Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
Thüringer LSG
Sachgebiet
Pflegeversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Gotha (FST)
Aktenzeichen
S 16 P 2647/09
Datum
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
L 6 P 1474/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Gotha vom 23. September 2010 wird zurückgewiesen. Die Klage wird abgewiesen. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Weitergewährung von Leistungen der sozialen Pflegeversi-cherung nach der Pflegestufe I über den 30. November 2008 hinaus.
Der am 1974 geborene Kläger erkrankte im Alter von 8 Wochen an einer schweren Hirn-hautentzündung und ist seitdem geistig behindert. Über einen Zeitraum von zehn Jahren wurde er in einer Fördereinrichtung betreut. Seit dem 14. Lebensjahr arbeitete er in unterschiedlichen Behindertenwerkstätten. Am 7. September 1993 wurde der Kläger vom MDK erstmalig begutachtet und dabei Schwerpflegebedürftigkeit festgestellt. Ab dem 2. August 1993 erhielt er Pflegegeld.
Mit Einführung der sozialen Pflegeversicherung im Jahr 1995 wurden die Leistungen nach dem Fünften Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) entsprechend der gesetzlich definierten pauschalen Übernahme ohne erneute Prüfung gemäß dem Elften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XI) den neuen Pflegestufen zugeordnet. Der Kläger erhielt daraufhin ab 1. April 1995 Leistungen der Pflegestufe II.
Im Rahmen einer Wiederholungsbegutachtung wurde der Kläger vom MDK am 20. Januar 1998 begutachtet. Als pflegebegründende Diagnose wurde eine Oligophrenie (geistige Ent-wicklungsstörung mit angeborenem oder früh erworbenem Intelligenztiefstand) vom Grad der Debilität (leichter Grad von Intelligenztiefstand) benannt. Nach Erhebung der gutachterlichen Befunde zeigte sich eine positive Entwicklung und zunehmende Selbständigkeit des Klägers durch die Fördermaßnahmen, einschließlich der Werkstattbetreuung. Im Bereich der Körperpflege wurde ein Pflegebedarf von 45 Minuten pro Tag und im Bereich der Mobilität beim An- und Entkleiden von 10 Minuten pro Tag sowie ein wöchentlicher Hilfebedarf bei der Hauswirtschaft von 315 Minuten festgestellt. Daraufhin wurden dem Kläger mit Bescheid vom 3. Februar 1998 ab dem 1. Januar 1998 nur noch Leistungen der Pflegestufe I gewährt.
Am 9. Juli 2001 wurde der Kläger im Rahmen einer Wiederholungsbegutachtung vom der e.V. (MDK) begutachtet. Als pflegebegründende Diagnose wurde wiederum die Oligophrenie angegeben und ein Grundpflegebedarf von 19 Minuten täglich festgestellt, wobei auf den Bereich der Körperpflege 12 Minuten und auf den Bereich der Mobilität 7 Minuten entfielen. Für den hauswirtschaftlichen Bereich wurde ein Bedarf von 60 Minuten gesehen. Der MDK konnte keine Änderung des Hilfebedarfes im Vergleich zum Vorgutachten im Januar 1998 feststellen. Der Zeitaufwand sei bei ausschließlicher notwendiger Anleitung und abschließender Kontrolle bezüglich der korrekten Durchführung im Gegensatz zum Vorgutachten niedriger anzusetzen.
Daraufhin änderte die Beklagte mit Bescheid vom 24. August 2001 den Bescheid vom 3. Februar 1998 und gewährte dem Kläger ab dem 1. September 2001 keine Leistungen der Pflege-versicherung mehr. Dem dagegen eingelegten Widerspruch wurde nach nochmaliger Begut-achtung durch den MDK mit Bescheid vom 6. November 2001 abgeholfen, da der Hilfebedarf im Vergleich zum Vorgutachten qualitativ unverändert gewesen sei. Mit Bescheid vom 11. Januar 2002 stellte die Beklagte die Pflegegeldleistungen auf Euro-Beträge um. Dieser Bescheid findet sich nicht in der Behördenakte.
Im Rahmen einer Wiederholungsbegutachtung stellte der MDK aufgrund der Untersuchung des Klägers vom 27. Oktober 2008 bei unverändert bestehender pflegebegründender Diagnose fest, dass kein Hilfebedarf mehr in der Grundpflege, jedoch ein Bedarf im hauswirtschaftlichen Bereich im Umfang von 34 Minuten vorliegt. Mit Bescheid vom 18. November 2008 hob die Beklagte daraufhin ihren Bescheid vom 11. Januar 2002 auf und teilte dem Kläger mit, dass die Leistungen zur Pflegeversicherung mit Ablauf des 30. November 2008 enden, da die Kriterien der Pflegestufe I nicht mehr erfüllt seien.
Hiergegen legte der Kläger mit Schreiben vom 15. Dezember 2008 Widerspruch ein. Zur Be-gründung ließ er über seinen Bevollmächtigten vortragen, dass er bereits vor Einführung der Pflegeversicherung Leistungen bezogen habe und diese nicht ohne Weiteres abgeändert werden dürften. Sein Gesundheitszustand habe sich nicht gebessert. Mit Schreiben vom 23. Februar 2009 erläuterte die Beklagte nochmals die Sach- und Rechtslage und gab dem Kläger Gelegenheit zur Stellungnahme. Mit Widerspruchsbescheid vom 30. April 2009 wies sie den Widerspruch zurück. Da der Hilfebedarf nicht streitig sei, habe sie auf ein Zweitgutachten verzichtet. Die tatsächlichen Verhältnisse hätten sich im Vergleich zur letzten Begutachtung vom 9. Juli 2001 und 20. Januar 1998 geändert, da der Kläger die Grundpflege selbst bewältigen könne. Der Bestandsschutz gelte nur für Einschätzungen, bei denen der Hilfebedarf gleich bleibe und sich die Beurteilung durch Veränderung der Richtlinie ändere. Diese treffe hier nicht zu. Deshalb sei auch die im Jahre 1998 erfolgte Rückstufung von der Pflegestufe II in die Pflegestufe I zu Recht erfolgt.
Der Kläger hat am 25. Mai 2009 vor dem Sozialgericht Gotha (SG) Klage erhoben und geltend gemacht, dass eine Abänderung der Einstufung aufgrund der gesetzlichen pauschalen Übernahme nach Artikel 45 Abs. l des Pflegeversicherungsgesetzes (PflegeVG) aller bisher Schwerpflegebedürftigen in die Pflegestufe II aufgrund des Gesetzestextes nicht möglich sei. Zudem bestehe sein heutiger Zustand unverändert seit dem 1. April 1995 fort. An seinem Ge-sundheitszustand habe sich nichts geändert. Aus diesem Grund greife der § 48 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) nicht. Eine Herabstufung wegen von Anfang an zu günstiger Einstufung komme nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) schon aus Rechtsgründen nicht in Betracht (Urteil vom 13.03.2001 - Az.: B 3 P 20/00 P). Die Nah-rungsaufnahme und die Körperpflege könnten nur eingeschränkt eigenständig erfolgen. Eine ständige Aufsicht und Kontrolle durch die Mutter und den Stiefvater sei nach wie vor geboten. Es werde zugestanden, dass sich durch das ständige Training und den regelmäßig gleichbleibenden Tagesablauf in einer gefestigten Umgebung in der Wohnung und in der Behindertenwerkstatt eine Routine entwickle. Er könne jedoch nur bedingt abstrakt denken und habe in der konstruktiven Praxis leichte Schwächen.
Die Beklagte ist dem entgegen getreten, da für die Herabstufung ein verringerter Hilfebedarf des Klägers im Vergleich zum Vorgutachten maßgeblich sei. Damit sei eine Änderung der tatsächlichen Verhältnisse eingetreten. Die Voraussetzungen des § 48 SGB X zur Aufhebung des die Pflegestufe I gewährenden Bescheids vom 3. Februar 1998 seien erfüllt. Bereits die Herabsetzung zum 1. Januar 1998 sei rechtmäßig gewesen, da sich der Hilfebedarf des Klägers geändert habe. Auch bei der Nachbegutachtung am 27. Oktober 2008 sei festgestellt worden, dass für den Kläger aufgrund der fortschreitenden Selbständigkeit, bestätigt durch eigene Angaben und Angaben der Mutter des Klägers, kein Hilfebedarf im Bereich der Grundpflege mehr bestehe. Im Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung habe sich der Hilfebedarf deutlich verringert. Bei dem Bescheid vom 11. Januar 2002 habe es sich lediglich um eine Mitteilung über die mit der Einführung des Euro zusammenhängende Währungsumstellung des Pflegegeldes gehandelt. Da diese Schreiben als Serienbriefe versandt worden seien, habe man auf die Erstellung von Kopien verzichtet.
Das SG hat, nachdem der Kläger mitgeteilt hat, dass er keine Ärzte mehr aufgesucht hat, ohne Erfolg versucht, bei den Behindertenwerkstätten, in denen der Kläger tätig war, medizinische Unterlagen oder Gutachten beizuziehen. Auch die Beklagte konnte aus den vorliegenden Ar-chivdaten keine behandelnden Ärzte feststellen. Daraufhin hat das SG ein Pflegegutachten durch die Pflegefachkraft W. erstellen lassen. Diese hat in ihrem Gutachten vom 6. Juli 2010 aufgrund der in häuslicher Umgebung durchgeführten Untersuchung keinen Grundpflegebedarf, jedoch im Rahmen der hauswirtschaftlichen Versorgung einen Hilfebedarf von 33 Minuten täglich festgestellt. Trotz der Entwicklungsverzögerung und des Intelligenztiefstandes des Klägers verfüge dieser über eine Selbstpflegekompetenz, die unterhalb des definierten Begriffes der erheblichen Pflegebedürftigkeit liege. Die Auswirkungen der Behinderungen auf die täglich wiederkehrenden Verrichtungen im Bereich der Körperpflege, Ernährung und Mobilität habe sich signifikant verändert. Auch der ehemals notwendige Anleitungs- und Beaufsichtigungsbedarf sowie die Durchführungskontrollen im Rahmen der Körperpflege, Ernährung und im Bereich des Bekleidens seien nicht mehr erforderlich. Die Verbesserung des Gesundheitszustandes liege mindestens seit Oktober 2008 vor.
Das SG hat sodann die ausweislich des in der mündlichen Verhandlung gestellten Antrags auf Aufhebung des Bescheids vom 18. November 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30. April 2009 gerichtete Klage mit Urteil vom 23. September 2010 abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, dass in den tatsächlichen Verhältnissen eine wesentliche Änderung eingetreten sei, da der Grundpflegebedarf des Klägers nicht mehr die Voraussetzungen für die Pflegestufe I erfülle. Der Pflegebedarf sei ausweislich des Sachverständigengutachtens inzwischen weggefallen, da der Kläger nunmehr keinen Anleitungs- und Beaufsichtigungsbedarf sowie keine Durchführungskontrollen mehr benötige. Auch im Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung habe sich der Hilfebedarf verringert. Entgegen der Auffassung des Klägers seien nach den Pflegerichtlinien für die Bestimmung des Hilfebedarfs nicht nur das Vorliegen einer Erkrankung, sondern auch deren Auswirkungen maßgeblich. Im Übrigen seien die Ausführungen der gerichtlichen Sachverständigen eindeutig und nachvollziehbar. Da der Kläger auch nicht mehr ärztlich behandelt worden sei, bestünden keine Anhaltspunkte für Zweifel an der wesentlichen Änderung des Hilfebedarfs.
Gegen das seinem Bevollmächtigten am 25. Oktober 2010 zugestellte Urteil hat der Kläger am 18. November 2010 Berufung eingelegt und zur Begründung geltend gemacht, dass die eingetretene Routine nicht bei der Beurteilung der Pflegebedürftigkeit berücksichtigt werden dürfe, da sich dies ändere, sobald er aus dem gewohnten Alltag heraus sei. Da sich sein Krankheitsbild seit der Einführung der Pflegeversicherung nicht gebessert habe, habe er nach wie vor Anspruch auf Leistungen nach der Pflegestufe II, hilfsweise nach der Pflegstufe I.
Der Kläger beantragt ausdrücklich, das Urteil des Sozialgerichts Gotha vom 23. September 2010 und den Bescheid der Beklagten vom 18. November 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30. April 2009 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm Leistungen nach der Pflegestufe II, hilfsweise nach der Pflegestufe I zu gewähren.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Sie ist der Auffassung, dass sich der pflegestufenrelevante Hilfebedarf des Klägers zwischen 1998 und 2008 wesentlich verändert habe, so dass der Bescheid vom 3. Februar 1998 habe aufgehoben werden können.
Die Beteiligten haben mit Schriftsätzen vom 12. Dezember 2013 (Kläger) sowie vom 3. Januar 2014 (Beklagte) ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird im Übrigen auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakte, die Gegenstand der geheimen Beratung waren, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die frist- und formgerecht eingelegte Berufung, über die der Senat im Einverständnis der Be-teiligten nach § 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) ohne Durchführung einer münd-lichen Verhandlung durch Urteil entscheidet, ist hinsichtlich des Anfechtungsbegehrens zulässig. Sie ist jedoch insoweit nicht begründet, weil die Anfechtungsklage des Klägers unbegründet ist.
Hinsichtlich des erstmals mit der Berufung geltend gemachten Leistungsbegehrens handelt es sich zum einen um eine Klage, die jedoch bereits unzulässig ist, da hierfür kein Rechtsschutzbedürfnis besteht. Bezüglich der begehrten Zuerkennung der Pflegestufe II fehlt es einerseits an einer den Kläger beschwerenden ablehnenden erstinstanzlichen Entscheidung. Soweit er dabei den Rückstufungsbescheid der Beklagten vom 3. Februar 1998 in Bezug nimmt, ist dieser andererseits hinsichtlich seines noch geltenden Rückstufungsteils bestandskräftig und hätte zunächst mit einem Antrag an die Beklagte nach § 44 SGB X zur Überprüfung gestellt werden müssen. Die entsprechenden Ausführungen im Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 30. April 2009 sind jedenfalls nicht als gesonderte Überprüfungsentscheidung zu werten, zumal der Kläger diesbezüglich im erstinstanzlichen Verfahren auch keinen entsprechenden Antrag gestellt hat.
Soweit der Kläger zum anderen hilfsweise die Zuerkennung der Pflegestufe I begehrt, ist dieses Begehren unzulässig, weil überflüssig, da bei einem Erfolg des zulässigen Anfechtungsbegehrens der die Pflegstufe I letztmalig zuerkennende Verwaltungsakt vom 6. November 2001 wieder aufleben und der Kläger weiterhin Leistungen nach der Pflegestufe I erhalten würde.
Die Anfechtungsklage ist jedoch unbegründet, da der Bescheid der Beklagten vom 18. November 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30. April 2009 rechtmäßig ist und den Kläger nicht in seinen Rechten verletzt. Die Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 SGB X liegen im Ergebnis vor.
Nach § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei dem Erlass des Ver-waltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Zu vergleichen sind nach § 48 Abs. 1 SGB X stets die zum Zeitpunkt des Widerrufs bestehenden tatsächlichen Verhältnisse mit jenen, die zum Zeitpunkt der letzten Leistungsbewilligung, bei der die Anspruchsvoraussetzungen vollständig geprüft worden sind, vorhanden gewesen sind.
Die maßgebende, weil letzte Leistungsbewilligung ist nicht, wie im angefochtenen Aufhe-bungsbescheid genannt, mit Bescheid vom 11. Januar 2002 erfolgt. Der Bescheid ist zwar nicht mehr in der Behördenakte vorhanden, der Senat hat jedoch angesichts des Vortrags der Beklagten keinerlei Zweifel daran, dass sich dieser Bescheid in der Umstellung der DM- auf Eurobeträge erschöpfte und hinsichtlich des Vorliegens der Voraussetzungen der Leistungsbewilligung keine erneute Prüfung enthielt. Damit erweist sich die Anfechtung des Bescheids vom 18. November 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30. April 2009 als gegenstandslos, weil ins Leere gehend, soweit die Beklagte die Aufhebung des Bescheids vom 11. Januar 2002 verfügt hat; soweit die Beklagte es unterlassen hat, den Bescheid vom 6. November 2001 ausdrücklich aufzuheben, weil sie diesen nicht als maßgeblich erkannt hat, sind die hier angefochtenen Bescheide nicht schon aus diesem Grunde aufzuheben (vgl. BSG, Urteil vom 7. Juli 2005 - Az.: B 3 P 8/04 R, nach juris). Sie stellen sich nämlich als im Ergebnis rechtmäßig dar, weil die Rechtsgrundlage des § 48 Abs. 1 dafür aus anderen Gründen gegeben war, kein Ermessen auszuüben war und der aufgezeigte Begründungsfehler auch nicht zur Nichtigkeit der angefochtenen Bescheide führt (§ 40 SGB X). Die zunächst unterbliebene Anhörung des Klägers ist im Widerspruchsverfahren nachgeholt worden.
Der angefochtene Bescheid vom 18. November 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30. April 2009 enthält bei zutreffender Auslegung seines Inhalts die Anordnungen, die Bewilligung von Pflegegeld nach der Pflegestufe I wegen Unterschreitung der zeitlichen Untergrenze des § 15 Abs. 3 Nr. 1 des Elften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XI) ab 1. Dezember 2001 aufzuheben und die Zahlung des Pflegegeldes mit dem 30. November 2008 einzustellen. Damit erfassen die Verfügungssätze bei Berücksichtigung des erkennbaren Willens der Beklagten nicht den (Währungsumstellungs-)Bescheid vom 11. Januar 2002, sondern den maßgebenden Bescheid vom 6. November 2001. Dieser Bescheid ist konkludent zu Recht nach § 48 SGB X mit Wirkung ab 1. Dezember 2008 aufgehoben worden, weil im November 2008 eine wesentliche Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen im Vergleich zum Jahr 2001 eingetreten war.
Eine wesentliche Änderung bezüglich des zeitlichen Umfangs der Pflegebedürftigkeit des Klägers ist nämlich (spätestens) mit Wirkung zum 1. Dezember 2008 insoweit eingetreten, als der Kläger nach den vorliegenden Unterlagen zu diesem Zeitpunkt keinerlei täglichen Hilfebedarf in der Grundpflege mehr hatte.
Maßgebend ist die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Erlasses des Bescheids. Der hier angefochtene Bescheid der Beklagten hinsichtlich der Aufhebung der Pflegestufe I ist ein bereits vollzogener Verwaltungsakt ohne Dauerwirkung. Er erschöpft sich mit dem Entzug der vormals bewilligten Leistung; sein Vollzug wird trotz der Klage sofort wirksam, weil diese keine aufschiebende Wirkung hat (vgl. BSG, Urteil vom 20. April 1993 – Az.: 2 RU 52/92). Eine erst später eintretende Rechtsänderung oder eine tatsächliche Änderung hat daher keine Auswirkungen auf die Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit des Aufhebungsbescheides zum Zeitpunkt seines Erlasses.
Der Kläger hat zu dem im Berufungsverfahren danach allein streitgegenständlichen Zeitpunkt der Aufhebung des Bewilligungsbescheids vom 6. November 2001 im November 2008 keinen Anspruch mehr auf Leistungen der sozialen Pflegeversicherung nach der Pflegestufe I (erheblich Pflegebedürftige) nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB XI gehabt.
Für die Gewährung von Leistungen des SGB XI sind gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 SGB XI pfle-gebedürftige Personen, die wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens auf Dauer, voraussichtlich für mindestens sechs Monate, in erheblichem oder höherem Maße (§ 15 SGB XI) der Hilfe bedürfen (vgl. § 14 Abs. 1 SGB XI), einer von drei Pflegestufen zuzuordnen. Pflegebedürftige der Stufe I (erheblich Pflegebedürftige) sind Personen, die bei der Körperpflege, der Ernährung oder der Mobilität für wenigstens zwei Verrichtungen aus einem oder mehreren Bereichen mindestens einmal täglich der Hilfe bedürfen und zusätzlich mehrfach in der Woche Hilfen bei der hauswirtschaftlichen Versorgung benötigen (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. SGB XI). Der Zeitaufwand, den ein Familienangehöriger oder andere nicht als Pflegekraft ausgebildete Pflegepersonen für die erforderlichen Leistungen der Grundpflege und hauswirtschaftlichen Versorgung benötigt, muss wöchentlich im Tagesdurchschnitt mindestens 90 Minuten betragen; hierbei müssen auf die Grundpflege mehr als 45 Minuten entfallen (§ 15 Abs. 3 Nr. 1 SGB XI). In der Pflegestufe II sind es mindestens drei Stunden, wobei auf die Grundpflege mindestens zwei Stunden (= 120 Minuten) entfallen muss (§ 15 Abs. 3 Nr. 2 SGB XI). Leistungen nach der Pflegestufe III erhalten Personen, welche die pflegerischen und zeitlichen Voraussetzungen des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 sowie Abs. 3 Nr. 3 SGB XI erfüllen (§§ 36 Abs. 3 Nr. 3, 37 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 SGB XI). Schwerstpflegebedürftige sind demnach Personen, die Hilfe bei der Körperpflege, der Ernährung und/oder der Mobilität (§ 14 Abs. 4 Nrn. 1 bis 3 SGB XI - sogenannte Grund-pflege) täglich rund um die Uhr, auch nachts, und zusätzlich mehrfach in der Woche bei der hauswirtschaftlichen Versorgung (§ 14 Abs. 4 Nr. 4 SGB XI) benötigen; der gesamte Pflegebedarf muss mindestens fünf Stunden (= 300 Minuten), die Grundpflege davon mindestens vier Stunden (= 240 Minuten) betragen.
Der zeitliche Umfang der notwendigen Hilfe ist, weil naturwissenschaftliche Erkenntnismög-lichkeiten, die eine exakte Bemessung des Zeitbedarfes für einzelne Verrichtungen ermöglichen könnten, in der Regel nicht existieren und standardisierte Zeiten oder Erfahrungswerte im Hinblick auf die jeweiligen individuellen Verhältnisse allenfalls einen Anhaltspunkt zur Ermittlung des Zeitaufwandes geben können, durch Schätzung entsprechend § 287 der Zivilprozessordnung (ZPO) an Hand der zur Verfügung stehenden medizinischen Feststellungen (z.B. Begutachtungsergebnisse medizinisch-pflegerischer Sachverständiger) zu bestimmen (vgl. BSG, Urteil vom 14. Dezember 1994 - Az.: 3 RK 9/94, in SozR 3 – 2500 § 53 Nr. 7; Senatsurteile vom 28. Februar 2001 – Az.: L 6 P 249/99, 24. Januar 2001 – Az.: L 6 P 348/00 und 20. Dezember 2000 – Az.: L 6 P 552/99).
Dabei orientiert sich der Senat an den Zeitvorgaben der Richtlinien der Spitzenverbände der Pflegekassen zur Begutachtung von Pflegebedürftigkeit nach dem XI. Buch des Sozialgesetz-buches – BRi (Begutachtungsrichtlinien – BRi) in der für den hier maßgeblichen Zeitpunkt im November 2008 gültigen Fassung vom 11. Mai 2006, hier Abschnitt F "Orientierungswerte zur Pflegezeitbemessung für die in § 14 SGB X genannten Verrichtungen der Grundpflege", ohne letztlich daran gebunden zu sein (vgl. BSG, Urteil vom 31. August 2000 - Az.: B 3 P 14/99 R, in Breithaupt 2001, S. 120 ff.).
Unter Beachtung dieser Vorgaben ergibt sich im Falle des Klägers, dass für den streitgegen-ständlichen Zeitpunkt im November 2008 die Voraussetzungen für das Fortbestehen eines Anspruchs auf Leistungen der sozialen Pflegeversicherung nach der Pflegestufe I (erheblich Pflegebedürftige) nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB XI nicht mehr vorlagen.
Insoweit verweist der Senat nach § 153 Abs. 2 SGG auf die Entscheidungsgründe des ange-fochtenen Urteils des SG und schließt sich den zutreffenden Ausführungen an. Zum Beru-fungsvorbringen des Klägers ist ergänzend auszuführen, dass zum einen die Auffassung, die eingetretene Routine dürfe nicht bei der Beurteilung der Pflegebedürftigkeit berücksichtigt werden, als fehlerhaft zu bezeichnen ist. Zu beurteilen ist vielmehr der tatsächliche Umfang der Pflegebedürftigkeit in der konkreten Lebenssituation des Versicherten. Hypothetische Überlegungen, wie sie der Kläger anstellt, indem er einwendet, dass sich der Umfang der Pflegebedürftigkeit ändere wenn er den gewohnten Alltag verlasse, sind für die Beurteilung dagegen ohne Belang.
Zum anderen hat sich der Pflegeaufwand entgegen der Ansicht des Klägers im Vergleich zur letzten Feststellung des Umfangs der Pflegebedürftigkeit im Jahr 2001 und dessen Bestätigung durch den Bescheid vom 6. November 2001 auch wesentlich geändert.
Unberücksichtigt kann hierbei der Umstand bleiben, dass der Pflegeaufwand bei der Herab-stufung von der Pflegestufe II in die Pflegestufe I im Jahr 1998 gegebenenfalls aufgrund feh-lerhafter Bewertung immer noch, wie im MDK-Gutachten vom 9. Juli 2001 beschrieben, zu hoch bemessen worden sein könnte, so dass dem Kläger bereits damals die Pflegestufe vollständig hätte entzogen werden müssen. Dies hat sich im Ergebnis zugunsten des Klägers nicht ausgewirkt, da sich die Beklagte damals laut Abhilfebescheid vom 6. November 2001 aufgrund der fehlenden qualitativen Änderung des Hilfebedarfs letztlich gehindert sah, den Bescheid vom 3. Februar 1998 aufzuheben. Auf die nunmehr eingetretene Änderung des Umfangs des Pflegebedarfs hat dieser Vertrauensschutz jedoch keine Auswirkungen mehr, da der Begünstigte sowohl bei rechtmäßiger als auch bei rechtswidriger Leistungsbewilligung damit rechnen muss, dass eine Überprüfung des Leistungsbezug erfolgt, wobei es allerdings bei einer rechtswidrigen Leistungsbewilligung schwieriger ist, einen Maßstab zu finden, der eine Beurteilung erlaubt, ob eine Änderung "wesentlich" ist (so BSG, Urteil vom 7. Juli 2005, a.a.O.).
Während der Kläger zum Zeitpunkt der letzten Leistungsbewilligung am 6. November 2001 zumindest einen täglichen Grundpflegebedarf im Umfang von mindestens noch 19 Minuten täglich hatte, war zum Zeitpunkt der Nachbegutachtung im Oktober bzw. November 2008 kein Grundpflegebedarf mehr feststellbar. Diesbezüglich wird ebenfalls auf die Entscheidungsgründe des angefochtene Urteils des SG Bezug genommen, wo ausführlich und überzeugend unter Hinweis auf die zeitnah erstellten MDK-Gutachten sowie das eingeholte gerichtliche Sachverständigengutachten dargelegt wird, weshalb der Hilfebedarf im Bereich der Grundpflege gänzlich entfallen ist und sich der Hilfebedarf im hauswirtschaftlichen Bereich nahezu halbiert hat. Wie bereits erwähnt, folgt dem der Senat. Diese Änderung des Hilfebedarfs ist auch wesentlich, obwohl durch die Verringerung des Hilfebedarfs in der Grundpflege von 19 Minuten täglich auf null keine Pflegestufengrenze unterschritten wird. Jedoch erachtet der Senat den aus der eingetretenen Veränderung des Hilfebedarfs resultierenden gänzlichen Entfall des Grundpflegebedarfs des Klägers als wesentlich, da insoweit der ursprüngliche Anleitungs- und Beaufsichtigungsbedarf einschließlich der Durchführungskontrollen nicht mehr besteht und der Kläger somit zu einem eigenständigeren Leben in der gewohnten Umgebung in der Lage ist.
Vertrauensgesichtspunkte des Klägers sprechen im vorliegenden Fall nicht gegen den Entzug der Pflegestufe, da alle Umstände, deren Änderung geltend gemacht wird, aus den erlassenen Bescheiden als maßgeblich erkennbar sind. Dem Bescheid vom 6. November 2001 im Zu-sammenhang mit den vorangegangenen Begutachtungen und dem Bescheid vom 3. Februar 1998 war für den Kläger hinreichend deutlich zu entnehmen, dass für die Leistungsbewilligung der jeweilige Pflegebedarf entscheidend war. Dieser Pflegebedarf hat sich, auch für den Kläger aus der Begutachtung vom 27. Oktober 2008 und dem Aufhebungsbescheid vom 18. November 2008 deutlich erkennbar, wesentlich verringert. Wie vom BSG in der zitierten Entscheidung (Urteil vom 7. Juli 2005, a.a.O.) ausgeführt, kann sich ein Betroffener in Fällen der vorliegenden Art zudem nur dann auf Vertrauensschutz gemäß § 45 SGB X berufen, wenn ein Sachverständiger im Rahmen einer Wiederholungsbegutachtung (§ 18 Abs. 2 Satz 5 SGB XI) bei unverändertem Gesundheitszustand lediglich durch eine "strengere" Einschätzung des erforderlichen Hilfebedarfs zu dem Ergebnis gekommen ist, der Grundpflegebedarf liege nicht, wie zuvor angenommen, über der Zeitgrenze des § 15 Abs. 3 Nr. 1 SGB XI, sondern darunter. Beruht jedoch die Änderung des Hilfebedarfs auf einer Verbesserung des Allgemeinzustands des Betroffenen, ist für einen Vertrauensschutz nach § 45 SGB X kein Raum, weil dieser nur für die zum Zeitpunkt der Leistungsbewilligung maßgebenden und danach nicht oder nicht wesentlich geänderten Umstände gilt. Dies war beim Bescheid vom 6. November 2001 der Fall, nicht mehr jedoch beim streitgegenständlichen Bescheid vom 18. November 2008.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs.2 Nr.1, 2 SGG).
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Weitergewährung von Leistungen der sozialen Pflegeversi-cherung nach der Pflegestufe I über den 30. November 2008 hinaus.
Der am 1974 geborene Kläger erkrankte im Alter von 8 Wochen an einer schweren Hirn-hautentzündung und ist seitdem geistig behindert. Über einen Zeitraum von zehn Jahren wurde er in einer Fördereinrichtung betreut. Seit dem 14. Lebensjahr arbeitete er in unterschiedlichen Behindertenwerkstätten. Am 7. September 1993 wurde der Kläger vom MDK erstmalig begutachtet und dabei Schwerpflegebedürftigkeit festgestellt. Ab dem 2. August 1993 erhielt er Pflegegeld.
Mit Einführung der sozialen Pflegeversicherung im Jahr 1995 wurden die Leistungen nach dem Fünften Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) entsprechend der gesetzlich definierten pauschalen Übernahme ohne erneute Prüfung gemäß dem Elften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XI) den neuen Pflegestufen zugeordnet. Der Kläger erhielt daraufhin ab 1. April 1995 Leistungen der Pflegestufe II.
Im Rahmen einer Wiederholungsbegutachtung wurde der Kläger vom MDK am 20. Januar 1998 begutachtet. Als pflegebegründende Diagnose wurde eine Oligophrenie (geistige Ent-wicklungsstörung mit angeborenem oder früh erworbenem Intelligenztiefstand) vom Grad der Debilität (leichter Grad von Intelligenztiefstand) benannt. Nach Erhebung der gutachterlichen Befunde zeigte sich eine positive Entwicklung und zunehmende Selbständigkeit des Klägers durch die Fördermaßnahmen, einschließlich der Werkstattbetreuung. Im Bereich der Körperpflege wurde ein Pflegebedarf von 45 Minuten pro Tag und im Bereich der Mobilität beim An- und Entkleiden von 10 Minuten pro Tag sowie ein wöchentlicher Hilfebedarf bei der Hauswirtschaft von 315 Minuten festgestellt. Daraufhin wurden dem Kläger mit Bescheid vom 3. Februar 1998 ab dem 1. Januar 1998 nur noch Leistungen der Pflegestufe I gewährt.
Am 9. Juli 2001 wurde der Kläger im Rahmen einer Wiederholungsbegutachtung vom der e.V. (MDK) begutachtet. Als pflegebegründende Diagnose wurde wiederum die Oligophrenie angegeben und ein Grundpflegebedarf von 19 Minuten täglich festgestellt, wobei auf den Bereich der Körperpflege 12 Minuten und auf den Bereich der Mobilität 7 Minuten entfielen. Für den hauswirtschaftlichen Bereich wurde ein Bedarf von 60 Minuten gesehen. Der MDK konnte keine Änderung des Hilfebedarfes im Vergleich zum Vorgutachten im Januar 1998 feststellen. Der Zeitaufwand sei bei ausschließlicher notwendiger Anleitung und abschließender Kontrolle bezüglich der korrekten Durchführung im Gegensatz zum Vorgutachten niedriger anzusetzen.
Daraufhin änderte die Beklagte mit Bescheid vom 24. August 2001 den Bescheid vom 3. Februar 1998 und gewährte dem Kläger ab dem 1. September 2001 keine Leistungen der Pflege-versicherung mehr. Dem dagegen eingelegten Widerspruch wurde nach nochmaliger Begut-achtung durch den MDK mit Bescheid vom 6. November 2001 abgeholfen, da der Hilfebedarf im Vergleich zum Vorgutachten qualitativ unverändert gewesen sei. Mit Bescheid vom 11. Januar 2002 stellte die Beklagte die Pflegegeldleistungen auf Euro-Beträge um. Dieser Bescheid findet sich nicht in der Behördenakte.
Im Rahmen einer Wiederholungsbegutachtung stellte der MDK aufgrund der Untersuchung des Klägers vom 27. Oktober 2008 bei unverändert bestehender pflegebegründender Diagnose fest, dass kein Hilfebedarf mehr in der Grundpflege, jedoch ein Bedarf im hauswirtschaftlichen Bereich im Umfang von 34 Minuten vorliegt. Mit Bescheid vom 18. November 2008 hob die Beklagte daraufhin ihren Bescheid vom 11. Januar 2002 auf und teilte dem Kläger mit, dass die Leistungen zur Pflegeversicherung mit Ablauf des 30. November 2008 enden, da die Kriterien der Pflegestufe I nicht mehr erfüllt seien.
Hiergegen legte der Kläger mit Schreiben vom 15. Dezember 2008 Widerspruch ein. Zur Be-gründung ließ er über seinen Bevollmächtigten vortragen, dass er bereits vor Einführung der Pflegeversicherung Leistungen bezogen habe und diese nicht ohne Weiteres abgeändert werden dürften. Sein Gesundheitszustand habe sich nicht gebessert. Mit Schreiben vom 23. Februar 2009 erläuterte die Beklagte nochmals die Sach- und Rechtslage und gab dem Kläger Gelegenheit zur Stellungnahme. Mit Widerspruchsbescheid vom 30. April 2009 wies sie den Widerspruch zurück. Da der Hilfebedarf nicht streitig sei, habe sie auf ein Zweitgutachten verzichtet. Die tatsächlichen Verhältnisse hätten sich im Vergleich zur letzten Begutachtung vom 9. Juli 2001 und 20. Januar 1998 geändert, da der Kläger die Grundpflege selbst bewältigen könne. Der Bestandsschutz gelte nur für Einschätzungen, bei denen der Hilfebedarf gleich bleibe und sich die Beurteilung durch Veränderung der Richtlinie ändere. Diese treffe hier nicht zu. Deshalb sei auch die im Jahre 1998 erfolgte Rückstufung von der Pflegestufe II in die Pflegestufe I zu Recht erfolgt.
Der Kläger hat am 25. Mai 2009 vor dem Sozialgericht Gotha (SG) Klage erhoben und geltend gemacht, dass eine Abänderung der Einstufung aufgrund der gesetzlichen pauschalen Übernahme nach Artikel 45 Abs. l des Pflegeversicherungsgesetzes (PflegeVG) aller bisher Schwerpflegebedürftigen in die Pflegestufe II aufgrund des Gesetzestextes nicht möglich sei. Zudem bestehe sein heutiger Zustand unverändert seit dem 1. April 1995 fort. An seinem Ge-sundheitszustand habe sich nichts geändert. Aus diesem Grund greife der § 48 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) nicht. Eine Herabstufung wegen von Anfang an zu günstiger Einstufung komme nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) schon aus Rechtsgründen nicht in Betracht (Urteil vom 13.03.2001 - Az.: B 3 P 20/00 P). Die Nah-rungsaufnahme und die Körperpflege könnten nur eingeschränkt eigenständig erfolgen. Eine ständige Aufsicht und Kontrolle durch die Mutter und den Stiefvater sei nach wie vor geboten. Es werde zugestanden, dass sich durch das ständige Training und den regelmäßig gleichbleibenden Tagesablauf in einer gefestigten Umgebung in der Wohnung und in der Behindertenwerkstatt eine Routine entwickle. Er könne jedoch nur bedingt abstrakt denken und habe in der konstruktiven Praxis leichte Schwächen.
Die Beklagte ist dem entgegen getreten, da für die Herabstufung ein verringerter Hilfebedarf des Klägers im Vergleich zum Vorgutachten maßgeblich sei. Damit sei eine Änderung der tatsächlichen Verhältnisse eingetreten. Die Voraussetzungen des § 48 SGB X zur Aufhebung des die Pflegestufe I gewährenden Bescheids vom 3. Februar 1998 seien erfüllt. Bereits die Herabsetzung zum 1. Januar 1998 sei rechtmäßig gewesen, da sich der Hilfebedarf des Klägers geändert habe. Auch bei der Nachbegutachtung am 27. Oktober 2008 sei festgestellt worden, dass für den Kläger aufgrund der fortschreitenden Selbständigkeit, bestätigt durch eigene Angaben und Angaben der Mutter des Klägers, kein Hilfebedarf im Bereich der Grundpflege mehr bestehe. Im Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung habe sich der Hilfebedarf deutlich verringert. Bei dem Bescheid vom 11. Januar 2002 habe es sich lediglich um eine Mitteilung über die mit der Einführung des Euro zusammenhängende Währungsumstellung des Pflegegeldes gehandelt. Da diese Schreiben als Serienbriefe versandt worden seien, habe man auf die Erstellung von Kopien verzichtet.
Das SG hat, nachdem der Kläger mitgeteilt hat, dass er keine Ärzte mehr aufgesucht hat, ohne Erfolg versucht, bei den Behindertenwerkstätten, in denen der Kläger tätig war, medizinische Unterlagen oder Gutachten beizuziehen. Auch die Beklagte konnte aus den vorliegenden Ar-chivdaten keine behandelnden Ärzte feststellen. Daraufhin hat das SG ein Pflegegutachten durch die Pflegefachkraft W. erstellen lassen. Diese hat in ihrem Gutachten vom 6. Juli 2010 aufgrund der in häuslicher Umgebung durchgeführten Untersuchung keinen Grundpflegebedarf, jedoch im Rahmen der hauswirtschaftlichen Versorgung einen Hilfebedarf von 33 Minuten täglich festgestellt. Trotz der Entwicklungsverzögerung und des Intelligenztiefstandes des Klägers verfüge dieser über eine Selbstpflegekompetenz, die unterhalb des definierten Begriffes der erheblichen Pflegebedürftigkeit liege. Die Auswirkungen der Behinderungen auf die täglich wiederkehrenden Verrichtungen im Bereich der Körperpflege, Ernährung und Mobilität habe sich signifikant verändert. Auch der ehemals notwendige Anleitungs- und Beaufsichtigungsbedarf sowie die Durchführungskontrollen im Rahmen der Körperpflege, Ernährung und im Bereich des Bekleidens seien nicht mehr erforderlich. Die Verbesserung des Gesundheitszustandes liege mindestens seit Oktober 2008 vor.
Das SG hat sodann die ausweislich des in der mündlichen Verhandlung gestellten Antrags auf Aufhebung des Bescheids vom 18. November 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30. April 2009 gerichtete Klage mit Urteil vom 23. September 2010 abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, dass in den tatsächlichen Verhältnissen eine wesentliche Änderung eingetreten sei, da der Grundpflegebedarf des Klägers nicht mehr die Voraussetzungen für die Pflegestufe I erfülle. Der Pflegebedarf sei ausweislich des Sachverständigengutachtens inzwischen weggefallen, da der Kläger nunmehr keinen Anleitungs- und Beaufsichtigungsbedarf sowie keine Durchführungskontrollen mehr benötige. Auch im Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung habe sich der Hilfebedarf verringert. Entgegen der Auffassung des Klägers seien nach den Pflegerichtlinien für die Bestimmung des Hilfebedarfs nicht nur das Vorliegen einer Erkrankung, sondern auch deren Auswirkungen maßgeblich. Im Übrigen seien die Ausführungen der gerichtlichen Sachverständigen eindeutig und nachvollziehbar. Da der Kläger auch nicht mehr ärztlich behandelt worden sei, bestünden keine Anhaltspunkte für Zweifel an der wesentlichen Änderung des Hilfebedarfs.
Gegen das seinem Bevollmächtigten am 25. Oktober 2010 zugestellte Urteil hat der Kläger am 18. November 2010 Berufung eingelegt und zur Begründung geltend gemacht, dass die eingetretene Routine nicht bei der Beurteilung der Pflegebedürftigkeit berücksichtigt werden dürfe, da sich dies ändere, sobald er aus dem gewohnten Alltag heraus sei. Da sich sein Krankheitsbild seit der Einführung der Pflegeversicherung nicht gebessert habe, habe er nach wie vor Anspruch auf Leistungen nach der Pflegestufe II, hilfsweise nach der Pflegstufe I.
Der Kläger beantragt ausdrücklich, das Urteil des Sozialgerichts Gotha vom 23. September 2010 und den Bescheid der Beklagten vom 18. November 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30. April 2009 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm Leistungen nach der Pflegestufe II, hilfsweise nach der Pflegestufe I zu gewähren.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Sie ist der Auffassung, dass sich der pflegestufenrelevante Hilfebedarf des Klägers zwischen 1998 und 2008 wesentlich verändert habe, so dass der Bescheid vom 3. Februar 1998 habe aufgehoben werden können.
Die Beteiligten haben mit Schriftsätzen vom 12. Dezember 2013 (Kläger) sowie vom 3. Januar 2014 (Beklagte) ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird im Übrigen auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakte, die Gegenstand der geheimen Beratung waren, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die frist- und formgerecht eingelegte Berufung, über die der Senat im Einverständnis der Be-teiligten nach § 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) ohne Durchführung einer münd-lichen Verhandlung durch Urteil entscheidet, ist hinsichtlich des Anfechtungsbegehrens zulässig. Sie ist jedoch insoweit nicht begründet, weil die Anfechtungsklage des Klägers unbegründet ist.
Hinsichtlich des erstmals mit der Berufung geltend gemachten Leistungsbegehrens handelt es sich zum einen um eine Klage, die jedoch bereits unzulässig ist, da hierfür kein Rechtsschutzbedürfnis besteht. Bezüglich der begehrten Zuerkennung der Pflegestufe II fehlt es einerseits an einer den Kläger beschwerenden ablehnenden erstinstanzlichen Entscheidung. Soweit er dabei den Rückstufungsbescheid der Beklagten vom 3. Februar 1998 in Bezug nimmt, ist dieser andererseits hinsichtlich seines noch geltenden Rückstufungsteils bestandskräftig und hätte zunächst mit einem Antrag an die Beklagte nach § 44 SGB X zur Überprüfung gestellt werden müssen. Die entsprechenden Ausführungen im Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 30. April 2009 sind jedenfalls nicht als gesonderte Überprüfungsentscheidung zu werten, zumal der Kläger diesbezüglich im erstinstanzlichen Verfahren auch keinen entsprechenden Antrag gestellt hat.
Soweit der Kläger zum anderen hilfsweise die Zuerkennung der Pflegestufe I begehrt, ist dieses Begehren unzulässig, weil überflüssig, da bei einem Erfolg des zulässigen Anfechtungsbegehrens der die Pflegstufe I letztmalig zuerkennende Verwaltungsakt vom 6. November 2001 wieder aufleben und der Kläger weiterhin Leistungen nach der Pflegestufe I erhalten würde.
Die Anfechtungsklage ist jedoch unbegründet, da der Bescheid der Beklagten vom 18. November 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30. April 2009 rechtmäßig ist und den Kläger nicht in seinen Rechten verletzt. Die Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 SGB X liegen im Ergebnis vor.
Nach § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei dem Erlass des Ver-waltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Zu vergleichen sind nach § 48 Abs. 1 SGB X stets die zum Zeitpunkt des Widerrufs bestehenden tatsächlichen Verhältnisse mit jenen, die zum Zeitpunkt der letzten Leistungsbewilligung, bei der die Anspruchsvoraussetzungen vollständig geprüft worden sind, vorhanden gewesen sind.
Die maßgebende, weil letzte Leistungsbewilligung ist nicht, wie im angefochtenen Aufhe-bungsbescheid genannt, mit Bescheid vom 11. Januar 2002 erfolgt. Der Bescheid ist zwar nicht mehr in der Behördenakte vorhanden, der Senat hat jedoch angesichts des Vortrags der Beklagten keinerlei Zweifel daran, dass sich dieser Bescheid in der Umstellung der DM- auf Eurobeträge erschöpfte und hinsichtlich des Vorliegens der Voraussetzungen der Leistungsbewilligung keine erneute Prüfung enthielt. Damit erweist sich die Anfechtung des Bescheids vom 18. November 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30. April 2009 als gegenstandslos, weil ins Leere gehend, soweit die Beklagte die Aufhebung des Bescheids vom 11. Januar 2002 verfügt hat; soweit die Beklagte es unterlassen hat, den Bescheid vom 6. November 2001 ausdrücklich aufzuheben, weil sie diesen nicht als maßgeblich erkannt hat, sind die hier angefochtenen Bescheide nicht schon aus diesem Grunde aufzuheben (vgl. BSG, Urteil vom 7. Juli 2005 - Az.: B 3 P 8/04 R, nach juris). Sie stellen sich nämlich als im Ergebnis rechtmäßig dar, weil die Rechtsgrundlage des § 48 Abs. 1 dafür aus anderen Gründen gegeben war, kein Ermessen auszuüben war und der aufgezeigte Begründungsfehler auch nicht zur Nichtigkeit der angefochtenen Bescheide führt (§ 40 SGB X). Die zunächst unterbliebene Anhörung des Klägers ist im Widerspruchsverfahren nachgeholt worden.
Der angefochtene Bescheid vom 18. November 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30. April 2009 enthält bei zutreffender Auslegung seines Inhalts die Anordnungen, die Bewilligung von Pflegegeld nach der Pflegestufe I wegen Unterschreitung der zeitlichen Untergrenze des § 15 Abs. 3 Nr. 1 des Elften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XI) ab 1. Dezember 2001 aufzuheben und die Zahlung des Pflegegeldes mit dem 30. November 2008 einzustellen. Damit erfassen die Verfügungssätze bei Berücksichtigung des erkennbaren Willens der Beklagten nicht den (Währungsumstellungs-)Bescheid vom 11. Januar 2002, sondern den maßgebenden Bescheid vom 6. November 2001. Dieser Bescheid ist konkludent zu Recht nach § 48 SGB X mit Wirkung ab 1. Dezember 2008 aufgehoben worden, weil im November 2008 eine wesentliche Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen im Vergleich zum Jahr 2001 eingetreten war.
Eine wesentliche Änderung bezüglich des zeitlichen Umfangs der Pflegebedürftigkeit des Klägers ist nämlich (spätestens) mit Wirkung zum 1. Dezember 2008 insoweit eingetreten, als der Kläger nach den vorliegenden Unterlagen zu diesem Zeitpunkt keinerlei täglichen Hilfebedarf in der Grundpflege mehr hatte.
Maßgebend ist die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Erlasses des Bescheids. Der hier angefochtene Bescheid der Beklagten hinsichtlich der Aufhebung der Pflegestufe I ist ein bereits vollzogener Verwaltungsakt ohne Dauerwirkung. Er erschöpft sich mit dem Entzug der vormals bewilligten Leistung; sein Vollzug wird trotz der Klage sofort wirksam, weil diese keine aufschiebende Wirkung hat (vgl. BSG, Urteil vom 20. April 1993 – Az.: 2 RU 52/92). Eine erst später eintretende Rechtsänderung oder eine tatsächliche Änderung hat daher keine Auswirkungen auf die Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit des Aufhebungsbescheides zum Zeitpunkt seines Erlasses.
Der Kläger hat zu dem im Berufungsverfahren danach allein streitgegenständlichen Zeitpunkt der Aufhebung des Bewilligungsbescheids vom 6. November 2001 im November 2008 keinen Anspruch mehr auf Leistungen der sozialen Pflegeversicherung nach der Pflegestufe I (erheblich Pflegebedürftige) nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB XI gehabt.
Für die Gewährung von Leistungen des SGB XI sind gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 SGB XI pfle-gebedürftige Personen, die wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens auf Dauer, voraussichtlich für mindestens sechs Monate, in erheblichem oder höherem Maße (§ 15 SGB XI) der Hilfe bedürfen (vgl. § 14 Abs. 1 SGB XI), einer von drei Pflegestufen zuzuordnen. Pflegebedürftige der Stufe I (erheblich Pflegebedürftige) sind Personen, die bei der Körperpflege, der Ernährung oder der Mobilität für wenigstens zwei Verrichtungen aus einem oder mehreren Bereichen mindestens einmal täglich der Hilfe bedürfen und zusätzlich mehrfach in der Woche Hilfen bei der hauswirtschaftlichen Versorgung benötigen (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. SGB XI). Der Zeitaufwand, den ein Familienangehöriger oder andere nicht als Pflegekraft ausgebildete Pflegepersonen für die erforderlichen Leistungen der Grundpflege und hauswirtschaftlichen Versorgung benötigt, muss wöchentlich im Tagesdurchschnitt mindestens 90 Minuten betragen; hierbei müssen auf die Grundpflege mehr als 45 Minuten entfallen (§ 15 Abs. 3 Nr. 1 SGB XI). In der Pflegestufe II sind es mindestens drei Stunden, wobei auf die Grundpflege mindestens zwei Stunden (= 120 Minuten) entfallen muss (§ 15 Abs. 3 Nr. 2 SGB XI). Leistungen nach der Pflegestufe III erhalten Personen, welche die pflegerischen und zeitlichen Voraussetzungen des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 sowie Abs. 3 Nr. 3 SGB XI erfüllen (§§ 36 Abs. 3 Nr. 3, 37 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 SGB XI). Schwerstpflegebedürftige sind demnach Personen, die Hilfe bei der Körperpflege, der Ernährung und/oder der Mobilität (§ 14 Abs. 4 Nrn. 1 bis 3 SGB XI - sogenannte Grund-pflege) täglich rund um die Uhr, auch nachts, und zusätzlich mehrfach in der Woche bei der hauswirtschaftlichen Versorgung (§ 14 Abs. 4 Nr. 4 SGB XI) benötigen; der gesamte Pflegebedarf muss mindestens fünf Stunden (= 300 Minuten), die Grundpflege davon mindestens vier Stunden (= 240 Minuten) betragen.
Der zeitliche Umfang der notwendigen Hilfe ist, weil naturwissenschaftliche Erkenntnismög-lichkeiten, die eine exakte Bemessung des Zeitbedarfes für einzelne Verrichtungen ermöglichen könnten, in der Regel nicht existieren und standardisierte Zeiten oder Erfahrungswerte im Hinblick auf die jeweiligen individuellen Verhältnisse allenfalls einen Anhaltspunkt zur Ermittlung des Zeitaufwandes geben können, durch Schätzung entsprechend § 287 der Zivilprozessordnung (ZPO) an Hand der zur Verfügung stehenden medizinischen Feststellungen (z.B. Begutachtungsergebnisse medizinisch-pflegerischer Sachverständiger) zu bestimmen (vgl. BSG, Urteil vom 14. Dezember 1994 - Az.: 3 RK 9/94, in SozR 3 – 2500 § 53 Nr. 7; Senatsurteile vom 28. Februar 2001 – Az.: L 6 P 249/99, 24. Januar 2001 – Az.: L 6 P 348/00 und 20. Dezember 2000 – Az.: L 6 P 552/99).
Dabei orientiert sich der Senat an den Zeitvorgaben der Richtlinien der Spitzenverbände der Pflegekassen zur Begutachtung von Pflegebedürftigkeit nach dem XI. Buch des Sozialgesetz-buches – BRi (Begutachtungsrichtlinien – BRi) in der für den hier maßgeblichen Zeitpunkt im November 2008 gültigen Fassung vom 11. Mai 2006, hier Abschnitt F "Orientierungswerte zur Pflegezeitbemessung für die in § 14 SGB X genannten Verrichtungen der Grundpflege", ohne letztlich daran gebunden zu sein (vgl. BSG, Urteil vom 31. August 2000 - Az.: B 3 P 14/99 R, in Breithaupt 2001, S. 120 ff.).
Unter Beachtung dieser Vorgaben ergibt sich im Falle des Klägers, dass für den streitgegen-ständlichen Zeitpunkt im November 2008 die Voraussetzungen für das Fortbestehen eines Anspruchs auf Leistungen der sozialen Pflegeversicherung nach der Pflegestufe I (erheblich Pflegebedürftige) nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB XI nicht mehr vorlagen.
Insoweit verweist der Senat nach § 153 Abs. 2 SGG auf die Entscheidungsgründe des ange-fochtenen Urteils des SG und schließt sich den zutreffenden Ausführungen an. Zum Beru-fungsvorbringen des Klägers ist ergänzend auszuführen, dass zum einen die Auffassung, die eingetretene Routine dürfe nicht bei der Beurteilung der Pflegebedürftigkeit berücksichtigt werden, als fehlerhaft zu bezeichnen ist. Zu beurteilen ist vielmehr der tatsächliche Umfang der Pflegebedürftigkeit in der konkreten Lebenssituation des Versicherten. Hypothetische Überlegungen, wie sie der Kläger anstellt, indem er einwendet, dass sich der Umfang der Pflegebedürftigkeit ändere wenn er den gewohnten Alltag verlasse, sind für die Beurteilung dagegen ohne Belang.
Zum anderen hat sich der Pflegeaufwand entgegen der Ansicht des Klägers im Vergleich zur letzten Feststellung des Umfangs der Pflegebedürftigkeit im Jahr 2001 und dessen Bestätigung durch den Bescheid vom 6. November 2001 auch wesentlich geändert.
Unberücksichtigt kann hierbei der Umstand bleiben, dass der Pflegeaufwand bei der Herab-stufung von der Pflegestufe II in die Pflegestufe I im Jahr 1998 gegebenenfalls aufgrund feh-lerhafter Bewertung immer noch, wie im MDK-Gutachten vom 9. Juli 2001 beschrieben, zu hoch bemessen worden sein könnte, so dass dem Kläger bereits damals die Pflegestufe vollständig hätte entzogen werden müssen. Dies hat sich im Ergebnis zugunsten des Klägers nicht ausgewirkt, da sich die Beklagte damals laut Abhilfebescheid vom 6. November 2001 aufgrund der fehlenden qualitativen Änderung des Hilfebedarfs letztlich gehindert sah, den Bescheid vom 3. Februar 1998 aufzuheben. Auf die nunmehr eingetretene Änderung des Umfangs des Pflegebedarfs hat dieser Vertrauensschutz jedoch keine Auswirkungen mehr, da der Begünstigte sowohl bei rechtmäßiger als auch bei rechtswidriger Leistungsbewilligung damit rechnen muss, dass eine Überprüfung des Leistungsbezug erfolgt, wobei es allerdings bei einer rechtswidrigen Leistungsbewilligung schwieriger ist, einen Maßstab zu finden, der eine Beurteilung erlaubt, ob eine Änderung "wesentlich" ist (so BSG, Urteil vom 7. Juli 2005, a.a.O.).
Während der Kläger zum Zeitpunkt der letzten Leistungsbewilligung am 6. November 2001 zumindest einen täglichen Grundpflegebedarf im Umfang von mindestens noch 19 Minuten täglich hatte, war zum Zeitpunkt der Nachbegutachtung im Oktober bzw. November 2008 kein Grundpflegebedarf mehr feststellbar. Diesbezüglich wird ebenfalls auf die Entscheidungsgründe des angefochtene Urteils des SG Bezug genommen, wo ausführlich und überzeugend unter Hinweis auf die zeitnah erstellten MDK-Gutachten sowie das eingeholte gerichtliche Sachverständigengutachten dargelegt wird, weshalb der Hilfebedarf im Bereich der Grundpflege gänzlich entfallen ist und sich der Hilfebedarf im hauswirtschaftlichen Bereich nahezu halbiert hat. Wie bereits erwähnt, folgt dem der Senat. Diese Änderung des Hilfebedarfs ist auch wesentlich, obwohl durch die Verringerung des Hilfebedarfs in der Grundpflege von 19 Minuten täglich auf null keine Pflegestufengrenze unterschritten wird. Jedoch erachtet der Senat den aus der eingetretenen Veränderung des Hilfebedarfs resultierenden gänzlichen Entfall des Grundpflegebedarfs des Klägers als wesentlich, da insoweit der ursprüngliche Anleitungs- und Beaufsichtigungsbedarf einschließlich der Durchführungskontrollen nicht mehr besteht und der Kläger somit zu einem eigenständigeren Leben in der gewohnten Umgebung in der Lage ist.
Vertrauensgesichtspunkte des Klägers sprechen im vorliegenden Fall nicht gegen den Entzug der Pflegestufe, da alle Umstände, deren Änderung geltend gemacht wird, aus den erlassenen Bescheiden als maßgeblich erkennbar sind. Dem Bescheid vom 6. November 2001 im Zu-sammenhang mit den vorangegangenen Begutachtungen und dem Bescheid vom 3. Februar 1998 war für den Kläger hinreichend deutlich zu entnehmen, dass für die Leistungsbewilligung der jeweilige Pflegebedarf entscheidend war. Dieser Pflegebedarf hat sich, auch für den Kläger aus der Begutachtung vom 27. Oktober 2008 und dem Aufhebungsbescheid vom 18. November 2008 deutlich erkennbar, wesentlich verringert. Wie vom BSG in der zitierten Entscheidung (Urteil vom 7. Juli 2005, a.a.O.) ausgeführt, kann sich ein Betroffener in Fällen der vorliegenden Art zudem nur dann auf Vertrauensschutz gemäß § 45 SGB X berufen, wenn ein Sachverständiger im Rahmen einer Wiederholungsbegutachtung (§ 18 Abs. 2 Satz 5 SGB XI) bei unverändertem Gesundheitszustand lediglich durch eine "strengere" Einschätzung des erforderlichen Hilfebedarfs zu dem Ergebnis gekommen ist, der Grundpflegebedarf liege nicht, wie zuvor angenommen, über der Zeitgrenze des § 15 Abs. 3 Nr. 1 SGB XI, sondern darunter. Beruht jedoch die Änderung des Hilfebedarfs auf einer Verbesserung des Allgemeinzustands des Betroffenen, ist für einen Vertrauensschutz nach § 45 SGB X kein Raum, weil dieser nur für die zum Zeitpunkt der Leistungsbewilligung maßgebenden und danach nicht oder nicht wesentlich geänderten Umstände gilt. Dies war beim Bescheid vom 6. November 2001 der Fall, nicht mehr jedoch beim streitgegenständlichen Bescheid vom 18. November 2008.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs.2 Nr.1, 2 SGG).
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