L 5 R 3242/14

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 19 R 772/11
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 R 3242/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 22.07.2014 wird als unzulässig verworfen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte berechtigt war, im Zeitraum von Januar 2007 bis einschließlich August 2010, einen Beitragszuschlag für kinderlose Versicherte für die soziale Pflegeversicherung zu erheben, obwohl der Kläger zu diesem Zeitpunkt Vater eines Kindes war.

Der 1959 geborene Kläger bezieht von der Beklagten seit dem 17.05.1995 eine Rente wegen Erwerbsminderung. Er ist gesetzlich krankenversichert.

Auf Anfrage der Beklagten gab der Kläger am 21.12.2004 (Bl. 869 d. Verw.-Akte) an, keine Kinder zu haben. In dieser Anfrage wurde der Kläger ausführlich darauf hingewiesen, in welcher Weise eine zukünftige Elterneigenschaft gegenüber der Beklagten nachzuweisen sei.

Am 07.01.2007 wurde der Kläger Vater eines Sohnes, der mit seiner Geburt nach § 10 SGB V familienversichert in der gesetzlichen Krankenversicherung wurde. Die Geburt seines Sohnes zeigte der Kläger gegenüber der Beklagten zunächst nicht an.

Durch eine "Mitteilung über die Anpassung der Leistung der gesetzlichen Rentenversicherung" zum 1.Juli 2010 (Bl. 893 f. VA) teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass seine monatliche Erwerbsminderungsrente 867,70 EUR betrage. In Abzug gebracht würden hiervon Beiträge für die gesetzliche Krankenversicherung in Höhe von 14,9 % (68,55 EUR) und für die Pflegeversicherung in Höhe von 2,2% (19,09 EUR), so dass sich der Auszahlbetrag auf 780,06 EUR belaufe. In den Hinweisen zur Pflegeversicherung wurde auf den Zusatzbeitrag in Hohe von 0,25 % für Kinderlose hingewiesen. Weiter folgt der Text: "Sollte Ihre Elterneigenschaft bei der Rentenzahlung noch nicht berücksichtigt worden sein, bitten wir Sie, entsprechende Nachweise umgehend Ihrem Träger der Rentenversicherung vorzulegen. Wir weisen daraufhin, dass für den Wegfall des Beitragszuschlags der Zeitpunkt maßgeblich ist, zu dem der Nachweis beim Träger der Rentenversicherung eingeht."

Mit Schreiben vom 23.07.2010 erhob der Kläger gegen diese Mitteilung Widerspruch, der sich gegen den Beitrag zur Pflegeversicherung richtete. Zur Begründung führte der Kläger aus, er sei zwischenzeitlich seit eineinhalb Jahren nicht mehr kinderlos, so dass der Beitragssatz zur Pflegeversicherung fehlerhaft festgesetzt sei. Die Geburtsurkunde des Kindes werde nachgereicht. Dies erfolgte durch Schreiben vom 03.08.2010.

Mit Bescheid vom 17.08.2010 berechnete die Beklagte die Rente des Klägers neu. Sie berücksichtigte die Elterneigenschaft des Klägers ab dem Folgemonat des Nachweises, ab dem 01.09.2010. Bis zur Vorlage des Nachweises gelte der Kläger als kinderlos. Der Kläger müsse sich den verspäteten Nachweis zurechnen lassen, da die Dreimonatsfrist des § 55 Abs. 3 S. 5 SGB XI nach der Geburt des Kindes nicht eingehalten worden sei. Erst ab dem 01.09.2010 könne daher der Zusatzbeitrag für Kinderlose zur Pflegeversicherung entfallen, so dass sich der Auszahlbetrag der Erwerbsminderungsrente ab diesem Monat auf 782,23 EUR um monatlich 2,17 EUR erhöhe.

Gegen diesen Bescheid legte der Kläger mit Schreiben vom 06.09.2010 erneut Widerspruch ein und machte geltend, der Wegfall des Zusatzbeitrages sei fehlerhafterweise erst ab 01.09.2010 vorgenommen worden. Bereits die Geburt des Sohnes des Klägers stelle eine wesentliche Änderung im Sinne des § 48 SGB X dar, weshalb eine rückwirkende Abänderung des Zusatzbeitrages erfolgen müsse. § 55 SGB XI habe dagegen Rechtswirkung lediglich im Verhältnis Pflegekasse - Versicherter und nicht im Verhältnis zum Rentenversicherungsträger als beitragsabführende Stelle. § 48 SGB X gehe insoweit vor. Überdies habe die Pflegekasse Kenntnis von der Geburt des Sohnes des Klägers gehabt, da dieser familienversichert sei. Diese Kenntnis müsse sich die Rentenversicherung zurechnen lassen. Die Pflegekasse hätte die Verpflichtung gehabt, die Geburt des Sohnes der Beklagten zu melden.

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 11.01.2011 zurück und verwies zur Begründung auf die Regelung des § 55 Abs. 3 SGB XI, wonach der Zusatzbeitrag zur Pflegeversicherung erst ab Nachweis der Elterneigenschaft gegenüber der beitragsabführenden Stelle entfalle. Ob die Pflege- bzw. Krankenkasse über die Geburt des Sohnes des Klägers informiert gewesen sei, sei unerheblich, da die Beklagte gerade keine entsprechende Kenntnis gehabt habe.

Der Kläger erhob am 15.02.2011 Klage zum Sozialgericht Freiburg (SG). Es bekräftigt die Ansicht, der Zusatzbeitrag müsse rückwirkend ab Geburt des Sohnes des Klägers entfallen. § 55 SGB XI gelte nicht im Verhältnis zwischen Rentenversicherung und dortigem Versicherten, sondern regele nur die Beziehung zwischen den Versicherten der Pflegeversicherung und der Pflegeversicherung. Die Pflegeversicherung habe Kenntnis über die Geburt des Kindes gehabt und sei verpflichtet gewesen, dies an die Beklagte weiter zu geben. Dies habe auch die Beklagte gegen sich gelten zu lassen. Der rechtlich unbewanderte Kläger habe davon ausgehen dürfen, dass eine solche Meldung an die Beklagte erfolge. Schließlich sei es unrichtig, dass die Beklagte erst die Übersendung der Geburtsurkunde und nicht bereits die Anzeige der Elterneigenschaft als entscheidenden Zeitpunkt gewertet habe.

Das SG wies die Klage durch Gerichtsbescheid vom 22.07.2014 ab. Der Kläger habe keinen Anspruch auf eine rückwirkende Aufhebung des erhobenen und einbehaltenen Zusatzbeitrags zur Pflegeversicherung in Höhe von monatlich 0,25 % ab der Geburt seines Sohnes im Januar 2007 zu. Das Gericht lasse offen, ob die Klage wegen bestandskräftiger Rentenanpassungsbescheide für den Zeitraum vor Juli 2010 schon unzulässig sei. Der angefochtene Bescheid der Beklagten aus Juli 2010 in der Fassung des Bescheides vom 17.08.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.01.2011 sei jedenfalls rechtmäßig. Die Beklagte habe zu Recht den Beitragszuschlag für Kinderlose zur Pflegeversicherung in Höhe von 0,25 % erst ab September 2010 nicht mehr erhoben. Nach § 255 Abs. 1 S. 1 SGB V i.V.m. § 60 Abs. 1 S. 2 SGB XI seien Beiträge zur Pflegeversicherung, die der Versicherungspflichtige aus seiner Rente zu tragen hat, vom Träger der Rentenversicherung, also der Beklagten, bei der Zahlung der Rente einzubehalten und abzuführen (vgl. hierzu nur BSG, Urt. v. 29.11.2006 - Az. B 12 RJ 4/05 R). Auch die Höhe der Beiträge zur Pflegeversicherung sei korrekt, indem bis einschließlich August 2010 der allein streitige Beitragszuschlag in Höhe von 0,25 % von der Rentenleistung abgezogen worden sei. § 55 Abs. 3 S. 1 SGB XI bestimme klar, dass sich der Beitragssatz, der zur Pflegeversicherung zu leisten ist, nach Ablauf des Monats der Vollendung des 23. Lebensjahres um einen Beitragszuschlag in Höhe von 0,25 % erhöhe, wenn Mitglieder nicht Eltern im Sinne des § 56 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 und Abs. 3 Nr. 2 und 3 SGB I sind ( ). Nach § 55 Abs. 3 S. 3 bis 5 SGB XI sei die Elterneigenschaft in geeigneter Form gegenüber der beitragsabführenden Stelle, von Selbstzahlern gegenüber der Pflegekasse, nachzuweisen, sofern diesen die Elterneigenschaft nicht bereits aus anderen Gründen bekannt ist. Erfolge die Vorlage des Nachweises innerhalb von drei Monaten nach der Geburt des Kindes, gelte der Nachweis mit dem Beginn des Monats der Geburt als erbracht, ansonsten wirke der Nachweis ab Beginn des Monats, der dem Monat folgt, in dem der Nachweis erbracht werde. Der Kläger sei zwar nur bis zur Geburt seines Sohnes am 07.01.2007 kinderlos gewesen, habe seine Elterneigenschaft jedoch nicht innerhalb von drei Monaten nach der Geburt seines Kindes gegenüber der Beklagten als der zuständigen beitragsabführenden Stelle angezeigt. Der Beklagten sei die Elterneigenschaft des Klägers auch nicht bereits aus anderen Gründen bekannt gewesen. Unter diesen Umständen könne der Zusatzbeitrag erst im Folgemonat der Vorlage des Nachweises seiner Elterneigenschaft in Form der Geburtsbescheinigung bei der Beklagten, mithin im September 2010 entfallen. Nach dem eindeutigen Wortlaut des Gesetzes sei ein Nachweis und nicht die bloße Mitteilung entscheidend. § 55 Abs. 3 SGB XI sei klar geregelt und verlange einen Nachweis gegenüber der beitragsabführenden Stelle, vorliegend also gegenüber der Beklagten. Damit betreffe die Regelung hier gerade das Verhältnis zwischen Kläger und Beklagter. Eine Korrektur nach § 48 SGB X komme deswegen nicht in Betracht. Nachdem die Verpflichtung, die Elterneigenschaft mitzuteilen eindeutig nach § 55 Abs. 3 SGB XI geregelt sei und die Pflegekasse keinerlei Nachricht vom konkreten Beitragseinzug erhalte, habe sie auch weder Kenntnis noch Einfluss auf deren Höhe. Ihr könne daher auch nicht auffallen, dass entgegen der bestehenden Elterneigenschaft der erhöhte Beitragssatz verwendet werde. Der Kläger sei auch auf seine Obliegenheit, die Elterneigenschaft nachzuweisen, hingewiesen worden, weshalb die Rechtsfolge nicht unbillig erscheine.

Gegen den am 24.07.2014 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 04.08.2014 Berufung eingelegt.

Problematisch sei, dass dem Kläger, der bereits seit langer Zeit Rente wegen voller Erwerbsminderung beziehe, erst relativ spät aufgefallen sei, dass der Beitragszuschlag immer noch erhoben worden sei. Die Mitteilungspflicht sei für den Bürger nicht durchsichtig. Angesichts der Bedeutung der Angelegenheit müsste die Elterneigenschaft durch die Pflegekasse gemeldet werden. Der Bürger könne in Zeiten, in denen er immer gläserner werde, erwarten, dass dies bekannt sei.

Der Kläger beantragt, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 22.07.2014 aufzuheben und den undatierten Bescheid der Beklagten aus Juli 2010 in der Fassung des Bescheides vom 17.08.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.01.2011 insoweit aufzuheben, als im Zeitraum Januar 2007 bis August 2010 ein Beitragszuschlag für Kinderlose bei der Berechnung der Beiträge zur gesetzlichen Pflegeversicherung erhoben und einbehalten worden ist und die Beklagte zu verurteilen, die in diesem Zeitraum monatlich einbehaltenen Beitragszuschläge zur sozialen Pflegeversicherung auszuzahlen und er beantragt , die Pflegekasse vertreten durch die Krankenkasse beizuladen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält den Gerichtsbescheid für zutreffend. Im Zeitraum vom 01.01.2007 bis zum 31.08.2010 seien zusammen 93,50 EUR wegen des um 0,25 % erhöhten Beitrags zur Pflegeversicherung einbehalten worden.

Die Beteiligten haben mit Schreiben vom 07.10.2014 bzw. 25.09.2014 jeweils ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.

Im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakten, der Akte des Sozialgerichts Freiburg (S 19R 772/11) und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Im Einverständnis der Beteiligten entscheidet der Senat über die Berufung gegen den Gerichtsbescheid durch Urteil ohne mündliche Verhandlung (§§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG). 1. Die Berufung ist bereits nichts statthaft. Nach § 144 Abs. 1 Nr. 1 SGG muss bei einer Klage, der Wert der Klage, die auf eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung gerichtet ist oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750 EUR übersteigen. Dies ist vorliegend nicht der Fall. Der Wert der vom Kläger letztlich geltend gemachten Beitragserstattung beträgt (ausgehend von einer Differenz des Zahlbetrags der Rente von 2,08 EUR bzw. 2,17 EUR und 44 Monaten) nach den insoweit unbestrittenen Berechnungen der Beklagten lediglich 93,50 EUR. Der Kläger begehrt die Erstattung von in der Vergangenheit vermeintlich zu Unrecht abgeführten Beiträgen zur Pflegeversicherung. Da die Erstattung regelmäßig in einer Auszahlung erfolgt, handelt es sich trotz des Erstattungszeitraums vom 01.01.2007 bis 31.08.2010 um eine einmalige Leistung im Sinne von § 144 Abs. 1 Nr. 1 SGG. Dass sich die Erstattungsforderung aus Beiträgen für mehr als ein Jahr zusammensetzt, führt nicht dazu, dass die Zulässigkeit der Berufung auf § 144 Abs. 1 Satz 2 SGG gestützt werden könnte (vgl. hierzu insbesondere BSG, Beschluss vom 14.08.2008 - B 5 R 39/07 R).

2. Die Berufung wäre aber jedenfalls auch unbegründet. Die Beklagte hat die Beiträge zur Pflegeversicherung zu Recht festgesetzt und von der Rente des Klägers einbehalten. Die Kläger hat keinen Anspruch auf rückwirkende Berücksichtigung seiner Elterneigenschaft und Auszahlung der Beitragszuschläge. Das SG hat in der angegriffenen Entscheidung zutreffend dargelegt, aufgrund welcher Vorschriften die Beitragsberechnung erfolgt. Weiter hat es sich sachlich richtig mit dem Wortlaut und der Reichweite der eindeutigen gesetzlichen Regelung des § 55 Abs. 3 SGB XI auseinandergesetzt. Insbesondere hatte die Beklagte als beitragsabführende Stelle im Sinne des § 55 Abs. 3 Satz 3 SGB XI den Nachweis der Elterneigenschaft nach der ausdrücklichen Regelung in § 55 Abs. 3 Satz 5 SGB XI erst ab dem Beginn des Monats zu berücksichtigen, der dem Monat folgt, in dem der Nachweis der Elterneigenschaft erbracht wird. Der Nachweis der Elterneigenschaft des Klägers war erst mit der Vorlage der Geburtsurkunde gegenüber der Beklagten erbracht, sodass sie die Elterneigenschaft erst ab September 2010 zu berücksichtigen hatte. Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat auf die Gründe des angefochtenen Gerichtsbescheids gemäß § 153 Abs. 2 SGG Bezug und schließt sich ihnen an. Eine Änderung des mit § 55 Abs. 3 Satz 3 bis 5 SGB XI offensichtlich bezweckten Ergebnisses, dass die Elterneigenschaft nur auf Nachweis zu berücksichtigen ist und rückwirkende Korrekturen von Bescheiden wegen des Beitragszuschlags vermieden werden, ist über § 48 SGB X nicht möglich. Die bezogen auf den Wegfall des Beitragszuschlags wesentliche Änderung der Verhältnisse liegt nach der gesetzlichen Regelung nicht schon in der Elterneigenschaft, sondern erst im Nachweis der Elternschaft. Denn erst mit Nachweis der Elternschaft entfällt die Verpflichtung zur Entrichtung höherer Beiträge.

Soweit der Kläger ausführlich dazu vorträgt, dass er auf eine Mitteilung seiner Elterneigenschaft an die Beklagte habe vertrauen können, steht dem schon entgegen, dass der Kläger auf die Mitteilungsobliegenheit durch die Beklagte hingewiesen wurde. Der Sinn einer solchen Mittelung erschlösse sich nicht, wenn jeder Versicherte ohnehin gegebenenfalls "automatisch" der Kategorie "Eltern" zugeordnet würde. Im Übrigen sind konkrete Vertrauenstatbestände weder vorgetragen noch aus den vorliegenden Akten ersichtlich.

Dem Antrag, die Pflegekasse beizuladen, war vor dem Hintergrund, dass die Berufung bereits nicht statthaft ist, nicht nachzukommen.

Die Berufung hat damit keinen Erfolg.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht (§ 160 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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