Land
Rheinland-Pfalz
Sozialgericht
LSG Rheinland-Pfalz
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Mainz (RPF)
Aktenzeichen
-
Datum
2. Instanz
LSG Rheinland-Pfalz
Aktenzeichen
L 5 KR 3/02
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Mainz vom 24.10.2001 aufgehoben, soweit die Beklagte verurteilt worden ist, an den Kläger einen Betrag in Höhe von 8.965,64 DM zu zahlen. Im Übrigen wird die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Die Kosten beider Rechtszüge werden gegeneinander aufgehoben. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte wirksam gegen eine Forderung der Firma K Medizin-Technik GmbH (K GmbH) aufgerechnet hat.
Der Kläger wurde durch Beschluss des Amtsgerichts Worms vom 1.12.1999 zum Insolvenzverwalter der Firma K GmbH bestellt. Die Firma K GmbH produzierte Medizingeräte, die ua an Versicherte der Beklagten abgegeben wurden und aufgrund vertraglicher Vereinbarungen von der Beklagten bezahlt wurden.
Ab Ende 1998/Anfang 1999 geriet die Firma K GmbH mit ihren Beitragszahlungen für Arbeitnehmer, die bei der Beklagten krankenversichert sind, in Rückstand. Nach vergeblichen Versuchen, die Beiträge beizutreiben oder sich mit der Firma K GmbH über die Ratenzahlung rückständiger Beiträge zu einigen, beantragte die Beklagte am 1.7.1999 beim Amtsgericht Worms, das Insolvenzverfahren über das Vermögen der K GmbH zu eröffnen. Mit Beschluss des Amtsgerichts vom 6.7.1999 wurde die vorläufige Verwaltung des Vermögens der K GmbH angeordnet und der Kläger zum vorläufigen Verwalter ernannt. Dieser Beschluss wurde der Beklagten zugestellt und veröffentlicht.
Mit Schreiben vom 27.8.1999, 4.10.1999 und 19.10.1999 teilte die Beklagte der K GmbH mit, dass Rechnungsbeträge in Höhe von 3.934,72 DM, 2.002,16 DM und 3.028,76 DM (insgesamt 8.965,64 DM), welche die K GmbH der Beklagten in Rechnung gestellt hatte, an die Geschäftsstelle Mainz der Beklagten zur Beitragsverrechnung überwiesen worden seien. Diese Beträge seien mit Beitragsrückständen der K GmbH gegenüber der Beklagten für die Monate November 1998 und Januar bis Mai 1999 in Höhe von insgesamt 16.799,41 DM aufgerechnet worden.
Mit Beschluss vom 1.12.1999 eröffnete das Amtsgericht das Insolvenzverfahren über das Vermögen der K GmbH, da die Schuldnerin zahlungsunfähig und überschuldet sei. Nachdem der zum Insolvenzverwalter bestellte Kläger die Beklagte aufgefordert hatte, den Betrag von 8.965,64 DM zur Insolvenzmasse zu zahlen, teilte die Beklagte mit Schreiben vom 21.6.2000 mit, für den geltend gemachten Erstattungsanspruch sei keine Rechtsgrundlage zu erkennen. Die von ihr erklärten Aufrechnungen seien gemäß § 94 Insolvenzordnung (InsO) zulässig. Die Beitragsforderung und die Vergütungsansprüche der späteren Gemeinschuldnerin hätten sich bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens aufrechenbar gegenübergestanden. Die Aufrechnungsverbote der §§ 95 und 96 InsO seien nicht einschlägig. Insbesondere habe die Kasse die Möglichkeit zur Aufrechnung nicht durch eine anfechtbare Handlung erlangt. Die Beitragsforderungen seien kraft Gesetzes entstanden. Die Ansprüche der Gemeinschuldnerin resultierten daraus, dass diese auf eigene Initiative Leistungen erbracht habe, die von der Kasse zu vergüten seien. Sie, die Beklagte, sei daher ohne selbst gehandelt zu haben, zur Schuldnerin der späteren Gemeinschuldnerin geworden. Unvermeidliche Kehrseite davon sei das Entstehen einer Aufrechnungslage, deren Verwertung die Gemeinschuldnerin hinzunehmen habe.
Nachdem der Kläger weiterhin auf einer Zahlung des streitigen Betrages bestanden hatte, erließ die Beklagte am 24.7.2000 einen Aufrechnungsbescheid. Hierin wurde nochmals ausgeführt, dass die Zahlungsansprüche der K GmbH durch die Aufrechnung erloschen seien. Gemäß § 51 Abs 2 Satz 1 Nr 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) sei für Streitigkeiten der vorliegenden Art der Rechtsweg zur Sozialgerichtsbarkeit eröffnet. Daraus folge die Befugnis, die Aufrechnung durch Bescheid zu erklären. Der vorangegangene Schriftwechsel sei als Anhörung zu werten. Die Aufrechnung sei nach § 94 InsO zulässig gewesen. Insbesondere finde § 96 Abs 1 Nr 3 InsO keine Anwendung, denn es fehle bereits an der zentralen Voraussetzung aller Anfechtungstatbestände, nämlich einer Gläubigerbenachteiligung.
Der Widerspruch des Klägers wurde mit Widerspruchsbescheid vom 11.9.2000 zurückgewiesen.
Der hiergegen erhobenen Klage hat das Sozialgericht Mainz (SG) mit Urteil vom 24.10.2001 stattgegeben. Unter Aufhebung des Bescheides vom 24.7.2000 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.9.2000 hat es die Beklagte verurteilt, an den Kläger einen Betrag in Höhe von 8.965,64 DM zu zahlen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, der Bescheid der Beklagten sei rechtswidrig und unterliege der Aufhebung. Der Kläger habe als Insolvenzverwalter der Firma K GmbH gegenüber der Beklagten ein Anspruch auf Zahlung eines Betrages in Höhe von 8.965,64 DM. Die Rechtswidrigkeit des Bescheides ergebe sich daraus, dass die von der Beklagten erklärten Aufrechnungen unwirksam seien. Zwar seien die Voraussetzungen für eine wirksame Aufrechnung gemäß den Vorschriften der §§ 387 bis 389 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), nämlich das Vorliegen einer Aufrechnungslage sowie die Abgabe einer Aufrechnungserklärung, erfüllt. Die von der Beklagten im August und Oktober 1999 erklärten Aufrechnungen seien jedoch nicht wirksam, weil der Kläger als Insolvenzverwalter diesbezüglich zu Recht eine Anfechtung erklärt habe. Die Unzulässigkeit der Aufrechnungen ergebe sich aufgrund der Regelung des § 96 Abs 1 Nr 3 InsO. Eine Aufrechnungserklärung eines Insolvenzgläubigers stelle eine anfechtbare Rechtshandlung im Sinne der §§ 129 ff InsO dar. Eine Anfechtung habe der Kläger als Insolvenzverwalter gegenüber der Beklagten gemäß § 130 Abs 1 Ziffer 2 InsO erklärt. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift seien hier erfüllt, denn die Aufrechnungserklärungen der Beklagten stellten Rechtshandlungen dar, die zu einer Befriedigung oder Sicherung für den Insolvenzgläubiger, nämlich die Beklagte, hätten führen sollen. Diese Rechtshandlungen seien nach Stellung des Antrags auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens vorgenommen worden. Die Beklagte habe auch bei Erklärung der Aufrechnung in Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit der Firma K GmbH gehandelt.
Gegen das ihr am 18.12.2001 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 3.1.2002 Berufung eingelegt.
Sie trägt vor, der Auffassung des SG könne nicht gefolgt werden. Nach § 96 Abs 1 Nr 2 InsO sei eine Aufrechnung, ohne dass es einer Anfechtung bedürfe, unzulässig und damit wirkungslos, wenn die Möglichkeit der Aufrechnung durch eine anfechtbare Handlung erlangt worden sei. Maßgeblich sei also die Entstehung der Aufrechnungslage, nicht jedoch die Erklärung der Aufrechnung. Der Prüfungsansatz des SG stehe im Widerspruch zum Wortlaut des § 96 Abs 1 Nr 3 InsO. Er lasse sich auch nicht mit § 94 InsO vereinbaren. Wenn entsprechende Erklärungen anfechtbar wären, was im Hinblick auf § 130 Abs 1 Nr 2 InsO zwangsläufig der Fall sein müsse, liefe § 94 InsO ins Leere. Zusammengefasst besagten diese Vorschriften, dass eine an sich zulässige Aufrechnungserklärung allenfalls dann eine anfechtbare Handlung sein könne, wenn bereits die Aufrechnungslage in anfechtbarer Weise zustande gekommen sei. Letzteres sei jedoch nicht der Fall, weil die Beitragsansprüche kraft Gesetzes entstünden, während die Vergütungsansprüche der K GmbH auf Vertragsabschlüssen zwischen der jetzigen Gemeinschuldnerin und deren Kunden beruhten. Ihre Zahlungspflicht ergebe sich demnach automatisch ohne Bezug zum konkreten Einzelfall aus bestehenden Rahmenverträgen. Jedenfalls könne aber auch nicht von einer Gläubigerbegünstigung ausgegangen werden.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Mainz vom 24.10.2001 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für rechtmäßig. Ergänzend trägt er vor, die Beklagte verkenne, dass jegliche Rechtshandlung, die den Tatbestandsmerkmalen der §§ 129 bis 136 InsO unterfalle, zugleich zu einer Unzulässigkeit der Aufrechnung nach § 96 Abs 1 Nr 3 InsO führe. Dabei sei es unerheblich, ob Ansprüche kraft Gesetz oder durch Vertrag oder sonstige Handlungen entstanden seien. Die Rechtshandlung müsse nicht einmal von der Schuldnerin vorgenommen worden sein, es könne sich auch um hoheitliche Akte, Vollstreckungen, Erfüllungshandlungen einschließlich Erfüllungssurrogate, mittelbare Zuwendungen und andere Verfügungen handeln. Die anfechtbaren Rechtshandlungen könnten sich durchaus als übliche Rechtsgeschäfte darstellen, die aber im Falle der Insolvenz abweichend zu beurteilen seien. Durch die genannten Vorschriften werde der Grundsatz, dass in der Krise des Schuldnerunternehmens kein Vermögensabfluss stattfinden dürfe, durch die genannten Anfechtungsvorschriften geschützt. Dass dies materiell letztendlich gerecht sei, zeige gerade der vorliegende Fall. Die Ansprüche der Beklagten stammten aus der Zeit der Fortführung in der Insolvenz, welche zu Erlösen für die Insolvenzmasse und damit für die Gesamtheit der Gläubigerschaft habe führen sollen. Die Beklagte erhalte von ihren Mitgliedern Beiträge und sei wegen des Versicherungsverhältnisses zur Zahlung an Erbringer von Heilleistungen verpflichtet. Nur der Umstand, dass Arbeitnehmer der Insolvenzschuldnerin bei der Beklagten krankenversichert gewesen seien, habe zu den Ansprüchen der Beklagten gegen die K GmbH geführt.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte der Beklagten. Der Akteninhalt war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung der Beklagten hat in der Sache teilweise Erfolg. Das SG hat zwar zu Recht den Bescheid der Beklagten vom 24.7.2000 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.9.2000 aufgehoben, es hat die Beklagte aber im vorliegenden Verfahren zu Unrecht verurteilt, an den Kläger als Konkursverwalter der K GmbH 8.965,64 DM zu zahlen.
Die Beklagte war nicht berechtigt, gegenüber der K GmbH einen Aufrechnungsbescheid zu erlassen, denn insoweit fehlt es an den Voraussetzungen des § 31 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB X). Nach dieser Vorschrift ist Verwaltungsakt jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. In der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist für die Aufrechnung nach § 51 des Allgemeinen Teils des Sozialgesetzbuches (SGB I) die Auffassung vertreten worden, dass bei der Aufrechnung eines Leistungsträgers gegenüber einem Leistungsempfänger die Handlungsform des Verwaltungsaktes möglich ist (BSG 25.3.1982 –10 RKg 2/81- SozR 1200 § 52 Nr 6; BSG 12.7.1990 -4 RA 47/88, SozR 3-1200 § 52 Nr 1 mwN). Als Begründung hierfür wurde ausgeführt, dass die Aufrechnung in die –durch Verwaltungsakt festgestellten- Rechte des Betroffenen eingreife und damit im Ergebnis der sozialrechtlichen Verwaltungspraxis Rechnung getragen werde, in der die Aufrechnungserklärung regelmäßig mit der Abänderung des eine Dauerleistung bewilligenden Verwaltungsaktes verbunden sei. Im Gegensatz zur Aufrechnung im Rahmen des § 51 SGB I bestanden zwischen der K GmbH als Leistungserbringer von Hilfsmitteln und der Beklagten keine Rechtsbeziehungen im Rahmen eines Über-Unterordnungsverhältnisses. Zwar erfolgt die Zulassung als Leistungserbringer von Hilfsmitteln gemäß § 126 Abs 1 SGB V durch einen Verwaltungsakt (BSG 5.8.1999 –B 3 KR 12/98 R, SozR 3-2500 § 126 Nr 3). Die dann maßgebenden Rahmenverträge über die Einzelheiten der Versorgung mit Heilmitteln sowie über die Preise und deren Abrechnung waren jedoch im hier maßgeblichen Jahr 1999 zivilrechtlicher Natur (BSG 10.7.1996 –3 RK 29/95, SozR 3-2500 § 125 Nr 6). Die Vorschrift des § 69 SGB V, die mit Wirkung ab 1.1.2000 auch Leistungsbeziehungen der vorliegenden Art dem öffentlichen Recht zugeordnet hat, ist vorliegend noch nicht anwendbar. Aber selbst wenn bereits vor dem Jahr 2000 auch die Leistungsbeziehungen zwischen der Beklagten und der K GmbH dem öffentlichen Recht zugeordnet sein sollten, fehlt es an einer hoheitlichen Maßnahme der Beklagten gegenüber der K GmbH im Sinne von § 31 Satz 1 SGB X. Die Honorierung der von Versicherten der Beklagten bezogenen Hilfsmittel war eine aus den vertraglichen Beziehungen zwischen der K GmbH und der Beklagten resultierende Verpflichtung. Daher ist auch die Aufrechnung einer solchen Forderung mit Beitragsforderungen der Beklagten nicht als Verwaltungsakt im Sinne des § 31 SGB X zu qualifizieren. Der Aufrechnungsbescheid der Beklagten vom 24.7.2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.9.2000 ist daher gemäß § 54 Abs 1 Satz 1 Nr 1 iVm Abs 2 Satz 1 SGG aufzuheben.
Das Urteil des SG hat dagegen keinen Bestand, soweit die Beklagte verurteilt worden ist, an den Kläger 8.965,64 DM (4.584,06 Euro) zu zahlen. Eine Rechtshandlung nach § 129 InsO, die vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen worden ist und die die Insolvenzgläubiger benachteiligt, kann der Insolvenzverwalter nach Maßgabe der §§ 130 bis 146 InsO anfechten. Hierfür ist die Erhebung einer Anfechtungsklage erforderlich. Beim Anfechtungsrechtsstreit handelt es sich um eine bürgerlich-rechtliche Streitigkeit, für die gemäß § 13 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) die ordentlichen Gerichte zuständig sind (Smid, Kommentar zur Insolvenzordnung, 1999, § 129 RdNr 37; Nerlich/Römermann, Kommentar zur Insolvenzordnung, § 129 RdNr 116; Braun, Kommentar zur Insolvenzordnung, 2002, § 129 RdNr 49; Hess, Kommentar zur Insolvenzordnung, § 129 RdNr 96 ff). § 51 Abs 2 Satz 1 Nr 3 SGG in der Fassung bis 1.1.2002 bzw § 51 Abs 2 Satz 1 SGG idF ab 2.1.2002 begründet insoweit keine Sonderzuständigkeit der Sozialgerichte, denn es handelt sich vorliegend nicht um eine privatrechtliche Streitigkeit in Angelegenheiten der gesetzlichen Krankenversicherung. Streitig ist nämlich nicht die grundsätzliche Befugnis der Beklagten, aufgrund der vertraglichen Beziehungen mit einem Leistungserbringer gegen eigene Forderungen gemäß §§ 387 ff BGB aufrechnen zu dürfen, sondern die Frage, ob der Kläger als Insolvenzverwalter, in dessen Person der Anfechtungsanspruch originär entsteht, zur Anfechtung der erklärten Aufrechnung im Rahmen der Vorschriften der InsO berechtigt ist. Der Kläger als Insolvenzverwalter der K GmbH hat daher seinen Anfechtungsanspruch vor den Gerichten der ordentlichen Gerichtsbarkeit gemäß den Vorschriften der InsO und des GVG geltend zu machen.
Nach alledem hat die Berufung der Beklagten teilweise Erfolg.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 183 SGG nF., § 193 SGG aF iVm Art 17 Abs 1 Satz 2 des 6. SGG-Änderungsgesetzes vom 17.8.2001 (BGBl I, S. 2144).
Revisionszulassungsgründe nach § 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte wirksam gegen eine Forderung der Firma K Medizin-Technik GmbH (K GmbH) aufgerechnet hat.
Der Kläger wurde durch Beschluss des Amtsgerichts Worms vom 1.12.1999 zum Insolvenzverwalter der Firma K GmbH bestellt. Die Firma K GmbH produzierte Medizingeräte, die ua an Versicherte der Beklagten abgegeben wurden und aufgrund vertraglicher Vereinbarungen von der Beklagten bezahlt wurden.
Ab Ende 1998/Anfang 1999 geriet die Firma K GmbH mit ihren Beitragszahlungen für Arbeitnehmer, die bei der Beklagten krankenversichert sind, in Rückstand. Nach vergeblichen Versuchen, die Beiträge beizutreiben oder sich mit der Firma K GmbH über die Ratenzahlung rückständiger Beiträge zu einigen, beantragte die Beklagte am 1.7.1999 beim Amtsgericht Worms, das Insolvenzverfahren über das Vermögen der K GmbH zu eröffnen. Mit Beschluss des Amtsgerichts vom 6.7.1999 wurde die vorläufige Verwaltung des Vermögens der K GmbH angeordnet und der Kläger zum vorläufigen Verwalter ernannt. Dieser Beschluss wurde der Beklagten zugestellt und veröffentlicht.
Mit Schreiben vom 27.8.1999, 4.10.1999 und 19.10.1999 teilte die Beklagte der K GmbH mit, dass Rechnungsbeträge in Höhe von 3.934,72 DM, 2.002,16 DM und 3.028,76 DM (insgesamt 8.965,64 DM), welche die K GmbH der Beklagten in Rechnung gestellt hatte, an die Geschäftsstelle Mainz der Beklagten zur Beitragsverrechnung überwiesen worden seien. Diese Beträge seien mit Beitragsrückständen der K GmbH gegenüber der Beklagten für die Monate November 1998 und Januar bis Mai 1999 in Höhe von insgesamt 16.799,41 DM aufgerechnet worden.
Mit Beschluss vom 1.12.1999 eröffnete das Amtsgericht das Insolvenzverfahren über das Vermögen der K GmbH, da die Schuldnerin zahlungsunfähig und überschuldet sei. Nachdem der zum Insolvenzverwalter bestellte Kläger die Beklagte aufgefordert hatte, den Betrag von 8.965,64 DM zur Insolvenzmasse zu zahlen, teilte die Beklagte mit Schreiben vom 21.6.2000 mit, für den geltend gemachten Erstattungsanspruch sei keine Rechtsgrundlage zu erkennen. Die von ihr erklärten Aufrechnungen seien gemäß § 94 Insolvenzordnung (InsO) zulässig. Die Beitragsforderung und die Vergütungsansprüche der späteren Gemeinschuldnerin hätten sich bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens aufrechenbar gegenübergestanden. Die Aufrechnungsverbote der §§ 95 und 96 InsO seien nicht einschlägig. Insbesondere habe die Kasse die Möglichkeit zur Aufrechnung nicht durch eine anfechtbare Handlung erlangt. Die Beitragsforderungen seien kraft Gesetzes entstanden. Die Ansprüche der Gemeinschuldnerin resultierten daraus, dass diese auf eigene Initiative Leistungen erbracht habe, die von der Kasse zu vergüten seien. Sie, die Beklagte, sei daher ohne selbst gehandelt zu haben, zur Schuldnerin der späteren Gemeinschuldnerin geworden. Unvermeidliche Kehrseite davon sei das Entstehen einer Aufrechnungslage, deren Verwertung die Gemeinschuldnerin hinzunehmen habe.
Nachdem der Kläger weiterhin auf einer Zahlung des streitigen Betrages bestanden hatte, erließ die Beklagte am 24.7.2000 einen Aufrechnungsbescheid. Hierin wurde nochmals ausgeführt, dass die Zahlungsansprüche der K GmbH durch die Aufrechnung erloschen seien. Gemäß § 51 Abs 2 Satz 1 Nr 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) sei für Streitigkeiten der vorliegenden Art der Rechtsweg zur Sozialgerichtsbarkeit eröffnet. Daraus folge die Befugnis, die Aufrechnung durch Bescheid zu erklären. Der vorangegangene Schriftwechsel sei als Anhörung zu werten. Die Aufrechnung sei nach § 94 InsO zulässig gewesen. Insbesondere finde § 96 Abs 1 Nr 3 InsO keine Anwendung, denn es fehle bereits an der zentralen Voraussetzung aller Anfechtungstatbestände, nämlich einer Gläubigerbenachteiligung.
Der Widerspruch des Klägers wurde mit Widerspruchsbescheid vom 11.9.2000 zurückgewiesen.
Der hiergegen erhobenen Klage hat das Sozialgericht Mainz (SG) mit Urteil vom 24.10.2001 stattgegeben. Unter Aufhebung des Bescheides vom 24.7.2000 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.9.2000 hat es die Beklagte verurteilt, an den Kläger einen Betrag in Höhe von 8.965,64 DM zu zahlen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, der Bescheid der Beklagten sei rechtswidrig und unterliege der Aufhebung. Der Kläger habe als Insolvenzverwalter der Firma K GmbH gegenüber der Beklagten ein Anspruch auf Zahlung eines Betrages in Höhe von 8.965,64 DM. Die Rechtswidrigkeit des Bescheides ergebe sich daraus, dass die von der Beklagten erklärten Aufrechnungen unwirksam seien. Zwar seien die Voraussetzungen für eine wirksame Aufrechnung gemäß den Vorschriften der §§ 387 bis 389 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), nämlich das Vorliegen einer Aufrechnungslage sowie die Abgabe einer Aufrechnungserklärung, erfüllt. Die von der Beklagten im August und Oktober 1999 erklärten Aufrechnungen seien jedoch nicht wirksam, weil der Kläger als Insolvenzverwalter diesbezüglich zu Recht eine Anfechtung erklärt habe. Die Unzulässigkeit der Aufrechnungen ergebe sich aufgrund der Regelung des § 96 Abs 1 Nr 3 InsO. Eine Aufrechnungserklärung eines Insolvenzgläubigers stelle eine anfechtbare Rechtshandlung im Sinne der §§ 129 ff InsO dar. Eine Anfechtung habe der Kläger als Insolvenzverwalter gegenüber der Beklagten gemäß § 130 Abs 1 Ziffer 2 InsO erklärt. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift seien hier erfüllt, denn die Aufrechnungserklärungen der Beklagten stellten Rechtshandlungen dar, die zu einer Befriedigung oder Sicherung für den Insolvenzgläubiger, nämlich die Beklagte, hätten führen sollen. Diese Rechtshandlungen seien nach Stellung des Antrags auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens vorgenommen worden. Die Beklagte habe auch bei Erklärung der Aufrechnung in Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit der Firma K GmbH gehandelt.
Gegen das ihr am 18.12.2001 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 3.1.2002 Berufung eingelegt.
Sie trägt vor, der Auffassung des SG könne nicht gefolgt werden. Nach § 96 Abs 1 Nr 2 InsO sei eine Aufrechnung, ohne dass es einer Anfechtung bedürfe, unzulässig und damit wirkungslos, wenn die Möglichkeit der Aufrechnung durch eine anfechtbare Handlung erlangt worden sei. Maßgeblich sei also die Entstehung der Aufrechnungslage, nicht jedoch die Erklärung der Aufrechnung. Der Prüfungsansatz des SG stehe im Widerspruch zum Wortlaut des § 96 Abs 1 Nr 3 InsO. Er lasse sich auch nicht mit § 94 InsO vereinbaren. Wenn entsprechende Erklärungen anfechtbar wären, was im Hinblick auf § 130 Abs 1 Nr 2 InsO zwangsläufig der Fall sein müsse, liefe § 94 InsO ins Leere. Zusammengefasst besagten diese Vorschriften, dass eine an sich zulässige Aufrechnungserklärung allenfalls dann eine anfechtbare Handlung sein könne, wenn bereits die Aufrechnungslage in anfechtbarer Weise zustande gekommen sei. Letzteres sei jedoch nicht der Fall, weil die Beitragsansprüche kraft Gesetzes entstünden, während die Vergütungsansprüche der K GmbH auf Vertragsabschlüssen zwischen der jetzigen Gemeinschuldnerin und deren Kunden beruhten. Ihre Zahlungspflicht ergebe sich demnach automatisch ohne Bezug zum konkreten Einzelfall aus bestehenden Rahmenverträgen. Jedenfalls könne aber auch nicht von einer Gläubigerbegünstigung ausgegangen werden.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Mainz vom 24.10.2001 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für rechtmäßig. Ergänzend trägt er vor, die Beklagte verkenne, dass jegliche Rechtshandlung, die den Tatbestandsmerkmalen der §§ 129 bis 136 InsO unterfalle, zugleich zu einer Unzulässigkeit der Aufrechnung nach § 96 Abs 1 Nr 3 InsO führe. Dabei sei es unerheblich, ob Ansprüche kraft Gesetz oder durch Vertrag oder sonstige Handlungen entstanden seien. Die Rechtshandlung müsse nicht einmal von der Schuldnerin vorgenommen worden sein, es könne sich auch um hoheitliche Akte, Vollstreckungen, Erfüllungshandlungen einschließlich Erfüllungssurrogate, mittelbare Zuwendungen und andere Verfügungen handeln. Die anfechtbaren Rechtshandlungen könnten sich durchaus als übliche Rechtsgeschäfte darstellen, die aber im Falle der Insolvenz abweichend zu beurteilen seien. Durch die genannten Vorschriften werde der Grundsatz, dass in der Krise des Schuldnerunternehmens kein Vermögensabfluss stattfinden dürfe, durch die genannten Anfechtungsvorschriften geschützt. Dass dies materiell letztendlich gerecht sei, zeige gerade der vorliegende Fall. Die Ansprüche der Beklagten stammten aus der Zeit der Fortführung in der Insolvenz, welche zu Erlösen für die Insolvenzmasse und damit für die Gesamtheit der Gläubigerschaft habe führen sollen. Die Beklagte erhalte von ihren Mitgliedern Beiträge und sei wegen des Versicherungsverhältnisses zur Zahlung an Erbringer von Heilleistungen verpflichtet. Nur der Umstand, dass Arbeitnehmer der Insolvenzschuldnerin bei der Beklagten krankenversichert gewesen seien, habe zu den Ansprüchen der Beklagten gegen die K GmbH geführt.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte der Beklagten. Der Akteninhalt war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung der Beklagten hat in der Sache teilweise Erfolg. Das SG hat zwar zu Recht den Bescheid der Beklagten vom 24.7.2000 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.9.2000 aufgehoben, es hat die Beklagte aber im vorliegenden Verfahren zu Unrecht verurteilt, an den Kläger als Konkursverwalter der K GmbH 8.965,64 DM zu zahlen.
Die Beklagte war nicht berechtigt, gegenüber der K GmbH einen Aufrechnungsbescheid zu erlassen, denn insoweit fehlt es an den Voraussetzungen des § 31 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB X). Nach dieser Vorschrift ist Verwaltungsakt jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. In der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist für die Aufrechnung nach § 51 des Allgemeinen Teils des Sozialgesetzbuches (SGB I) die Auffassung vertreten worden, dass bei der Aufrechnung eines Leistungsträgers gegenüber einem Leistungsempfänger die Handlungsform des Verwaltungsaktes möglich ist (BSG 25.3.1982 –10 RKg 2/81- SozR 1200 § 52 Nr 6; BSG 12.7.1990 -4 RA 47/88, SozR 3-1200 § 52 Nr 1 mwN). Als Begründung hierfür wurde ausgeführt, dass die Aufrechnung in die –durch Verwaltungsakt festgestellten- Rechte des Betroffenen eingreife und damit im Ergebnis der sozialrechtlichen Verwaltungspraxis Rechnung getragen werde, in der die Aufrechnungserklärung regelmäßig mit der Abänderung des eine Dauerleistung bewilligenden Verwaltungsaktes verbunden sei. Im Gegensatz zur Aufrechnung im Rahmen des § 51 SGB I bestanden zwischen der K GmbH als Leistungserbringer von Hilfsmitteln und der Beklagten keine Rechtsbeziehungen im Rahmen eines Über-Unterordnungsverhältnisses. Zwar erfolgt die Zulassung als Leistungserbringer von Hilfsmitteln gemäß § 126 Abs 1 SGB V durch einen Verwaltungsakt (BSG 5.8.1999 –B 3 KR 12/98 R, SozR 3-2500 § 126 Nr 3). Die dann maßgebenden Rahmenverträge über die Einzelheiten der Versorgung mit Heilmitteln sowie über die Preise und deren Abrechnung waren jedoch im hier maßgeblichen Jahr 1999 zivilrechtlicher Natur (BSG 10.7.1996 –3 RK 29/95, SozR 3-2500 § 125 Nr 6). Die Vorschrift des § 69 SGB V, die mit Wirkung ab 1.1.2000 auch Leistungsbeziehungen der vorliegenden Art dem öffentlichen Recht zugeordnet hat, ist vorliegend noch nicht anwendbar. Aber selbst wenn bereits vor dem Jahr 2000 auch die Leistungsbeziehungen zwischen der Beklagten und der K GmbH dem öffentlichen Recht zugeordnet sein sollten, fehlt es an einer hoheitlichen Maßnahme der Beklagten gegenüber der K GmbH im Sinne von § 31 Satz 1 SGB X. Die Honorierung der von Versicherten der Beklagten bezogenen Hilfsmittel war eine aus den vertraglichen Beziehungen zwischen der K GmbH und der Beklagten resultierende Verpflichtung. Daher ist auch die Aufrechnung einer solchen Forderung mit Beitragsforderungen der Beklagten nicht als Verwaltungsakt im Sinne des § 31 SGB X zu qualifizieren. Der Aufrechnungsbescheid der Beklagten vom 24.7.2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.9.2000 ist daher gemäß § 54 Abs 1 Satz 1 Nr 1 iVm Abs 2 Satz 1 SGG aufzuheben.
Das Urteil des SG hat dagegen keinen Bestand, soweit die Beklagte verurteilt worden ist, an den Kläger 8.965,64 DM (4.584,06 Euro) zu zahlen. Eine Rechtshandlung nach § 129 InsO, die vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen worden ist und die die Insolvenzgläubiger benachteiligt, kann der Insolvenzverwalter nach Maßgabe der §§ 130 bis 146 InsO anfechten. Hierfür ist die Erhebung einer Anfechtungsklage erforderlich. Beim Anfechtungsrechtsstreit handelt es sich um eine bürgerlich-rechtliche Streitigkeit, für die gemäß § 13 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) die ordentlichen Gerichte zuständig sind (Smid, Kommentar zur Insolvenzordnung, 1999, § 129 RdNr 37; Nerlich/Römermann, Kommentar zur Insolvenzordnung, § 129 RdNr 116; Braun, Kommentar zur Insolvenzordnung, 2002, § 129 RdNr 49; Hess, Kommentar zur Insolvenzordnung, § 129 RdNr 96 ff). § 51 Abs 2 Satz 1 Nr 3 SGG in der Fassung bis 1.1.2002 bzw § 51 Abs 2 Satz 1 SGG idF ab 2.1.2002 begründet insoweit keine Sonderzuständigkeit der Sozialgerichte, denn es handelt sich vorliegend nicht um eine privatrechtliche Streitigkeit in Angelegenheiten der gesetzlichen Krankenversicherung. Streitig ist nämlich nicht die grundsätzliche Befugnis der Beklagten, aufgrund der vertraglichen Beziehungen mit einem Leistungserbringer gegen eigene Forderungen gemäß §§ 387 ff BGB aufrechnen zu dürfen, sondern die Frage, ob der Kläger als Insolvenzverwalter, in dessen Person der Anfechtungsanspruch originär entsteht, zur Anfechtung der erklärten Aufrechnung im Rahmen der Vorschriften der InsO berechtigt ist. Der Kläger als Insolvenzverwalter der K GmbH hat daher seinen Anfechtungsanspruch vor den Gerichten der ordentlichen Gerichtsbarkeit gemäß den Vorschriften der InsO und des GVG geltend zu machen.
Nach alledem hat die Berufung der Beklagten teilweise Erfolg.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 183 SGG nF., § 193 SGG aF iVm Art 17 Abs 1 Satz 2 des 6. SGG-Änderungsgesetzes vom 17.8.2001 (BGBl I, S. 2144).
Revisionszulassungsgründe nach § 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
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