juris).

Ob die danach erforderlichen großen körperlichen Anstrengungen beim Gehen vorliegen, ist Gegenstand tatrichterlicher Würdigung, die sich auf alle verfügbaren Beweismittel, wie Befundberichte der behandelnden Ärzte, Sachverständigengutachten oder einen dem Gericht persönlich vermittelten Eindruck, stützen kann. Gerade bei multimorbiden Schwerbehinderten liegt auf der Hand, dass allein das Abstellen auf ein starres Kriterium keine sachgerechte Beurteilung ermöglicht, weil es eine Gesamtschau aller relevanten Umstände eher verhindert. Gerade die Anwendung eines einzelnen starren Kriteriums birgt die Gefahr eines Verstoßes gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (BSG, Urteil vom 05.07.2007 - B 9/9a SB 5/06 R juris; BSG, Urteil vom 29.03.2007 - B 9a SB 5/05 R - juris; BSG, Urteil vom 29.03.2007 - B 9a SB 1/06 R - juris).

Ein an einer bestimmten Wegstrecke und einem Zeitmaß orientierter Maßstab liegt auch nicht wegen der Methode nahe, mit der die gesundheitlichen Voraussetzungen des Merkzeichens G festgestellt werden. Denn für den Nachteilsausgleich aG gelten gegenüber dem Nachteilsausgleich G nicht gesteigerte, sondern andere Voraussetzungen (BSG, Urteil vom 13.12.1994 - 9 RVs 3/94 - juris).

Ebenso wenig lässt sich ein allein maßgebliches Wegstrecken-Zeit-Kriterium aus dem straßen-verkehrsrechtlichen Zweck des Nachteilsausgleichs aG herleiten. Insofern kommt es nicht auf die üblicherweise auf Großparkplätzen zurückzulegende Strecke zwischen allgemein nutzbaren Parkplätzen und Gebäudeeingängen an. Der Nachteilsausgleich aG soll die stark eingeschränkte Gehfähigkeit durch Verkürzung der Wege infolge der gewährten Parkerleichterungen ausgleichen (BSG, Urteil vom 06.11.1985 - 9a RVs 7/83 - SozR 3870 § 3 Nr. 18). Ein bestimmtes Wegstreckenkriterium erschiene nur dann als sachgerecht, wenn die betreffende Wegstrecke grundsätzlich geeignet wäre, den bestehenden Nachteil auszugleichen. Das könnte es nahelegen, auf die Platzierung gesondert ausgewiesener Behindertenparkplätze abzustellen. Aber auch diesem Ansatz ist nicht zuzustimmen. Abgesehen davon, dass es keine empirischen Untersuchungen zur durchschnittlichen Entfernung zwischen gesondert ausgewiesenen Behindertenparkplätzen und den Eingängen zu Einrichtungen des sozialen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Lebens gibt, greift die alleinige Ausrichtung auf Behindertenparkplätze (Zusatzzeichen 1020-11, 1044-10, 1044-11 StVO) zu kurz. Denn daneben werden nach Abschnitt I Nr. 1 zu § 46 Abs. 1 Nr. 11 VwV-StVO weitere umfangreiche Parkerleichterungen, wie zum Beispiel die Ausnahme vom eingeschränkten Halteverbot, gewährt (BSG, Urteil vom 05.07.2007 - B 9/9a SB 5/06 R - juris; BSG, Urteil vom 29.03.2007 - B 9a SB 5/05 R - juris; BSG, Urteil vom 29.03.2007 - B 9a SB 1/06 R - juris).

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist der Senat nicht zu der Überzeugung gelangt, dass die Klägerin außergewöhnlich gehbehindert ist. Weder gehört sie zu dem in Abschnitt II Nr. 1 Satz 2 Halbsatz 1 zu § 46 Abs. 1 Nr. 11 VwV-StVO aufgeführten Personenkreis, noch ist sie nach Abschnitt II Nr. 1 Satz 2 Abs. 2 zu § 46 Abs. 1 Nr. 11 VvV-StVO aufgrund ihrer Erkrankungen diesem Personenkreis gleichzustellen. Der Senat konnte sich ebenso wie das SG nicht davon überzeugen, dass das Gehvermögen der Klägerin auf das Schwerste eingeschränkt und beispielsweise mit dem Gehvermögen eines Doppeloberschenkelamputierten gleichzusetzen ist.

Das Gehvermögen der Klägerin wird zwar maßgeblich durch die Folgen einer schweren linksseitigen Kniegelenksarthrose und einer auf einer frühkindlichen Polio-Erkrankung beruhenden Fußdeformität rechts eingeschränkt. Hinzu kommen Einschränkungen aufgrund der erheblichen Lip-/Lymphödeme der Klägerin. Die hieraus resultierenden Einschränkungen erreichen jedoch nicht das Ausmaß, das für die Feststellung einer außergewöhnlichen Gehbehinderung erforderlich ist. Der Senat weist - wie bereits in seinem Urteil vom 07.03.2012 - darauf hin, dass die Klägerin noch Wegstrecken bis zu 200 Meter in zumutbarer Weise zurücklegen kann. Dies ergibt sich aus dem Gutachten des Dr. W. vom 10.02.2010. Soweit die Klägerin hiergegen eingewandt hat, Dr. W. könne als Sportmediziner ihre gesundheitlichen Beeinträchtigungen nicht zutreffend beurteilen, trifft dies nicht zu. Denn der Sachverständige ist auch Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie. Gegen eine Einschränkung der Gehfähigkeit in ungewöhnlich hohem Maße sprechen neben den von Dr. W. erhobenen Befunden auch die ihm gegenüber gemachten Angaben der Klägerin. Danach ist sie noch in der Lage, eine Treppe mit 23 Stufen zu ihrer im ersten Stock gelegenen Wohnung mehrmals täglich zu benutzen. Auch bewegt sie sich in ihrer Wohnung beziehungsweise den vermieteten Zimmern noch ohne Hilfsmittel und kann diese auch noch fegen. Der Senat stützt seine Beurteilung darüber hinaus auf die Entlassungsberichte über stationäre Behandlungen, wonach in der H.-Klinik B. eine gute Entstauung der Lymphödeme hat erzielt werden können, die Klägerin bei der ambulanten Vorstellung im Katholischen Klinikum M. S. wegen der Fertigung von Arthrodesestiefeln über Beschwerden lediglich bei längerem Gehen geklagt hat sowie Strecken von 200 Metern mithilfe des Rollators hat zurücklegen können und die Klägerin bei dem nachfolgenden stationären Aufenthalt im Katholischen Klinikum K. beim Walking-Test über sechs Minuten unter normaler Sauerstoffsättigung und normalem Pulsverhalten eine Gesamtstrecke von 320 Metern zurückgelegt hat.

Auch unter Berücksichtigung des nun auf Antrag der Klägerin gemäß § 109 SGG eingeholten Gutachtens des Dr. H. lässt sich eine andere Beurteilung nicht rechtfertigen.

Dieser Sachverständige hat dargelegt, dass die Klägerin nach ihren Angaben noch fähig ist, im Hause kurze Strecken ohne Hilfsmittel und außer Haus mit einem Rollator eine Gehstrecke von 20 bis 30 Metern und nach den Untersuchungsergebnissen mit einem Rollator eine Gehstrecke von 50 Meter zurückzulegen. Daher ist die Klägerin auch nach der Einschätzung dieses Sachverständigen nicht von den ersten Schritten an auf fremde Hilfe angewiesen und sind für kurze Gehstrecken keine übermäßigen Anstrengungen erforderlich. Damit hat sich die gutachterliche Einschätzung des Dr. W. bestätigt.

Zwar sieht der Senat, dass eine beträchtliche Einschränkung der Gehfähigkeit der Klägerin vorliegt. Diese ist aber angemessen mit der Zuerkennung der Merkzeichen G und B berücksichtigt. Eine das Merkzeichen aG rechtfertigende Einschränkung der Gehfähigkeit in ungewöhnlich hohem Maße, also derart, dass sich die Klägerin selbständig nur unter ebenso großen Anstrengungen wie beispielsweise ein Doppeloberschenkelamputierter oder sich nur noch mit fremder Hilfe fortbewegen kann, ist nicht festzustellen.

Die Berufung war daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Danach waren die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens nicht zu erstatten. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens folgen den Kosten der Hauptsache (BSG, Urteil vom 26.06.1975 - 12 BJ 8/75 - juris).

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
Saved