Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 6 KR 86/13
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 KR 2120/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 19.03.2014 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist die Übernahme von Kosten iHv 6.050 EUR für die am 10.09.2012 in Italien durchgeführte ambulante Augenoperation des Klägers.
Der 1988 geborene Kläger ist bei der Beklagten familienversichert. Am 10.05.2012 informierte die Mutter des Klägers die Beklagte telefonisch, dass der Kläger aufgrund seiner Augenkrankheit die Absicht habe, sich in Rom einer Augenoperation zu unterziehen. Die Beklagte wies sie insoweit auf die Rechtslage hin und forderte sie auf, eine ärztliche Stellungnahme und einen Kostenvoranschlag vorzulegen.
Nach den vorgelegten Schreiben des Augenarztes Dr. G. vom 12.06.2012 liegt beim Kläger an beiden Augen ein ausgeprägter Keratokonus (Vorwölbung, Verdünnung und Verformung der Hornhaut) vor, wobei das rechte Auge deutlich mehr betroffen ist. Der resultierende Berechnungsfehler lasse sich mit einem Brillenglas nicht auskorrigieren, die Anpassung spezieller Kontaktlinsen sei gescheitert. Die für den Kläger verfügbare Sehschärfe betrage rechts knapp 10 %, links 100 %. Der Kläger sei an die Universitätsaugenklinik Freiburg verwiesen worden. Dort werde geprüft, ob eine "Cross-linking"-Operation möglich sei.
Nach dem Arztbericht der Universitätsaugenklinik Freiburg vom 07.03.2012 wurde zum damaligen Zeitpunkt noch kein Cross-linking empfohlen, da aufgrund fehlender Vorbefunde nichts über die Progression ausgesagt werden konnte.
Mit Schreiben vom 15.06.2012 teilte der Kläger der Beklagten mit, er habe sich im Internet informiert. Er habe zwar im Moment Glück und die Erkrankung sei stabil. Sie verlaufe jedoch in Schüben. Schlimmstenfalls könne er innerhalb von zwei bis drei Monaten auf beiden Augen erblinden. Betroffene, die bei Dr. L. in Rom operiert worden seien und einer Hornhauttransplantation entgehen konnten, berichteten alle über einen Erfolg. Die Krankheit könne dadurch gestoppt werden. In Deutschland gebe es keine zufriedenstellende Behandlung, außer der Hornhauttransplantation. Er habe daher einen Operationstermin am 10.09.2012 mit Dr. L. vereinbart. Die Kosten beliefen sich auf 6.050,00 EUR.
Mit Bescheid vom 03.07.2012 lehnte die Beklagte eine Übernahme der Kosten für die radiale Keratomie und das Cross-linking in Italien ab. Es handle sich um eine neue Behandlungsmethode, die bisher vom Gemeinsamen Bundesausschuss (GBA) noch nicht bewertet sei. Der Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK) empfehle im Fall des Klägers augenärztliche Behandlung und Nachsorge, inklusive Optimierung der Kontaktlinsenversorgung sowie gegebenenfalls eine Keratoplastik (Hornhauttransplantation).
Der Kläger legte hiergegen Widerspruch ein und führte aus, die Methode von Dr. L. werde in Rom seit ca 20 Jahren praktiziert und sei sehr erfolgreich.
Die Beklagte beauftragte daraufhin nochmals den MDK mit einer Begutachtung. Dr. A. kam in seinem Gutachten vom 03.09.2012 zu dem Ergebnis, dass es sich bei der vom Kläger gewünschten Operationsmethode um eine neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode handle. Bei dieser werde die Hornhaut des Patienten mit Hilfe eines geführten Trepansystems eingeschnitten. Hierbei werde die Hornhaut mit einem speziellen Saugring fixiert und die unregelmäßige Hornhautoberfläche innerhalb des Trepans gerundet und entsprechend der vorher gemessenen Hornhautdicke auf 90% der Tiefe genau trepaniert. Ziel des Verfahrens sei es, eine cirkuläre Narbe zu erzeugen, die wesentlich fester ist als das vom Keratokonus befallene Hornhautgewebe. Der Eingriff werde auch als refraktiver Eingriff zur Refuzierung der Hornhautverkrümmung eingesetzt. Zu der Methode fänden sich keine Einträge auf der Internetseite des GBA. Die (schulmedizinische) Therapie sei abhängig vom Stadium und der Ausprägung der Erkrankung. Formstabile Kontaktlinsen ermöglichten den irregulären Astigmatismus auszugleichen. Bei Unverträglichkeit von solchen Linsen sei in frühen Stadien die Anpassung von weichen, torischen Linsen unter Umständen eine sinnvolle Alternative. In 20 % der Fälle schreite die Erkrankung soweit fort, dass eine Hornhauttransplantation erforderlich werde. Dies sei heute eine etablierte Operationsmethode mit hervorragender Prognose. Hornhauttransplantate hätten allerdings eine begrenzte Lebenszeit. Beim Kläger sei nicht nachvollziehbar, aus welchen Gründen die Kontaktlinsenanpassung gescheitert sei. Eine absolute Kontaktlinsenunverträglichkeit sei selten. Oft sei auch nach einer Cross-linking-Behandlung das Tragen einer Kontaktlinse zur Verbesserung der Sehschärfe erforderlich. Die Cross-linking-Behandlung bei Keratokonus werde in Deutschland bereits von vielen größeren Kliniken angeboten. Von den bisher vorliegenden Studien sei keine geeignet, den Nutzen im Sinne von §§ 2 und 12 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) zu belegen. In Deutschland werde eine randomisierte Studie gegenwärtig von der Universitätsaugenklinik Freiburg durchgeführt. Insgesamt sei nicht belastbar belegt, dass die Hornhauttransplantation durch die Operation hinausgezögert werden könne und es zu einer Verbesserung oder zu einem Erhalt der Sehschärfe komme. Eine Kostenübernahme der Krankenkasse könne daher nicht empfohlen werden.
Die Mutter des Klägers wurde daraufhin telefonisch über das Gutachten informiert. Ua wurde ihr mitgeteilt, dass in der Universitätsaugenklinik Freiburg aktuell eine Studie durchgeführt werde. Sie teilte daraufhin mit, dass sie am Widerspruch festhalten wolle und die Operation in Rom durchgeführt werde. Sie erläuterte insoweit ergänzend, es gehe hauptsächlich um die radiale Keratomie, die überhaupt nur zwei Ärzte in Europa durchführen würden. Das Cross-linking werde erst danach gemacht.
Nachdem die ambulante Operation am 10.09.2012 im Rahmen einer vom 10.09. bis 12.09.2012 dauernden Behandlung durchgeführt worden war, legte der Kläger die Rechnung über 6.050,00 EUR vor. Außerdem legte er die Stellungnahme von Dr. G. vom 29.10.2012 vor. Danach konnte bereits am 26.10.2012 ein verbesserter Visus für die Ferne rechts von 0,5 p erzielt werden. Es bestehe eine erhöhte Blendungsempfindlichkeit. Die visuellen Bedingungen seien wesentlich verbessert und man könne von einem außerordentlich guten Erfolg sprechen. Den Rechnungsbetrag zahlte der Kläger.
Die Beklagte holte hierzu die sozialmedizinische Stellungnahme von Dr. A. vom 14.11.2012 ein. Danach könne auch unter Berücksichtigung des Einzelfalls von der bisherigen Beurteilung nicht abgewichen werden.
Mit Widerspruchsbescheid vom 20.12.2012 wies die Beklagte daraufhin den Widerspruch zurück.
Hiergegen hat der Kläger am 09.01.2013 Klage zum Sozialgericht Reutlingen (SG) erhoben. Zur Begründung wird ausgeführt, die Beklagte habe ihr Ermessen nicht korrekt ausgeübt. Es sei zu berücksichtigen, dass er die Kontaktlinsen aufgrund einer Allergie nicht vertragen habe. Außerdem hätte die Kontaktlinsenversorgung im Laufe der Zeit wesentlich höhere Kosten verursacht als die nun durchgeführte Operation.
Das SG hat die behandelnden Augenärzte schriftlich als sachverständige Zeugen gehört. Prof. Dr. R. vom Universitätsklinikum Freiburg hat mit Schreiben vom 04.03.2012 mitgeteilt, der Kläger habe sich lediglich am 07.03.2012 vorgestellt. Insoweit wurden die Befundunterlagen vorgelegt. Dr. G. hat mit Schreiben vom 09.04.2013 mitgeteilt, am 13.09.2012 habe ein Visus für die Ferne rechts von 0,8 bestanden, wobei Gläser nicht bessern würden. Auch bei Nichtbehandlung des Klägers sei nicht ohne Weiteres mit einer Erblindung zu rechnen gewesen. Allerdings wäre damit zu rechnen gewesen, dass für den Kläger das rechte Auge vollkommen gebrauchsunfähig geworden wäre.
Ergänzend hat der Kläger noch den Arztbrief von Dr. G. vom 29.05.2013 über die Kontrolle am 28.05.2013 vorgelegt. Danach liegt nach der erfolgreichen Augenoperation nunmehr beidäugig eine Sehschärfe von 100 % vor. Die Verhältnisse könnten sich allerdings in Zukunft jederzeit wieder ändern.
Mit Urteil vom 19.03.2014 hat das SG die Klage abgewiesen. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Kostenerstattung, da dieser nicht weiter reiche als ein entsprechender Sachleistungsanspruch des Versicherten. In Bezug auf die Operationsmethode von Dr. L. in Rom liege keine positive Empfehlung des GBA vor. Auch die Voraussetzungen, unter denen trotz fehlender Empfehlung einer neuer Behandlungsmethode eine Kostenerstattung ausnahmsweise möglich sei, lägen nicht vor. Die hierfür nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts notwendige notstandsähnliche Extremsituation sei im Hinblick auf die vorliegenden Befunde und Diagnosen nicht gegeben. Darüber hinaus sei auch ein Systemversagen nicht ersichtlich, bei dem eine positive Empfehlung des GBA ausnahmsweise entbehrlich sei.
Das Urteil ist dem Bevollmächtigten des Klägers am 06.05.2014 mittels Empfangsbekenntnis zugestellt worden.
Am 12.05.2014 hat der Kläger gegen das Urteil Berufung zum Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) eingelegt. Zur Begründung trägt der Kläger vor, dass ohne Durchführung der Operation die dringende Gefahr bestanden hätte, dass er erblinden würde. Es sei ihm nicht zuzumuten gewesen, weiter zuzuwarten, welche Kosten für Behandlungsmethoden von der Beklagten übernommen werden. Die in Rom durchgeführte Augenoperation sei auch die einzige Möglichkeit gewesen, seine Augenerkrankung zu heilen oder zumindest zu lindern. Auch der Erfolg der durchgeführten Augenoperation sei zu beachten. Soweit für die Operationsmethode noch keine positive Empfehlung des GBA vorliege, lägen die Voraussetzungen des § 2 Abs 1a SGB V vor. Auch die Tatsache, dass er bei Fortschreiten der Erkrankung und bei unterbliebener Therapie hätte erblinden können, rechtfertige die Verpflichtung der Beklagten zur Kostenerstattung. Dies gelte umso mehr, als die von ihm gewählte Operationsmethode von Dr. L. bereits seit vielen Jahren erfolgreich durchgeführt wird. Es könne nicht zu seinen Lasten gehen, wenn insoweit noch immer keine positive Empfehlung des GBA vorliege.
Der Kläger beantragt ,
das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 19.03.2004 sowie den Bescheid der Beklagten vom 03.07.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20.12.2012 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, Kosten für die am 10.09.2012 in Rom durchgeführte Augenoperation iHv 6.050,00 EUR an den Kläger zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird im Übrigen auf die Sozialgerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie die Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.
Die Beteiligten haben sich im Erörterungstermin vor dem Berichterstatter am 20.08.2014 mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe:
Der Senat entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten gemäß §§ 153 Abs 1, 124 Abs 2 SGG ohne mündliche Verhandlung.
Die gemäß §§ 143, 144 Abs 1 SGG statthafte Berufung ist form- und fristgerecht (§ 151 Abs 1 SGG) eingelegt. Sie ist zulässig, jedoch nicht begründet.
Gegenstand der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1 Satz 1, 1. Alt, Abs 4 SGG) ist der die Kostenübernahme für eine radiale Keratomie bei Prof. L. in Rom ablehnende Bescheid der Beklagten vom 03.07.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20.12.2012. Dieser Bescheid ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Er hat keinen Anspruch auf Übernahme der Kosten iHv 6050,00 EUR für die am 10.09.2012 durchgeführte Operation gegenüber der Beklagten.
Als Rechtsgrundlage des geltend gemachten Erstattungsanspruchs kommt allein § 13 SGB V in Betracht. Nach § 13 Abs 3 Satz 1 SGB V hat die Krankenkasse dem Versicherten Kosten einer selbstbeschafften Leistung zu erstatten, die dadurch entstanden sind, dass sie eine unaufschiebbare Leistung entweder nicht rechtzeitig erbringen konnte (1. Alt) oder eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat und dadurch dem Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden sind, soweit die Leistung notwendig war (2. Alt). Mit dieser Regelung wird der Grundsatz des Sach- und Dienstleistungsanspruchs nach § 2 Abs 2 Satz 1 SGB V für die Fälle ergänzt, in denen die Krankenkasse eine geschuldete Leistung nicht oder nicht rechtzeitig zur Verfügung stellen kann (Bundessozialgericht (BSG) 02.11.2007, B 1 KR 14/07 R, BSGE 99, 180 = SozR 4-2500 § 13 Nr 15). Der Naturalleistungsanspruch des Versicherten wandelt sich um in einen Kostenerstattungsanspruch bzw soweit die Kosten tatsächlich noch nicht beglichen sind, in einen Anspruch des Versicherten auf Freistellung von den Kosten.
Eine unaufschiebbare Leistung im Sinne des § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V lag nicht vor. Eine Leistung ist nur dann unaufschiebbar, wenn eine Leistungserbringung im Zeitpunkt ihrer tatsächlichen Durchführung so dringlich ist, dass aus medizinischer Sicht keine Möglichkeit eines nennenswerten Aufschubs bis zu einer Entscheidung der Krankenkasse mehr besteht (Bundessozialgericht, Urteil vom 25. September 2000, B 1 KR 5/99 R - juris -; Wagner in: Krauskopf, Soziale Krankenversicherung Pflegeversicherung, Kommentar, Stand: November 2011, § 13 Rdnr. 26 ff.). Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht gegeben. Nach dem eigenen Vortrag des Klägers handelte es sich um eine geplante Maßnahme, bei der zwischen der Terminvereinbarung (spätestens am 15.06.2012) und dem Operationstermin (am 10.09.2012) knapp drei Monate liegen.
Zudem liegt die von § 13 Abs. 3 Satz 1 Alt 2 SGB V geforderte Kausalität zwischen der ablehnenden Entscheidung der Beklagten und den aufgewandten Kosten nicht vor. Ein auf die Verweigerung der Sachleistung gestützter Erstattungsanspruch scheidet nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes aus, wenn der Versicherte die Leistung besorgt hat, ohne die Krankenkasse einzuschalten und deren Entscheidung abzuwarten. § 13 Abs. 3 SGB V soll einen Erstattungsanspruch für den Ausnahmefall gewähren, dass eine von der Krankenkasse geschuldete notwendige Behandlung infolge eines Mangels im Leistungssystem der Krankenversicherung als Dienst- oder Sachleistung nicht oder nicht in der gebotenen Zeit zur Verfügung gestellt werden kann. Nach Wortlaut und Zweck der Vorschrift muss zwischen dem die Haftung der Krankenkasse begründenden Umstand (rechtswidrige Ablehnung) und dem Nachteil des Versicherten (Kostenlast) ein Ursachenzusammenhang bestehen (Bundessozialgericht, Urteil vom 30.06.2009, B 1 KR 5/09 R - juris -). Nur bei einer Vorabprüfung können die Krankenkassen ihren – Gesundheitsgefährdungen und wirtschaftliche Risiken vorbeugenden - Beratungsauftrag erfüllen, die Versicherten vor dem Risiko der Beschaffung nicht zum Leistungskatalog gehörender Leistungen zu schützen, um gegebenenfalls aufzuzeigen, welche Leistungen anstelle der begehrten in Betracht kommen. Gerade dies war der Beklagten jedoch im vorliegenden Fall verwehrt. Der Kläger hatte sich spätestens am 15.06.2012 auf die Operation bei Dr. L. festgelegt. Dies zeigt das Schreiben vom selben Tag. Damit aber ist die Ablehnung der Beklagten vom 03.07.2012 schon nicht wesentliche Ursache der Selbstbeschaffung (Brandts in Kasseler Kommentar, § 13 Rdnr 91 mwN).
§ 13 Abs. 4 SGB V eröffnet dem Kläger gleichfalls keinen Anspruch auf Kostenerstattung. Danach sind Versicherte zwar berechtigt, auch Leistungserbringer in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union, einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz anstelle der Sach- oder Dienstleistung im Wege der Kostenerstattung in Anspruch zu nehmen, es sei denn, Behandlungen für diesen Personenkreis im anderen Staat sind auf der Grundlage eines Pauschbetrages zu erstatten oder unterliegen aufgrund eines vereinbarten Erstattungsverzichts nicht der Erstattung, § 13 Abs. 4 Satz 1 SGB V. Ist eine dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Behandlung einer Krankheit nur in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum möglich, kann die Krankenkasse die Kosten der erforderlichen Behandlung auch ganz übernehmen, § 13 Abs. 4 Satz 6 SGB V.
Kostenerstattungsansprüche nach Abs. 4 des § 13 SGB V hängen jedoch davon ab, dass der Versicherte einen Primäranspruch auf die entsprechende Dienst- oder Sachleistung im Inland hat. Sie können die Grenzen des Leistungssystems nicht sprengen, sondern setzen einen Leistungsanspruch voraus. Nicht Art und Umfang der Leistung ändern sich, zugelassen wird lediglich die Selbstbeschaffung der Leistung in dem EU/EWR-Ausland (Brandts in Kasseler Kommentar, § 13 Rdnr 117 ff).
Die von dem Kläger begehrte Operation ist vom Leistungskatalog des SGB V in der ambulanten Versorgung nicht umfasst.
Nach § 27 Abs 1 Satz 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfasst nach § 27 Abs 1 Satz 2 Nr 5 SGB V auch die Krankenhausbehandlung. Krankheit im Sinne dieser Norm ist ein regelwidriger, vom Leitbild des gesunden Menschen abweichender Körper- oder Geisteszustand, der ärztlicher Behandlung bedarf oder den Betroffenen arbeitsunfähig macht (stRspr, BSG 28.02.2008, B 1 KR 19/07 R, SozR 4-2500 § 27 Nr 14 = juris; (BSG 30.09.1999, B 8 KN 9/98 KR R, BSGE 85, 36, 38 = juris; BSG 10.02.1993, 1 RK 14/92, BSGE 72, 96, 98 = juris). Dabei kommt nicht jeder körperlichen Unregelmäßigkeit Krankheitswert zu. Eine Krankheit liegt insoweit nur dann vor, wenn der Versicherte in seinen Körperfunktionen beeinträchtigt wird oder wenn die anatomische Abweichung entstellend wirkt (BSG 19.10.2004, B 1 KR 3/03 R, SozR 4-2500 § 27 Nr 3 = jurs).
Der Kläger leidet an einem Keratokonus auf beiden Augen. Die vom Kläger begehrte Behandlungsmethode ist vom Leistungskatalog des SGB V in der ambulanten Versorgung allerdings nicht umfasst.
Der Anspruch eines Versicherten auf Behandlung nach § 27 Abs 1 Satz 2 Nr 1 SGB V unterliegt den sich aus § 2 Abs 1 und § 12 Abs 1 SGB V ergebenden Einschränkungen. Er umfasst folglich nur solche Leistungen, die zweckmäßig und wirtschaftlich sind und deren Qualität und Wirksamkeit dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechen. Dies ist bei neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden in der vertragsärztlichen Versorgung gemäß § 135 Abs 1 Satz 1 SGB V nur dann der Fall, wenn der GBA in Richtlinien nach § 92 Abs 1 Satz 2 Nr 5 SGB V eine positive Empfehlung über den diagnostischen und therapeutischen Nutzen der Methode abgegeben hat. Durch Richtlinien nach § 92 Abs 1 Satz 2 Nr 5 iVm § 135 Abs 1 SGB V wird nämlich nicht nur geregelt, unter welchen Voraussetzungen die zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Leistungserbringer (Ärzte, Zahnärzte usw) neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden zu Lasten der Krankenkassen erbringen und abrechnen dürfen. Vielmehr wird durch diese Richtlinien auch der Umfang der den Versicherten von den Krankenkassen geschuldeten ambulanten Leistungen verbindlich festgelegt (vgl BSG 07.11.2006, B 1 KR 24/06 R, SozR 4-2500 § 27 Nr 12 mwN). "Neu" ist eine Methode, wenn sie nicht als abrechnungsfähige ärztliche Leistung im Einheitlichen Bewertungsmaßstab für vertragsärztliche Leistungen (EBM-Ä) enthalten ist (vgl BSG, 05.05.2009, B 1 KR 15/08 R, SozR 4-2500 § 27 Nr 16, RdNr 17 mwN). Die Keratomie ist nicht als abrechenbare Leistung im EBM enthalten und daher eine neue Behandlungsmethode. Eine positive Empfehlung des GBA zu dieser Methode liegt nicht vor. Wertet man diese Behandlungsmethode als Verfahren der refraktiven Augenchirurgie ist sie sogar nach der Ziffer 13 der Anlage II der Richtlinie Methoden vertragsärztliche Versorgung des GBA von der vertragsärztlichen Versorgung ausgeschlossen.
Nach der Rechtsprechung des BSG (BSG, 05.05.2009, B 1 KR 15/08 R, SozR 4-2500 § 27 Nr 16) liegt auch kein Ausnahmefall, in dem es keiner positiven Empfehlung des GBA bedarf, vor. Ein Seltenheitsfall, bei dem eine Ausnahme von diesem Erfordernis erwogen werden könnte (vgl dazu BSG, 19.10.2004, B 1 KR 27/02 R, SozR 4-2500 § 27 Nr 1) oder ein Systemversagen wegen verzögerter Bearbeitung eines Antrags auf Empfehlung einer neuen Methode (vgl dazu BSG, 07.11.2006, B 1 KR 24/06 R, SozR 4-2500 § 27 Nr 12) sind nicht ersichtlich.
Ein Kostenerstattungs- bzw. Kostenübernahmeanspruch kann nach den Grundsätzen des sogenannten Systemversagens dann in Betracht kommen, wenn das Verfahren vor dem GBA trotz Vorliegens der für die Prüfung erforderlichen Voraussetzungen willkürlich oder aus sachfremden Erwägungen nicht oder nicht zeitgerecht durchgeführt wird (BSG, Urteil vom 04.04.2006 - B 1 KR 12/05 R, Urteil vom 27.09.2005 - B 1 KR 28/03 R; Urteil vom 03.04.2010 - B 1 KR 22/00 R). Wenn der GBA eine neue Behandlungsmethode geprüft und den nicht anerkannten Methoden zugeordnet hat, ist hierdurch ein Systemversagen ausgeschlossen (vgl. LSG Brandenburg, Urteil vom 26.02.2003 - L 4 KR 6/02 zur hyperbaren Sauerstofftherapie bei Hörsturz und Tinnitus). Selbst wenn man vorliegend davon ausginge, dass die hier zur Anwendung gekommene Methode vom Beschluss des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen (Rechtsvorgänger des GBA) vom 11.05.1993 nicht erfasst wird, so fehlen Anhaltspunkte dafür, dass der GBA ein Prüfverfahren trotz Vorliegens der für die Prüfung erforderlichen Voraussetzungen willkürlich oder aus sachfremden Erwägungen nicht oder nicht zeitgerecht durchgeführt hat.
Der Antragsteller kann seinen Anspruch auch nicht auf den in Umsetzung der Rechtsprechung des BVerfG zur Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung für neue Behandlungsmethoden in Fällen einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung (BVerfG 06.12.2005, 1 BvR 347/98, BVerfGE 115, 25 = SozR 4-2500 § 27 Nr 5; BSG 07.11.2006, B 1 KR 24/06 R, SozR 4-2500 § 25 Nr 12) eingeführten § 2 Abs 1a SGB V stützen. Der Gesetzgeber hat den vom BVerfG formulierten Anforderungen an eine grundrechtsorientierte Auslegung der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung in Bezug auf neue Behandlungsmethoden im Fall einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen oder zumindest wertungsmäßig vergleichbaren Erkrankung, für die eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Behandlung nicht zur Verfügung steht, mit dem am 01.01.2012 in Kraft getretenen § 2 Abs 1a SGB V (Gesetz vom 22.12.2011, BGBl I 2983) Rechnung getragen. Eine Leistungsverweigerung der Krankenkasse unter Berufung darauf, eine neue ärztliche Behandlungsmethode sei ausgeschlossen, weil der GBA diese nicht anerkannt habe, verstößt dann gegen das Grundgesetz, wenn folgende drei Voraussetzungen kumulativ erfüllt sind:
1. Es liegt eine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödlich verlaufende oder zumindest wertungsmäßig vergleichbare Erkrankung vor; 2. bezüglich dieser Krankheit steht eine allgemein anerkannte, medizinischem Standard entsprechende Behandlung nicht zur Verfügung und 3. bezüglich der beim Versicherten ärztlich angewandten (neuen, nicht allgemein anerkannten) Behandlungsmethode besteht eine "auf Indizien gestützte" nicht ganz fern liegende Aussicht auf Heilung oder wenigstens auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf.
Mit dem Kriterium einer Krankheit, die zumindest mit einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlich verlaufenden Erkrankung in der Bewertung vergleichbar ist, ist nach der Rechtsprechung des BSG eine strengere Voraussetzung umschrieben, als sie etwa mit dem Erfordernis einer "schwerwiegenden" Erkrankung für die Eröffnung des sog Off-Label-Use (vgl dazu BSG 19.03.2002, B 1 KR 37/00 R, SozR 3-2500 § 31 Nr 8 - Sandoglobulin) formuliert ist. Das BSG hat das Vorliegen einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlich verlaufenden Krankheit und eine Gleichstellung mit solchen notstandsähnlichen Situation auch in dem Fall verneint, in dem dies dem Betroffenen das Ausscheiden aus dem Beruf und den Bezug von Rente bewirkt hatte (BSG, 04.04.2006, B 1 KR 12/04 R, SozR 4-2500 § 27 Nr 7 - D-Ribose bei MAD-Mangel). Die vom Kläger vorgebrachten Einschränkungen bei der Ausübung seiner beruflichen Tätigkeit reichen daher zur Annahme einer notstandsähnlichen Situation nicht aus. Die Erkrankung hat zwar durchaus gravierende Folgen, verursacht aber nicht eine notstandsähnliche Extremsituationen, in denen das Leistungsrecht der GKV aus verfassungsrechtlichen Gründen gegenüber den allgemein geltenden Regeln zu modifizieren wäre. Zwar hat das BSG es für erwägenswert gehalten, den Fall drohender Erblindung als mit einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlich verlaufenden Erkrankung in der Bewertung vergleichbar anzusehen. Es hat zugleich aber betont, dass kein Anlass besteht, die Rechtsgedanken einer grundrechtsorientierten Auslegung auf weitläufigere Bereiche auszudehnen, in denen der Gesetzgeber aus wohl erwogenen Gründen den Leistungsumfang der GKV bewusst eingeschränkt hat (vgl insgesamt BSG, 04.04.2006, B 1 KR 12/04 R, aaO.)
Der Kläger litt nach den Feststellungen des Senats an einer erheblichen Beeinträchtigung der Sehfähigkeit, welche jedoch nach den mitgeteilten Befunden von Dr. G. nicht mit einer Erblindung gleichzustellen ist. Beim Kläger war vor allem das rechte Auge betroffen. Die verfügbare Sehschärfe des linken Auges beträgt 100 %, so dass die Sehschwäche des rechten Auges ausgeglichen werden konnte. Soweit der Kläger darauf hinweist, dass eine jederzeitige Verschlechterung gedroht habe, hat Dr. A. zutreffend darauf hingewiesen, dass die Erkrankung nur in 20% der Fälle soweit fortschreitet, dass eine Erblindung droht und nach dem bisherigen Standard eine Hornhauttransplantation notwendig wird.
Darüber hinaus ist aber auch zu beachten, dass als Leistung der vertragsärztlichen Versorgung eine Hornhauttransplantation als Alternative zur begehrten Keratomie zur Verfügung steht. Auch insoweit fehlt es an der weiteren notwendigen Bedingung für eine Erweiterung des Leistungskatalogs des SGB V.
Ein Kostenerstattungsanspruch des Klägers kann schließlich auch nicht auf § 13 Abs. 5 SGB V gestützt werden. Abweichend von Abs. 4 können in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union, einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz Krankenhausleistungen nach § 39 nur nach vorheriger Zustimmung durch die Krankenkasse in Anspruch genommen werden. Der Kläger hat eine vorherige Zustimmung der Beklagten vor der Durchführung begehrten Operation in Italien nicht eingeholt. Zudem bestand keine Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit i.S. des § 39 SGB V.
Das Urteil des SG ist daher nicht zu beanstanden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision wird nicht zugelassen, da Gründe für die Zulassung nicht vorliegen (§ 160 Abs 2 Nr 1 und 2 SGG).
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist die Übernahme von Kosten iHv 6.050 EUR für die am 10.09.2012 in Italien durchgeführte ambulante Augenoperation des Klägers.
Der 1988 geborene Kläger ist bei der Beklagten familienversichert. Am 10.05.2012 informierte die Mutter des Klägers die Beklagte telefonisch, dass der Kläger aufgrund seiner Augenkrankheit die Absicht habe, sich in Rom einer Augenoperation zu unterziehen. Die Beklagte wies sie insoweit auf die Rechtslage hin und forderte sie auf, eine ärztliche Stellungnahme und einen Kostenvoranschlag vorzulegen.
Nach den vorgelegten Schreiben des Augenarztes Dr. G. vom 12.06.2012 liegt beim Kläger an beiden Augen ein ausgeprägter Keratokonus (Vorwölbung, Verdünnung und Verformung der Hornhaut) vor, wobei das rechte Auge deutlich mehr betroffen ist. Der resultierende Berechnungsfehler lasse sich mit einem Brillenglas nicht auskorrigieren, die Anpassung spezieller Kontaktlinsen sei gescheitert. Die für den Kläger verfügbare Sehschärfe betrage rechts knapp 10 %, links 100 %. Der Kläger sei an die Universitätsaugenklinik Freiburg verwiesen worden. Dort werde geprüft, ob eine "Cross-linking"-Operation möglich sei.
Nach dem Arztbericht der Universitätsaugenklinik Freiburg vom 07.03.2012 wurde zum damaligen Zeitpunkt noch kein Cross-linking empfohlen, da aufgrund fehlender Vorbefunde nichts über die Progression ausgesagt werden konnte.
Mit Schreiben vom 15.06.2012 teilte der Kläger der Beklagten mit, er habe sich im Internet informiert. Er habe zwar im Moment Glück und die Erkrankung sei stabil. Sie verlaufe jedoch in Schüben. Schlimmstenfalls könne er innerhalb von zwei bis drei Monaten auf beiden Augen erblinden. Betroffene, die bei Dr. L. in Rom operiert worden seien und einer Hornhauttransplantation entgehen konnten, berichteten alle über einen Erfolg. Die Krankheit könne dadurch gestoppt werden. In Deutschland gebe es keine zufriedenstellende Behandlung, außer der Hornhauttransplantation. Er habe daher einen Operationstermin am 10.09.2012 mit Dr. L. vereinbart. Die Kosten beliefen sich auf 6.050,00 EUR.
Mit Bescheid vom 03.07.2012 lehnte die Beklagte eine Übernahme der Kosten für die radiale Keratomie und das Cross-linking in Italien ab. Es handle sich um eine neue Behandlungsmethode, die bisher vom Gemeinsamen Bundesausschuss (GBA) noch nicht bewertet sei. Der Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK) empfehle im Fall des Klägers augenärztliche Behandlung und Nachsorge, inklusive Optimierung der Kontaktlinsenversorgung sowie gegebenenfalls eine Keratoplastik (Hornhauttransplantation).
Der Kläger legte hiergegen Widerspruch ein und führte aus, die Methode von Dr. L. werde in Rom seit ca 20 Jahren praktiziert und sei sehr erfolgreich.
Die Beklagte beauftragte daraufhin nochmals den MDK mit einer Begutachtung. Dr. A. kam in seinem Gutachten vom 03.09.2012 zu dem Ergebnis, dass es sich bei der vom Kläger gewünschten Operationsmethode um eine neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode handle. Bei dieser werde die Hornhaut des Patienten mit Hilfe eines geführten Trepansystems eingeschnitten. Hierbei werde die Hornhaut mit einem speziellen Saugring fixiert und die unregelmäßige Hornhautoberfläche innerhalb des Trepans gerundet und entsprechend der vorher gemessenen Hornhautdicke auf 90% der Tiefe genau trepaniert. Ziel des Verfahrens sei es, eine cirkuläre Narbe zu erzeugen, die wesentlich fester ist als das vom Keratokonus befallene Hornhautgewebe. Der Eingriff werde auch als refraktiver Eingriff zur Refuzierung der Hornhautverkrümmung eingesetzt. Zu der Methode fänden sich keine Einträge auf der Internetseite des GBA. Die (schulmedizinische) Therapie sei abhängig vom Stadium und der Ausprägung der Erkrankung. Formstabile Kontaktlinsen ermöglichten den irregulären Astigmatismus auszugleichen. Bei Unverträglichkeit von solchen Linsen sei in frühen Stadien die Anpassung von weichen, torischen Linsen unter Umständen eine sinnvolle Alternative. In 20 % der Fälle schreite die Erkrankung soweit fort, dass eine Hornhauttransplantation erforderlich werde. Dies sei heute eine etablierte Operationsmethode mit hervorragender Prognose. Hornhauttransplantate hätten allerdings eine begrenzte Lebenszeit. Beim Kläger sei nicht nachvollziehbar, aus welchen Gründen die Kontaktlinsenanpassung gescheitert sei. Eine absolute Kontaktlinsenunverträglichkeit sei selten. Oft sei auch nach einer Cross-linking-Behandlung das Tragen einer Kontaktlinse zur Verbesserung der Sehschärfe erforderlich. Die Cross-linking-Behandlung bei Keratokonus werde in Deutschland bereits von vielen größeren Kliniken angeboten. Von den bisher vorliegenden Studien sei keine geeignet, den Nutzen im Sinne von §§ 2 und 12 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) zu belegen. In Deutschland werde eine randomisierte Studie gegenwärtig von der Universitätsaugenklinik Freiburg durchgeführt. Insgesamt sei nicht belastbar belegt, dass die Hornhauttransplantation durch die Operation hinausgezögert werden könne und es zu einer Verbesserung oder zu einem Erhalt der Sehschärfe komme. Eine Kostenübernahme der Krankenkasse könne daher nicht empfohlen werden.
Die Mutter des Klägers wurde daraufhin telefonisch über das Gutachten informiert. Ua wurde ihr mitgeteilt, dass in der Universitätsaugenklinik Freiburg aktuell eine Studie durchgeführt werde. Sie teilte daraufhin mit, dass sie am Widerspruch festhalten wolle und die Operation in Rom durchgeführt werde. Sie erläuterte insoweit ergänzend, es gehe hauptsächlich um die radiale Keratomie, die überhaupt nur zwei Ärzte in Europa durchführen würden. Das Cross-linking werde erst danach gemacht.
Nachdem die ambulante Operation am 10.09.2012 im Rahmen einer vom 10.09. bis 12.09.2012 dauernden Behandlung durchgeführt worden war, legte der Kläger die Rechnung über 6.050,00 EUR vor. Außerdem legte er die Stellungnahme von Dr. G. vom 29.10.2012 vor. Danach konnte bereits am 26.10.2012 ein verbesserter Visus für die Ferne rechts von 0,5 p erzielt werden. Es bestehe eine erhöhte Blendungsempfindlichkeit. Die visuellen Bedingungen seien wesentlich verbessert und man könne von einem außerordentlich guten Erfolg sprechen. Den Rechnungsbetrag zahlte der Kläger.
Die Beklagte holte hierzu die sozialmedizinische Stellungnahme von Dr. A. vom 14.11.2012 ein. Danach könne auch unter Berücksichtigung des Einzelfalls von der bisherigen Beurteilung nicht abgewichen werden.
Mit Widerspruchsbescheid vom 20.12.2012 wies die Beklagte daraufhin den Widerspruch zurück.
Hiergegen hat der Kläger am 09.01.2013 Klage zum Sozialgericht Reutlingen (SG) erhoben. Zur Begründung wird ausgeführt, die Beklagte habe ihr Ermessen nicht korrekt ausgeübt. Es sei zu berücksichtigen, dass er die Kontaktlinsen aufgrund einer Allergie nicht vertragen habe. Außerdem hätte die Kontaktlinsenversorgung im Laufe der Zeit wesentlich höhere Kosten verursacht als die nun durchgeführte Operation.
Das SG hat die behandelnden Augenärzte schriftlich als sachverständige Zeugen gehört. Prof. Dr. R. vom Universitätsklinikum Freiburg hat mit Schreiben vom 04.03.2012 mitgeteilt, der Kläger habe sich lediglich am 07.03.2012 vorgestellt. Insoweit wurden die Befundunterlagen vorgelegt. Dr. G. hat mit Schreiben vom 09.04.2013 mitgeteilt, am 13.09.2012 habe ein Visus für die Ferne rechts von 0,8 bestanden, wobei Gläser nicht bessern würden. Auch bei Nichtbehandlung des Klägers sei nicht ohne Weiteres mit einer Erblindung zu rechnen gewesen. Allerdings wäre damit zu rechnen gewesen, dass für den Kläger das rechte Auge vollkommen gebrauchsunfähig geworden wäre.
Ergänzend hat der Kläger noch den Arztbrief von Dr. G. vom 29.05.2013 über die Kontrolle am 28.05.2013 vorgelegt. Danach liegt nach der erfolgreichen Augenoperation nunmehr beidäugig eine Sehschärfe von 100 % vor. Die Verhältnisse könnten sich allerdings in Zukunft jederzeit wieder ändern.
Mit Urteil vom 19.03.2014 hat das SG die Klage abgewiesen. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Kostenerstattung, da dieser nicht weiter reiche als ein entsprechender Sachleistungsanspruch des Versicherten. In Bezug auf die Operationsmethode von Dr. L. in Rom liege keine positive Empfehlung des GBA vor. Auch die Voraussetzungen, unter denen trotz fehlender Empfehlung einer neuer Behandlungsmethode eine Kostenerstattung ausnahmsweise möglich sei, lägen nicht vor. Die hierfür nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts notwendige notstandsähnliche Extremsituation sei im Hinblick auf die vorliegenden Befunde und Diagnosen nicht gegeben. Darüber hinaus sei auch ein Systemversagen nicht ersichtlich, bei dem eine positive Empfehlung des GBA ausnahmsweise entbehrlich sei.
Das Urteil ist dem Bevollmächtigten des Klägers am 06.05.2014 mittels Empfangsbekenntnis zugestellt worden.
Am 12.05.2014 hat der Kläger gegen das Urteil Berufung zum Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) eingelegt. Zur Begründung trägt der Kläger vor, dass ohne Durchführung der Operation die dringende Gefahr bestanden hätte, dass er erblinden würde. Es sei ihm nicht zuzumuten gewesen, weiter zuzuwarten, welche Kosten für Behandlungsmethoden von der Beklagten übernommen werden. Die in Rom durchgeführte Augenoperation sei auch die einzige Möglichkeit gewesen, seine Augenerkrankung zu heilen oder zumindest zu lindern. Auch der Erfolg der durchgeführten Augenoperation sei zu beachten. Soweit für die Operationsmethode noch keine positive Empfehlung des GBA vorliege, lägen die Voraussetzungen des § 2 Abs 1a SGB V vor. Auch die Tatsache, dass er bei Fortschreiten der Erkrankung und bei unterbliebener Therapie hätte erblinden können, rechtfertige die Verpflichtung der Beklagten zur Kostenerstattung. Dies gelte umso mehr, als die von ihm gewählte Operationsmethode von Dr. L. bereits seit vielen Jahren erfolgreich durchgeführt wird. Es könne nicht zu seinen Lasten gehen, wenn insoweit noch immer keine positive Empfehlung des GBA vorliege.
Der Kläger beantragt ,
das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 19.03.2004 sowie den Bescheid der Beklagten vom 03.07.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20.12.2012 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, Kosten für die am 10.09.2012 in Rom durchgeführte Augenoperation iHv 6.050,00 EUR an den Kläger zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird im Übrigen auf die Sozialgerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie die Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.
Die Beteiligten haben sich im Erörterungstermin vor dem Berichterstatter am 20.08.2014 mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe:
Der Senat entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten gemäß §§ 153 Abs 1, 124 Abs 2 SGG ohne mündliche Verhandlung.
Die gemäß §§ 143, 144 Abs 1 SGG statthafte Berufung ist form- und fristgerecht (§ 151 Abs 1 SGG) eingelegt. Sie ist zulässig, jedoch nicht begründet.
Gegenstand der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1 Satz 1, 1. Alt, Abs 4 SGG) ist der die Kostenübernahme für eine radiale Keratomie bei Prof. L. in Rom ablehnende Bescheid der Beklagten vom 03.07.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20.12.2012. Dieser Bescheid ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Er hat keinen Anspruch auf Übernahme der Kosten iHv 6050,00 EUR für die am 10.09.2012 durchgeführte Operation gegenüber der Beklagten.
Als Rechtsgrundlage des geltend gemachten Erstattungsanspruchs kommt allein § 13 SGB V in Betracht. Nach § 13 Abs 3 Satz 1 SGB V hat die Krankenkasse dem Versicherten Kosten einer selbstbeschafften Leistung zu erstatten, die dadurch entstanden sind, dass sie eine unaufschiebbare Leistung entweder nicht rechtzeitig erbringen konnte (1. Alt) oder eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat und dadurch dem Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden sind, soweit die Leistung notwendig war (2. Alt). Mit dieser Regelung wird der Grundsatz des Sach- und Dienstleistungsanspruchs nach § 2 Abs 2 Satz 1 SGB V für die Fälle ergänzt, in denen die Krankenkasse eine geschuldete Leistung nicht oder nicht rechtzeitig zur Verfügung stellen kann (Bundessozialgericht (BSG) 02.11.2007, B 1 KR 14/07 R, BSGE 99, 180 = SozR 4-2500 § 13 Nr 15). Der Naturalleistungsanspruch des Versicherten wandelt sich um in einen Kostenerstattungsanspruch bzw soweit die Kosten tatsächlich noch nicht beglichen sind, in einen Anspruch des Versicherten auf Freistellung von den Kosten.
Eine unaufschiebbare Leistung im Sinne des § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V lag nicht vor. Eine Leistung ist nur dann unaufschiebbar, wenn eine Leistungserbringung im Zeitpunkt ihrer tatsächlichen Durchführung so dringlich ist, dass aus medizinischer Sicht keine Möglichkeit eines nennenswerten Aufschubs bis zu einer Entscheidung der Krankenkasse mehr besteht (Bundessozialgericht, Urteil vom 25. September 2000, B 1 KR 5/99 R - juris -; Wagner in: Krauskopf, Soziale Krankenversicherung Pflegeversicherung, Kommentar, Stand: November 2011, § 13 Rdnr. 26 ff.). Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht gegeben. Nach dem eigenen Vortrag des Klägers handelte es sich um eine geplante Maßnahme, bei der zwischen der Terminvereinbarung (spätestens am 15.06.2012) und dem Operationstermin (am 10.09.2012) knapp drei Monate liegen.
Zudem liegt die von § 13 Abs. 3 Satz 1 Alt 2 SGB V geforderte Kausalität zwischen der ablehnenden Entscheidung der Beklagten und den aufgewandten Kosten nicht vor. Ein auf die Verweigerung der Sachleistung gestützter Erstattungsanspruch scheidet nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes aus, wenn der Versicherte die Leistung besorgt hat, ohne die Krankenkasse einzuschalten und deren Entscheidung abzuwarten. § 13 Abs. 3 SGB V soll einen Erstattungsanspruch für den Ausnahmefall gewähren, dass eine von der Krankenkasse geschuldete notwendige Behandlung infolge eines Mangels im Leistungssystem der Krankenversicherung als Dienst- oder Sachleistung nicht oder nicht in der gebotenen Zeit zur Verfügung gestellt werden kann. Nach Wortlaut und Zweck der Vorschrift muss zwischen dem die Haftung der Krankenkasse begründenden Umstand (rechtswidrige Ablehnung) und dem Nachteil des Versicherten (Kostenlast) ein Ursachenzusammenhang bestehen (Bundessozialgericht, Urteil vom 30.06.2009, B 1 KR 5/09 R - juris -). Nur bei einer Vorabprüfung können die Krankenkassen ihren – Gesundheitsgefährdungen und wirtschaftliche Risiken vorbeugenden - Beratungsauftrag erfüllen, die Versicherten vor dem Risiko der Beschaffung nicht zum Leistungskatalog gehörender Leistungen zu schützen, um gegebenenfalls aufzuzeigen, welche Leistungen anstelle der begehrten in Betracht kommen. Gerade dies war der Beklagten jedoch im vorliegenden Fall verwehrt. Der Kläger hatte sich spätestens am 15.06.2012 auf die Operation bei Dr. L. festgelegt. Dies zeigt das Schreiben vom selben Tag. Damit aber ist die Ablehnung der Beklagten vom 03.07.2012 schon nicht wesentliche Ursache der Selbstbeschaffung (Brandts in Kasseler Kommentar, § 13 Rdnr 91 mwN).
§ 13 Abs. 4 SGB V eröffnet dem Kläger gleichfalls keinen Anspruch auf Kostenerstattung. Danach sind Versicherte zwar berechtigt, auch Leistungserbringer in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union, einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz anstelle der Sach- oder Dienstleistung im Wege der Kostenerstattung in Anspruch zu nehmen, es sei denn, Behandlungen für diesen Personenkreis im anderen Staat sind auf der Grundlage eines Pauschbetrages zu erstatten oder unterliegen aufgrund eines vereinbarten Erstattungsverzichts nicht der Erstattung, § 13 Abs. 4 Satz 1 SGB V. Ist eine dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Behandlung einer Krankheit nur in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum möglich, kann die Krankenkasse die Kosten der erforderlichen Behandlung auch ganz übernehmen, § 13 Abs. 4 Satz 6 SGB V.
Kostenerstattungsansprüche nach Abs. 4 des § 13 SGB V hängen jedoch davon ab, dass der Versicherte einen Primäranspruch auf die entsprechende Dienst- oder Sachleistung im Inland hat. Sie können die Grenzen des Leistungssystems nicht sprengen, sondern setzen einen Leistungsanspruch voraus. Nicht Art und Umfang der Leistung ändern sich, zugelassen wird lediglich die Selbstbeschaffung der Leistung in dem EU/EWR-Ausland (Brandts in Kasseler Kommentar, § 13 Rdnr 117 ff).
Die von dem Kläger begehrte Operation ist vom Leistungskatalog des SGB V in der ambulanten Versorgung nicht umfasst.
Nach § 27 Abs 1 Satz 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfasst nach § 27 Abs 1 Satz 2 Nr 5 SGB V auch die Krankenhausbehandlung. Krankheit im Sinne dieser Norm ist ein regelwidriger, vom Leitbild des gesunden Menschen abweichender Körper- oder Geisteszustand, der ärztlicher Behandlung bedarf oder den Betroffenen arbeitsunfähig macht (stRspr, BSG 28.02.2008, B 1 KR 19/07 R, SozR 4-2500 § 27 Nr 14 = juris; (BSG 30.09.1999, B 8 KN 9/98 KR R, BSGE 85, 36, 38 = juris; BSG 10.02.1993, 1 RK 14/92, BSGE 72, 96, 98 = juris). Dabei kommt nicht jeder körperlichen Unregelmäßigkeit Krankheitswert zu. Eine Krankheit liegt insoweit nur dann vor, wenn der Versicherte in seinen Körperfunktionen beeinträchtigt wird oder wenn die anatomische Abweichung entstellend wirkt (BSG 19.10.2004, B 1 KR 3/03 R, SozR 4-2500 § 27 Nr 3 = jurs).
Der Kläger leidet an einem Keratokonus auf beiden Augen. Die vom Kläger begehrte Behandlungsmethode ist vom Leistungskatalog des SGB V in der ambulanten Versorgung allerdings nicht umfasst.
Der Anspruch eines Versicherten auf Behandlung nach § 27 Abs 1 Satz 2 Nr 1 SGB V unterliegt den sich aus § 2 Abs 1 und § 12 Abs 1 SGB V ergebenden Einschränkungen. Er umfasst folglich nur solche Leistungen, die zweckmäßig und wirtschaftlich sind und deren Qualität und Wirksamkeit dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechen. Dies ist bei neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden in der vertragsärztlichen Versorgung gemäß § 135 Abs 1 Satz 1 SGB V nur dann der Fall, wenn der GBA in Richtlinien nach § 92 Abs 1 Satz 2 Nr 5 SGB V eine positive Empfehlung über den diagnostischen und therapeutischen Nutzen der Methode abgegeben hat. Durch Richtlinien nach § 92 Abs 1 Satz 2 Nr 5 iVm § 135 Abs 1 SGB V wird nämlich nicht nur geregelt, unter welchen Voraussetzungen die zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Leistungserbringer (Ärzte, Zahnärzte usw) neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden zu Lasten der Krankenkassen erbringen und abrechnen dürfen. Vielmehr wird durch diese Richtlinien auch der Umfang der den Versicherten von den Krankenkassen geschuldeten ambulanten Leistungen verbindlich festgelegt (vgl BSG 07.11.2006, B 1 KR 24/06 R, SozR 4-2500 § 27 Nr 12 mwN). "Neu" ist eine Methode, wenn sie nicht als abrechnungsfähige ärztliche Leistung im Einheitlichen Bewertungsmaßstab für vertragsärztliche Leistungen (EBM-Ä) enthalten ist (vgl BSG, 05.05.2009, B 1 KR 15/08 R, SozR 4-2500 § 27 Nr 16, RdNr 17 mwN). Die Keratomie ist nicht als abrechenbare Leistung im EBM enthalten und daher eine neue Behandlungsmethode. Eine positive Empfehlung des GBA zu dieser Methode liegt nicht vor. Wertet man diese Behandlungsmethode als Verfahren der refraktiven Augenchirurgie ist sie sogar nach der Ziffer 13 der Anlage II der Richtlinie Methoden vertragsärztliche Versorgung des GBA von der vertragsärztlichen Versorgung ausgeschlossen.
Nach der Rechtsprechung des BSG (BSG, 05.05.2009, B 1 KR 15/08 R, SozR 4-2500 § 27 Nr 16) liegt auch kein Ausnahmefall, in dem es keiner positiven Empfehlung des GBA bedarf, vor. Ein Seltenheitsfall, bei dem eine Ausnahme von diesem Erfordernis erwogen werden könnte (vgl dazu BSG, 19.10.2004, B 1 KR 27/02 R, SozR 4-2500 § 27 Nr 1) oder ein Systemversagen wegen verzögerter Bearbeitung eines Antrags auf Empfehlung einer neuen Methode (vgl dazu BSG, 07.11.2006, B 1 KR 24/06 R, SozR 4-2500 § 27 Nr 12) sind nicht ersichtlich.
Ein Kostenerstattungs- bzw. Kostenübernahmeanspruch kann nach den Grundsätzen des sogenannten Systemversagens dann in Betracht kommen, wenn das Verfahren vor dem GBA trotz Vorliegens der für die Prüfung erforderlichen Voraussetzungen willkürlich oder aus sachfremden Erwägungen nicht oder nicht zeitgerecht durchgeführt wird (BSG, Urteil vom 04.04.2006 - B 1 KR 12/05 R, Urteil vom 27.09.2005 - B 1 KR 28/03 R; Urteil vom 03.04.2010 - B 1 KR 22/00 R). Wenn der GBA eine neue Behandlungsmethode geprüft und den nicht anerkannten Methoden zugeordnet hat, ist hierdurch ein Systemversagen ausgeschlossen (vgl. LSG Brandenburg, Urteil vom 26.02.2003 - L 4 KR 6/02 zur hyperbaren Sauerstofftherapie bei Hörsturz und Tinnitus). Selbst wenn man vorliegend davon ausginge, dass die hier zur Anwendung gekommene Methode vom Beschluss des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen (Rechtsvorgänger des GBA) vom 11.05.1993 nicht erfasst wird, so fehlen Anhaltspunkte dafür, dass der GBA ein Prüfverfahren trotz Vorliegens der für die Prüfung erforderlichen Voraussetzungen willkürlich oder aus sachfremden Erwägungen nicht oder nicht zeitgerecht durchgeführt hat.
Der Antragsteller kann seinen Anspruch auch nicht auf den in Umsetzung der Rechtsprechung des BVerfG zur Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung für neue Behandlungsmethoden in Fällen einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung (BVerfG 06.12.2005, 1 BvR 347/98, BVerfGE 115, 25 = SozR 4-2500 § 27 Nr 5; BSG 07.11.2006, B 1 KR 24/06 R, SozR 4-2500 § 25 Nr 12) eingeführten § 2 Abs 1a SGB V stützen. Der Gesetzgeber hat den vom BVerfG formulierten Anforderungen an eine grundrechtsorientierte Auslegung der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung in Bezug auf neue Behandlungsmethoden im Fall einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen oder zumindest wertungsmäßig vergleichbaren Erkrankung, für die eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Behandlung nicht zur Verfügung steht, mit dem am 01.01.2012 in Kraft getretenen § 2 Abs 1a SGB V (Gesetz vom 22.12.2011, BGBl I 2983) Rechnung getragen. Eine Leistungsverweigerung der Krankenkasse unter Berufung darauf, eine neue ärztliche Behandlungsmethode sei ausgeschlossen, weil der GBA diese nicht anerkannt habe, verstößt dann gegen das Grundgesetz, wenn folgende drei Voraussetzungen kumulativ erfüllt sind:
1. Es liegt eine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödlich verlaufende oder zumindest wertungsmäßig vergleichbare Erkrankung vor; 2. bezüglich dieser Krankheit steht eine allgemein anerkannte, medizinischem Standard entsprechende Behandlung nicht zur Verfügung und 3. bezüglich der beim Versicherten ärztlich angewandten (neuen, nicht allgemein anerkannten) Behandlungsmethode besteht eine "auf Indizien gestützte" nicht ganz fern liegende Aussicht auf Heilung oder wenigstens auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf.
Mit dem Kriterium einer Krankheit, die zumindest mit einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlich verlaufenden Erkrankung in der Bewertung vergleichbar ist, ist nach der Rechtsprechung des BSG eine strengere Voraussetzung umschrieben, als sie etwa mit dem Erfordernis einer "schwerwiegenden" Erkrankung für die Eröffnung des sog Off-Label-Use (vgl dazu BSG 19.03.2002, B 1 KR 37/00 R, SozR 3-2500 § 31 Nr 8 - Sandoglobulin) formuliert ist. Das BSG hat das Vorliegen einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlich verlaufenden Krankheit und eine Gleichstellung mit solchen notstandsähnlichen Situation auch in dem Fall verneint, in dem dies dem Betroffenen das Ausscheiden aus dem Beruf und den Bezug von Rente bewirkt hatte (BSG, 04.04.2006, B 1 KR 12/04 R, SozR 4-2500 § 27 Nr 7 - D-Ribose bei MAD-Mangel). Die vom Kläger vorgebrachten Einschränkungen bei der Ausübung seiner beruflichen Tätigkeit reichen daher zur Annahme einer notstandsähnlichen Situation nicht aus. Die Erkrankung hat zwar durchaus gravierende Folgen, verursacht aber nicht eine notstandsähnliche Extremsituationen, in denen das Leistungsrecht der GKV aus verfassungsrechtlichen Gründen gegenüber den allgemein geltenden Regeln zu modifizieren wäre. Zwar hat das BSG es für erwägenswert gehalten, den Fall drohender Erblindung als mit einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlich verlaufenden Erkrankung in der Bewertung vergleichbar anzusehen. Es hat zugleich aber betont, dass kein Anlass besteht, die Rechtsgedanken einer grundrechtsorientierten Auslegung auf weitläufigere Bereiche auszudehnen, in denen der Gesetzgeber aus wohl erwogenen Gründen den Leistungsumfang der GKV bewusst eingeschränkt hat (vgl insgesamt BSG, 04.04.2006, B 1 KR 12/04 R, aaO.)
Der Kläger litt nach den Feststellungen des Senats an einer erheblichen Beeinträchtigung der Sehfähigkeit, welche jedoch nach den mitgeteilten Befunden von Dr. G. nicht mit einer Erblindung gleichzustellen ist. Beim Kläger war vor allem das rechte Auge betroffen. Die verfügbare Sehschärfe des linken Auges beträgt 100 %, so dass die Sehschwäche des rechten Auges ausgeglichen werden konnte. Soweit der Kläger darauf hinweist, dass eine jederzeitige Verschlechterung gedroht habe, hat Dr. A. zutreffend darauf hingewiesen, dass die Erkrankung nur in 20% der Fälle soweit fortschreitet, dass eine Erblindung droht und nach dem bisherigen Standard eine Hornhauttransplantation notwendig wird.
Darüber hinaus ist aber auch zu beachten, dass als Leistung der vertragsärztlichen Versorgung eine Hornhauttransplantation als Alternative zur begehrten Keratomie zur Verfügung steht. Auch insoweit fehlt es an der weiteren notwendigen Bedingung für eine Erweiterung des Leistungskatalogs des SGB V.
Ein Kostenerstattungsanspruch des Klägers kann schließlich auch nicht auf § 13 Abs. 5 SGB V gestützt werden. Abweichend von Abs. 4 können in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union, einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz Krankenhausleistungen nach § 39 nur nach vorheriger Zustimmung durch die Krankenkasse in Anspruch genommen werden. Der Kläger hat eine vorherige Zustimmung der Beklagten vor der Durchführung begehrten Operation in Italien nicht eingeholt. Zudem bestand keine Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit i.S. des § 39 SGB V.
Das Urteil des SG ist daher nicht zu beanstanden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision wird nicht zugelassen, da Gründe für die Zulassung nicht vorliegen (§ 160 Abs 2 Nr 1 und 2 SGG).
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