Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 5 U 175/00
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 2 U 414/02
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Das SG verstößt gegen § 123 SGG, wenn es Kläger über den erhobenen Anspruch hinaus etwas anderes verspricht.
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 26. November 2002 aufgehoben, soweit die Beklagte verurteilt wurde, unter Abänderung des Bescheides vom 23. November 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31. März 2000 eine Zunahme der Gonarthrose im linken Knie als Folge des Arbeitsunfalls vom 23. Juni 1978 anzuerkennen und 1/3 der außergerichtlichen Kosten des Klägers zu tragen.
II. Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger war wegen der Folgen eines Arbeitsunfalls am 23.07.1978 im Jahre 1985 auf Lebenszeit abgefunden worden. Er machte in der Folge mehrmals Rentenleistungen wegen einer Verschlimmerung geltend.
Mit Bescheid vom 23.11.1999 lehnte die Beklagte eine solche Rentenleistung ab, weil eine wesentliche Verschlimmerung in den Unfallfolgen nicht vorliege. In der Begründung des Bescheides wurde eine vom gehörten Sachverständigen festgestellte Zunahme der röntgenologischen Veränderungen im Bereich des linken Kniegelenkes als gegeben dargestellt, sie stellten jedoch ohne entsprechende funktionale Einschränkungen keine wesentliche Verschlimmerung der Unfallfolgen dar.
Im anschließenden Klageverfahren hat einer der gehörten Sachverständigen zunächst eine unfallbedingte MdE um 30 v.H. angenommen und dies auf eine im Knie-Röntgenbefund festgestellte Zunahme der Gonarthrose gestützt. Er ist jedoch nicht bei dieser höheren MdE-Einschätzung geblieben.
Nachdem der Kläger zunächst am 19.07.2001 beantragt hatte, "eine MdE nach 30 v.H. festzustellen" hat er in der mündlichen Verhandlung vom 26.11.2002 beantragt, den Bescheid vom 23.11. 1999 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31.03.2000 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ab Antragstellung 22.09.1998 eine Verletztenrente nach einer MdE von 30 v.H. und somit den noch nicht abgefundenen Anteil von 10 v.H. wegen Verschlimmerung zu gewähren.
Mit Urteil vom gleichen Tage hat das Sozialgericht die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 23.11.1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31.März 2000 verpflichtet, eine Zunahme der Gonarthorse im linken Knie als Folge des Arbeitsunfalls vom 23.07.1978 anzuerkennen und im Übrigen die Klage abgewiesen.
Hiergegen hat die Beklagte Berufung eingelegt und beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 26.11.2002 insoweit aufzuheben, als sie verpflichtet wird, eine Zunahme der Gonarthrose im linken Knie als Folge des Arbeitsunfalles vom 23.06. 1978 anzuerkennen und einen Teil der außergerichtlichen Kosten des Klägers zu tragen.
Der Kläger, der in der mündlichen Verhandlung nicht anwesend und nicht vertreten war, hat ausgeführt, er schließe sich dem Inhalt des Urteils des Sozialgerichts Augsburg an; es sei davon auszugehen, dass die Zunahme seiner Gonarthorse am linken Knie als Unfallfolge anzuerkennen sei.
Die Beklagte ist der Meinung, sie sei in dem angefochtenen Bescheid ohnehin von einer solchen Zunahme der Gonarthorse ausgegangen.
Der Senat hat die Beteiligten darauf hingewiesen, dass weder in dem angefochtenen Bescheid über die Anerkennung weiterer Unfallfolgen entschieden, noch sei solches im Verwaltungsverfahren und auch im Klageverfahren beantragt worden sei.
Die Parteien haben sich mit einer Entscheidung durch den Berichterstatter einverstanden erklärt.
Zum Verfahren beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren die Akten der Beklagten und die Akte des Sozialgericht Augsburg in dem vorangegangenen Klageverfahren. Auf Ihren Inhalt wird ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die von der Beklagten form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig; eine Beschränkung der Berufung nach § 144 SGG besteht nicht.
Die Berufung ist auch begründet, denn die vom Sozialgericht Augsburg zu Lasten der Beklagten getroffene Entscheidung war vom Kläger nicht beantragt.
Nach § 123 SGG entscheidet das Gericht über die vom Kläger erhobenen Ansprüche, ohne an die Fassung der Anträge gebunden zu sein. Über den erhobenen Anspruch hinaus darf das Gericht weder mehr, noch etwas anderes zusprechen. Ist die Partei, wie im vorliegenden Fall, durch einen qualifizierten Prozessbevollmächtigten in Gestalt eines Rechtsanwalts vertreten, und ist der Antrag klar und eindeutig formuliert, muss das Gericht davon ausgehen, dass der Antrag den erhobenen Anspruch richtig wiedergibt (vgl. Meyer-Ladewig, Kommentar zum SGG, 7. Auflage § 123 Rdnr.3). So ist es im vorliegenden Fall, auch unter Berücksichtigung des klägerischen Vorbringens im Verwaltungsverfahren und im Gerichtsverfahren. Dem Kläger ist es um die Zahlung einer weiteren Verletztenrente nach einer Abfindung zu tun gewesen, keinem klägerischen Vorbringen, insbesondere nicht dem Klageantrag, ist ausdrücklich oder konkludent zu entnehmen, dass er von der Beklagten die Zunahme einer Gesundheitsstörung am verletzten Knie anerkannt wissen wollte. Insoweit kam die Zunahme der Gonarthrose lediglich als anspruchsbegründender Sachverhalt in Betracht.
Soweit die Beklagte in dem angefochtenen Urteil des Sozialgerichts Augsburg verurteilt worden ist, liegt deshalb ein Verfahrensmangel in Gestalt eines Verstoßes gegen § 123 SGG vor. Insoweit war die angefochtene Entscheidung aufzuheben. Eine weitergehende Klageabweisung ist nicht veranlasst, denn insoweit hat der Kläger keine Klage erhoben.
Es kann dahingestellt bleiben, ob im vorliegenden Verfahren das Vorliegen einer Klageänderung in Betracht kommt, oder der Verfahrensverstoß als geheilt angesehen werden müsste, weil der Kläger sich die Sicht des Sozialgerichts im Berufungsverfahren zu eigen gemacht hat (vgl. Meyer-Ladewig a.a.O. § 123 Rdnr.6). An einer Klageänderung nach § 99 SGG fehlt es schon deshalb, weil zu keinem Zeitpunkt ein entsprechend geänderter Antrag des Klägers gestellt worden ist. Für eine Heilung im Berufungsverfahren fehlt es schon an einem entsprechenden Antrag des Klägers, nachdem dieser weder Berufungsführer ist, noch die Zurückweisung der Berufung beantragt hat. Sofern in seinen Einlassungen, ungeachtet der Tatsache, dass er anwaltlich vertreten war, konkludent der Antrag auf Zurückweisung der Berufung zu sehen wäre, verbunden mit dem konkludenten Begehren auf das vom Sozialgericht zugesprochene, könnte dies dennoch keinen Erfolg haben. Der Kläger könnte auf diesem Wege nämlich nicht mehr erreichen, als durch eine sowohl zulässige als auch begründete Klage. Nach § 55 Abs.1 Nr.3 SGG kann u.a. die Feststellung begehrt werden, ob eine Gesundheitsstörung Folge eines Arbeitsunfalles ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat. Bei der vom Sozialgericht zugesprochenen Anerkennung einer Zunahme der Gonarthrose fehlt es jedoch sowohl an einer Gesundheitsstörung als auch an einem besonderen Feststellungsinteresse. Eine "Zunahme" eines Krankheitsbildes ist für sich keine Gesundheitsstörung und könnte als solche, was der Sinn der Feststellung nach § 55 SGG wäre, keine sinnvolle Grundlage von Entschädigungsansprüchen bilden. Darüber hinaus würde es an einem besonderen Feststellungsinteresse schon deshalb fehlen, weil insoweit ein vorhergehendes Verwaltungsverfahren nicht durchgeführt wurde (vgl. Meyer-Ladewig a.a.O. § 55 Rdnr.15).
Die Entscheidung über die Kosten stützt sich auf § 193 SGG und folgt der Erwägung, dass der Kläger mit seinem Begehren auch nicht teilweise obsiegt hat.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs.2 Nr.1 und 2 SGG liegen nicht vor.
II. Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger war wegen der Folgen eines Arbeitsunfalls am 23.07.1978 im Jahre 1985 auf Lebenszeit abgefunden worden. Er machte in der Folge mehrmals Rentenleistungen wegen einer Verschlimmerung geltend.
Mit Bescheid vom 23.11.1999 lehnte die Beklagte eine solche Rentenleistung ab, weil eine wesentliche Verschlimmerung in den Unfallfolgen nicht vorliege. In der Begründung des Bescheides wurde eine vom gehörten Sachverständigen festgestellte Zunahme der röntgenologischen Veränderungen im Bereich des linken Kniegelenkes als gegeben dargestellt, sie stellten jedoch ohne entsprechende funktionale Einschränkungen keine wesentliche Verschlimmerung der Unfallfolgen dar.
Im anschließenden Klageverfahren hat einer der gehörten Sachverständigen zunächst eine unfallbedingte MdE um 30 v.H. angenommen und dies auf eine im Knie-Röntgenbefund festgestellte Zunahme der Gonarthrose gestützt. Er ist jedoch nicht bei dieser höheren MdE-Einschätzung geblieben.
Nachdem der Kläger zunächst am 19.07.2001 beantragt hatte, "eine MdE nach 30 v.H. festzustellen" hat er in der mündlichen Verhandlung vom 26.11.2002 beantragt, den Bescheid vom 23.11. 1999 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31.03.2000 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ab Antragstellung 22.09.1998 eine Verletztenrente nach einer MdE von 30 v.H. und somit den noch nicht abgefundenen Anteil von 10 v.H. wegen Verschlimmerung zu gewähren.
Mit Urteil vom gleichen Tage hat das Sozialgericht die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 23.11.1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31.März 2000 verpflichtet, eine Zunahme der Gonarthorse im linken Knie als Folge des Arbeitsunfalls vom 23.07.1978 anzuerkennen und im Übrigen die Klage abgewiesen.
Hiergegen hat die Beklagte Berufung eingelegt und beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 26.11.2002 insoweit aufzuheben, als sie verpflichtet wird, eine Zunahme der Gonarthrose im linken Knie als Folge des Arbeitsunfalles vom 23.06. 1978 anzuerkennen und einen Teil der außergerichtlichen Kosten des Klägers zu tragen.
Der Kläger, der in der mündlichen Verhandlung nicht anwesend und nicht vertreten war, hat ausgeführt, er schließe sich dem Inhalt des Urteils des Sozialgerichts Augsburg an; es sei davon auszugehen, dass die Zunahme seiner Gonarthorse am linken Knie als Unfallfolge anzuerkennen sei.
Die Beklagte ist der Meinung, sie sei in dem angefochtenen Bescheid ohnehin von einer solchen Zunahme der Gonarthorse ausgegangen.
Der Senat hat die Beteiligten darauf hingewiesen, dass weder in dem angefochtenen Bescheid über die Anerkennung weiterer Unfallfolgen entschieden, noch sei solches im Verwaltungsverfahren und auch im Klageverfahren beantragt worden sei.
Die Parteien haben sich mit einer Entscheidung durch den Berichterstatter einverstanden erklärt.
Zum Verfahren beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren die Akten der Beklagten und die Akte des Sozialgericht Augsburg in dem vorangegangenen Klageverfahren. Auf Ihren Inhalt wird ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die von der Beklagten form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig; eine Beschränkung der Berufung nach § 144 SGG besteht nicht.
Die Berufung ist auch begründet, denn die vom Sozialgericht Augsburg zu Lasten der Beklagten getroffene Entscheidung war vom Kläger nicht beantragt.
Nach § 123 SGG entscheidet das Gericht über die vom Kläger erhobenen Ansprüche, ohne an die Fassung der Anträge gebunden zu sein. Über den erhobenen Anspruch hinaus darf das Gericht weder mehr, noch etwas anderes zusprechen. Ist die Partei, wie im vorliegenden Fall, durch einen qualifizierten Prozessbevollmächtigten in Gestalt eines Rechtsanwalts vertreten, und ist der Antrag klar und eindeutig formuliert, muss das Gericht davon ausgehen, dass der Antrag den erhobenen Anspruch richtig wiedergibt (vgl. Meyer-Ladewig, Kommentar zum SGG, 7. Auflage § 123 Rdnr.3). So ist es im vorliegenden Fall, auch unter Berücksichtigung des klägerischen Vorbringens im Verwaltungsverfahren und im Gerichtsverfahren. Dem Kläger ist es um die Zahlung einer weiteren Verletztenrente nach einer Abfindung zu tun gewesen, keinem klägerischen Vorbringen, insbesondere nicht dem Klageantrag, ist ausdrücklich oder konkludent zu entnehmen, dass er von der Beklagten die Zunahme einer Gesundheitsstörung am verletzten Knie anerkannt wissen wollte. Insoweit kam die Zunahme der Gonarthrose lediglich als anspruchsbegründender Sachverhalt in Betracht.
Soweit die Beklagte in dem angefochtenen Urteil des Sozialgerichts Augsburg verurteilt worden ist, liegt deshalb ein Verfahrensmangel in Gestalt eines Verstoßes gegen § 123 SGG vor. Insoweit war die angefochtene Entscheidung aufzuheben. Eine weitergehende Klageabweisung ist nicht veranlasst, denn insoweit hat der Kläger keine Klage erhoben.
Es kann dahingestellt bleiben, ob im vorliegenden Verfahren das Vorliegen einer Klageänderung in Betracht kommt, oder der Verfahrensverstoß als geheilt angesehen werden müsste, weil der Kläger sich die Sicht des Sozialgerichts im Berufungsverfahren zu eigen gemacht hat (vgl. Meyer-Ladewig a.a.O. § 123 Rdnr.6). An einer Klageänderung nach § 99 SGG fehlt es schon deshalb, weil zu keinem Zeitpunkt ein entsprechend geänderter Antrag des Klägers gestellt worden ist. Für eine Heilung im Berufungsverfahren fehlt es schon an einem entsprechenden Antrag des Klägers, nachdem dieser weder Berufungsführer ist, noch die Zurückweisung der Berufung beantragt hat. Sofern in seinen Einlassungen, ungeachtet der Tatsache, dass er anwaltlich vertreten war, konkludent der Antrag auf Zurückweisung der Berufung zu sehen wäre, verbunden mit dem konkludenten Begehren auf das vom Sozialgericht zugesprochene, könnte dies dennoch keinen Erfolg haben. Der Kläger könnte auf diesem Wege nämlich nicht mehr erreichen, als durch eine sowohl zulässige als auch begründete Klage. Nach § 55 Abs.1 Nr.3 SGG kann u.a. die Feststellung begehrt werden, ob eine Gesundheitsstörung Folge eines Arbeitsunfalles ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat. Bei der vom Sozialgericht zugesprochenen Anerkennung einer Zunahme der Gonarthrose fehlt es jedoch sowohl an einer Gesundheitsstörung als auch an einem besonderen Feststellungsinteresse. Eine "Zunahme" eines Krankheitsbildes ist für sich keine Gesundheitsstörung und könnte als solche, was der Sinn der Feststellung nach § 55 SGG wäre, keine sinnvolle Grundlage von Entschädigungsansprüchen bilden. Darüber hinaus würde es an einem besonderen Feststellungsinteresse schon deshalb fehlen, weil insoweit ein vorhergehendes Verwaltungsverfahren nicht durchgeführt wurde (vgl. Meyer-Ladewig a.a.O. § 55 Rdnr.15).
Die Entscheidung über die Kosten stützt sich auf § 193 SGG und folgt der Erwägung, dass der Kläger mit seinem Begehren auch nicht teilweise obsiegt hat.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs.2 Nr.1 und 2 SGG liegen nicht vor.
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