Land
Rheinland-Pfalz
Sozialgericht
LSG Rheinland-Pfalz
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
4
1. Instanz
SG Koblenz (RPF)
Aktenzeichen
-
Datum
2. Instanz
LSG Rheinland-Pfalz
Aktenzeichen
L 4 SB 46/02
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Koblenz vom 13.12.2001 wird zurückgewiesen.
2. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten über die Höhe des Grades der Behinderung (GdB) des Klägers nach dem Sozialgesetzbuch –Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen (SGB IX).
Der 1951 geborene Kläger erlitt am 21.04.1999 einen Arbeitsunfall, als er von einer Leiter abrutschte und mit der linken Ferse auf dem Boden aufschlug, wobei er sich eine Fersenbeintrümmerfraktur zuzog. Mit Bescheid vom 06.11.2000 erkannte die Berufsgenossenschaft für Feinmechanik und Elektrotechnik, Bezirksverwaltung Köln (BG) als Unfallfolgen mit einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 20 vH an: "Narben im Verletzungsbereich, Schonhinken links, eingeschränkte Fußabrollbeweglichkeit links, eingeschränkte Hockfähigkeit links, erheblich eingeschränkter Zehenspitzenstand und –gang links, deutliche Schwellneigung der linken Sprunggelenksgabel bis hin zum Rückfuß, deutliche endgradige Bewegungseinschränkung im unteren linken Sprunggelenk, Minderbeschwielung des linken Fußes, die Notwendigkeit, orthopädische Schuhe bzw. Einlagen zu tragen sowie die in den Röntgenbildern erkennbaren unfallbedingten Veränderungen nach knöchern, unter Abflachung des Tubergelenkwinkels, verheiltem Fersenbeinbruch links".
Im August 1999 beantragte der Kläger wegen dieses Leidens die Feststellung seiner Behinderung und eines GdB. Das Amt für soziale Angelegenheiten Koblenz zog den Entlassungsbericht über die stationäre Heilbehandlung des Klägers vom 21.04. bis 26.05.1999 in der Berufsgenossenschaftlichen Sonderstation für Schwerunfallverletzte im Krankenhaus E. Stift St. M , K sowie den Abschlussbericht über die Durchführung einer ERP-Maßnahme bei, wozu die Vertragsärztin Frau Dr. B eine sozialmedizinische Stellungnahme abgab.
Mit Bescheid vom 03.05.2000 stellte das Amt für soziale Angelegenheiten Koblenz einen GdB von 20 fest und bezeichnete die Behinderung als: "Bewegungseinschränkung des oberen und unteren Sprunggelenkes links nach Fersenbeinbruch". Den Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 17.05.2000 zurück.
Im vor dem Sozialgericht Koblenz durchgeführten Klageverfahren hat das Sozialgericht Beweis erhoben durch Einholung eines chirurgischen Gutachtens des Dr. E auf Antrag des Klägers nach § 109 SGG.
Der Sachverständige hat den Kläger im November 2000 untersucht und in seinem Gutachten zusammenfassend ausgeführt, beim Kläger beständen eine erhebliche Bewegungseinschränkung des oberen und unteren Sprunggelenkes links nach Fersenbeintrümmerbruch (GdB 20), eine Schwäche des linken Beines bei Muskelatrophie (GdB 10), eine Schwellneigung des linken Sprunggelenkes und Unterschenkels (GdB 10) sowie eine posttraumatische, schmerzhafte Arthrose des linken Sprunggelenkes (GdB 10). Der Gesamt-GdB betrage 30. Hierzu hat der Beklagte eine versorgungsärztliche Stellungnahme der Medizinaldirektorin Frau Dr. H nebst radiologischer Stellungnahme vorgelegt.
Mit Urteil vom 13.12.2001 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Feststellung eines höheren GdB als 20 komme nicht in Betracht, wobei das Gericht nicht der Auffassung des Sachverständigen Dr. E folge, dessen Bewertung nicht im Einklang mit den Vorgaben in den Anhaltspunkten stehe. Die von Dr. E beschriebenen vier Teil-Behinderungen bezögen sich alle auf den Funktionsbereich der Beine, genauer genommen nur auf das linke Sprunggelenk, so dass es sich nur um eine Behinderung handele, für die nur ein GdB-Wert anzugeben sei. In Übereinstimmung mit den Feststellungen des Beklagten und der BG, die ebenfalls eine MdE von 20 vH anerkannt habe, sei ein GdB von 20 als zutreffend anzusehen. Nach den von Dr. E mitgeteilten Bewegungsausmaßen für das Heben und Senken der Füße aufgrund der Beweglichkeit im oberen und unteren Sprunggelenk wäre an sich nach den Vorgaben in den Anhaltspunkten die Behinderung mit einem GdB von 10 ausreichend hoch bewertet, da allenfalls von einer mittelgradigen Bewegungseinschränkung ausgegangen werden könne. Mit einem GdB von 20 sei daher die zusätzlich bestehende Schwellneigung und Schmerzsymptomatik im linken Fuß bei Belastung, die unter Berücksichtigung der Muskelminderung im linken Oberschenkel und der Umfangsvermehrung im linken Unterschenkel nachvollziehbar sei, ausreichend mitbewertet. Die höhere Bewertung des GdB durch den Sachverständigen stehe mit den Anhaltspunkten nicht im Einklang.
Am 21.02.2002 hat der Kläger gegen das ihm am 01.02.2002 zugestellte Urteil Berufung eingelegt.
Der Kläger trägt vor,
das Urteil des Sozialgerichts sei aufzuheben, da dieses nicht dem überzeugenden Gutachten des Sachverständigen Dr. E gefolgt sei.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Koblenz vom 13.12.2001 sowie den Bescheid des Beklagten vom 03.05.2000 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17.05.2000 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, seine Behinderung mit einem GdB von 30 festzustellen hilfsweise, den Sachverständigen Dr. E zur Erläuterung seines Gutachtens aufzufordern.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Beklagte trägt vor,
das Sozialgericht sei zutreffend dem Gutachten des Dr. E nicht gefolgt, da dieses nicht im Einklang mit den maßgeblichen Anhaltspunkten stehe. Unter Zugrundelegung der objektiven Befunddaten sei der GdB des Klägers mit 20 zutreffend bewertet.
Im Übrigen wird zur Ergänzung Bezug genommen auf den Inhalt der beigezogenen und den Kläger betreffenden Verwaltungsakte des Beklagten (Az.: 324 405/5) sowie der Gerichtsakte, der Gegenstand der Beratung und Entscheidungsfindung war.
II.
Der Senat entscheidet gemäß § 153 Abs. 4 Satz 1 SGG ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss. Auf diese Möglichkeit wurden die Beteiligten hingewiesen. Der Senat hält im vorliegenden Fall eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich und die Berufung des Klägers einstimmig für unbegründet. Dem Kläger steht kein Anspruch auf Feststellung eines höheren GdB als 20 zu, wie der Beklagte und das Sozialgericht zutreffend entschieden haben.
Nach § 69 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch –Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen (SGB IX) stellen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen Behörden auf Antrag des behinderten Menschen das Vorliegen einer Behinderung und den Grad der Behinderung (GdB) fest. Die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft ist entsprechend § 30 Abs. 1 BVG nach dem Ausmaß des Abweichens von dem für das Lebensalter typischen Zustand der körperlichen Funktion, geistigen Fähigkeit oder seelischen Gesundheit unabhängig von ihren Ursachen zu bemessen (§§ 69 Abs. 1 Satz 3; 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX). Das SGB IX ist seit dem 01.07.2001 anzuwenden (Art. 68 Abs. 1 SGB IX), ersetzt das bisherige Schwerbehindertengesetz und enthält –soweit die Feststellung des GdB oder von Nachteilsausgleichen streitig ist– keine wesentlichen Änderungen gegenüber dem alten Rechtszustand.
Bei der Beurteilung des GdB steht die Beeinträchtigung im allgemeinen Erwerbsleben im Vordergrund (vgl. BSGE 48, 82, 83 = BSG, SozR 3870 § 3 Nr. 4). Im Interesse einer einheitlichen und gleichmäßigen Behandlung hat das Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung (BMA) die Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz herausgegeben, die fortlaufend überarbeitet und 1996 neu veröffentlicht worden sind. Die darin aufgeführten GdB-Werte beruhen auf neuesten medizinischen Erkenntnissen; sie sollen einen Anhalt zur Ermittlung des GdB und zur Auslegung des § 2 SGB IX bilden. In diesem Sinne sind die Anhaltspunkte in der Regel anzuwenden, weil sie den Stand der medizinisch-wissenschaftlichen Lehrmeinung wiedergeben und damit als antizipiertes Sachverständigengutachten im Regelfall der gleichmäßigen Auslegung der unbestimmten Rechtsbegriffe des Schwerbehindertenrechts dienen (BVerfG, SozR 3-3870 § 3 Nr. 6; BSG, NJW 1992, 455; SGb 1993, 579; Urteil des Senats, br 1995, 195).
Das Sozialgericht hat im angefochtenen Urteil eingehend und zutreffend unter Würdigung der beim Kläger erhobenen objektiven Befunde und in Übereinstimmung mit den maßgeblichen Anhaltspunkten dargelegt und begründet, weshalb die Behinderung des Klägers danach zutreffend mit einem GdB von insgesamt 20 zu bewerten ist. Der Kläger ist dem im Berufungsverfahren medizinisch substantiiert nicht entgegengetreten, so dass der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen hierauf Bezug nimmt (§ 153 Abs. 2 SGG).
Entgegen der Ansicht des Klägers ist das erstinstanzliche Urteil auch nicht deshalb aufzuheben, weil das Sozialgericht dem Gutachten des Dr. E vom 04.04.2001 nicht gefolgt ist. Insoweit verkennt der Kläger, dass die Einschätzung des GdB eine Rechtsfrage ist, die das Gericht aufgrund eigener richterlicher Urteilsbildung zu entscheiden hat und zu der der Sachverständige lediglich die relevanten Befunde mitzuteilen hat. Soweit der Sachverständige deshalb eigene GdB-Vorschläge macht, handelt es sich um für das Gericht unverbindliche Vorschläge (Urteil des Senats vom 22. Mai 1996, Az.: L 4 Vs 129/95, Behindertenrecht 1996, 167 ff).
Schließlich war auch dem Antrag des Klägers nicht zu entsprechen, den Sachverständigen Dr. E zur Erläuterung seines Gutachtens unter Berücksichtigung der Ausführungen des erstinstanzlichen Gerichts aufzufordern.
Die Ladung des gerichtlichen Sachverständigen, damit dieser sein schriftliches Gutachten erläutere (§ 118 Abs. 1 SGG iVm § 411 Abs. 3 ZPO), steht grundsätzlich im Ermessen des Gerichts. Diese Ermessensfreiraum verdichtet sich dann zu einer Verpflichtung des Gerichts zur Ladung des gerichtlichen Sachverständigen, wenn diese beantragt ist und noch Ermittlungsbedarf besteht, d.h. wenn sich das Gericht hätte gedrängt fühlen müssen, hinsichtlich des von dem Sachverständigen in seinem schriftlichen Gutachten behandelten Beweisthemas noch weitere Sachaufklärung zu betreiben. Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor, da nicht die vom Sachverständigen erhobenen Befunde, sondern deren Bewertung umstritten ist. Diese ist allerdings –wie bereits ausgeführt– eine Rechtsfrage und daher nicht durch eine Erläuterung des Sachverständigen zu klären.
Dem Kläger steht auch kein Anspruch auf Ladung des Sachverständigen zu. Zwar hat ein Verfahrensbeteiligter nach ständiger Rechtsprechung grundsätzlich –zur Gewährleistung des rechtlichen Gehörs– ein Recht auf Befragung eines Sachverständigen, der ein (schriftliches) Gutachten erstattet hat (§§ 116 Satz 2, 118 Abs. 1 SGG iVm §§ 397, 402, 411 Abs. 4 Zivilprozessordnung (ZPO); § 62 SGG). Es besteht allerdings nur hinsichtlich solcher Gutachten, die im selben Rechtszug erstattet worden sind (vgl. BSG, SozR 1750 § 411 Nr. 2). Macht der Beteiligte von seinem Fragerecht aber nicht innerhalb des Rechtszugs Gebrauch, in dem das Gutachten eingeholt worden ist –hier also vor dem Sozialgericht–, so kann er die Anhörung des Sachverständigen im nächsten Rechtszug nur noch verlangen, wenn die Voraussetzungen für eine notwendige Anhörung des gerichtlichen Sachverständigen zur Erläuterung seines Gutachtens gemäß § 411 Abs. 3 ZPO vorliegen und die Ablehnung des entsprechenden Antrags durch die nunmehr tätige Instanz ermessenswidrig wäre (BSG, SGb 2000, 269 ff mwN).
Hier lagen die Voraussetzungen für eine Ladung des vom Sozialgericht gehörten Sachverständigen nach § 118 Abs. 1 SGG iVm § 411 Abs. 3 ZPO nicht vor. Dazu wäre u.a. darzulegen gewesen, dass der Kläger an den Sachverständigen sachdienliche Fragen gestellt hätte und sie diese bereits angekündigt hätte (BSG, a.a.O.). Der Kläger hat aber keine konkreten Fragen angekündigt, sondern lediglich den allgemein gefassten Antrag gestellt, den Sachverständigen zur Erläuterung seines Gutachtens zu laden.
Die Berufung ist daher zurückzuweisen.
Die Entscheidung über die Kosten stützt sich auf § 193 SGG.
Die Revision wird nicht zugelassen, da Revisionszulassungsgründe nicht vorliegen (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG).
2. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten über die Höhe des Grades der Behinderung (GdB) des Klägers nach dem Sozialgesetzbuch –Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen (SGB IX).
Der 1951 geborene Kläger erlitt am 21.04.1999 einen Arbeitsunfall, als er von einer Leiter abrutschte und mit der linken Ferse auf dem Boden aufschlug, wobei er sich eine Fersenbeintrümmerfraktur zuzog. Mit Bescheid vom 06.11.2000 erkannte die Berufsgenossenschaft für Feinmechanik und Elektrotechnik, Bezirksverwaltung Köln (BG) als Unfallfolgen mit einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 20 vH an: "Narben im Verletzungsbereich, Schonhinken links, eingeschränkte Fußabrollbeweglichkeit links, eingeschränkte Hockfähigkeit links, erheblich eingeschränkter Zehenspitzenstand und –gang links, deutliche Schwellneigung der linken Sprunggelenksgabel bis hin zum Rückfuß, deutliche endgradige Bewegungseinschränkung im unteren linken Sprunggelenk, Minderbeschwielung des linken Fußes, die Notwendigkeit, orthopädische Schuhe bzw. Einlagen zu tragen sowie die in den Röntgenbildern erkennbaren unfallbedingten Veränderungen nach knöchern, unter Abflachung des Tubergelenkwinkels, verheiltem Fersenbeinbruch links".
Im August 1999 beantragte der Kläger wegen dieses Leidens die Feststellung seiner Behinderung und eines GdB. Das Amt für soziale Angelegenheiten Koblenz zog den Entlassungsbericht über die stationäre Heilbehandlung des Klägers vom 21.04. bis 26.05.1999 in der Berufsgenossenschaftlichen Sonderstation für Schwerunfallverletzte im Krankenhaus E. Stift St. M , K sowie den Abschlussbericht über die Durchführung einer ERP-Maßnahme bei, wozu die Vertragsärztin Frau Dr. B eine sozialmedizinische Stellungnahme abgab.
Mit Bescheid vom 03.05.2000 stellte das Amt für soziale Angelegenheiten Koblenz einen GdB von 20 fest und bezeichnete die Behinderung als: "Bewegungseinschränkung des oberen und unteren Sprunggelenkes links nach Fersenbeinbruch". Den Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 17.05.2000 zurück.
Im vor dem Sozialgericht Koblenz durchgeführten Klageverfahren hat das Sozialgericht Beweis erhoben durch Einholung eines chirurgischen Gutachtens des Dr. E auf Antrag des Klägers nach § 109 SGG.
Der Sachverständige hat den Kläger im November 2000 untersucht und in seinem Gutachten zusammenfassend ausgeführt, beim Kläger beständen eine erhebliche Bewegungseinschränkung des oberen und unteren Sprunggelenkes links nach Fersenbeintrümmerbruch (GdB 20), eine Schwäche des linken Beines bei Muskelatrophie (GdB 10), eine Schwellneigung des linken Sprunggelenkes und Unterschenkels (GdB 10) sowie eine posttraumatische, schmerzhafte Arthrose des linken Sprunggelenkes (GdB 10). Der Gesamt-GdB betrage 30. Hierzu hat der Beklagte eine versorgungsärztliche Stellungnahme der Medizinaldirektorin Frau Dr. H nebst radiologischer Stellungnahme vorgelegt.
Mit Urteil vom 13.12.2001 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Feststellung eines höheren GdB als 20 komme nicht in Betracht, wobei das Gericht nicht der Auffassung des Sachverständigen Dr. E folge, dessen Bewertung nicht im Einklang mit den Vorgaben in den Anhaltspunkten stehe. Die von Dr. E beschriebenen vier Teil-Behinderungen bezögen sich alle auf den Funktionsbereich der Beine, genauer genommen nur auf das linke Sprunggelenk, so dass es sich nur um eine Behinderung handele, für die nur ein GdB-Wert anzugeben sei. In Übereinstimmung mit den Feststellungen des Beklagten und der BG, die ebenfalls eine MdE von 20 vH anerkannt habe, sei ein GdB von 20 als zutreffend anzusehen. Nach den von Dr. E mitgeteilten Bewegungsausmaßen für das Heben und Senken der Füße aufgrund der Beweglichkeit im oberen und unteren Sprunggelenk wäre an sich nach den Vorgaben in den Anhaltspunkten die Behinderung mit einem GdB von 10 ausreichend hoch bewertet, da allenfalls von einer mittelgradigen Bewegungseinschränkung ausgegangen werden könne. Mit einem GdB von 20 sei daher die zusätzlich bestehende Schwellneigung und Schmerzsymptomatik im linken Fuß bei Belastung, die unter Berücksichtigung der Muskelminderung im linken Oberschenkel und der Umfangsvermehrung im linken Unterschenkel nachvollziehbar sei, ausreichend mitbewertet. Die höhere Bewertung des GdB durch den Sachverständigen stehe mit den Anhaltspunkten nicht im Einklang.
Am 21.02.2002 hat der Kläger gegen das ihm am 01.02.2002 zugestellte Urteil Berufung eingelegt.
Der Kläger trägt vor,
das Urteil des Sozialgerichts sei aufzuheben, da dieses nicht dem überzeugenden Gutachten des Sachverständigen Dr. E gefolgt sei.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Koblenz vom 13.12.2001 sowie den Bescheid des Beklagten vom 03.05.2000 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17.05.2000 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, seine Behinderung mit einem GdB von 30 festzustellen hilfsweise, den Sachverständigen Dr. E zur Erläuterung seines Gutachtens aufzufordern.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Beklagte trägt vor,
das Sozialgericht sei zutreffend dem Gutachten des Dr. E nicht gefolgt, da dieses nicht im Einklang mit den maßgeblichen Anhaltspunkten stehe. Unter Zugrundelegung der objektiven Befunddaten sei der GdB des Klägers mit 20 zutreffend bewertet.
Im Übrigen wird zur Ergänzung Bezug genommen auf den Inhalt der beigezogenen und den Kläger betreffenden Verwaltungsakte des Beklagten (Az.: 324 405/5) sowie der Gerichtsakte, der Gegenstand der Beratung und Entscheidungsfindung war.
II.
Der Senat entscheidet gemäß § 153 Abs. 4 Satz 1 SGG ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss. Auf diese Möglichkeit wurden die Beteiligten hingewiesen. Der Senat hält im vorliegenden Fall eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich und die Berufung des Klägers einstimmig für unbegründet. Dem Kläger steht kein Anspruch auf Feststellung eines höheren GdB als 20 zu, wie der Beklagte und das Sozialgericht zutreffend entschieden haben.
Nach § 69 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch –Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen (SGB IX) stellen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen Behörden auf Antrag des behinderten Menschen das Vorliegen einer Behinderung und den Grad der Behinderung (GdB) fest. Die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft ist entsprechend § 30 Abs. 1 BVG nach dem Ausmaß des Abweichens von dem für das Lebensalter typischen Zustand der körperlichen Funktion, geistigen Fähigkeit oder seelischen Gesundheit unabhängig von ihren Ursachen zu bemessen (§§ 69 Abs. 1 Satz 3; 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX). Das SGB IX ist seit dem 01.07.2001 anzuwenden (Art. 68 Abs. 1 SGB IX), ersetzt das bisherige Schwerbehindertengesetz und enthält –soweit die Feststellung des GdB oder von Nachteilsausgleichen streitig ist– keine wesentlichen Änderungen gegenüber dem alten Rechtszustand.
Bei der Beurteilung des GdB steht die Beeinträchtigung im allgemeinen Erwerbsleben im Vordergrund (vgl. BSGE 48, 82, 83 = BSG, SozR 3870 § 3 Nr. 4). Im Interesse einer einheitlichen und gleichmäßigen Behandlung hat das Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung (BMA) die Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz herausgegeben, die fortlaufend überarbeitet und 1996 neu veröffentlicht worden sind. Die darin aufgeführten GdB-Werte beruhen auf neuesten medizinischen Erkenntnissen; sie sollen einen Anhalt zur Ermittlung des GdB und zur Auslegung des § 2 SGB IX bilden. In diesem Sinne sind die Anhaltspunkte in der Regel anzuwenden, weil sie den Stand der medizinisch-wissenschaftlichen Lehrmeinung wiedergeben und damit als antizipiertes Sachverständigengutachten im Regelfall der gleichmäßigen Auslegung der unbestimmten Rechtsbegriffe des Schwerbehindertenrechts dienen (BVerfG, SozR 3-3870 § 3 Nr. 6; BSG, NJW 1992, 455; SGb 1993, 579; Urteil des Senats, br 1995, 195).
Das Sozialgericht hat im angefochtenen Urteil eingehend und zutreffend unter Würdigung der beim Kläger erhobenen objektiven Befunde und in Übereinstimmung mit den maßgeblichen Anhaltspunkten dargelegt und begründet, weshalb die Behinderung des Klägers danach zutreffend mit einem GdB von insgesamt 20 zu bewerten ist. Der Kläger ist dem im Berufungsverfahren medizinisch substantiiert nicht entgegengetreten, so dass der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen hierauf Bezug nimmt (§ 153 Abs. 2 SGG).
Entgegen der Ansicht des Klägers ist das erstinstanzliche Urteil auch nicht deshalb aufzuheben, weil das Sozialgericht dem Gutachten des Dr. E vom 04.04.2001 nicht gefolgt ist. Insoweit verkennt der Kläger, dass die Einschätzung des GdB eine Rechtsfrage ist, die das Gericht aufgrund eigener richterlicher Urteilsbildung zu entscheiden hat und zu der der Sachverständige lediglich die relevanten Befunde mitzuteilen hat. Soweit der Sachverständige deshalb eigene GdB-Vorschläge macht, handelt es sich um für das Gericht unverbindliche Vorschläge (Urteil des Senats vom 22. Mai 1996, Az.: L 4 Vs 129/95, Behindertenrecht 1996, 167 ff).
Schließlich war auch dem Antrag des Klägers nicht zu entsprechen, den Sachverständigen Dr. E zur Erläuterung seines Gutachtens unter Berücksichtigung der Ausführungen des erstinstanzlichen Gerichts aufzufordern.
Die Ladung des gerichtlichen Sachverständigen, damit dieser sein schriftliches Gutachten erläutere (§ 118 Abs. 1 SGG iVm § 411 Abs. 3 ZPO), steht grundsätzlich im Ermessen des Gerichts. Diese Ermessensfreiraum verdichtet sich dann zu einer Verpflichtung des Gerichts zur Ladung des gerichtlichen Sachverständigen, wenn diese beantragt ist und noch Ermittlungsbedarf besteht, d.h. wenn sich das Gericht hätte gedrängt fühlen müssen, hinsichtlich des von dem Sachverständigen in seinem schriftlichen Gutachten behandelten Beweisthemas noch weitere Sachaufklärung zu betreiben. Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor, da nicht die vom Sachverständigen erhobenen Befunde, sondern deren Bewertung umstritten ist. Diese ist allerdings –wie bereits ausgeführt– eine Rechtsfrage und daher nicht durch eine Erläuterung des Sachverständigen zu klären.
Dem Kläger steht auch kein Anspruch auf Ladung des Sachverständigen zu. Zwar hat ein Verfahrensbeteiligter nach ständiger Rechtsprechung grundsätzlich –zur Gewährleistung des rechtlichen Gehörs– ein Recht auf Befragung eines Sachverständigen, der ein (schriftliches) Gutachten erstattet hat (§§ 116 Satz 2, 118 Abs. 1 SGG iVm §§ 397, 402, 411 Abs. 4 Zivilprozessordnung (ZPO); § 62 SGG). Es besteht allerdings nur hinsichtlich solcher Gutachten, die im selben Rechtszug erstattet worden sind (vgl. BSG, SozR 1750 § 411 Nr. 2). Macht der Beteiligte von seinem Fragerecht aber nicht innerhalb des Rechtszugs Gebrauch, in dem das Gutachten eingeholt worden ist –hier also vor dem Sozialgericht–, so kann er die Anhörung des Sachverständigen im nächsten Rechtszug nur noch verlangen, wenn die Voraussetzungen für eine notwendige Anhörung des gerichtlichen Sachverständigen zur Erläuterung seines Gutachtens gemäß § 411 Abs. 3 ZPO vorliegen und die Ablehnung des entsprechenden Antrags durch die nunmehr tätige Instanz ermessenswidrig wäre (BSG, SGb 2000, 269 ff mwN).
Hier lagen die Voraussetzungen für eine Ladung des vom Sozialgericht gehörten Sachverständigen nach § 118 Abs. 1 SGG iVm § 411 Abs. 3 ZPO nicht vor. Dazu wäre u.a. darzulegen gewesen, dass der Kläger an den Sachverständigen sachdienliche Fragen gestellt hätte und sie diese bereits angekündigt hätte (BSG, a.a.O.). Der Kläger hat aber keine konkreten Fragen angekündigt, sondern lediglich den allgemein gefassten Antrag gestellt, den Sachverständigen zur Erläuterung seines Gutachtens zu laden.
Die Berufung ist daher zurückzuweisen.
Die Entscheidung über die Kosten stützt sich auf § 193 SGG.
Die Revision wird nicht zugelassen, da Revisionszulassungsgründe nicht vorliegen (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG).
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