Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 8 R 5777/09
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 R 2074/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 03.04.2012 abgeändert, der Bescheid der Beklagten vom 02.09.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25.11.2009 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, der Klägerin Rente wegen voller Erwerbsminderung auch für die Zeit vom 01.04.2014 bis 31.03.2017 zu gewähren. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Die Beklagte erstattet drei Viertel der außergerichtlichen Kosten der Klägerin in beiden Rechtszügen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.
Die 1971 geborene Klägerin ist gelernte Facharbeiterin für Eisenbahnbetrieb und hat eine Weiterbildung zur Lokführerin absolviert. In diesem Beruf war sie bis 2004 tätig, danach befand sie sich bis zum 22.08.2010 in Elternzeit. Seit 02.09.2010 ist sie arbeitsunfähig.
Am 11.05.2009 beantragte die Klägerin die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung und begründete dies mit durchgemachtem Pfeifferschem Drüsenfieber, einem chronischen Müdigkeitssyndrom und einer Erkrankung des Immunsystems seit 1992.
Die Beklagte zog ärztliche Befundberichte bei und ließ die Klägerin durch die Ärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. H. ambulant untersuchen und begutachten. Im Gutachten vom 24.08.2009 diagnostizierte Dr. H. eine funktionell leichtgradige Somatisierungsstörung, anamnestisch Schwangerschaftshyperthyreose, Reizdarmsyndrom und Untergewicht. Leichte bis mittelschwere Arbeiten ohne erhöhte Verantwortung könne die Klägerin noch mindestens sechs Stunden täglich verrichten. Mit Bescheid vom 02.09.2009 lehnte die Beklagte daraufhin den Rentenantrag ab.
Mit ihrem Widerspruch vom 28.09.2009 machte die Klägerin geltend, dass Dr. H. in offenkundiger Unkenntnis des Krankheitsbildes "Chronic-Fatigue-Syndrom" (CFS) die Erkrankung lediglich als leichte Somatisierungsstörung diagnostiziert und deren Schweregrad verkannt habe. Die Diagnose CFS sei bei ihr erstmals 1998 gestellt und seither immer wieder bestätigt worden. Sie leide an einer hochgradigen Müdigkeit und Erschöpfung, die sie zwinge, auch tagsüber überwiegend im Bett zu liegen. Die Beklagte holte die sozialmedizinische Stellungnahme nach Aktenlage von Dr. H. vom 06.11.2009 ein und wies sodann den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 25.11.2009 zurück.
Hiergegen richtet sich die am 22.12.2009 zum Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhobene Klage.
Das SG hat die behandelnden Ärzte der Klägerin Dr. Schulz (Pneumologie), Dr. B., (Facharzt für Innere Medizin), Dr. L., (Allgemeinmedizin), Dr. Bi. (klinische Immunologie) Dr. S. (Gynäkologie) sowie den Leiter der umweltmedizinischen Ambulanz des Universitätsklinikums F. Dr. E. schriftlich als sachverständige Zeugen gehört. Zusätzlich hat das SG ein neurologisch-psychiatrisches Gutachten bei Dr. Sch. eingeholt. Dieser hat in seinem Gutachten vom 20.09.2010 bei der Klägerin somatoforme Störungen, eine anamnestische Schilddrüsenfunktionsstörung ohne Notwendigkeit medikamentöser Therapie, Zustand nach Lungenentzündung beidseits, anamnestisch Vitamin D-Mangel diagnostiziert. Den angeführten Beschwerden stehe kein ausreichendes organisches Korrelat gegenüber, eine Antriebsminderung liege ebenso wenig vor wie eine Einschränkung des Durchhaltevermögens. Leichte bis gelegentlich mittelschwere Tätigkeiten in verschiedenen Körperhaltungen seien mindestens sechs Stunden täglich zu verrichten. Daneben hat das SG durch den Arzt für innere Medizin und Betriebsmedizin Dr. Su. ein weiteres Gutachten über die Klägerin erstellen lassen. In dem Gutachten vom 07.12.2011 wird ein Verdacht auf Reizdarmsyndrom, Untergewicht, Neigung zu supraventrikulären Herzrhythmusstörungen, Verdacht auf Morbus Meulengracht, reduzierte MTHFR-Enzymaktivität, Nachweis von IgG-Antikörpern gegen Epstein-Barr-Virus ohne aktuelle Krankheitsaktivität diagnostiziert. Die bestehenden Erkrankungen schränkten die Klägerin dahingehend ein, dass sie eine Verrichtung schwerer körperlicher Arbeiten nicht mehr zumutbar sei, darüber hinaus ließen sich keine Einschränkungen ableiten. Das CFS sei in der arbeitsmedizinischen Literatur nicht als eigenständige Erkrankung, sondern vielmehr als Symptomenkomplex anerkannt. Ein Nachweis für eine Leistungsschwäche im Gefolge dieser Syndrome sei nicht erbracht worden. Allerdings falle trotz fehlender organmedizinischer Objektivierung ein erheblicher Leidensdruck der Klägerin ohne erkennbare Simulations- oder Aggravationstendenzen auf. Sie mache einen erheblich leistungsgeminderten Eindruck. Nach dem sich darstellenden Gesamtzustand sei sie eindeutig nicht mehr in der Lage, auch leichte körperliche Arbeiten mindestens drei Stunden täglich zu verrichten. Hierzu hat der sozialmedizinische Dienst der Beklagten Stellung genommen (Dr. H. vom 25.01.2012).
Mit Urteil vom 03.04.2012 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen gestützt auf das Gutachten von Dr. Sch. und die Ausführungen von Dr. H. ausgeführt, dass die Klägerin noch jedenfalls leichte und gelegentlich mittelschwere Arbeiten mindestens sechs Stunden täglich verrichten könne. Objektive Befunde, die ein Herabsinken der Leistungsfähigkeit für leichte Tätigkeiten auf unter sechs Stunden erklärten, hätten die Gutachter allesamt nicht erhoben, auch Dr. Su. habe keine Ermüdungserscheinungen, die ein derartig abgesunkenes Leistungsvermögen belegen könnten, objektiviert.
Gegen das ihrem damaligen Bevollmächtigten am 18.04.2012 zugestellte Urteil richtet sich die am 16.05.2012 eingelegte Berufung der Klägerin. Zur Begründung der Berufung hat der jetzige Bevollmächtigte der Klägerin ausführlich zu den Krankheitsbildern CFS (G93.3) und MCS (T78.4) vorgetragen. Ergänzend hat er weitere Arztberichte vorgelegt sowie Gutachten des medizinischen Dienstes für die Pflegekasse vom 29.09.2014 und 25.11.2014. Mit Bescheid vom 02.12.2014 hat die Pflegekasse ab Antragstellung vom 25.03.2014 Pflegegeld nach Pflegestufe I bewilligt.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 03.04.2012 und den Bescheid der Beklagten vom 02.09.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25.11.2009 aufzuheben und den Bescheid vom 02.09.2014 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin Rente wegen voller Erwerbsminderung auch für die Zeit über den 31.03.2014 hinaus zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen, soweit sie über die mit Bescheid vom 02.09.2014 bewilligte Rente hinausgeht.
Der Klägerin sei zwischenzeitlich mit Bescheid vom 02.09.2014 Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit vom 01.04.2011 bis 31.03.2014 bewilligt worden. Hierdurch sei die Klägerin klaglos gestellt. Die vorliegenden Gutachtenergebnisse rechtfertigten keinen unbefristeten Rentenanspruch. Das Gericht habe der Verwaltung nicht vorzugreifen, indem es Verwaltungsakt ersetzende Regelungen (etwa zur Weitergewährung) in eigener Zuständigkeit treffe (unter Hinweis auf Bundessozialgericht (BSG) 16.03.2006, B 4 RA 24/05 B). Über den in der Fortführung des Berufungsverfahrens liegenden Weiterbewilligungsantrag habe die Beklagte noch nicht entschieden.
Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung eines psychiatrischen Sachverständigengutachtens bei Dr. La.-T. In dem Gutachten vom 10.08.2013 werden folgende Diagnosen gestellt: CFS, rezidivierende depressive Störungen, gegenwärtig remittiert, Verdacht auf posttraumatische Belastungsstörung sowie außerhalb des neuropsychiatrischen Fachgebietes Verdacht auf Morbus Meulengracht, Neigung zu supraventrikulären Herzrhythmusstörungen, reduzierte MTHFR-Enzymaktivität und Nachweis von IgG-Antikörpern gegen Epstein-Barr-Virus. Die Klägerin leide unter einer persistierenden Erschöpfung, die dazu geführt habe, dass sie den Anforderungen im Alltag nur noch unzureichend selbständig nachkommen könne. Sie verbringe überwiegend die Zeit liegend. In der testpsychologischen Untersuchung hätten sich am Ende massive Erschöpfungssymptome gezeigt, in der Testdiagnostik selbst deutliche Beeinträchtigungen des kognitiven Leistungsniveaus mit Defiziten der konzentrativen Belastbarkeit sowie der Reaktionsschnelligkeit und der selektiven Aufmerksamkeit. Die Klägerin sei nicht mehr in der Lage, auch leichte körperliche Arbeiten mindestens drei Stunden täglich zu verrichten. Dieses Leistungsvermögen bestehe bereits seit dem Zeitpunkt der Rentenantragstellung. Von einer nachhaltigen Besserung sei auch bei suffizienter Therapie nicht vor einem Zeitraum von zwei Jahren auszugehen.
Hierzu hat Dr. H. in einer sozialmedizinischen Stellungnahme vom 02.10.2013 ausgeführt, das Gutachten könne zwar nicht überzeugen, es bestehe aber eine erhebliche negative Beeinflussung der chronischen Überzeugung der Klägerin durch die letzte akutpsychiatrische Behandlung in der A.klinik für Psychiatrie in H., die im Sinne einer iatrogenen Invalidisierung aus heutiger Sicht den Grundstein für eine derzeit willentlich durch die Klägerin nicht mehr beeinflussbare Störung darstelle. Es sei nicht davon auszugehen, dass die Erwerbsminderung, die zum jetzigen Zeitpunkt mit unter drei Stunden täglich anzunehmen sei, bei der 42-jährigen Klägerin dauerhaft bestehen werde. Es werde vorgeschlagen, den Leistungsfall seit Entlassung aus der A.klinik in H. anzunehmen, ab 18.12.2012 und eine zweijährige Stabilisierungsphase durch eine befristete Berentung zu ermöglichen.
Die Beklagte hat daraufhin mit Schreiben vom 25.10.2013 ein Vergleichsangebot abgegeben und der Klägerin mit Leistungsfall 02.09.2010 (erstmalig festgestellte Arbeitsunfähigkeit) Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit vom 01.04.2011 bis 31.03.2014 in Aussicht gestellt, sofern sich die Klägerin verpflichte, umgehend eine ambulante psychologische Behandlung aufzunehmen und bis spätestens 31.03.2014 eine stationäre psychosomatisch-verhaltenstherapeutische Rehabilitationsmaßnahme anzutreten.
Nachdem die Klägerin das Vergleichsangebot auch wegen des in Kürze bevorstehenden Endes der Zeitrente nicht angenommen hatte, hat die Beklagte am 10.02.2014 ein Anerkenntnis abgegeben auf Gewährung von Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit vom 01.04.2011 bis 31.03.2014 und dieses mit Bescheid vom 02.09.2014 umgesetzt. Mit Bescheid vom 18.12.2014 (vorgelegt vom Vertreter der Klägerin) hat die Beklagte einen Antrag auf Weitergewährung der Rente über den 31.03.2014 hinaus wegen fehlender Mitwirkung (ärztliche Untersuchung bei einem Gutachter) versagt.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Klägerin hat überwiegend Erfolg.
Die form- und fristgerecht (§ 151 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG)) eingelegte Berufung ist statthaft (§ 143 SGG) und damit zulässig und in der Sache auch weitgehend begründet, denn der angefochtene Bescheid vom 02.09.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25.11.2009 ist aufgrund eines nachträglich eingetretenen Leistungsfalls rechtswidrig geworden und verletzt die Klägerin in ihren Rechten. Die Klägerin hat Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Grund eines Leistungsfalls vom 02.09.2010 ab 01.04.2011 auf Zeit. Bei einer vollständigen Ablehnung der Leistung ist nach ständiger Rechtsprechung des BSG über den geltend gemachten Anspruch bis zum Ende der letzten mündlichen Verhandlung vor dem LSG zu entscheiden (BSG 16.05.2007, B 11b AS 37/06 R, BSGE 98, 243 = SozR 4-4200 § 12 Nr 4; BSG 01.06.2010, B 4 AS 67/09 R, SozR 4-4200 § 11 Nr 28). Durch die nachträgliche Bewilligung der Beklagten für den Zeitraum 01.04.2011 bis 31.03.2014 hat sich der Rechtsstreit für diesen Zeitraum erledigt; die Klägerin hat insoweit ihren Antrag entsprechend eingeschränkt.
Bei der hier erhobenen kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage ist maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage die mündliche Verhandlung vor dem Senat. Der Senat entscheidet daher über den gesamten Rentenanspruch zu diesem Zeitpunkt, ohne dass auf Grund des inzwischen abgelaufenen ersten Drei-Jahres-Zeitraums der während des Verfahrens erfolgten Bewilligung zuvor ein weiteres Verwaltungsverfahren über die Weiterbewilligung durchzuführen wäre. Aus der von der Beklagten zitierten Rechtsprechung des BSG ergibt sich nichts anderes. Im dort genannten Fall war Streitgegenstand nur ein Verfahren auf Gewährung von Berufs- bzw Erwerbsunfähigkeitsrente nach altem Recht, nicht jedoch ein Rentenanspruch nach § 43 SGB VI nF (BSG 16.03.2005, B 4 RA 24/05 B, SozR 4-1500 § 160a Nr 13). Dagegen ist im vorliegenden Verfahren ein Anspruch der Klägerin auf Rente wegen voller, hilfsweise teilweiser Erwerbsminderung ab Rentenantragstellung im Mai 2009 bis jetzt streitig. Die während des laufenden Berufungsverfahrens erfolgte regelhafte Bewilligung einer Zeitrente von drei Jahren bewirkt keine entsprechende Einschränkung des Streitgegenstandes auf den Zeitraum bis zu deren Ablauf am 31.03.2014.
Nicht Streitgegenstand des Berufungsverfahrens geworden ist der Versagungsbescheid vom 18.12.2014. Nach § 96 Abs 1 iVm § 153 Abs 1 SGG wird ein neuer Verwaltungsakt nur dann Gegenstand des Berufungsverfahrens, wenn er den angefochtenen Verwaltungsakt ändert oder ersetzt. Der Versagungsbescheid vom 18.12.2014 ändert oder ersetzt die ursprüngliche Rentenablehnung mit Bescheid vom 02.09.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25.11.2009 nicht, denn er enthält schon gar keine Regelung über den materiellen Rentenanspruch. Streitgegenstand einer Versagung ist die Auseinandersetzung über Rechte und Pflichten der Beteiligten im Verwaltungsverfahren; die Anfechtung eines Versagungsbescheids führt nur zur gerichtlichen Überprüfung der Ablehnungsvoraussetzungen iSv § 66 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (BSG 01.07.2009, B 4 AS 78/098 R, BSGE 104, 26 = SozR 4-1200 § 66 Nr 5).
Der geltend gemachte Anspruch richtet sich nach § 43 Sozialgesetzbuch - Sechstes Buch - (SGB VI) in der ab 01.01.2008 geltenden Fassung des Art 1 Nr 12 RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz vom 20.04.2007 (BGBl I, 554).
Versicherte haben nach § 43 Abs 2 Satz 1 SGB VI Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbs-minderung und nach § 43 Abs 1 Satz 1 SGB VI Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbs-minderung bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze, wenn sie voll bzw teilweise erwerbsgemindert sind (Nr 1), in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflicht-beiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben (Nr 2) und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (Nr 3).
Diese Voraussetzungen liegen vor. Die Klägerin erfüllt die geforderten versicherungsrechtlichen Voraussetzungen der allgemeinen Wartezeit (§§ 50 Abs 1, 51 Abs 1 SGB VI) und auch des Vorliegens von drei Jahren Pflichtbeiträgen für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung im September 2010. Insoweit wird auf den Bewilligungsbescheid der Beklagten vom 02.09.2014 Bezug genommen. Schließlich ist die Klägerin ab 02.09.2010 auch voll erwerbsgemindert.
Voll erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Teilweise erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs 1 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Sowohl für die Rente wegen teilweiser als auch für die Rente wegen voller Erwerbsminderung ist Voraus-setzung, dass die Erwerbsfähigkeit durch Krankheit oder Behinderung gemindert sein muss. Entscheidend ist darauf abzustellen, in welchem Umfang ein Versicherter durch Krankheit oder Behinderung in seiner körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit beeinträchtigt wird und in welchem Umfang sich eine Leistungsminderung auf die Fähigkeit, erwerbstätig zu sein, auswirkt.
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme im Berufungsverfahren kann die Klägerin zur Überzeugung des Senats unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes täglich nur noch unter drei Stunden arbeiten und ist deshalb voll erwerbsgemindert (§ 43 Abs 2 Satz 1 SGB VI).
Der Senat schöpft seine Überzeugung aus dem nachvollziehbaren und plausiblen Sachverständigengutachten von Dr. La.-T. Die Sachverständige hat im Gutachten vom 10.08.2013 festgestellt, dass bei der Klägerin massive Einschränkungen durch chronische Erschöpfung und Müdigkeit, kognitive Einschränkungen, Störungen der Konzentrationsfähigkeit und des Durchhaltevermögens vorliegen. Die von der Gutachterin festgestellte Leistungseinschränkung wird von Dr. H. vom beratungsärztlichen Dienst der Beklagten im Ergebnis ebenso gesehen und mit unter dreistündig bestätigt. Zum gleichen Ergebnis kam bereits der dem Senat als sehr erfahren bekannte Gutachter Dr. Su. im Dezember 2011, der zwar kein organisches Korrelat benennen konnte, jedoch nach seinem Gesamteindruck bei völligem Fehlen von Simulation oder Aggravation ebenfalls von einem aufgehobenen Leistungsvermögen der Klägerin zum damaligen Zeitpunkt ausging. Hinsichtlich des Zeitpunkts des Eintritts der Leistungsminderung teilt der Senat die Auffassung der Beklagten, dass jedenfalls seit der ersten Arbeitsunfähigkeit vom 02.09.2010 die Klägerin nicht mehr in der Lage ist, mindestens drei Stunden täglich leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu verrichten. Für den davor liegenden Zeitraum der Elternzeit sind entsprechende Einschränkungen nicht hinreichend belegt. Der Bevollmächtigte der Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat die Berufung insoweit auch nicht mehr fortgeführt und den Antrag auf die Zeit über den 31.03.2014 hinaus beschränkt.
Aus den aktuell vorgelegten Berichten der behandelnden Ärzte der Klägerin ergibt sich, dass sich die gesundheitliche Situation seit der Begutachtung durch Dr. La.-T. (Untersuchung am 26.07.2013) keineswegs gebessert hat. Im Bericht der Ch. B. vom 07.08.2013 wird der Verdacht auf CFS diagnostiziert, ein Anhalt für einen Immundefekt wurde nicht gefunden. Prof. Dr. Hu. beschreibt in seinem Befundbericht vom 08.09.2014 einen deutlich reduzierten Allgemeinzustand und deutlich untergewichtigen Ernährungszustand (Größe 163 cm, Gewicht 43 kg). Zum Untersuchungszeitpunkt sei die Klägerin bettlägerig gewesen. Der Hausarzt Dr. D. hat unter dem 23.09.2014 eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes seit 2013 mitgeteilt, anamnestisch bestehe Bettlägerigkeit von ca 70 %. Im aktuellen Pflegegutachten des MDK (G. G. vom 25.11.2014) werden deutliche Einschränkungen berichtet. Dort wird ein Pflegeaufwand im Bereich der Körperpflege von 24 Minuten, im Bereich der Ernährung von 7 Minuten und im Bereich der Mobilität von 32 Minuten pro Tag festgestellt. In der Zusammenschau bestätigt sich damit die Prognose der Gutachterin Dr. La.-T., wie auch der Ärztin des beratungsärztlichen Dienstes der Beklagten Dr. H., dass zunächst eine Stabilisierungsphase erforderlich ist.
Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit werden nach § 102 Abs 2 Satz 1 SGB VI auf Zeit geleistet. Die Befristung erfolgt für längstens drei Jahre nach Rentenbeginn (Satz 2). Sie kann verlängert werden; dabei verbleibt es bei dem ursprünglichen Rentenbeginn (Satz 3). Verlängerungen erfolgen für längstens drei Jahre nach dem Ablauf der vorherigen Frist (Satz 4). Renten, auf die ein Anspruch unabhängig von der jeweiligen Arbeitsmarktlage besteht, werden unbefristet geleistet, wenn unwahrscheinlich ist, dass die Minderung der Erwerbsfähigkeit behoben werden kann; hiervon ist nach einer Gesamtdauer der Befristung von neun Jahren auszugehen (Satz 5).
Nach dem bisherigen Krankheitsverlauf ist daher über die bereits von der Beklagten bewilligten drei Jahre hinaus die Rente wegen voller Erwerbsminderung bis 31.03.2017 zuzusprechen. Für eine Gewährung der Rente auf Dauer bestehen dagegen keine hinreichenden Anhaltspunkte, denn es ist nicht unwahrscheinlich, dass die Minderung der Erwerbsfähigkeit behoben werden kann. Nach dem Gutachten von Dr. La.-T. ist eine Wiederherstellung der Erwerbsfähigkeit keineswegs ausgeschlossen. Die Ärzte der A.-Klinik H. empfehlen im Entlassungsbericht vom 19.12.2012 eine ambulante Therapie, sie raten eine zumindest zeitweise Berentung an, so dass auch von dort nicht von einer fehlenden Besserungsaussicht ausgegangen wird. Allein aus der Diagnose CFS ergibt sich – entgegen dem Vortrag des Bevollmächtigten der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat – kein dauerhaft aufgehobenes Leistungsvermögen (vgl zu Therapiemöglichkeiten Scheibenbogen et al: Chronisches Fatigue-Syndrom. Heutige Vorstellung zur Pathogenese, Diagnostik und Therapie, tägl prax 55, 567 – 574 (2014)).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Hierbei hat der Senat berücksichtigt, dass das Begehren der Klägerin überwiegend erfolgreich war.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
Die Beklagte erstattet drei Viertel der außergerichtlichen Kosten der Klägerin in beiden Rechtszügen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.
Die 1971 geborene Klägerin ist gelernte Facharbeiterin für Eisenbahnbetrieb und hat eine Weiterbildung zur Lokführerin absolviert. In diesem Beruf war sie bis 2004 tätig, danach befand sie sich bis zum 22.08.2010 in Elternzeit. Seit 02.09.2010 ist sie arbeitsunfähig.
Am 11.05.2009 beantragte die Klägerin die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung und begründete dies mit durchgemachtem Pfeifferschem Drüsenfieber, einem chronischen Müdigkeitssyndrom und einer Erkrankung des Immunsystems seit 1992.
Die Beklagte zog ärztliche Befundberichte bei und ließ die Klägerin durch die Ärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. H. ambulant untersuchen und begutachten. Im Gutachten vom 24.08.2009 diagnostizierte Dr. H. eine funktionell leichtgradige Somatisierungsstörung, anamnestisch Schwangerschaftshyperthyreose, Reizdarmsyndrom und Untergewicht. Leichte bis mittelschwere Arbeiten ohne erhöhte Verantwortung könne die Klägerin noch mindestens sechs Stunden täglich verrichten. Mit Bescheid vom 02.09.2009 lehnte die Beklagte daraufhin den Rentenantrag ab.
Mit ihrem Widerspruch vom 28.09.2009 machte die Klägerin geltend, dass Dr. H. in offenkundiger Unkenntnis des Krankheitsbildes "Chronic-Fatigue-Syndrom" (CFS) die Erkrankung lediglich als leichte Somatisierungsstörung diagnostiziert und deren Schweregrad verkannt habe. Die Diagnose CFS sei bei ihr erstmals 1998 gestellt und seither immer wieder bestätigt worden. Sie leide an einer hochgradigen Müdigkeit und Erschöpfung, die sie zwinge, auch tagsüber überwiegend im Bett zu liegen. Die Beklagte holte die sozialmedizinische Stellungnahme nach Aktenlage von Dr. H. vom 06.11.2009 ein und wies sodann den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 25.11.2009 zurück.
Hiergegen richtet sich die am 22.12.2009 zum Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhobene Klage.
Das SG hat die behandelnden Ärzte der Klägerin Dr. Schulz (Pneumologie), Dr. B., (Facharzt für Innere Medizin), Dr. L., (Allgemeinmedizin), Dr. Bi. (klinische Immunologie) Dr. S. (Gynäkologie) sowie den Leiter der umweltmedizinischen Ambulanz des Universitätsklinikums F. Dr. E. schriftlich als sachverständige Zeugen gehört. Zusätzlich hat das SG ein neurologisch-psychiatrisches Gutachten bei Dr. Sch. eingeholt. Dieser hat in seinem Gutachten vom 20.09.2010 bei der Klägerin somatoforme Störungen, eine anamnestische Schilddrüsenfunktionsstörung ohne Notwendigkeit medikamentöser Therapie, Zustand nach Lungenentzündung beidseits, anamnestisch Vitamin D-Mangel diagnostiziert. Den angeführten Beschwerden stehe kein ausreichendes organisches Korrelat gegenüber, eine Antriebsminderung liege ebenso wenig vor wie eine Einschränkung des Durchhaltevermögens. Leichte bis gelegentlich mittelschwere Tätigkeiten in verschiedenen Körperhaltungen seien mindestens sechs Stunden täglich zu verrichten. Daneben hat das SG durch den Arzt für innere Medizin und Betriebsmedizin Dr. Su. ein weiteres Gutachten über die Klägerin erstellen lassen. In dem Gutachten vom 07.12.2011 wird ein Verdacht auf Reizdarmsyndrom, Untergewicht, Neigung zu supraventrikulären Herzrhythmusstörungen, Verdacht auf Morbus Meulengracht, reduzierte MTHFR-Enzymaktivität, Nachweis von IgG-Antikörpern gegen Epstein-Barr-Virus ohne aktuelle Krankheitsaktivität diagnostiziert. Die bestehenden Erkrankungen schränkten die Klägerin dahingehend ein, dass sie eine Verrichtung schwerer körperlicher Arbeiten nicht mehr zumutbar sei, darüber hinaus ließen sich keine Einschränkungen ableiten. Das CFS sei in der arbeitsmedizinischen Literatur nicht als eigenständige Erkrankung, sondern vielmehr als Symptomenkomplex anerkannt. Ein Nachweis für eine Leistungsschwäche im Gefolge dieser Syndrome sei nicht erbracht worden. Allerdings falle trotz fehlender organmedizinischer Objektivierung ein erheblicher Leidensdruck der Klägerin ohne erkennbare Simulations- oder Aggravationstendenzen auf. Sie mache einen erheblich leistungsgeminderten Eindruck. Nach dem sich darstellenden Gesamtzustand sei sie eindeutig nicht mehr in der Lage, auch leichte körperliche Arbeiten mindestens drei Stunden täglich zu verrichten. Hierzu hat der sozialmedizinische Dienst der Beklagten Stellung genommen (Dr. H. vom 25.01.2012).
Mit Urteil vom 03.04.2012 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen gestützt auf das Gutachten von Dr. Sch. und die Ausführungen von Dr. H. ausgeführt, dass die Klägerin noch jedenfalls leichte und gelegentlich mittelschwere Arbeiten mindestens sechs Stunden täglich verrichten könne. Objektive Befunde, die ein Herabsinken der Leistungsfähigkeit für leichte Tätigkeiten auf unter sechs Stunden erklärten, hätten die Gutachter allesamt nicht erhoben, auch Dr. Su. habe keine Ermüdungserscheinungen, die ein derartig abgesunkenes Leistungsvermögen belegen könnten, objektiviert.
Gegen das ihrem damaligen Bevollmächtigten am 18.04.2012 zugestellte Urteil richtet sich die am 16.05.2012 eingelegte Berufung der Klägerin. Zur Begründung der Berufung hat der jetzige Bevollmächtigte der Klägerin ausführlich zu den Krankheitsbildern CFS (G93.3) und MCS (T78.4) vorgetragen. Ergänzend hat er weitere Arztberichte vorgelegt sowie Gutachten des medizinischen Dienstes für die Pflegekasse vom 29.09.2014 und 25.11.2014. Mit Bescheid vom 02.12.2014 hat die Pflegekasse ab Antragstellung vom 25.03.2014 Pflegegeld nach Pflegestufe I bewilligt.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 03.04.2012 und den Bescheid der Beklagten vom 02.09.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25.11.2009 aufzuheben und den Bescheid vom 02.09.2014 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin Rente wegen voller Erwerbsminderung auch für die Zeit über den 31.03.2014 hinaus zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen, soweit sie über die mit Bescheid vom 02.09.2014 bewilligte Rente hinausgeht.
Der Klägerin sei zwischenzeitlich mit Bescheid vom 02.09.2014 Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit vom 01.04.2011 bis 31.03.2014 bewilligt worden. Hierdurch sei die Klägerin klaglos gestellt. Die vorliegenden Gutachtenergebnisse rechtfertigten keinen unbefristeten Rentenanspruch. Das Gericht habe der Verwaltung nicht vorzugreifen, indem es Verwaltungsakt ersetzende Regelungen (etwa zur Weitergewährung) in eigener Zuständigkeit treffe (unter Hinweis auf Bundessozialgericht (BSG) 16.03.2006, B 4 RA 24/05 B). Über den in der Fortführung des Berufungsverfahrens liegenden Weiterbewilligungsantrag habe die Beklagte noch nicht entschieden.
Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung eines psychiatrischen Sachverständigengutachtens bei Dr. La.-T. In dem Gutachten vom 10.08.2013 werden folgende Diagnosen gestellt: CFS, rezidivierende depressive Störungen, gegenwärtig remittiert, Verdacht auf posttraumatische Belastungsstörung sowie außerhalb des neuropsychiatrischen Fachgebietes Verdacht auf Morbus Meulengracht, Neigung zu supraventrikulären Herzrhythmusstörungen, reduzierte MTHFR-Enzymaktivität und Nachweis von IgG-Antikörpern gegen Epstein-Barr-Virus. Die Klägerin leide unter einer persistierenden Erschöpfung, die dazu geführt habe, dass sie den Anforderungen im Alltag nur noch unzureichend selbständig nachkommen könne. Sie verbringe überwiegend die Zeit liegend. In der testpsychologischen Untersuchung hätten sich am Ende massive Erschöpfungssymptome gezeigt, in der Testdiagnostik selbst deutliche Beeinträchtigungen des kognitiven Leistungsniveaus mit Defiziten der konzentrativen Belastbarkeit sowie der Reaktionsschnelligkeit und der selektiven Aufmerksamkeit. Die Klägerin sei nicht mehr in der Lage, auch leichte körperliche Arbeiten mindestens drei Stunden täglich zu verrichten. Dieses Leistungsvermögen bestehe bereits seit dem Zeitpunkt der Rentenantragstellung. Von einer nachhaltigen Besserung sei auch bei suffizienter Therapie nicht vor einem Zeitraum von zwei Jahren auszugehen.
Hierzu hat Dr. H. in einer sozialmedizinischen Stellungnahme vom 02.10.2013 ausgeführt, das Gutachten könne zwar nicht überzeugen, es bestehe aber eine erhebliche negative Beeinflussung der chronischen Überzeugung der Klägerin durch die letzte akutpsychiatrische Behandlung in der A.klinik für Psychiatrie in H., die im Sinne einer iatrogenen Invalidisierung aus heutiger Sicht den Grundstein für eine derzeit willentlich durch die Klägerin nicht mehr beeinflussbare Störung darstelle. Es sei nicht davon auszugehen, dass die Erwerbsminderung, die zum jetzigen Zeitpunkt mit unter drei Stunden täglich anzunehmen sei, bei der 42-jährigen Klägerin dauerhaft bestehen werde. Es werde vorgeschlagen, den Leistungsfall seit Entlassung aus der A.klinik in H. anzunehmen, ab 18.12.2012 und eine zweijährige Stabilisierungsphase durch eine befristete Berentung zu ermöglichen.
Die Beklagte hat daraufhin mit Schreiben vom 25.10.2013 ein Vergleichsangebot abgegeben und der Klägerin mit Leistungsfall 02.09.2010 (erstmalig festgestellte Arbeitsunfähigkeit) Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit vom 01.04.2011 bis 31.03.2014 in Aussicht gestellt, sofern sich die Klägerin verpflichte, umgehend eine ambulante psychologische Behandlung aufzunehmen und bis spätestens 31.03.2014 eine stationäre psychosomatisch-verhaltenstherapeutische Rehabilitationsmaßnahme anzutreten.
Nachdem die Klägerin das Vergleichsangebot auch wegen des in Kürze bevorstehenden Endes der Zeitrente nicht angenommen hatte, hat die Beklagte am 10.02.2014 ein Anerkenntnis abgegeben auf Gewährung von Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit vom 01.04.2011 bis 31.03.2014 und dieses mit Bescheid vom 02.09.2014 umgesetzt. Mit Bescheid vom 18.12.2014 (vorgelegt vom Vertreter der Klägerin) hat die Beklagte einen Antrag auf Weitergewährung der Rente über den 31.03.2014 hinaus wegen fehlender Mitwirkung (ärztliche Untersuchung bei einem Gutachter) versagt.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Klägerin hat überwiegend Erfolg.
Die form- und fristgerecht (§ 151 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG)) eingelegte Berufung ist statthaft (§ 143 SGG) und damit zulässig und in der Sache auch weitgehend begründet, denn der angefochtene Bescheid vom 02.09.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25.11.2009 ist aufgrund eines nachträglich eingetretenen Leistungsfalls rechtswidrig geworden und verletzt die Klägerin in ihren Rechten. Die Klägerin hat Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Grund eines Leistungsfalls vom 02.09.2010 ab 01.04.2011 auf Zeit. Bei einer vollständigen Ablehnung der Leistung ist nach ständiger Rechtsprechung des BSG über den geltend gemachten Anspruch bis zum Ende der letzten mündlichen Verhandlung vor dem LSG zu entscheiden (BSG 16.05.2007, B 11b AS 37/06 R, BSGE 98, 243 = SozR 4-4200 § 12 Nr 4; BSG 01.06.2010, B 4 AS 67/09 R, SozR 4-4200 § 11 Nr 28). Durch die nachträgliche Bewilligung der Beklagten für den Zeitraum 01.04.2011 bis 31.03.2014 hat sich der Rechtsstreit für diesen Zeitraum erledigt; die Klägerin hat insoweit ihren Antrag entsprechend eingeschränkt.
Bei der hier erhobenen kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage ist maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage die mündliche Verhandlung vor dem Senat. Der Senat entscheidet daher über den gesamten Rentenanspruch zu diesem Zeitpunkt, ohne dass auf Grund des inzwischen abgelaufenen ersten Drei-Jahres-Zeitraums der während des Verfahrens erfolgten Bewilligung zuvor ein weiteres Verwaltungsverfahren über die Weiterbewilligung durchzuführen wäre. Aus der von der Beklagten zitierten Rechtsprechung des BSG ergibt sich nichts anderes. Im dort genannten Fall war Streitgegenstand nur ein Verfahren auf Gewährung von Berufs- bzw Erwerbsunfähigkeitsrente nach altem Recht, nicht jedoch ein Rentenanspruch nach § 43 SGB VI nF (BSG 16.03.2005, B 4 RA 24/05 B, SozR 4-1500 § 160a Nr 13). Dagegen ist im vorliegenden Verfahren ein Anspruch der Klägerin auf Rente wegen voller, hilfsweise teilweiser Erwerbsminderung ab Rentenantragstellung im Mai 2009 bis jetzt streitig. Die während des laufenden Berufungsverfahrens erfolgte regelhafte Bewilligung einer Zeitrente von drei Jahren bewirkt keine entsprechende Einschränkung des Streitgegenstandes auf den Zeitraum bis zu deren Ablauf am 31.03.2014.
Nicht Streitgegenstand des Berufungsverfahrens geworden ist der Versagungsbescheid vom 18.12.2014. Nach § 96 Abs 1 iVm § 153 Abs 1 SGG wird ein neuer Verwaltungsakt nur dann Gegenstand des Berufungsverfahrens, wenn er den angefochtenen Verwaltungsakt ändert oder ersetzt. Der Versagungsbescheid vom 18.12.2014 ändert oder ersetzt die ursprüngliche Rentenablehnung mit Bescheid vom 02.09.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25.11.2009 nicht, denn er enthält schon gar keine Regelung über den materiellen Rentenanspruch. Streitgegenstand einer Versagung ist die Auseinandersetzung über Rechte und Pflichten der Beteiligten im Verwaltungsverfahren; die Anfechtung eines Versagungsbescheids führt nur zur gerichtlichen Überprüfung der Ablehnungsvoraussetzungen iSv § 66 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (BSG 01.07.2009, B 4 AS 78/098 R, BSGE 104, 26 = SozR 4-1200 § 66 Nr 5).
Der geltend gemachte Anspruch richtet sich nach § 43 Sozialgesetzbuch - Sechstes Buch - (SGB VI) in der ab 01.01.2008 geltenden Fassung des Art 1 Nr 12 RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz vom 20.04.2007 (BGBl I, 554).
Versicherte haben nach § 43 Abs 2 Satz 1 SGB VI Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbs-minderung und nach § 43 Abs 1 Satz 1 SGB VI Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbs-minderung bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze, wenn sie voll bzw teilweise erwerbsgemindert sind (Nr 1), in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflicht-beiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben (Nr 2) und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (Nr 3).
Diese Voraussetzungen liegen vor. Die Klägerin erfüllt die geforderten versicherungsrechtlichen Voraussetzungen der allgemeinen Wartezeit (§§ 50 Abs 1, 51 Abs 1 SGB VI) und auch des Vorliegens von drei Jahren Pflichtbeiträgen für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung im September 2010. Insoweit wird auf den Bewilligungsbescheid der Beklagten vom 02.09.2014 Bezug genommen. Schließlich ist die Klägerin ab 02.09.2010 auch voll erwerbsgemindert.
Voll erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Teilweise erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs 1 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Sowohl für die Rente wegen teilweiser als auch für die Rente wegen voller Erwerbsminderung ist Voraus-setzung, dass die Erwerbsfähigkeit durch Krankheit oder Behinderung gemindert sein muss. Entscheidend ist darauf abzustellen, in welchem Umfang ein Versicherter durch Krankheit oder Behinderung in seiner körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit beeinträchtigt wird und in welchem Umfang sich eine Leistungsminderung auf die Fähigkeit, erwerbstätig zu sein, auswirkt.
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme im Berufungsverfahren kann die Klägerin zur Überzeugung des Senats unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes täglich nur noch unter drei Stunden arbeiten und ist deshalb voll erwerbsgemindert (§ 43 Abs 2 Satz 1 SGB VI).
Der Senat schöpft seine Überzeugung aus dem nachvollziehbaren und plausiblen Sachverständigengutachten von Dr. La.-T. Die Sachverständige hat im Gutachten vom 10.08.2013 festgestellt, dass bei der Klägerin massive Einschränkungen durch chronische Erschöpfung und Müdigkeit, kognitive Einschränkungen, Störungen der Konzentrationsfähigkeit und des Durchhaltevermögens vorliegen. Die von der Gutachterin festgestellte Leistungseinschränkung wird von Dr. H. vom beratungsärztlichen Dienst der Beklagten im Ergebnis ebenso gesehen und mit unter dreistündig bestätigt. Zum gleichen Ergebnis kam bereits der dem Senat als sehr erfahren bekannte Gutachter Dr. Su. im Dezember 2011, der zwar kein organisches Korrelat benennen konnte, jedoch nach seinem Gesamteindruck bei völligem Fehlen von Simulation oder Aggravation ebenfalls von einem aufgehobenen Leistungsvermögen der Klägerin zum damaligen Zeitpunkt ausging. Hinsichtlich des Zeitpunkts des Eintritts der Leistungsminderung teilt der Senat die Auffassung der Beklagten, dass jedenfalls seit der ersten Arbeitsunfähigkeit vom 02.09.2010 die Klägerin nicht mehr in der Lage ist, mindestens drei Stunden täglich leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu verrichten. Für den davor liegenden Zeitraum der Elternzeit sind entsprechende Einschränkungen nicht hinreichend belegt. Der Bevollmächtigte der Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat die Berufung insoweit auch nicht mehr fortgeführt und den Antrag auf die Zeit über den 31.03.2014 hinaus beschränkt.
Aus den aktuell vorgelegten Berichten der behandelnden Ärzte der Klägerin ergibt sich, dass sich die gesundheitliche Situation seit der Begutachtung durch Dr. La.-T. (Untersuchung am 26.07.2013) keineswegs gebessert hat. Im Bericht der Ch. B. vom 07.08.2013 wird der Verdacht auf CFS diagnostiziert, ein Anhalt für einen Immundefekt wurde nicht gefunden. Prof. Dr. Hu. beschreibt in seinem Befundbericht vom 08.09.2014 einen deutlich reduzierten Allgemeinzustand und deutlich untergewichtigen Ernährungszustand (Größe 163 cm, Gewicht 43 kg). Zum Untersuchungszeitpunkt sei die Klägerin bettlägerig gewesen. Der Hausarzt Dr. D. hat unter dem 23.09.2014 eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes seit 2013 mitgeteilt, anamnestisch bestehe Bettlägerigkeit von ca 70 %. Im aktuellen Pflegegutachten des MDK (G. G. vom 25.11.2014) werden deutliche Einschränkungen berichtet. Dort wird ein Pflegeaufwand im Bereich der Körperpflege von 24 Minuten, im Bereich der Ernährung von 7 Minuten und im Bereich der Mobilität von 32 Minuten pro Tag festgestellt. In der Zusammenschau bestätigt sich damit die Prognose der Gutachterin Dr. La.-T., wie auch der Ärztin des beratungsärztlichen Dienstes der Beklagten Dr. H., dass zunächst eine Stabilisierungsphase erforderlich ist.
Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit werden nach § 102 Abs 2 Satz 1 SGB VI auf Zeit geleistet. Die Befristung erfolgt für längstens drei Jahre nach Rentenbeginn (Satz 2). Sie kann verlängert werden; dabei verbleibt es bei dem ursprünglichen Rentenbeginn (Satz 3). Verlängerungen erfolgen für längstens drei Jahre nach dem Ablauf der vorherigen Frist (Satz 4). Renten, auf die ein Anspruch unabhängig von der jeweiligen Arbeitsmarktlage besteht, werden unbefristet geleistet, wenn unwahrscheinlich ist, dass die Minderung der Erwerbsfähigkeit behoben werden kann; hiervon ist nach einer Gesamtdauer der Befristung von neun Jahren auszugehen (Satz 5).
Nach dem bisherigen Krankheitsverlauf ist daher über die bereits von der Beklagten bewilligten drei Jahre hinaus die Rente wegen voller Erwerbsminderung bis 31.03.2017 zuzusprechen. Für eine Gewährung der Rente auf Dauer bestehen dagegen keine hinreichenden Anhaltspunkte, denn es ist nicht unwahrscheinlich, dass die Minderung der Erwerbsfähigkeit behoben werden kann. Nach dem Gutachten von Dr. La.-T. ist eine Wiederherstellung der Erwerbsfähigkeit keineswegs ausgeschlossen. Die Ärzte der A.-Klinik H. empfehlen im Entlassungsbericht vom 19.12.2012 eine ambulante Therapie, sie raten eine zumindest zeitweise Berentung an, so dass auch von dort nicht von einer fehlenden Besserungsaussicht ausgegangen wird. Allein aus der Diagnose CFS ergibt sich – entgegen dem Vortrag des Bevollmächtigten der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat – kein dauerhaft aufgehobenes Leistungsvermögen (vgl zu Therapiemöglichkeiten Scheibenbogen et al: Chronisches Fatigue-Syndrom. Heutige Vorstellung zur Pathogenese, Diagnostik und Therapie, tägl prax 55, 567 – 574 (2014)).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Hierbei hat der Senat berücksichtigt, dass das Begehren der Klägerin überwiegend erfolgreich war.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
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