Land
Bundesrepublik Deutschland
Sozialgericht
Bundessozialgericht
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Schwerin (MVP)
Aktenzeichen
S 1 AL 92/99
Datum
2. Instanz
LSG Mecklenburg-Vorpommern
Aktenzeichen
L 2 AL 5/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 11 AL 13/03 R
Datum
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Die Übernahme von Fahrkosten als Maßnahmekosten durch das Arbeitsamt ist bei Trainingsmaßnahmen nicht auf den Betrag begrenzt der bei Weiterbildungsmaßnahmen im Höchstfall für Unterbringung und Verpflegung zu zahlen wäre.
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 29. Januar 2003 wird zurückgewiesen. Die Beklagte hat dem Kläger auch die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.
Gründe:
I
Die Beteiligten streiten über die Höhe der Fahrkosten für die Teilnahme an einer Trainingsmaßnahme.
Der in W. wohnende arbeitslose Kläger nahm vom 4. Januar bis zum 26. Februar 1999 auf Vorschlag des Arbeitsamtes an einer Trainingsmaßnahme iS von § 48 Sozialgesetzbuch Drittes Buch - Arbeitsförderung (SGB III) in L. teil. Er fuhr während der Maßnahme täglich von seinem Wohnort zum Maßnahmeort und zurück mit seinem eigenen PKW (Hubraum 1600 ccm), was er schon vor Beginn der Maßnahme der Beklagten gegenüber angegeben hatte. Die Fahrstrecke für eine Hin- und Rückfahrt betrug 194 km. Die nach den Vorschriften des Bundesreisekostengesetzes (BRKG) berechneten Fahrkosten betrugen 2.948,80 DM. Die Beklagte willigte in die Teilnahme an der Maßnahme ein. Sie übernahm als Maßnahmekosten nicht die vollen Fahrkosten, sondern lediglich Kosten von 1.477,44 DM, und zwar Fahrkosten von 110,58 DM für Januar 1999 und 86,86 DM für Februar 1999 sowie für beide Monate jeweils zusätzlich 665,00 DM für "Unterkunft und Verpflegung" (Bescheid vom 21. Dezember 1998). Den Widerspruch des Klägers, mit dem er Erstattung der vollen Fahrkosten geltend machte, wies sie mit der Begründung zurück, die Kosten für Pendelfahrten könnten nur bis zur Höhe des Betrages übernommen werden, der bei auswärtiger Unterbringung für Unterbringung und Verpflegung zu leisten wäre. Dies seien hier nur 1.330,00 DM. Soweit bisher schon ein höherer Leistungsanspruch zuerkannt worden sei, habe es damit sein Bewenden (Widerspruchsbescheid vom 2. März 1999).
Die Klage blieb ohne Erfolg (Urteil des Sozialgerichts (SG) vom 16. November 2000). Das Landessozialgericht (LSG) hat das Urteil des SG aufgehoben und die Beklagte unter Änderung des Bescheides vom 21. Dezember 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. März 1999 verurteilt, dem Kläger für den Zeitraum vom 4. Januar bis 26. Februar 1999 Fahrkosten in Höhe von 1.507,70 EUR (2.948,80 DM) unter Anrechnung der bereits bewilligten 755,40 EUR (1.477,44 DM) zu gewähren. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, der Kläger könne die vollen Fahrkosten verlangen. Maßnahmekosten seien berücksichtigungsfähige Fahrkosten für die tägliche Hin- und Rückfahrt des Teilnehmers zwischen Wohnung und Maßnahmestätte. Bei Benutzung eines privaten PKW seien die Fahrkosten nach § 6 Abs 1 BRKG zu berechnen. Eine Begrenzung der berücksichtigungsfähigen Fahrkosten auf den Betrag, der bei auswärtiger Unterbringung für Unterbringung und Verpflegung zu leisten wäre, sei für Fahrten bei Trainingsmaßnahmen nicht vorgesehen und nicht zulässig.
Mit der Revision rügt die Beklagte eine Verletzung des § 50 iVm § 48 und § 83 SGB III. Das SGB III sehe bei verschiedenen Leistungen die Übernahme von Fahrkosten vor, ohne dass der Gesetzgeber eine einheitliche Regelung getroffen habe. Berufsvorbereitende Maßnahmen und Maßnahmen der beruflichen Weiterbildung seien von vornherein auf eine bestimmte Dauer angelegt. Dies treffe auch auf Trainingsmaßnahmen zu. Es sei daher folgerichtig und aus Gründen einer wirtschaftlichen Haushaltsführung angezeigt, die Übernahme der Fahrkosten bei Trainingsmaßnahmen wie bei Maßnahmen der beruflichen Weiterbildung zu begrenzen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 29. Januar 2003 aufzuheben und die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 29. Januar 2003 zurückzuweisen.
Er hält das Urteil des LSG für zutreffend.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG)).
II
Die Revision ist unbegründet. Das LSG hat im angefochtenen Urteil zu Recht das Urteil des SG aufgehoben, die angefochtenen Bescheide geändert und die Beklagte verurteilt, Fahrkosten von 1.507,70 EUR zu übernehmen.
Nach den Bestimmungen zur Verbesserung der Eingliederungsaussichten (4. Kapitel 2. Abschnitt SGB III) können Arbeitslose bei Teilnahme an Maßnahmen, die zur Verbesserung ihrer Eingliederungsaussichten beitragen (Trainingsmaßnahmen) durch Übernahme ua der Maßnahmekosten gefördert werden (§ 48 Abs 1 Satz 1 SGB III idF des Art 1 Arbeitsförderungs-Reformgesetz vom 24. März 1997, BGBl I 594), wenn die Maßnahme geeignet und angemessen ist, die Eingliederungsaussichten des Arbeitslosen zu verbessern und die Maßnahme auf Vorschlag oder mit Einwilligung der Beklagten erfolgt (§ 48 Abs 1 Satz 1 Nr 1 und 2 SGB III). Die Beklagte ist hier zur Übernahme der Fahrkosten als Maßnahmekosten dem Grunde nach verpflichtet, denn nach den Feststellungen des LSG lagen diese Voraussetzungen vor.
Maßnahmekosten bei Trainingsmaßnahmen sind ua berücksichtigungsfähige Fahrkosten für die tägliche Hin- und Rückfahrt des Teilnehmers zwischen Wohnung und Maßnahmestätte (§ 50 Nr 2 SGB III). Dies ist bei Benutzung eines privaten PKW der Betrag in Höhe der Wegstreckenentschädigung nach § 6 Abs 1 BRKG. Diese Vorschrift wird für die Berechnung der berücksichtigungsfähigen Fahrkosten iS des § 50 Nr 2 SGB III bei Benutzung eines privaten PKW von der Beklagten zu Recht angewandt. Im SGB III wird in verschiedenen Vorschriften auf § 6 BRKG Bezug genommen, soweit die Erstattung von Fahr- oder Reisekosten betroffen ist (vgl ua § 46 Abs 2 Satz 3 und § 67 Abs 2 Satz 1). Anhaltspunkte dafür, dass bei der Anwendung des § 50 Nr 2 SGB III etwas anderes gelten soll, bestehen nicht. Anderenfalls wäre zu erwarten, dass der Gesetzgeber ausdrücklich klarstellt, dass für die Fahrkostenerstattung nach § 50 Nr 2 SGB III eigene und von § 6 BRKG abweichende Regeln gelten sollten. Auf der Grundlage der Berechnung nach § 6 BRKG ergibt sich der vom LSG zuerkannte Gesamtbetrag von 1.507,70 EUR (194 km x 0,38 DM x 40 Tage = 2.948,80 DM).
Zu Unrecht meint die Beklagte, die Übernahme von Fahrkosten als Maßnahmekosten sei bei Trainingsmaßnahmen auf die für Unterbringung und Verpflegung bei auswärtiger Unterbringung zu erstattenden Leistungen begrenzt. Eine entsprechende Begrenzung ist allerdings für die Übernahme von Fahrkosten bei Weiterbildungsmaßnahmen in dem bis zum 31. Dezember 2002 geltenden § 83 SGB III (§ 83 SGB III aF = jetzt: § 81 SGB III idF des Art 1 Nr 14 Erstes Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23. Dezember 2002, BGBl I 4607) angeordnet. Nach § 83 Abs 3 SGB III aF können Kosten für die Pendelfahrten zwischen Wohnung und Bildungsstätte nur bis zu der Höhe des Betrages übernommen werden, der bei auswärtiger Unterbringung für Unterbringung und Verpflegung zu leisten wäre. Die bis zu einem Höchstbetrag zu übernehmenden Kosten bei erforderlicher auswärtiger Unterbringung wiederum waren für Weiterbildungsmaßnahmen bis zum 31. Dezember 2002 in § 84 SGB III (§ 84 SGB III aF; seit dem 1. Januar 2003: § 82 SGB III idF des Art 1 des Gesetzes vom 23. Dezember 2002 aaO) geregelt. Eine Begrenzung der Fahrkosten wie in § 83 Abs 3 SGB III aF ist in den Vorschriften zur Verbesserung der Eingliederungsaussichten (§§ 48 bis 52 SGB III) weder ausdrücklich noch durch eine Anordnung, § 83 Abs 3 SGB III aF und § 84 SGB III aF entsprechend anzuwenden, vorgesehen.
Ohne gesetzliche Anordnung gibt es keinen hinreichenden Grund, auf die Erstattung von Fahrkosten bei der Förderung der Teilnahme an einer Trainingsmaßnahme § 83 Abs 3 und § 84 SGB III aF entsprechend anzuwenden. Soweit in § 83 Abs 3 SGB III aF die Höhe der zu übernehmenden Kosten für Pendelfahrten auf den Betrag begrenzt ist, der bei auswärtiger Unterbringung für Unterbringung und Verpflegung zu leisten wäre, ist dies sachlich begründet, denn bei der Förderung der beruflichen Weiterbildung gehören sowohl Fahrkosten als auch Unterbringungskosten zu den übernahmefähigen Weiterbildungskosten iS des § 77 Abs 1 SGB III (bis zum 31. Dezember 2002: § 81 Abs 1 Nr 2 und 3 SGB III - § 81 SGB III aF -, seit dem 1. Januar 2003: § 79 SGB III idF des Art 1 des Gesetzes vom 23. Dezember 2002 aaO). Sie können deshalb auch unter Wirtschaftlichkeitsgesichtspunkten gegeneinander abgewogen werden. Mit der Begrenzung in § 83 Abs 3 SGB III aF wird sichergestellt, dass die Weiterbildungskosten nur in der Höhe übernommen werden, die bei der jeweils kostengünstigeren Alternative anfällt.
Bei der Förderung von Trainingsmaßnahmen nach § 48 Abs 1 SGB III kommt dagegen eine solche Begrenzung auf die kostengünstigere Alternative nicht in Frage, weil die Kosten auswärtiger Unterbringung von vornherein nicht zu den nach § 50 SGB III übernahmefähigen Maßnahmekosten gehören. Zudem spricht § 50 Nr 2 SGB III ausdrücklich (nur) von Fahrkosten für die "tägliche" Hin- und Rückfahrt zwischen Wohnung und Maßnahmestätte. Daraus wird deutlich, dass gerade und ausschließlich die Fahrkosten bei der Teilnahme an noch im Tagespendelbereich liegenden Maßnahmen erstattet werden können, während eine Übernahme anderer Kosten, wie sie beim Erfordernis einer auswärtigen Unterbringung entstünden, dem Wortlaut nach ausscheidet. Soweit demgegenüber in den internen Durchführungsanweisungen der Bundesanstalt für Arbeit (BA) zu den Maßnahmekosten nach § 50 Nr 2 SGB III neben den berücksichtigungsfähigen Fahrkosten (für Pendelfahrten) auch die Kosten für die erforderliche Unterkunft und Verpflegung sowie Fahrkosten der in § 83 Abs 1 Nr 2 SGB III aF genannten Art (An- und Abreise, Familienheimfahrten, Besuchsfahrten von Angehörigen) gezählt werden (DA zu § 50 SGB III, 50.13 Abs 1 und 3), ist dies für die hier zu treffende Entscheidung unerheblich. Eine Praxis, die ohne ausdrückliche gesetzliche Grundlage die Übernahme von Kosten für Unterbringung und Verpflegung vorsieht, kann keine Grundlage sein, um Fahrkosten, die dem Grunde nach zu übernehmen sind, wiederum ohne gesetzliche Grundlage der Höhe nach zu begrenzen.
Die Revision kann für eine Begrenzung der Fahrkosten nicht mit Erfolg geltend machen, es komme entscheidend auf eine Differenzierung danach an, ob der zur Übernahme der Fahrkosten führende Anlass ein kurzfristiger oder aber ein auf längere Dauer angelegter sei. Damit soll anscheinend entgegen der gesetzlichen Regelung als allgemeines Kriterium für die Begrenzung von Fahrkosten auf die übernahmefähigen Kosten von Unterbringung und Verpflegung - und wohl auch für die mögliche Übernahme von Unterbringungs- und Verpflegungskosten ohne ausdrückliche Regelung - die Dauer einer geförderten Maßnahme eingeführt werden. Die unterschiedliche Dauer von Maßnahmen der beruflichen Weiterbildung einerseits und Trainingsmaßnahmen andererseits wird der Grund dafür sein, dass die Übernahme von Fahr- und Unterbringungskosten für beide Maßnahmearten unterschiedlich geregelt ist. Bei den regelmäßig langfristigen Weiterbildungsmaßnahmen von einem bis zwei Jahren (vgl § 92 SGB III in der bis zum 31. Dezember 2002 geltenden Fassung) ist bei größerer Entfernung zwischen Wohn- und Maßnahmeort eine auswärtige Unterbringung sinnvoll und zumutbar; deshalb ist auch gemäß § 84 SGB III aF die Übernahme von Unterbringungs- und Verpflegungskosten vorgesehen (zur "Erforderlichkeit" vgl Niewald in: Spellbrink/Eicher, Kasseler Handbuch des Arbeitsförderungsrechts, § 4 RdNr 349). Sowohl § 84 SGB III aF als auch § 83 Abs 3 SGB III aF sind jedoch typisierende Regelungen, die nicht auf die Dauer einer Weiterbildungsmaßnahme im Einzelfall abstellen. Die Fahrkosten sind nach § 83 Abs 3 SGB III aF bei Weiterbildungsmaßnahmen grundsätzlich auf die übernahmefähigen Kosten einer auswärtigen Unterbringung begrenzt, auch wenn im Einzelfall wegen der Kurzfristigkeit einer Weiterbildungsmaßnahme die auswärtige Unterbringung nicht sinnvoll erscheinen sollte.
Eine Übertragung der typisierenden Regelung auf Trainingsmaßnahmen könnte allenfalls dann erwogen werden, wenn auch bei Trainingsmaßnahmen wegen ihrer Dauer regelmäßig eine auswärtige Unterbringung sinnvoll und zumutbar wäre. Schon diese Voraussetzung ist jedoch nicht gegeben. Die in der Regel zulässige Höchstdauer der einzelnen Trainingsmaßnahmen nach § 49 Abs 2 SGB III (seit dem 1. Januar 2002: § 49 Abs 3 SGB III idF des Art 1 Nr 18 Job-AQTIV-Gesetz vom 10. Dezember 2001 - BGBl I 3443) liegt zwischen 14 Tagen für eine einzelne Trainingsmaßnahme (§ 49 Abs 2 Satz 2 Nr 2 SGB III aF) und 12 Wochen für Trainingsmaßnahmen insgesamt (§ 49 Abs 2 Satz 4 SGB III aF). Da dies jeweils die Höchstdauer ist, sind auch noch kurzfristigere Trainingsmaßnahmen zulässig, bei denen eine auswärtige Unterbringung selbst bei längeren Fahrstrecken praktisch von vornherein ausgeschlossen ist. Wenn bei Trainingsmaßnahmen überhaupt eine Begrenzung von Fahrkosten auf die Höchstkosten einer alternativ möglichen Unterbringung und Verpflegung gewollt gewesen wäre, hätte es angesichts der unterschiedlichen zeitlichen Grenzen für Trainingsmaßnahmen nahegelegen, im Gesetz eine differenzierte Regelung zu treffen. Da dies nicht geschehen ist, ist davon auszugehen, dass der Gesetzgeber bei Trainingsmaßnahmen die Möglichkeit und ggf Notwendigkeit einer auswärtigen Unterbringung nicht sieht und dementsprechend auch keine Begrenzung der Fahrkosten für Pendelfahrten angeordnet hat.
Schließlich läßt sich die Begrenzung der Fahrkosten in (entsprechender) Anwendung des § 83 Abs 3 SGB III aF auch nicht mit einem der BA insoweit zustehenden Ermessensspielraum rechtfertigen. Allerdings handelt es sich bei der Förderung von Trainingsmaßnahmen grundsätzlich um Ermessensleistungen, auf die kein Rechtsanspruch besteht, sodass dem Arbeitsamt (ArbA) insbesondere sowohl ein Entschließungs- als auch ein Auswahlermessen im Hinblick auf das "Ob" und das "Wie" der Maßnahme zusteht. Hat aber das ArbA - wie es hier der Fall war - die an einem anderen Ort durchgeführte Trainingsmaßnahme selbst vorgeschlagen und die Einwilligung zu der Maßnahme erteilt (§ 48 Abs 1 Nr 2 SGB III), besteht kein Ermessensspielraum, in Abweichung von § 50 Nr 2 SGB III nicht auf die danach maßgebenden Fahrkosten "für die tägliche Hin- und Rückfahrt des Teilnehmers zwischen Wohnung und Maßnahmestätte" abzustellen, sondern diese im Wege einer Vergleichsberechnung auf die fiktiven Kosten einer auswärtigen Unterbringung herabzusetzen.
Ob die Beklagte eine andere Regelung für die Übernahme von Fahrkosten in einer auf Grund von § 52 SGB III erlassenen Anordnung treffen könnte, ist hier nicht zu entscheiden, denn sie hat bisher eine solche Anordnung nicht erlassen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Gründe:
I
Die Beteiligten streiten über die Höhe der Fahrkosten für die Teilnahme an einer Trainingsmaßnahme.
Der in W. wohnende arbeitslose Kläger nahm vom 4. Januar bis zum 26. Februar 1999 auf Vorschlag des Arbeitsamtes an einer Trainingsmaßnahme iS von § 48 Sozialgesetzbuch Drittes Buch - Arbeitsförderung (SGB III) in L. teil. Er fuhr während der Maßnahme täglich von seinem Wohnort zum Maßnahmeort und zurück mit seinem eigenen PKW (Hubraum 1600 ccm), was er schon vor Beginn der Maßnahme der Beklagten gegenüber angegeben hatte. Die Fahrstrecke für eine Hin- und Rückfahrt betrug 194 km. Die nach den Vorschriften des Bundesreisekostengesetzes (BRKG) berechneten Fahrkosten betrugen 2.948,80 DM. Die Beklagte willigte in die Teilnahme an der Maßnahme ein. Sie übernahm als Maßnahmekosten nicht die vollen Fahrkosten, sondern lediglich Kosten von 1.477,44 DM, und zwar Fahrkosten von 110,58 DM für Januar 1999 und 86,86 DM für Februar 1999 sowie für beide Monate jeweils zusätzlich 665,00 DM für "Unterkunft und Verpflegung" (Bescheid vom 21. Dezember 1998). Den Widerspruch des Klägers, mit dem er Erstattung der vollen Fahrkosten geltend machte, wies sie mit der Begründung zurück, die Kosten für Pendelfahrten könnten nur bis zur Höhe des Betrages übernommen werden, der bei auswärtiger Unterbringung für Unterbringung und Verpflegung zu leisten wäre. Dies seien hier nur 1.330,00 DM. Soweit bisher schon ein höherer Leistungsanspruch zuerkannt worden sei, habe es damit sein Bewenden (Widerspruchsbescheid vom 2. März 1999).
Die Klage blieb ohne Erfolg (Urteil des Sozialgerichts (SG) vom 16. November 2000). Das Landessozialgericht (LSG) hat das Urteil des SG aufgehoben und die Beklagte unter Änderung des Bescheides vom 21. Dezember 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. März 1999 verurteilt, dem Kläger für den Zeitraum vom 4. Januar bis 26. Februar 1999 Fahrkosten in Höhe von 1.507,70 EUR (2.948,80 DM) unter Anrechnung der bereits bewilligten 755,40 EUR (1.477,44 DM) zu gewähren. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, der Kläger könne die vollen Fahrkosten verlangen. Maßnahmekosten seien berücksichtigungsfähige Fahrkosten für die tägliche Hin- und Rückfahrt des Teilnehmers zwischen Wohnung und Maßnahmestätte. Bei Benutzung eines privaten PKW seien die Fahrkosten nach § 6 Abs 1 BRKG zu berechnen. Eine Begrenzung der berücksichtigungsfähigen Fahrkosten auf den Betrag, der bei auswärtiger Unterbringung für Unterbringung und Verpflegung zu leisten wäre, sei für Fahrten bei Trainingsmaßnahmen nicht vorgesehen und nicht zulässig.
Mit der Revision rügt die Beklagte eine Verletzung des § 50 iVm § 48 und § 83 SGB III. Das SGB III sehe bei verschiedenen Leistungen die Übernahme von Fahrkosten vor, ohne dass der Gesetzgeber eine einheitliche Regelung getroffen habe. Berufsvorbereitende Maßnahmen und Maßnahmen der beruflichen Weiterbildung seien von vornherein auf eine bestimmte Dauer angelegt. Dies treffe auch auf Trainingsmaßnahmen zu. Es sei daher folgerichtig und aus Gründen einer wirtschaftlichen Haushaltsführung angezeigt, die Übernahme der Fahrkosten bei Trainingsmaßnahmen wie bei Maßnahmen der beruflichen Weiterbildung zu begrenzen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 29. Januar 2003 aufzuheben und die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 29. Januar 2003 zurückzuweisen.
Er hält das Urteil des LSG für zutreffend.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG)).
II
Die Revision ist unbegründet. Das LSG hat im angefochtenen Urteil zu Recht das Urteil des SG aufgehoben, die angefochtenen Bescheide geändert und die Beklagte verurteilt, Fahrkosten von 1.507,70 EUR zu übernehmen.
Nach den Bestimmungen zur Verbesserung der Eingliederungsaussichten (4. Kapitel 2. Abschnitt SGB III) können Arbeitslose bei Teilnahme an Maßnahmen, die zur Verbesserung ihrer Eingliederungsaussichten beitragen (Trainingsmaßnahmen) durch Übernahme ua der Maßnahmekosten gefördert werden (§ 48 Abs 1 Satz 1 SGB III idF des Art 1 Arbeitsförderungs-Reformgesetz vom 24. März 1997, BGBl I 594), wenn die Maßnahme geeignet und angemessen ist, die Eingliederungsaussichten des Arbeitslosen zu verbessern und die Maßnahme auf Vorschlag oder mit Einwilligung der Beklagten erfolgt (§ 48 Abs 1 Satz 1 Nr 1 und 2 SGB III). Die Beklagte ist hier zur Übernahme der Fahrkosten als Maßnahmekosten dem Grunde nach verpflichtet, denn nach den Feststellungen des LSG lagen diese Voraussetzungen vor.
Maßnahmekosten bei Trainingsmaßnahmen sind ua berücksichtigungsfähige Fahrkosten für die tägliche Hin- und Rückfahrt des Teilnehmers zwischen Wohnung und Maßnahmestätte (§ 50 Nr 2 SGB III). Dies ist bei Benutzung eines privaten PKW der Betrag in Höhe der Wegstreckenentschädigung nach § 6 Abs 1 BRKG. Diese Vorschrift wird für die Berechnung der berücksichtigungsfähigen Fahrkosten iS des § 50 Nr 2 SGB III bei Benutzung eines privaten PKW von der Beklagten zu Recht angewandt. Im SGB III wird in verschiedenen Vorschriften auf § 6 BRKG Bezug genommen, soweit die Erstattung von Fahr- oder Reisekosten betroffen ist (vgl ua § 46 Abs 2 Satz 3 und § 67 Abs 2 Satz 1). Anhaltspunkte dafür, dass bei der Anwendung des § 50 Nr 2 SGB III etwas anderes gelten soll, bestehen nicht. Anderenfalls wäre zu erwarten, dass der Gesetzgeber ausdrücklich klarstellt, dass für die Fahrkostenerstattung nach § 50 Nr 2 SGB III eigene und von § 6 BRKG abweichende Regeln gelten sollten. Auf der Grundlage der Berechnung nach § 6 BRKG ergibt sich der vom LSG zuerkannte Gesamtbetrag von 1.507,70 EUR (194 km x 0,38 DM x 40 Tage = 2.948,80 DM).
Zu Unrecht meint die Beklagte, die Übernahme von Fahrkosten als Maßnahmekosten sei bei Trainingsmaßnahmen auf die für Unterbringung und Verpflegung bei auswärtiger Unterbringung zu erstattenden Leistungen begrenzt. Eine entsprechende Begrenzung ist allerdings für die Übernahme von Fahrkosten bei Weiterbildungsmaßnahmen in dem bis zum 31. Dezember 2002 geltenden § 83 SGB III (§ 83 SGB III aF = jetzt: § 81 SGB III idF des Art 1 Nr 14 Erstes Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23. Dezember 2002, BGBl I 4607) angeordnet. Nach § 83 Abs 3 SGB III aF können Kosten für die Pendelfahrten zwischen Wohnung und Bildungsstätte nur bis zu der Höhe des Betrages übernommen werden, der bei auswärtiger Unterbringung für Unterbringung und Verpflegung zu leisten wäre. Die bis zu einem Höchstbetrag zu übernehmenden Kosten bei erforderlicher auswärtiger Unterbringung wiederum waren für Weiterbildungsmaßnahmen bis zum 31. Dezember 2002 in § 84 SGB III (§ 84 SGB III aF; seit dem 1. Januar 2003: § 82 SGB III idF des Art 1 des Gesetzes vom 23. Dezember 2002 aaO) geregelt. Eine Begrenzung der Fahrkosten wie in § 83 Abs 3 SGB III aF ist in den Vorschriften zur Verbesserung der Eingliederungsaussichten (§§ 48 bis 52 SGB III) weder ausdrücklich noch durch eine Anordnung, § 83 Abs 3 SGB III aF und § 84 SGB III aF entsprechend anzuwenden, vorgesehen.
Ohne gesetzliche Anordnung gibt es keinen hinreichenden Grund, auf die Erstattung von Fahrkosten bei der Förderung der Teilnahme an einer Trainingsmaßnahme § 83 Abs 3 und § 84 SGB III aF entsprechend anzuwenden. Soweit in § 83 Abs 3 SGB III aF die Höhe der zu übernehmenden Kosten für Pendelfahrten auf den Betrag begrenzt ist, der bei auswärtiger Unterbringung für Unterbringung und Verpflegung zu leisten wäre, ist dies sachlich begründet, denn bei der Förderung der beruflichen Weiterbildung gehören sowohl Fahrkosten als auch Unterbringungskosten zu den übernahmefähigen Weiterbildungskosten iS des § 77 Abs 1 SGB III (bis zum 31. Dezember 2002: § 81 Abs 1 Nr 2 und 3 SGB III - § 81 SGB III aF -, seit dem 1. Januar 2003: § 79 SGB III idF des Art 1 des Gesetzes vom 23. Dezember 2002 aaO). Sie können deshalb auch unter Wirtschaftlichkeitsgesichtspunkten gegeneinander abgewogen werden. Mit der Begrenzung in § 83 Abs 3 SGB III aF wird sichergestellt, dass die Weiterbildungskosten nur in der Höhe übernommen werden, die bei der jeweils kostengünstigeren Alternative anfällt.
Bei der Förderung von Trainingsmaßnahmen nach § 48 Abs 1 SGB III kommt dagegen eine solche Begrenzung auf die kostengünstigere Alternative nicht in Frage, weil die Kosten auswärtiger Unterbringung von vornherein nicht zu den nach § 50 SGB III übernahmefähigen Maßnahmekosten gehören. Zudem spricht § 50 Nr 2 SGB III ausdrücklich (nur) von Fahrkosten für die "tägliche" Hin- und Rückfahrt zwischen Wohnung und Maßnahmestätte. Daraus wird deutlich, dass gerade und ausschließlich die Fahrkosten bei der Teilnahme an noch im Tagespendelbereich liegenden Maßnahmen erstattet werden können, während eine Übernahme anderer Kosten, wie sie beim Erfordernis einer auswärtigen Unterbringung entstünden, dem Wortlaut nach ausscheidet. Soweit demgegenüber in den internen Durchführungsanweisungen der Bundesanstalt für Arbeit (BA) zu den Maßnahmekosten nach § 50 Nr 2 SGB III neben den berücksichtigungsfähigen Fahrkosten (für Pendelfahrten) auch die Kosten für die erforderliche Unterkunft und Verpflegung sowie Fahrkosten der in § 83 Abs 1 Nr 2 SGB III aF genannten Art (An- und Abreise, Familienheimfahrten, Besuchsfahrten von Angehörigen) gezählt werden (DA zu § 50 SGB III, 50.13 Abs 1 und 3), ist dies für die hier zu treffende Entscheidung unerheblich. Eine Praxis, die ohne ausdrückliche gesetzliche Grundlage die Übernahme von Kosten für Unterbringung und Verpflegung vorsieht, kann keine Grundlage sein, um Fahrkosten, die dem Grunde nach zu übernehmen sind, wiederum ohne gesetzliche Grundlage der Höhe nach zu begrenzen.
Die Revision kann für eine Begrenzung der Fahrkosten nicht mit Erfolg geltend machen, es komme entscheidend auf eine Differenzierung danach an, ob der zur Übernahme der Fahrkosten führende Anlass ein kurzfristiger oder aber ein auf längere Dauer angelegter sei. Damit soll anscheinend entgegen der gesetzlichen Regelung als allgemeines Kriterium für die Begrenzung von Fahrkosten auf die übernahmefähigen Kosten von Unterbringung und Verpflegung - und wohl auch für die mögliche Übernahme von Unterbringungs- und Verpflegungskosten ohne ausdrückliche Regelung - die Dauer einer geförderten Maßnahme eingeführt werden. Die unterschiedliche Dauer von Maßnahmen der beruflichen Weiterbildung einerseits und Trainingsmaßnahmen andererseits wird der Grund dafür sein, dass die Übernahme von Fahr- und Unterbringungskosten für beide Maßnahmearten unterschiedlich geregelt ist. Bei den regelmäßig langfristigen Weiterbildungsmaßnahmen von einem bis zwei Jahren (vgl § 92 SGB III in der bis zum 31. Dezember 2002 geltenden Fassung) ist bei größerer Entfernung zwischen Wohn- und Maßnahmeort eine auswärtige Unterbringung sinnvoll und zumutbar; deshalb ist auch gemäß § 84 SGB III aF die Übernahme von Unterbringungs- und Verpflegungskosten vorgesehen (zur "Erforderlichkeit" vgl Niewald in: Spellbrink/Eicher, Kasseler Handbuch des Arbeitsförderungsrechts, § 4 RdNr 349). Sowohl § 84 SGB III aF als auch § 83 Abs 3 SGB III aF sind jedoch typisierende Regelungen, die nicht auf die Dauer einer Weiterbildungsmaßnahme im Einzelfall abstellen. Die Fahrkosten sind nach § 83 Abs 3 SGB III aF bei Weiterbildungsmaßnahmen grundsätzlich auf die übernahmefähigen Kosten einer auswärtigen Unterbringung begrenzt, auch wenn im Einzelfall wegen der Kurzfristigkeit einer Weiterbildungsmaßnahme die auswärtige Unterbringung nicht sinnvoll erscheinen sollte.
Eine Übertragung der typisierenden Regelung auf Trainingsmaßnahmen könnte allenfalls dann erwogen werden, wenn auch bei Trainingsmaßnahmen wegen ihrer Dauer regelmäßig eine auswärtige Unterbringung sinnvoll und zumutbar wäre. Schon diese Voraussetzung ist jedoch nicht gegeben. Die in der Regel zulässige Höchstdauer der einzelnen Trainingsmaßnahmen nach § 49 Abs 2 SGB III (seit dem 1. Januar 2002: § 49 Abs 3 SGB III idF des Art 1 Nr 18 Job-AQTIV-Gesetz vom 10. Dezember 2001 - BGBl I 3443) liegt zwischen 14 Tagen für eine einzelne Trainingsmaßnahme (§ 49 Abs 2 Satz 2 Nr 2 SGB III aF) und 12 Wochen für Trainingsmaßnahmen insgesamt (§ 49 Abs 2 Satz 4 SGB III aF). Da dies jeweils die Höchstdauer ist, sind auch noch kurzfristigere Trainingsmaßnahmen zulässig, bei denen eine auswärtige Unterbringung selbst bei längeren Fahrstrecken praktisch von vornherein ausgeschlossen ist. Wenn bei Trainingsmaßnahmen überhaupt eine Begrenzung von Fahrkosten auf die Höchstkosten einer alternativ möglichen Unterbringung und Verpflegung gewollt gewesen wäre, hätte es angesichts der unterschiedlichen zeitlichen Grenzen für Trainingsmaßnahmen nahegelegen, im Gesetz eine differenzierte Regelung zu treffen. Da dies nicht geschehen ist, ist davon auszugehen, dass der Gesetzgeber bei Trainingsmaßnahmen die Möglichkeit und ggf Notwendigkeit einer auswärtigen Unterbringung nicht sieht und dementsprechend auch keine Begrenzung der Fahrkosten für Pendelfahrten angeordnet hat.
Schließlich läßt sich die Begrenzung der Fahrkosten in (entsprechender) Anwendung des § 83 Abs 3 SGB III aF auch nicht mit einem der BA insoweit zustehenden Ermessensspielraum rechtfertigen. Allerdings handelt es sich bei der Förderung von Trainingsmaßnahmen grundsätzlich um Ermessensleistungen, auf die kein Rechtsanspruch besteht, sodass dem Arbeitsamt (ArbA) insbesondere sowohl ein Entschließungs- als auch ein Auswahlermessen im Hinblick auf das "Ob" und das "Wie" der Maßnahme zusteht. Hat aber das ArbA - wie es hier der Fall war - die an einem anderen Ort durchgeführte Trainingsmaßnahme selbst vorgeschlagen und die Einwilligung zu der Maßnahme erteilt (§ 48 Abs 1 Nr 2 SGB III), besteht kein Ermessensspielraum, in Abweichung von § 50 Nr 2 SGB III nicht auf die danach maßgebenden Fahrkosten "für die tägliche Hin- und Rückfahrt des Teilnehmers zwischen Wohnung und Maßnahmestätte" abzustellen, sondern diese im Wege einer Vergleichsberechnung auf die fiktiven Kosten einer auswärtigen Unterbringung herabzusetzen.
Ob die Beklagte eine andere Regelung für die Übernahme von Fahrkosten in einer auf Grund von § 52 SGB III erlassenen Anordnung treffen könnte, ist hier nicht zu entscheiden, denn sie hat bisher eine solche Anordnung nicht erlassen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
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