L 2 AL 37/12

Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 47 AL 552/09
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 2 AL 37/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Die Berufung wird zurückgewiesen. 2. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. 3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt als Rechtsnachfolgerin ihrer verstorbenen Mutter die Erstattung von deren Auslagen für eine Ausbildung zur Masseurin und medizinischen Bademeisterin.

Die Klägerin ist die Tochter der am xxxxx 1960 geborenen und am xxxxx 2013 verstorbenen Frau T. (i.F.: Versicherte). Die Versicherte hatte Mitte der Achtziger Jahre in der S. eine Ausbildung zur Diplom-Sportlehrerin absolviert und war seit 1995 berechtigt gewesen, in Deutschland die Bezeichnung "Diplom-Sportlehrerin / GUS" zu führen. Nach ihrer Übersiedlung nach Deutschland im Jahr 1991 arbeitete sie von 1992 bis 2008 bei der Firma C. GmbH, wo sie mit dem Einfärben von Stoffen beschäftigt war. Nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses durch betriebsbedingte Kündigung zum 1. November 2008 bezog sie von der Beklagten Arbeitslosengeld.

In der Zeit vom 26. Januar 2009 bis zum 20. Februar 2009 nahm die Versicherte auf Veranlassung der Beklagten an einer Trainingsmaßnahme bei der Firma F. GmbH teil. Im Bewertungsbogen heißt es in der Rubrik "Stand der Dinge und weiteres Vorgehen", die Versicherte habe sich im Rahmen der Orientierungsübungen mit dem Berufsfeld Pflege und dem Beruf des Physiotherapeuten bzw. Masseurs beschäftigt. Da sie in diesem Bereich ihre Kenntnisse und Erfahrungen gut nutzen könne und nicht über eine anerkannte Ausbildung verfüge, wolle sie am liebsten eine Ausbildung zur Masseurin in Angriff nehmen. Ob es dafür förderrechtliche Grundlage gebe, sei während des Kurses nicht zu klären gewesen.

Mit Bescheid vom 16. März 2009 rechnete die Freie und Hansestadt Hamburg – Behörde für Soziales, Familie, Gesundheit und Verbraucherschutz – insgesamt sechs Ausbildungsinhalte nach § 12 Abs. 3 des Masseur- und Physiotherapeutengesetzes auf eine Ausbildung zur Masseurin und medizinischen Bademeisterin in Deutschland an. Weiter heißt es dort, eine Verkürzung der Ausbildung werde nicht genehmigt.

Ausweislich eines Beratungsvermerks der Beklagten vom 12. Mai 2009 beantragte die Versicherte an diesem Tag eine Umschulung zur Masseurin und medizinischen Bademeisterin bei der Firma M. ab dem 1. Oktober 2009. Ausweislich eines Beratungsvermerks vom 14. Mai 2009 wurde ihr fernmündlich per Anrufbeantworter mitgeteilt, dass eine Förderung nicht möglich sei. In der Folge wandte sich die Versicherte an die Beklagte und bestand auf einer schriftlichen Entscheidung. Die Beklagte lehnte sodann den Antrag mit Bescheid vom 21. Juli 2009 mit der Begründung ab, der Arbeitsmarkt für Masseure und medizinische Bademeister sei "nicht hinreichend gut". Nach Abschluss der zweijährigen Ausbildung sei aufgrund des Alters "in Konkurrenz zu sehr jungen Mitbewerberinnen kaum eine Chance der Einmündung in den Arbeitsmarkt zu sehen." Die Ausbildung sei nach den vorgelegten Unterlagen nicht "AZWV zertifiziert" und eine Qualifizierung zum Zwecke einer eventuellen Selbständigkeit im Anschluss sei nicht möglich. Weiterhin heißt es in einem Gesprächsvermerk vom 21. Juli 2009, der Versicherten sei eine sog. Qualifizierung Geringqualifizierter (im Bereich Pflege) angeboten worden, was diese allerdings abgelehnt habe. Im Gesprächsvermerk vom 22. Juli 2009 wird die Äußerung der Versicherten widergegeben, eine Umschulung zur Gesundheits- und Pflegeassistentin komme für sie nicht in Frage, die sie weit unterhalb ihres bisherigen Ausbildungsniveaus angesiedelt sei. Ausweislich eines Aktenvermerks vom 31. Juli 2009 wurde in einem Gespräch mit dem Lebensgefährten der Versicherten "alternativ ( ) eine Umschulung zur Altenpflegerin angeboten". Der Lebensgefährte habe jedoch geäußert, dass dies nicht in Frage komme.

Ihren am 12. August 2009 erhobenen Widerspruch begründete die Versicherte damit, die begehrte Weiterbildung baue auf die bereits vorhandenen Qualifikationen auf und sei daher für sie besonders geeignet. Der Weiterbildungsträger erfülle alle Anforderungen und denkbare Nachteile aufgrund ihres Lebensalters könne die Versicherte durch ihre größere Erfahrung und ihres zusätzlichen Qualifikationen kompensieren.

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 1. Oktober 2009 zurück: Die begehrte Weiterbildung finde an einer privaten Berufsfachschule statt, die nicht als Weiterbildungsträger zugelassen sei. Im Übrigen bestehe auch unter dem Gesichtspunkt der Ermessensausübung kein Anspruch auf Förderung der Weiterbildung. Eine angebotene Umschulung zur Altenpflegerin habe die Versicherte abgelehnt. Die Umschulung zur Masseurin und medizinischen Bademeisterin lasse jedoch nicht mit hoher Wahrscheinlichkeit erwarten, dass die Versicherte in den Arbeitsmarkt integriert werde. In diesem Arbeitsmarktbereich lägen keine Anhaltspunkte für einen nennenswerten Bedarf an Arbeitskräften zum Zeitpunkt des Abschlusses der angestrebten Weiterbildung vor.

Am 30. September 2009 beantragte die Versicherte den Erlass einer einstweiligen Anordnung, gerichtet auf Förderung der begehrten Weiterbildungsmaßnahme. Das Sozialgericht entsprach diesem Antrag mit Beschluss vom 6. November 2009 (Az. S 47 AL 511/09 ER), woraufhin die Versicherte die Maßnahme aufnahm. Auf die Beschwerde der Beklagten hob das Landessozialgericht den Beschluss des Sozialgerichts mit Beschluss vom 20. Mai 2010 (Az. L 5 B 470/09 ER AL) auf und lehnte den Antrag ab. Die Versicherte nahm sodann an der Maßnahme auf eigene Kosten teil, bestand die Abschlussprüfung und absolvierte (bis zum 31. März 2012) das vorgeschriebene Berufspraktikum.

Am 19. Oktober 2009 hat die Versicherte Klage gegen den Widerspruchsbescheid vom 1. Oktober 2009 erhoben und zur Begründung ausgeführt, der Arbeitsmarkt für Masseure und medizinische Bademeister habe sich erheblich besser entwickelt als von der Beklagten im Beschwerdeverfahren vor dem Landessozialgericht dargestellt. Die Beklagte könne sich – im Anschluss an den Beschluss des Landessozialgerichts im Eilverfahren – auch nicht darauf berufen, dass ihr Ermessen nicht auf Null reduziert sei, denn zu der von ihr vorgeschlagenen Pflegetätigkeit sei die Versicherte aus gesundheitlichen Gründen außer Stande. Die Beklagte habe seinerzeit auch keine geeigneten Alternativen zu der inzwischen angetretenen Weiterbildungsmaßnahme aufgezeigt.

Die Beklagte hat auf die erheblichen körperlichen Anforderungen einer Tätigkeit als Masseurin und medizinische Bademeister verwiesen. Andere Maßnahmen als die Umschulung zur Gesundheits- und Pflegeassistentin habe sie deswegen nicht vorgeschlagen, weil die Versicherte sich geweigert habe, andere Maßnahmen als die von ihr angestrebte Weiterbildung überhaupt in Betracht zu ziehen.

Das Sozialgericht hat die Klage durch Urteil vom 26. März 2012 abgewiesen: Zwar hätten die Voraussetzungen für eine Förderung der Weiterbildung vorgelegen, jedoch sei die Entscheidung der Beklagten nicht ermessensfehlerhaft gewesen. Die Beklagte habe durch Vorlage statistischen Materials belegt, dass im Jahr 2009 ein deutlicher Bewerberüberhang für Masseure und medizinische Bademeister bestanden habe. Erst recht scheide eine Ermessensreduzierung auf Null aus.

Die Versicherte hat gegen das ihrem Prozessbevollmächtigten am 13. April 2012 zugestellte Urteil am 3. Mai 2012 Berufung eingelegt. Zum 1. Juni 2012 hat sie eine – vertraglich bis zum 31. Mai 2014 befristete – Tätigkeit als Masseurin und medizinische Bademeisterin bei der R1-Klinik B. GmbH angetreten. Im xxxxx 2013 ist bei ihr eine Krebserkrankung diagnostiziert worden, an deren Folgen sie am xxxxx 2013 verstorben ist. Die jetzige Klägerin, die ausweislich des vorgelegten Erbscheins des Amtsgerichts Hamburg-A. vom xxxxx 2013 Alleinerbin ist, hat im März 2014 erklärt, sie werde das Berufungsverfahren aufnehmen.

Die Klägerin führt aus, der Versicherten sei die begehrte Weiterbildung im Rahmen der Trainingsmaßnahme von der Firma F. GmbH vorgeschlagen worden, da diese besonders geeignet und erfolgversprechend gewesen sei. Gegen die Beschäftigungsprognose der Beklagten habe auch gesprochen, dass andere Teilnehmer an derselben Weiterbildungsmaßnahme von der Beklagten entsprechend gefördert worden seien. Dies lege den Verdacht nahe, dass die Beklagte sich von sachfremden Erwägungen – etwa hinsichtlich des Lebensalters der Versicherten – habe leiten lassen. Die Beklagte habe der Versicherten auch keine alternativen Ausbildungsangebote unterbreitet. Eine Tätigkeit oder Qualifizierung im Bereich der Pflegeassistenz habe die Beklagte nicht in hinreichender Form angeboten. Weiterhin habe die Beklagte es unterlassen, die Versicherte ärztlich untersuchen zu lassen, um deren Leistungsvermögen verlässlich einschätzen zu können. Die Versicherte habe die Kosten der Ausbildung durch Darlehen finanziert. Der Darlehensgeber, der damalige Lebensgefährte der Versicherten, verlange nun von der Klägerin als Erbin die Rückzahlung und habe in diesem Zusammenhang das Anerkenntnisurteil des Amtsgerichts Hamburg-B1 vom 12. Januar 2015 (Az. 812 C 309/14) erwirkt.

Die geltend gemachte Erstattungsforderung lasse sich nicht konkret beziffern. Jedenfalls hätten sich die Lehrgangskosten auf 10.035,30 Euro belaufen, hinzugekommen seien Fahrtkosten in Höhe von 1.722,67 Euro.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Hamburg 26. März 2012 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 21. Juli 2009 in Gestalt des Widerspruchbescheides vom 1. Oktober 2009 zu verurteilen, an sie 11.757,97 EUR zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt die angegriffene Entscheidung. Obwohl sie – die Beklagte – bereit gewesen sei, die Versicherte zu unterstützen und zu beraten, habe sich diese allein auf die nunmehr absolvierte Maßnahme festgelegt. Hierbei habe die Firma F. lediglich den Berufswunsch der Versicherten wiedergegeben und keine eigene Empfehlung ausgesprochen. Eine Umschulung zur staatlich anerkannten Gesundheits- und Pflegeassistentin habe die Versicherte am 22. und 31. Juli 2009 ausdrücklich abgelehnt, ebenso – am 21. August 2009 – eine Fortbildung im Rahmen der "Initiative zur Qualifizierung von Geringqualifizierten". Der Arbeitsmarkt für Masseure und medizinische Bademeister sei zum Zeitpunkt der Antragstellung im Mai 2009 nahezu verschlossen gewesen. Das Landessozialgericht habe seinerzeit im Beschwerdeverfahren zutreffend ausgeführt, dass die Ermessensausübung nicht zu beanstanden gewesen sei.

Der Senat hat eine Auskunft der Firma M. eingeholt, weiterhin Befundberichte des Orthopäden und Unfallchirurgen Dr. C. und der Allgemeinmediziner Dres. H., K. und M1. Der seinerzeit behandelnde Gynäkologe war für das Gericht nicht erreichbar.

Die Beteiligten haben sich im März und April 2013 mit einer Entscheidung des Rechtsstreits allein durch den Berichterstatter als Einzelrichter einverstanden erklärt.

Das Gericht hat am 21. Januar 2015 über die Berufung mündlich verhandelt. Auf das Sitzungsprotokoll wird verwiesen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Prozessakte, die Prozessakte des Verfahrens L 5 B 470/09 ER AL sowie die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Das Gericht entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten gem. § 155 Abs. 3 und 4 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) durch den Berichterstatter.

Die Berufung ist statthaft und auch im Übrigen zulässig. Sie ist jedoch unbegründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht und mit zutreffender Begründung abgewiesen. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Erstattung der Auslagen, die ihre Mutter zur Erlangung des Berufsabschlusses als Masseurin und medizinische Bademeisterin aufgewandt hatte.

Als Grundlage des geltend gemachten Anspruchs auf Erstattung eigener Aufwendungen der Versicherten kommt allein § 15 Abs. 1 Satz 4 zweite Alternative des Neunten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IX) in Verbindung mit Satz 3 der Vorschrift in Betracht: Hat der Rehabilitationsträger eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und beschaffen sich Leistungsberechtigte nach Ablauf der Frist eine erforderliche Leistung selbst, so ist der zuständige Rehabilitationsträger unter Beachtung der Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit zur Erstattung der Aufwendungen verpflichtet. Stehen – wie im vorliegenden Fall – die begehrten Leistungen im Ermessen des zuständigen Trägers, so sind die Voraussetzungen für einen Erstattungsanspruch nicht bereits dann gegeben, wenn der ablehnende Bescheid an einem Fehler leidet, der einen Anspruch des Antragstellers auf Aufhebung des ablehnenden Bescheides sowie auf Neubescheidung nach sich zieht. Vielmehr setzt ein Kostenerstattungsanspruch für eine Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben einen entsprechenden Primäranspruch voraus und erfordert daher bei im Ermessen des Leistungsträgers stehenden Leistungen zusätzlich zur Erfüllung aller tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Ermessensreduzierung auf Null (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 22. Juli 2014 – L 11 R 2652/13, juris). Mögliche Ermessensfehler unterhalb dieser Schwelle sind für den Kostenerstattungsanspruch rechtlich ohne Bedeutung (vgl. Bayerisches LSG, Beschluss vom 11. Februar 2014 – L 7 AS 86/14 B ER, juris). Mit anderen Worten: Es kommt nicht darauf an, ob – wozu die Klägerin ausführlich vorträgt – die Ablehnungsentscheidung der Beklagten ermessensfehlerhaft war. Vielmehr kann ihre Klage nur Erfolg haben, wenn jede andere Entscheidung als die Bewilligung ermessensfehlerhaft gewesen wäre (sog. Ermessensreduzierung auf Null).

Im vorliegenden Fall lag jedenfalls eine solche Ermessensreduzierung nicht vor.

Als Grundlage eines möglichen Primäranspruchs kam allein § 77 des Dritten Buches Spzialgesetzbuch (SGB III) in der bis zum 31. März 2012 geltenden Fassung (a.F.) in Betracht. Nach § 77 Abs. 1 Satz 1 SGB III a.F. konnten Arbeitnehmer bei beruflicher Weiterbildung durch Übernahme der Weiterbildungskosten gefördert werden, wenn 1. die Weiterbildung notwendig war, um sie bei Arbeitslosigkeit beruflich einzugliedern, eine ihnen drohende Arbeitslosigkeit abzuwenden oder weil bei ihnen wegen fehlenden Berufsabschlusses die Notwendigkeit der Weiterbildung anerkannt war, 2. vor Beginn der Teilnahme eine Beratung durch die Agentur für Arbeit erfolgt war und 3. die Maßnahme und der Träger der Maßnahme für die Förderung zugelassen waren.

Der Senat geht hierbei zugunsten der Klägerin davon aus, dass es sich bei der Maßnahmen, deren Kosten die Klägerin erstattet verlangt, um eine Maßnahme zur beruflichen Weiterbildung und nicht um eine Berufsausbildung im Sinne von § 56 Abs. 1 SGB III (zur Abgrenzung BSG, Urteil vom 29. Januar 2008 – B 7/7a AL 68/06 R = SozR 4–4300 § 60 Nr. 1) gehandelt hat.

Der Senat geht weiter zugunsten der Klägerin davon aus, dass die – im Rahmen der Prüfung von § 77 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB III a.F. auf Tatbestandsseite zu treffende (vgl. dazu Hengelhaupt in: Hauck/Noftz, SGB III, § 81 Rn. 90; Hassel in: Brand, SGB III, 6. Aufl. 2012, § 81 Rn. 11) – Beschäftigungsprognose der Beklagten unter Zugrundelegung der vom Bundesozialgericht (vgl. Urteil vom 11. Mai 2000 – B 7 AL 18/99 R, SozR 3-4100 § 36 Nr. 5 m.w.N.) entwickelten Grundsätze als widerlegt anzusehen ist, denn die Versicherte hat nach Abschluss der Weiterbildung eine Arbeit als Masseurin und medizinische Bademeisterin in einer Reha-Klinik angetreten.

Selbst bei Vorliegen aller tatbestandlicher Voraussetzungen stellte § 77 Abs. 1 Satz 1 SGB III a.F. (wie auch die aktuelle Vorschrift in § 81 Abs. 1 Satz 1 SGB III in der derzeit geltenden Fassung) die Leistung in das Ermessen der Beklagten (vgl. nur LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 5. November 2010 – L 19 AS 1684/10 B, juris). Die Beklagte hat ihr Ermessen – wie es in § 39 Abs. 1 Satz 1 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch (SGB I) vorgesehen ist – entsprechend dem Regelungszweck und den gesetzlichen Ermessensgrenzen auszuüben. Relevante Gesichtspunkte der Ermessensabwägung sind die individuelle Situation des Arbeitnehmers – insbesondere die Relation zwischen dem bisherigen Berufsverlauf und dem Weiterbildungswunsch (LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 11. März 2013 – L 2 AS 377/13 B ER, L 2 AS 378/13 B, juris) – die Aufnahmefähigkeit des Arbeitsmarktes, der anhand der Ergebnisse der Beratungs- und Vermittlungsgespräche ermittelten arbeitsmarktpolitische Handlungsbedarf, der Gleichbehandlungsgrundsatz und der Umstand, ob Vermittlungs- und Eigenbemühungen über einen angemessenen Zeitraum erfolglos waren (Hassel in: Brand, SGB III, 6. Aufl. 2012, § 81 Rn. 7; Reichel in: jurisPK-SGB III, 2014, § 81 SGB III Rn. 79), wobei ein Abstellen auf die Kriterien der Mittelbewirtschaftung zulässig ist (LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 29. Januar 2007 – L 1 AL 27/05; Reichel, a.a.O.).

Eine Ermessensreduzierung auf Null setzt nach allgemeinen Kriterien voraus, dass nach dem festgestellten Sachverhalt das Vorliegen von Umständen ausgeschlossen ist, die eine anderweitige Ausübung des Ermessens rechtsfehlerfrei zulassen (BSG, Urteil vom 4. Februar 1988 – 11 RAr 26/87, SozR 1300 § 45 Nr. 34). Sie liegt somit vor, wenn jede andere Entscheidung sich zwingend als ermessensfehlerhaft und damit rechtswidrig darstellen würde (speziell zu beruflichen Weiterbildungsmaßnahmen Hessisches LSG, Beschluss vom 5. April 2012 – L 7 AS 46/12 B ER, L 7 AS 47/12 B, juris; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 5. Juli 2010 – L 6 AS 842/10 B, juris; allgemein etwa Just in: Hauck/Noftz, SGB I, § 39 Rn. 18). Auf den Anspruch nach § 77 Abs. 1 SGB III a.F. übertragen bedeutet dies, dass es sich bei der angestrebten Weiterbildung um die einzige Maßnahme handelt, mit der eine dauerhafte berufliche Wiedereingliederung erreicht werden könnte (LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 13. Oktober 2011 – L 14 AL 174/11 B ER, juris) und eine – gemäß § 4 Abs. 2 SGB III vorrangige – Vermittlung in Arbeit als ausgeschlossen oder zumindest als in besonderem Maße erschwert zu gelten hat, etwa weil gesundheitliche Einschränkungen oder andere wesentliche Vermittlungshindernisse vorliegen (vgl. Hessisches LSG, a.a.O.).

Diese Voraussetzungen waren im vorliegenden Fall nicht erfüllt. Zwar spricht – nicht nur aus Sicht der Versicherten, sondern auch bei objektiver Betrachtungsweise – im vorliegenden Fall viel dafür, dass die auf eigene Kosten unternommene Weiterbildung sinnvoll und zielführend war. Dies allein genügt jedoch nicht, um eine Ermessensreduzierung auf Null und somit den erforderlichen Primäranspruch zu begründen. Insbesondere steht nicht fest, dass der Vorschlag der Beklagten – eine Ausbildung zur Gesundheits- und Pflegeassistentin – so erheblich schlechter geeignet gewesen wären, dass sie bei verständiger Betrachtung außer Betracht hätten bleiben müssen. In diesem Zusammenhang führte die (mit Bescheid der Freien und Hansestadt Hamburg – Behörde für Soziales, Familie, Gesundheit und Verbraucherschutz – vom 16. März 2009 erfolgte) Anrechnung bestimmter Ausbildungszeiten nicht zu einer Ermessensreduzierung auf Null, denn eine derartige Anrechnung wäre – wie sich aus § 15 der Hamburgischen Ausbildungs- und Prüfungsordnung für die Gesundheits- und Pflegeassistenz (vom 17. April 2007, HmbGVBl. 2007, 143) ergibt – zumindest grundsätzlich auch im Rahmen der von der Beklagten vorgeschlagenen Ausbildung in Betracht gekommen. Die Klägerin kann sich in diesem Zusammenhang auch nicht auf die Einschätzung seitens der Firma F. GmbH berufen, denn hieraus ergibt sich lediglich, dass sich die Versicherte offenbar frühzeitig auf den Beruf einer Masseurin und medizinischen Bademeisterin festgelegt hatte. Eine Empfehlung seitens der Firma F. GmbH für diesen Beruf bzw. gegen eine Tätigkeit im Bereich Pflege ergibt sich hieraus nicht. Soweit sich die Klägerin in diesem Zusammenhang darauf beruft, die entsprechenden Alternativvorschläge seitens der Beklagten seien nicht in der notwendigen Form erfolgt, ist kein normativer Anhaltspunkt für diese Sichtweise erkennbar.

Es ist auch nicht ersichtlich, dass die Versicherte aus gesundheitlichen Gründen auf den gewählten Beruf beschränkt gewesen wäre. Aus dem im Berufungsverfahren eingeholten Befundbericht des behandelnden Orthopäden Dr. C. ergibt sich, dass die Versicherte zu Beginn des Jahres 2007 mehrfach aufgrund von Schmerzen der Lendenwirbelsäule in fachärztlicher Behandlung gewesen war (wobei die letzte Vorstellung in engerem zeitlichen Zusammenhang offenbar am 17. April 2007 stattgefunden hatte). Die nächste und zugleich letzte Vorstellung erfolgte am 5. Februar 2009, als die Versicherte – nachdem sie (nach eigenen Angaben) bei einem Umzug geholfen hatte – über Schmerzen im Bereich der Lendenwirbelsäule ohne neurologische Ausfallssymptomatik klagte. Behandelt wurde dies durch Medikation mit Ibuprofen, außerdem wurde Arbeitsunfähigkeit für zwei Tage festgestellt. Die vorgesehene Wiedervorstellung zur Kontrolle erfolgte offenbar nicht. Die behandelnden Allgemeinmediziner Dres. H., K. und M1 berichten für die Zeit vor der im August 2013 diagnostizierten Krebserkrankung im Wesentlichen von kurzen Infekten und seelischen Störungen. Die seinerzeit behandelnden Gynäkologen waren für das Gericht nicht erreichbar. Aus diesem Gesamtbild ergibt sich kein Gesundheitszustand, der einerseits dem – mit nicht unerheblichen körperlichen Belastungen verbundenen – Beruf der Masseurin und medizinischen Bademeisterin nicht entgegen gestanden, andererseits aber gerade die Mehrbelastung, der eine Gesundheits- und Pflegeassistentin ausgesetzt ist, ausgeschlossen hätte.

Was den Umstand angeht, dass die Versicherte nach Abschluss der selbstbeschafften Maßnahme einen Arbeitsplatz im erlernten Beruf gefunden hatte, so kann dahinstehen, ob bzw. inwieweit die vom Bundessozialgericht für Prognoseentscheidungen auf der Tatbestandsebene von § 77 SGB III a.F. entwickelten Grundsätze zur Widerlegung der Entscheidung durch spätere Entwicklungen (vgl. BSG, Urteil vom 11. Mai 2000 – B 7 AL 18/99 R, SozR 3-4100 § 36 Nr. 5) auch für die auf Rechtsfolgenebene angesiedelte Ermessensausübung durch die Behörde gelten können. Denn auch unter Berücksichtigung dessen, dass die Versicherte im Anschluss an die Weiterbildung eine Arbeit als Masseurin und medizinische Bademeisterin gefunden hatte, stellte sich die Weiterbildungsmaßnahme nicht als die einzig denkbare Maßnahme dar, mit der eine dauerhafte berufliche Wiedereingliederung erreicht werden konnte. Da die Entscheidung über eine Förderung nach § 77 SGB III a.F. unabhängig von einem konkreten Arbeitsplatz zu treffen war, begründet selbst eine Einstellungszusage für den Fall der erfolgreichen Weiterbildung keine Ermessensreduzierung auf Null (aus neuerer Zeit Sächsisches LSG, Beschluss vom 26. Oktober 2012 – L 3 AS 678/12 B ER, juris).

Somit ist zusammenfassend festzustellen, dass jedenfalls keine Ermessensreduzierung auf Null vorlag und der in § 15 Abs. 1 Satz 4 zweite Alternative SGB IX in Verbindung mit § 15 Abs. 1 Satz 3 SGB IX vorausgesetzte Primäranspruch nicht bestand.

Zumindest sehr zweifelhaft ist weiterhin die in § 15 Abs. 1 Satz 4 zweite Alternative SGB IX vorausgesetzte Kausalbeziehung zwischen der – hier frühestens mündlich am 14. Mai 2009 erfolgten – Ablehnung des Antrags der Versicherten einerseits und der Selbstbeschaffung andererseits. In den Akten der Beklagten findet sich ein Schreiben der M. vom 21. April 2009, wonach die Versicherte in den Kurs 10/2009 aufgenommen werden solle und dementsprechend den beigefügten Ausbildungsvertrag bis zum 14. Mai 2009 zurücksenden möge. Die Versicherte hat – nach ihrem eigenen Vorbringen im sozialgerichtlichen Eilverfahren (Az. S 47 AL 511/09 ER) – im Rahmen einer persönlichen Vorsprache bei der Beklagten am 8. Mai 2005 darauf hingewiesen, dass sie sich zum 1. Oktober 2009 bei der D. Schule angemeldet habe. Somit wäre aber auch die mündliche Ablehnung nicht kausal für den Abschluss desjenigen Vertrages gewesen, aufgrund dessen die Selbstbeschaffung erfolgt ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Zwar erscheint der Vortrag der Klägerin, sie sei Sonderrechtsnachfolgerin (§ 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB I) der Versicherten, angesichts unterschiedlicher Adressen zweifelhaft, jedoch steht der Klägerin, die das Verfahren erst in der Berufungsinstanz aufgenommen hat, das Kostenprivileg des § 183 Satz 2SGG zur Seite.

Gründe für eine Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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